Spielen und Gestalten

Transkript

1 Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens Spielen und Gestalten Unbesetzt Ein Weihnachtsspiel von Tobias Petzold

2 Unbesetzt Ein Weihnachtsspiel von Tobias Petzoldt K 81 Personen Die Das Die Die alte Frau Das Der Der Krippenspieler Ein Ein Penner Ein Zugansager Ein Engel Weihnachtsspielangebot 2003 Tobias Petzoldt, Unbesetzt, K 81 Die Aufführungserlaubnis wird durch den Kauf von 12 Heften erworben. Unkostenpreis pro Heft: 0,75 EUR Herausgegeben als Arbeitsmaterial für die Weihnachtszeit vom Ev.-Luth. Landesjugendpfarramt Spielen & Gestalten Musisch-Kulturelle Bildung Caspar-David-Friedrich-Straße Dresden

3 1. WARTEN Leute warten. Tun ihre Dinge. Die Abfahrtszeit ist nah. eilt dazu, Baum in der Hand. Schon weg? Noch nicht durch. Kommt er noch!? Sicher, er kommt noch. schlägt die Zeitung zusammen Muss ja kommen. Er ist also noch nicht durch? Krippenspieler Wir warten doch alle. Vielleicht hat er Verspätung. Hauptsache, er kommt. Die Zeit ist jedenfalls ran. Jetzt müsste er kommen. Vielleicht ist er zu früh gekommen? Gibt's ja gar nicht, dass einer zu früh kommt. Na, da kenne ich einige. Und wenn er gar nicht kommt? Dann würden die was sagen. Dann müssen sie einen Ersatz schicken. Oder uns ein Hotel bezahlen. Aber Sie warten doch auch auf den Zug, oder? Denken Sie, wir warten auf den Weihnachtsmann? lacht, Penner wacht auf Krippenspieler Man müsste mal jemanden fragen. Wen denn?

4 Krippenspieler Einen von hier. Penner Da könnt ihr lange warten. Wie bitte? Der Herr meint, hier ist nicht mehr besetzt. Ist nicht besetzt. Was heißt das denn? Krippenspieler Hier ist niemand mehr. Wir sind doch da. Krippenspieler Wir ja. Aber keiner von der Bahn. Keiner, der Fahrkarten verkauft oder die Pfeife hält oder Mitropabockwurst serviert. Auch wenn ich eine Bockwurst jetzt gut vertragen würde. Aber der Zug kommt doch, Mutti? Sicher, er kommt. Wir müssen doch da sein, wenn der Weihnachtsmann bei der Oma ist. Aber nicht, dass wir den Weihnachtsmann verpassen. Vielleicht ist er schon weg, wenn wir kommen. Der Weihnachtsmann wartet solange, bis wir da sind. Er hat doch mit seinen Zwergen wochenlang an unseren Geschenken gebastelt. Da will er sie uns auch geben, oder? Ja. Vielleicht kommt er ja auch nicht. Fahrplanänderung, Zugausfall, Streckenstilllegung. Heutzutage ist so viel möglich. Aber verlassen kann man sich auf nichts mehr. Krippenspieler Dann hätten die bestimmt was gesagt. Mutti, aber du hast doch gesagt, der Zug kommt? Der Onkel macht bloß Spaß. Die werden uns doch Weihnachten hier nicht alleine rumsitzen lassen. zu sich Zum Glück werde ich bald hier abgeholt.

5 Penner Es wäre jedenfalls das erste Weihnachtsfest für mich, das ich auf dem Bahnhof verbringe. Für mich nicht. 2. UNRUHE Leute laufen rum, telefonieren, sitzen, gucken alle in die Richtung, aus welcher der Zug kommen soll Leise rieselt der Schnee. Krippenspieler Wann kommt er denn nun endlich? Jetzt könnte aber wirklich mal was passieren. Langsam werde ich verrückt. Früher gab es so was nicht. Krippenspieler Wir warten hier und warten und die Säcke von der Bahn sitzen längst in ihren gemütlichen 70 Quadratmetern und spielen Stille Nacht. Wenn hier nicht bald was passiert, pfeif ich auf den Zug und laufe. Bei dem Schnee? Wenigstens durchsagen könnten die mal was. Beginnt mit dem Papiersterne zu basteln. Ich will zur Oma. heult Krippenspieler Ich muss in die Kirche. Ich mache mit beim Krippenspiel. Ich habe eine Fahrkarte. Ich habe bezahlt. Jetzt will ich endlich einen Zug. Ordnung muss sein. Ich glaub, der kommt nicht. fängt an zu weinen, tröstet. Hoffentlich kommt er bald und holt mich hier ab.

6 Penner telefoniert, ruft ins Telefon Ich kann doch nichts dafür. Zur Not fährt heute Nacht noch einer. Ich kann aber nicht stundenlang hier sitzen. Das muss ins Bett! tröstet seine Zum Glück kommt er bald. schreit ins Telefon Ich wollte sowieso nicht am Heiligen Abend so weit weg. Ihr habt Sorgen. 3. KENNENLERNEN Leute haben sich meistenteils hingesetzt, sitzt neben liest laut die Beschmierungen vor RONNY WAR HIER. ZECKE VERECKE. SANDRA LIEBT RICO. NAZIS RAUS. VFB HOOLS. RUF MICH AN Krippenspieler lernt seine Rolle Ihr guten Leute es ist schön So viele Menschen hier zu sehn Wir danken sehr für euer Kommen Maria ist noch ganz benommen von dem Ereignis dieser Nacht Deshalb ist es nun angebracht Das euer Abschied bald nun naht Das alles seine... Hören Sie auf, das nervt. Krippenspieler...Ordnung hat. Wir sollten hier verschwinden. Wir können doch nicht. Krippenspieler Warum? Weil er noch kommt.

7 Krippenspieler Wer? Der Zug Krippenspieler Vielleicht. Irgendwie ist das alles hier doch irre spannend. Wir sitzen hier und warten und wissen nicht, wie der Tag heute noch weiter geht. Und Weihnachten ist auch. Weihnachten! Das ist ein Tag wie jeder andere! Das ist höchstens für solche Zwerge hier noch etwas besonderes. Für mich ist Weihnachten auch was besonderes. Krippenspieler Weihnachten ist für alle was besonderes. Zum Beispiel spielen wir Weihnachten in unserer Kirche immer ein Krippenspiel. Da ist die Kirche voll wie nie in unserem Dorf. Ich müsste eigentlich in einer Stunde dort sein. Krippenspiel mit Maria und Josef. Ohne Josef kommt nicht so gut. Ich habe zwar von dem Kirchenzeug keine Ahnung. Aber der Jesus ist meines Wissens doch auch ohne Josef entstanden. Da kann er doch auch ohne Josef im Stall liegen. Krippenspieler Der Josef muss danebenstehen. Das ist in jedem Krippenspiel so. Außerdem, die Leute wollen das so sehen. Und überhaupt geht das mit unserem Text sonst gar nicht auf. Immer dieses Weihnachtstheater. Ich bin jedes Jahr froh, wenn es vorbei ist. Ein halbes Jahr vorher gibt es schon Weihnachtszeug. Dann dieser Stress. Und die Musik. Grausam. Und wo fahren sie jetzt hin mit ihren Bergen von Geschenken? Ich stehe hier in der Kälte und friere mir die Nase platt, um dann mit meiner geschiedenen Frau glückliche Familie zu spielen, wegen der er!

8 Schweigen Aber die er freuen sich doch, wenn sie ihren Vater sehen. Dafür hat mein Anwalt zwei Tage im Monat ausgehandelt. Das muss nicht Weihnachten sein. Ich finde es immer schön, wenn Weihnachten die ganze Familie zusammen ist. Wann kommt er denn endlich? Gleich. Also ich finde auch, Weihnachten ist was besonderes. Ich habe mir dieses Jahr sogar wieder einen Baum gekauft. Den stelle ich mir in mein Wohnzimmer. Haben Sie er? Nein. Wo fahren Sie denn hin? Zu meinen ern. Da haben Sie ja auch was auf sich genommen, bei dem Wetter. Besser als Weihnachten alleine sein. Ich denke immer, Weihnachten 44, auf der Flucht, im Schnee in Ostpreußen, schlimm. Da wären wir froh gewesen, etwas wie einen Bahnhof mit Dach gehabt zu haben. Und wohin fährst du? Heim. Und wo kommst du jetzt her? Arbeit. hartnäckig Was arbeitest du denn? Ausbildung, Hotelfachfrau. Zu Hause findet man ja nichts. Harte Zeiten.

9 Geht so. Und jetzt fahre ich zu meinem Freund. Der holt mich hier ab. Und dann machen wir im Club heute Abend ordentlich Party. Da sieht man endlich mal alle wieder. weicht etwas zurück Und? Warum kommt er nicht? Weiß nicht. Vielleicht was dazwischen gekommen. Ruf ihn doch an. Mach ich ja. Dauernd. Kein Empfang oder Mailbox. Vielleicht hat er es vergessen. Doch, der kommt. Alle Sie sagen doch, der Bahnhof hier sei unbesetzt. Wenn der Bahnhof unbesetzt ist, vielleicht sollten wir ihn besetzen? Hä? Na ja, anders besetzen. Bahnhofsbesetzung. Mensch klar, das Haus steht doch leer. Wir gründen eine autonome Republik. Wir bauen uns die Zimmer aus und streichen alles bunt an. Und abends kochen wir zusammen. Einmal in der Woche ist Plenum, und jeder sagt, wie es ihm geht. Niemand ist alleine, und jeder kümmert sich um jeden. Und dann feiern wir Weihnachten zusammen. Großes Fest. Jedes Jahr. Und hier unten stellen wir einen großen Weihnachtsbaum auf, und jeder der alleine ist kann kommen. Kann mir was schöneres vorstellen. Einmal hier zu Weihnachten, das reicht mir für den Rest. Aber wir müssen doch gar nicht hier bleiben. Der Zug kommt doch noch! Genau, recht hat das. Krippenspieler Ihr glaubt auch an den Weihnachtsmann.

10 Ja. Nee, aber daran, dass man uns hier nicht alleine lässt. Krippenspieler Aber genau das ist doch der Fall. Seit Ewigkeiten keine Ansage, kein Zeichen, kein Irgendwas. Und draußen schneit es und schneit und wir wollen nach Hause. Ich muss zu meinem Krippenspiel. Schweigen Also ich versuche jetzt mal, mich durchzuschlagen. Wo willst du denn hin? Krippenspieler Trampen oder Taxi, jedenfalls hier weg. Sonst verbringe ich den Heiligen Abend wirklich noch auf dem Bahnhof. Ein Leichtsinn, bei dem Schnee. Krippenspieler Ich versuch es mal. geht Warte, ich komme mit. 4. AUSBRUCH Auf dem Weg Komisch, am Heiligen Abend nicht zu Hause zu sein und in einem wildfremden Nest festzusitzen. Krippenspieler Ja. Vor allen Dingen fängt in einer halben Stunde unser Krippenspiel an. Ich will eigentlich am liebsten gar nicht heim. Weihnachten sollen bei uns immer alle so tun, als wäre alles schön. Das ist ein ungeschriebenes Gesetzt in unserer Familie. Spätestens am ersten Feiertag fängt meine dann an zu heulen und mein Vater sitzt stumm hinterm Fernseher. Fröhliche Weihnachten. Krippenspieler Schade. Ja. Gehst du eigentlich immer in die Kirche? Krippenspieler Immer nicht. Manchmal eben. Glaubst du auch an Gott? Krippenspieler Na ja, eigentlich schon.