Konjunkturprognose Frühjahr Auslandskonjunktur. Ansprechpartner: Galina Kolev 1
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1 Konjunkturprognose Frühjahr 2015 Auslandskonjunktur Ansprechpartner: Galina Kolev 1 Weltwirtschaft: Zunehmende Dynamik durch niedrigen Ölpreis? Die langsame Erholung der Weltwirtschaft setzte sich auch zum Jahreswechsel 2014/2015 trotz weiterhin bestehender geopolitischer Risiken ununterbrochen fort. Hierbei zeigt sich sowohl bei den Industrieländern als auch bei den Schwellenländern ein gemischtes Bild. Das reale Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten fiel im letzten Quartal 2014 auf 0,5 Prozent (gegenüber dem Vorquartal), so dass für das Jahr 2014 eine Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Produktion von 2,4 Prozent verbucht wurde. Doch die abnehmende Dynamik folgte einem kräftigen Anstieg des realen Bruttoinlandsproduktes um 1,2 Prozent so hoch wie zuletzt vor mehr als zehn Jahren. Im Vereinigten Königreich bleibt die Wachstumsdynamik ebenfalls stabil. Die japanische Wirtschafte zeigte im letzten Quartal 2014 ein reales Wachstum von 0,4 Prozent, so dass die technische Rezession beendet wurde. Auch im Euroraum stabilisiert sich langsam die Lage die vormaligen Krisenstaaten Irland, Spanien und Portugal befinden sich nach erfolgten Strukturreformen bereits seit geraumer Zeit auf dem Erholungspfad (Matthes, 2015). Einzig in Griechenland bleibt die Unsicherheit seit den Neuwahlen hoch, was zwar ein gewisses Risiko für die Wirtschaftsstabilität in den anderen Euroländern darstellt; doch der Euroraum ist aktuell durch eine Reihe von Auffangmechanismen besser gewappnet, um mit solchen Risiken umzugehen. Von den großen Schwellenländern hat sich die konjunkturelle Lage insbesondere in Indien stabilisiert. Die indische Wirtschaft konnte im Jahr 2014 um 7,2 Prozent zulegen. In China bleibt die wirtschaftliche Dynamik im Langfristvergleich schwach. Das reale Wirtschaftswachstum belief sich 2014 auf 7,4 Prozent, Tendenz fallend. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie bewegt sich seit Ende 2014 um die Expansionsschwelle von 50 Punkten und lag im März bei 49,6 Punkten. In Brasilien hemmen der Reformstau sowie die Abhängigkeit von den Preisen von Primärgütern die konjunkturelle Erholung nach wie vor, so dass im Jahr 2014 ein Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes von 0,1 Prozent verbucht wurde. Die russische Wirtschaft bewegt sich am Rande der Rezession, getrieben durch die angespannten Wirtschaftsbeziehungen zu wichtigen Handelspartnern im Zuge des Ukraine-Konflikts sowie durch den Ölpreisverfall im Laufe des Jahres Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Tel , kolev@iwkoeln.de 1
2 Zunehmende Dynamik durch den niedrigen Ölpreis Insgesamt dürfte die Weltwirtschaft von dem Rückgang des Ölpreises in den letzten Monaten profitieren. Das Institute of International Finance prognostiziert eine Zunahmen des globalen Wirtschaftswachstum um etwa 0,4 Prozent aufgrund des Ölpreisverfalls der Großteil dürfte bereits im Rahmen des Prognosezeitraums realisiert werden (IIF, 2014). Die Prognose des Internationalen Währungsfonds zeigt, dass hierdurch ein Wachstumsimpuls von 0,3-0,7 Prozent für 2015 zu erwarten ist (Arezki / Blanchard, 2014). Auch wenn der erwartete Effekt des Ölpreisverfalls auf die Weltwirtschaft insgesamt positiv ist, hängt der Effekt auf die einzelnen Länder von ihrer Abhängigkeit vom Handel mit Rohöl und Rohölprodukten ab. Abbildung 1 zeigt den Überschuss der Ölexporte über den Importen (als Anteil des BIP) für die größten 20 Exportzielländer Deutschlands sowie für Brasilien, Indien, Griechenland, Portugal und Irland. Länder mit einem hohen Defizit in der Ölhandelsbilanz dürften besonders von der Entwicklung der Ölpreise in den letzten Monaten profitieren. Tatsächlich sind 18 der 20 wichtigsten Exportzielländer für die deutsche Wirtschaft Nettoölimporteure. Unter den dargestellten Industriestaaten haben Frankreich, Belgien, Niederlande, Österreich, Spanien, Irland und Griechenland ein Ölhandelsbilanzdefizit von über 2 Prozent. Bei diesen Ländern dürfte die Entlastung des Budgets der Haushalte den Privaten Konsum von anderen Gütern stimulieren und somit die Wirtschaftsaktivität positiv beeinflussen. Für den Euroraum insgesamt ist aufgrund der starken Abhängigkeit von Ölimporten ebenfalls ein positiver Effekt durch den niedrigen Ölpreis zu erwarten. Abbildung 1. Deutsche Handelspartner: Ölhandel und Wechselkurs 50,0 40,0 30,0 20,0 10,0 0,0-10,0-20,0 Anteil an den deutschen Warenexporten (Prozent, rechte Achse) Überschuss der Ölexporte über den Importen (Prozent des BIP) Abwertung gegenüber dem Euro seit Anfang 2014 (Prozent) 14,0 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0 Quelle: UNCTAD, Eurostat, Statistisches Bundesamt 2
3 Der Effekt des Ölpreisverfalls auf die Schwellenländer insgesamt ist geringer als bei den Industrieländern. Dies liegt an der Tatsache, dass einige Schwellenländer Nettoölexporteure sind und stark von den Öleinnahmen abhängig sind (Grömling / Kolev / Matthes, 2015). Für die deutsche Wirtschaft von besonderer Bedeutung sind vor allem Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Die Einnahmen des russischen Staates sind stark abhängig vom Erlös aus dem Ölgeschäft mehr als die Hälfte der Staatseinnahmen kommen aus dem Ölgeschäft. Das Budgetdefizit nach Abzug der Öleinnahmen würde im zweistelligen Bereich liegen. Zwar ist die Staatsverschuldung mit etwa 13 Prozent vergleichsweise gering. Doch allein seit dem Krisenjahr 2009 ist eine Zunahme der Staatsverschuldung um 70 Prozent zu verzeichnen. In den VAE ist die Abhängigkeit von dem Ölgeschäft noch größer, doch der Staat verfügt über hohe Währungsreserven sowie Anlagen im Ausland, so dass die Ölpreisschwankungen gut aufgefangen werden können. Unter den Profiteuren vom Ölpreisverfall sind etwa Länder wie China, Polen, Tschechien, Ungarn. Der größte positive Effekt ist allerdings in Südkorea und Indien zu erwarten. Das Defizit in der Ölhandelsbilanz liegt in Korea bei 6,3 Prozent und in Indien bei 4,5 Prozent. Bereits im Oktober nutzte die indische Regierung die Entwicklung der Ölpreise, um die Dieselpreise zu deregulieren. Das freigegebene Budget kann dann etwa für Investitionsprojekte ausgegeben werden, was die konjunkturelle Entwicklung stimulieren dürfte. Sowohl die Industrieländer als auch die Nettoölimporteure unter den Schwellenländern werden im laufenden Jahr positive Impulse vom niedrigen Ölpreis erhalten. Doch der erwartete Anstieg der Ölpreise im Laufe des Prognosezeitraums dürfte die konjunkturelle Dynamik im Jahr 2016 etwas abschwächen. Globale Auswirkungen der geldpolitischen Divergenzen Neben der Ölpreisentwicklung wird das weltwirtschaftliche Bild durch die geldpolitischen Entscheidungen in großen Industrieländern und ihre Auswirkung auf die Wechselkursbewegungen stark beeinflusst. Die im Euroraum gestarteten Wertpapierkäufe haben das Vertrauen sowohl von Konsumenten als auch von Unternehmen erheblich verbessert. Der Markit Composite Einkaufsmanagerindex im Euroraum nahm im März um 0,7 Punkte auf 54,0 Punkte zu. Während die EZB den Expansionskurs weiter verstärkte, ist bei der Geldpolitik der Federal Reserve eine Zinswende im Laufe des Prognosezeitraums, aller Voraussicht nach bereits im Jahr 2015, zu erwarten. Der Zinsanstieg dürfte aber sehr langsam erfolgen und bereits von den Wirtschaftsakteuren eingepreist sein, so dass keine starken Turbulenzen etwa auf den Kapitalmärkten wie im Mai 2013 zu erwarten sind. Zudem ist zu betonen, dass die Kapitalbewegungen und die Wechselkursentwicklung in den Schwellenländern nicht nur durch die geldpolitischen Entscheidungen in den Industriestaaten beeinflusst werden, sondern viel mehr das Ergebnis von Langfristfaktoren wie etwa die andauernd gedämpfte Wirtschaftsentwicklung sind (Kolev, 2015). Die unter anderem aus dem divergierenden geldpolitischen Kurs der zwei größten Wirtschaftsräume weltweit resultierende Abwertung des Euros dürfte einen positiven Impuls 3
4 für die Konjunktur der Eurostaaten geben. Der Effekt wird insbesondere in den Ländern von Bedeutung sein, die einen hohen Offenheitsgrad sowie einen hohen Anteil des Handels mit Nicht-Eurostaaten aufweisen. Laut Abbildung 2 wird somit insbesondere Irland stark von der Wechselkursentwicklung profitieren. Aber auch Länder wie Griechenland und die Niederlande dürften den positiven Effekt zu spüren bekommen. Negative Effekte durch die Wechselkursentwicklung sind aufgrund der starken Aufwertung der Währungen hingegen etwa in der Schweiz, in den USA und in China zu erwarten. Abbildung 2. Internationaler Handel ausgewählter EU-Mitgliedstaaten 210 Irland Offenheitsgrad (Exporte und Importe als Anteil am BIP) 190 Ungarn 170 Niederlande Belgien Tschech. Rep Dänemark Österreich Polen 90 Deutschland Schweden Portugal Euroraum Griechenland 70 UK Spanien Frankreich Italien Anteil des Euroraums am Warenhandel Quelle: Eurostat IW-Auslandsprognose In Zeiten billigen Geldes und billigen Öls zeichnet sich für den Prognosezeitraum insgesamt folgendes weltwirtschaftliches Bild (Tabelle 1). Die konjunkturelle Dynamik in den USA und im Vereinigten Königreich dürfte aufrechterhalten bleiben. In den USA dürfte aufgrund der starken binnenwirtschaftlichen Dynamik und des geringen Anteils der Exporte am BIP das reale Wirtschaftswachstum weiter auf etwa 3 Prozent zunehmen. Im Euroraum wird sich die Erholung nach der Schuldenkrise weiter fortsetzen. Insbesondere die Krisenstaaten und Deutschland werden dafür sorgen, dass das Wirtschaftswachstum in den Jahren 2015 und 2016 die 1-Prozent-Marke überschreitet. Die großen Schwellenländer werden insgesamt weiterhin eine gedämpfte Dynamik zeigen. In China wird das Wirtschaftswachstum unter 7 Prozent sinken. Einzig in Indien wird eine Fortsetzung der konjunkturellen Dynamik erwartet. Die russische Wirtschaft wird hingegen im Jahr 2015 einen Rückgang der 4
5 gesamtwirtschaftlichen Aktivität verzeichnen, dessen Ausmaß entscheidend von dem weiteren Verlauf des Ukraine-Konflikts abhängt. Tabelle 1. IW-Auslandsprognose Veränderung des realen BIP gegenüber dem Vorjahr in Prozent Deutschland 1,6 2 ¼ 1 ½ Frankreich 0,4 1 1 Italien -0,4 ¾ 1 Spanien 1,4 2 ½ 2 ½ Niederlande 0,8 1 ½ 1 ½ Belgien 1,1 1 ½ 1 ¾ Österreich 0,3 1 ¼ 1 ½ Finnland -0,1 ¾ 1 Irland 4,8 3 ¼ 3 ¼ Griechenland 0,9 ¼ 1 ¼ Portugal 1,0 1 ½ 1 ¾ Euroländer 1) 2) 0,9 1 ½ 1 ½ USA 2,4 3 3 Japan -0,1 1 1 ½ Vereinigtes Königreich 2,6 2 ½ 2 ½ Kanada 2,5 2 ½ 2 ½ Schweiz 2,0 1 ½ 1 ½ Industrieländer 1) 3) 2,0 2 ½ 2 ½ Brasilien -0,1 1 1 ¼ China 7,4 7 6 ¾ Indien 7,2 6 ¼ 7 Russland 0,4-3 0 BRIC 1) 5,3 4 ¾ 5 Weltwirtschaft 2,6 3 3 ¼ Nachrichtlich: Welthandelsvolumen 3,1 3 ½ 4 ½ 1) Gewicht: BIP ) Ohne Slowakische Republik, Slowenien, Malta, Zypern, Luxemburg und Estland. 3) Gewichteter Durchschnitt der hier außerhalb des Euroraums angegebenen Industrieländer. Quellen: IWF; Consensus Forecasts; Eurostat; Weltbank; Institut der deutschen Wirtschaft Köln 5
6 Literatur Arezki, R. / Blanchard, O., 2014, Seven Questions about the Recent Oil Price Slump, IMFdirect The IMF Blog, Dezember 2014 Grömling, Michael / Kolev, Galina / Matthes, Jürgen, 2015, Auswirkung des Energiepreisverfalls auf den deutschen Außenhandel, Gutachten für den Aussenhandelsverband für Mineralöl und Energie und für die Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland. IIF, 2014, After the Fall Consequences of Lower Oil Prices, Dezember 2014, Institute of International Finance, Washington D.C. Kolev, Galina, 2015, On the nature of shocks driving exchange rates in emerging economies, FIW Working Paper No. 146 Matthes, Jürgen, 2015, Strukturreformen der Krisenländer, IW Policy Paper Nr. 5 6
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