M9 Warum feiern wir Sankt Martin?

Transkript

1 M9 Warum feiern wir Sankt Martin? Die Tatsache, dass wir noch heute das Martinsfest feiern, verdanken wir einem Mann mit Namen Sulpicius Severus. Er war von dem Lebensweg Martin von Tours so begeistert, dass er eine beschwerliche Reise auf sich nahm, um ihn persönlich kennen zu lernen. Später, nach dem Tod von Martin, schrieb Sulpicius Severus die Lebensgeschichte von Martin in der lateinischen Sprache auf. Diese wichtige Textquelle ist uns bis heute überliefert. Bereits in der damaligen Zeit haben viele der Menschen, die lesen konnten, die Lebensgeschichte von Martin gelesen. Andere haben die Geschichten mündlich weitererzählt oder durch Bilder darzustellen versucht. Schon bald wurde Martin zu einem beliebten Volksheiligen. Doch werfen wir zunächst einen Blick auf sein Leben. Zu Beginn des 4. Jahrhunderts wurde Martin in Sabaria, das liegt im heutigen Ungarn, geboren. Damals war die Gegend eine Provinz innerhalb des großen und mächtigen römischen Reiches. Kaiser Konstantin der Große war der oberste Herrscher. Vor allem in die Provinzen schickte der Kaiser seine Legionen, um die Grenzen gegenüber den Feinden zu sichern. Martins Vater gehörte als Offizier diesem Legionsheer an. Er war Berufssoldat. Martins Eltern waren römische Staatsbürger. In der damaligen Zeit war es üblich, dass der Sohn eines Berufssoldaten ebenfalls in das römische Heer eintreten musste. Schon mit 15 Jahren wurde Martin Soldat und bald in die berittene Truppe des Kaisers aufgenommen. Er wurde nach Gallien im heutigen Frankreich versetzt und erhielt nach einiger Zeit den Rang eines Offiziers. Martin hatte schon früh den Wunsch gehabt, Christ zu werden. Damals konnte man sich jedoch nicht so einfach taufen lassen, sondern musste sich zur Taufe bewerben. Das tat Martin. Fortan galt er als Katechumene und lernte die biblischen Geschichten kennen. An diese Geschichten erinnerte er sich, als er in der Stadt Amiens einem Bettler begegnete. Diese Begegnung veränderte Martins Leben grundlegend. Zum nächsten Osterfest durfte er sich taufen lassen. Immer öfter dachte Martin nun über die Frage nach, was der angemessene Lebensweg für einen Christen sein könnte. Er spürte, dass sein Dienst in einer Kriegsarmee nur schlecht mit dem Christentum zu vereinbaren sei. Aus diesem Grund gab Mar- Der Trinitatisfestkreis 55

2 tin sein Schwert zurück, trat aus der Armee aus und begab sich auf Wanderschaft. Ihn beschäftige die Suche nach dem richtigen Weg für ein christliches Leben. Dabei begegnete er dem Bischof Hilarius in Poitiers. Dieser wurde Martins geistlicher Lehrer. Später weihte er Martin zum Priester. Immer wieder zog sich Martin in die Einsamkeit zurück. Christen, die von Martin gehört hatten, besuchten ihn und wollten das Leben in Einsamkeit mit ihm teilen. So entstand eine der ersten Klostergründungen in der Geschichte des Christentums. Die Brüder lebten in einer Gemeinschaft, die durch Arbeit und Gebet geprägt war. Im Jahre 371 n. Chr. ereignete sich, dass in der Stadt Tours ein neuer Bischof gewählt werden musste. Damals wurden die Bischöfe noch vom Volk direkt benannt. Martin wollte eigentlich nicht Bischof werden. Die Legende erzählt, dass er sich in einem Gänsestall versteckt hielt, um seine Wahl zum Bischof zu verhindern. Doch das laute Geschnatter der Gänse verriet ihn, so dass er doch Bischof von Tours wurde. Daher stammt auch die Namensbezeichnung Martin von Tours. Martin aber änderte seinen einfachen Lebensstil auch als Bischof nicht. Er lebte zusammen mit seinen Brüdern in einer kleinen Einsiedelei vor den Toren der Stadt. Hieraus entstand später das Kloster Marmoutier. Martin starb am 8. November 397 in Candes. Am 11. November wurde sein Leichnam in Tours begraben. Sein Grab wurde bald zu einer Pilgerstätte. 56 Der Trinitatisfestkreis

3 M10 Martin und der Bettler Kalt wehte der Wind. Schnee bedeckte die Landschaft. Schon früh war in diesem Jahr der Winter eingezogen. Martin spürte die Kälte. Gemeinsam mit anderen Soldaten war er im Auftrag des Kaisers unterwegs. Martin gehörte zu der berittenen Truppe des römischen Heeres. Das war etwas Besonderes. Ihre Soldatenuniformen mit den weiten Mänteln und die prächtigen Reitpferde machten großen Eindruck. Die Hufe der Reitpferde waren auf den Gassen der Stadt zu hören. Die Menschen sprangen zur Seite und warteten bis die Soldaten vorbei geritten waren. Dann beeilten sie sich, in ihre warmen Stuben zu kommen. Niemand wollte bei diesem kalten Wetter länger als nötig in der Stadt unterwegs sein. Auch die Soldaten hatten es eilig. Noch trabten die Pferde durch die Gassen der Stadt Amiens, aber gleich würden sie das Stadttor erreicht haben und dann würde es zügig im Galopp weitergehen. Martin zog seinen Mantel, der ihm nachts auch als Schlafdecke diente, wenn er unterwegs war, enger um seinen Körper. Seine Hände froren, aber er konnte die Zügel seines Reitpferdes ja nicht loslassen. Plötzlich schnaubte sein Pferd auf. Was war das? Am Stadttor von Amiens kauerte ein Bettler. Er zitterte vor Kälte. Er bat um Hilfe, aber die Leute aus der Stadt gingen achtlos an dem Bettler vorüber. Martin hielt sein Pferd an. Seine Begleiter, die hinter ihm her geritten waren, mussten ebenfalls anhalten. Martin überlegte kurz, was er tun sollte. Dann zog er sein Soldatenschwert, nahm seinen Mantel und teilte ihn mit Hilfe des Schwertes in zwei Hälften. Eine Hälfte reichte er dem Bettler und die andere Hälfte warf er sich notdürftig um seinen Körper. Der Bettler dankte Martin, denn er hatte ihn in dieser Nacht vor dem Kältetod bewahrt. Martins Kameraden aber verspotteten ihn: Schau dich mal an! Wie siehst du denn aus? Du hast dich zum Gelächter der Leute gemacht! Martin hörte nicht auf sie. Er ritt eilends weiter. In der Nacht, die Martin in seiner Mantelhälfte verbringen musste, erschien ihm Jesus im Traum. Jesus war mit der anderen Hälfte des Mantels bekleidet. Er sagte zu Martin: Was du dem geringsten meiner Brüder getan hast, das hast du mir getan. nach der Legende aus der Vita des Heiligen Martin von Tours von Sulpicius Severus Der Trinitatisfestkreis 57

4 M11 Aufgaben zur Geschichte Martin und der Bettler 1. Nenne die Stadt, in der Martin von Tours geboren worden ist! 2. Weißt du, in welchem Land diese Stadt liegt? 3. Martin arbeitete in der Armee. In der Geschichte wird in diesem Zusammenhang eine Stadt genannt, die im heutigen Frankreich zu finden ist. Kannst du dich an den Namen dieser Stadt erinnern? 4. Warum teilt Martin seinen Mantel in zwei Stücke? 5. Die Kameraden verspotten Martin, weil er dem Bettler hilft. Hast du eine Erklärung dafür? 6. Deute den Traum von Martin! 7. Überlege dir, warum Martin später aus der Armee ausgetreten ist. 8. Denke einmal darüber nach, wie ein christliches Leben heute aussehen könnte. 58 Der Trinitatisfestkreis

5 M12 Sankt-Martins-Lied Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind, sein Ross, das trug ihn fort geschwind. Sankt Martin ritt mit leichtem Mut, sein Mantel deckt ihn warm und gut. Im Schnee, da saß ein armer Mann, hatt Kleider nicht, hatt Lumpen an. O helft mir doch in meiner Not, sonst ist der bittre Frost mein Tod! Sankt Martin zieht die Zügel an, das Ross steht still beim armen Mann. Sankt Martin mit dem Schwerte teilt den warmen Mantel unverweilt. Sankt Martin gibt den halben still, der Bettler rasch ihm danken will. Sankt Martin aber ritt in Eil hinweg mit seinem Mantelteil. Sankt Martin legt sich müd zur Ruh ; da tritt im Traum der Herr hinzu. Er trägt des Mantels Stück als Kleid, sein Antlitz strahlet Lieblichkeit. Sankt Martin sieht ihn staunend an. Der Herr zeigt ihm die Wege dann; er führt in seine Kirch ihn ein, und Martin will sein Jünger sein. Volksgut Der Trinitatisfestkreis 59

6 M13 Aufgabe zum Lied Sankt Martin Male zu den einzelnen Strophen des Sankt Martin Lieds ein Bild. 1. Strophe 2. Strophe 3. Strophe 4. Strophe 5. Strophe 6. Strophe 60 Der Trinitatisfestkreis