Erfahrungsbericht Erasmus an der Jagiellonen-Universität Krakau 2015/16

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1 Erfahrungsbericht Erasmus an der Jagiellonen-Universität Krakau 2015/16 Studienfach: Jura Betreuungspersonen: Sybille Schneiders (Freiburg) und Krzysztof Byrski (Krakau) Vorbereitung: Nach meiner Nominierung verlief der Einschreibeprozess an der Universität sehr einfach, neben der elektronischen Anmeldung wurde nur ein Sprachnachweis für ausreichende Englisch- oder Polnischkenntnisse verlangt. Ich habe den DAAD-Sprachtest am Sprachlehrinstitut gemacht und mir von der Lektorin dafür das mit dem DAAD-Zeugnis fast identische Language proficiency form ausfüllen lassen. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass das Abitur ausreicht, die 30 für den Test kann man also sparen. Auch mein Vorschlag für ein Learning Agreement wurde von Fachkoordinator Jerzy Pisuliński schnell akzeptiert und zeitnah unterschrieben. Auch die Wohnungssuche ist nicht kompliziert. Hier gibt es viele Möglichkeiten: Zuerst kann man sich für ein Studentenwohnheim bewerben. Das kostet nur unschlagbare 80, dafür muss man sich aber das Zimmer teilen und hat keinen Kühlschrank. Die Wohnheime sind auch teilweise recht weit von der Innenstadt entfernt. Die erste polnische Adresse für die Wohnungssuche ist gumtree.pl. Ich habe damit keine Erfahrungen gemacht, polnisch sprechende Freunde sind dort sehr glücklich geworden. Freunde, die versucht haben, Vermieter auf Englisch anzuschreiben, hatten häufig keinen Erfolg. Die einfachste, aber leider auch teuerste Variante ist die Suche nach einer Agentur. Es gibt mehrere Agenturen, die sich auf Erasmusstudierende spezialisiert haben, und auch deren Wohnungen sind nach Freiburger Maßstäben nicht teuer (häufig zwischen zł, also ). Ich habe mir in der Erasmus Kraków/Cracow -Facebookgruppe Mitbewohner gesucht und zu viert Wohnungen gesucht. Selbst auf den letzten Drücker findet man noch irgendwie eine Wohnung. Die eigentliche Innenstadt ist von den Mietpreisen sehr teuer, aber von den umliegenden Vierteln wie Kleparz und Kazimierz kommt man häufig innerhalb von Minuten zu

2 Fuß in die Innenstadt. Die juristischen Veranstaltungen finden mit sehr wenigen Ausnahmen alle auf dem Campus in der Innenstadt statt. Die Anreise nach Krakau ist mit dem Bus oder mit dem Flugzeug möglich. Neben dem Flughafen Krakau bietet sich auch der Flughafen in Katowice an (eine Stunde von Krakau entfernt). Ich habe den Bus genommen, wodurch ich wesentlich mehr Gepäck mitnehmen konnte. Es gibt zahlreiche Verbindungen von Deutschland nach Krakau, besonders empfehlen kann ich Sindbad. Die Fahrt dauert allerdings von Frankfurt 16 Stunden. Von Ostdeutschland aus gibt es auch gute Zugverbindungen. Belegte Veranstaltungen Die Universität hat eine sehr große Auswahl an englischen Kursen. Die polnischen Studierenden müssen in ihrem Studium einen englischsprachigen Kurs belegen, so sind die meisten Kurse gemischt mit polnischen und ausländischen Studierenden. Die englischen Einführungsveranstaltungen zum polnischen Recht nur für Erasmusstudierende sind fast alle sehr einfach, nicht zuletzt wegen der starken Ähnlichkeit mit dem deutschen Recht fand ich sie recht langweilig. Die anderen Kurse waren aber sehr gut: Die polnische Rechtsgeschichte ist sehr interessant, für die Blockveranstaltungen zum EU-Recht werden EuGH-Mitarbeiter aus Luxembourg eingeflogen. Jedem Juristen lege ich auch ans Herz, eine fachfremde Veranstaltung zu besuchen, um einen Blick auf andere Studiengänge zu werfen (man muss ja nicht die Klausur mitschreiben). Die Prüfungen werden in den englischsprachigen Kursen in der Regel schon vor Beginn der eigentlichen Prüfungsphase geschrieben und sind sehr human. Man kann zwischen verschiedenen Prüfungsterminen wählen und im (unwahrscheinlichen) Fall eines Nichtbestehens immer noch eine Wiederholungsklausur schreiben. Eine Falllösung als Klausur hatte ich nur ein einziges Mal, meistens müssen Fragen als Essay beantwortet werden, es gibt aber auch mündliche Prüfungen, Multiple-Choice-Tests und Präsentationen. Es ist kein Problem, den großen Öff in Krakau zu schreiben. Meine Leistung ist zwar noch nicht in Freiburg anerkannt worden, aber die Dozenten bieten den deutschen Studierenden immer die Möglichkeit, eine Hausarbeit zu schreiben und die

3 Klausurenbedingungen an die Anforderungen der Prüfungsämter individuell anzupassen. Der Campus in der Innenstadt, in dem die juristischen Veranstaltungen stattfinden, ist Teil des historischen Stadtbildes und es hat bis zum Ende Spaß gemacht, an den teilweise aus dem Mittelalter stammenden Kollegiengebäuden vorbeizuschlendern. Die Kursgrößen sind wesentlich kleiner als in Freiburg, häufig sitzt man in einer Gruppe von 15 oder weniger im Raum. Die Anmeldung für die Kurse und die Klausuren läuft über das USOSweb, für das man nach der Ankunft in Krakau die Anmeldedaten bekommt. Hier befindet sich auch das Vorlesungsverzeichnis. Anfangs ist das System sehr unübersichtlich, nachdem ich mich hineingefunden hatte gab es aber nie Probleme. Sprachliche Vorbereitung In Krakau kommt man ohne Polnischkenntnisse problemlos zurecht. Aufgrund der Millionen von Touristen hat jedes Restaurant ein englisches Menü, in der Uni spricht sowieso jeder Englisch. Jüngere Menschen sprechen in der Regel Englisch, Ältere nicht wenn man sehr viel Glück hat sprechen sie Deutsch (das ist aber die Ausnahme). Auch in den anderen polnischen Großstädten wird in der Regel Englisch gesprochen. In den kleineren Ortschaften lernt man, sich mit Händen und Füßen zu verständigen. Polnisch ist sehr schwer. Wer sich die Mühe machen will, die Sprache zu lernen, muss mit 7 verschiedenen Fällen kämpfen und findet nur wenige Wörter die Ähnlichkeiten mit dem Deutschen haben. Trotzdem ist es nicht unmöglich. Angebote in Freiburg gibt es leider nur wenige, und wenn, dann fangen sie häufig zum Wintersemester an. Ich habe mir nach der Nominierung ein Buch von Langenscheidt zum Selbstlernen gekauft, habe aber im Rahmen des normalen Unistresses schnell die Motivation verloren, mir die Sprache selbst beizubringen. Wer es versuchen will, dem sei Polnisch mit System von Langenscheidt aber sehr ans Herz gelegt. An der Jagiellonen-Universität gibt es (kostenpflichtige) Kurse zu allen Schwierigkeitsgeraden, ich habe dort im ersten Semester den Anfängerkurs besucht, mir das Wissen des Kurses A1.2 mit dem Langenscheidt-Buch selbst angeeignet und im Sommersemester den A2-Kurs besucht, was erstaunlich gut funktioniert hat. Der Polnischunterricht ist wirklich gut, die Gruppengrößen sind relativ klein und die Lehrer pädagogisch gut geschult. Wer schon Vorkenntnisse hat und einen weiterführenden Kurs besuchen will, macht einen kurzen Einstufungstest. Ganz besonders zu empfehlen ist

4 auch ein Tandem. Das Erasmus Student Network ESN bietet zu Semesterbeginn ein Intenetformular an, über das sie Tandempartner vermitteln. Ich habe meine Tandempartnerin über eine gemeinsame Bekannte kennengelernt und war wesentlich glücklicher als viele, die einen Partner von ESN zugewiesen bekommen. Als dritte Möglichkeit bietet auch noch das Krakauer Goethe-Institut ein Tandem an, hier werden deutsche Partner immer händeringend gesucht. Universitäres Leben, Kultur und Reisen Die meisten Erasmus-Events, insbesondere die Orientierungswoche, werden vom Erasmus Student Network (ESN) organisiert. ESN organisiert regelmäßig Ausflüge, Partys und kulturelle Veranstaltungen. Auch außerhalb des ESN gibt es zahlreiche englischsprachige Veranstaltungen in Krakau. Immer einen Besuch wert sind das Jewish Community Center im ehemaligen jüdischen Viertel Kazimierz und die amerikanische Buchhandlung Massolit. Krakau hat zahllose Märkte, Museen, Basare, Jazzclubs und andere Kneipen, 2 Semester reichen bei weitem nicht aus um alles zu sehen. Und um auf den Punkt zu kommen: Krakau ist wunderschön. Die Altstadt ist eine der ersten 20 UNESCO-Weltkulturerbestätten überhaupt und ist seit dem Mittelalter nicht mehr zerstört worden (auch im Zweiten Weltkrieg nicht). Krakau war im Mittelalter die Hauptstadt Polens und wird von den Bewohnern noch immer als das wahre kulturelle Zentrum des Landes angesehen. Da Polen-Litauen im Spätmittelalter das größte Land Europas war und längere Zeit von Kriegen verschont war, hatte der Staat viel Geld, was man z.b. am Königsschloss auf dem Wawel sehen kann. Der Marktplatz (Rynek Głowny) ist der größte mittelalterliche Marktplatz Europas und sowohl in der Innenstadt als auch im ehemaligen jüdischen Viertel Kazimierz befinden sich mehr Restaurants und Kneipen, als man jemals besuchen kann. Kazimierz ist auch das Künstlerviertel der Stadt: Nach der Deportation der Juden zogen vor allem arme Familien aus dem Land in das Viertel. Die niedrigen Wohnungspreise zogen Künstler an. Inzwischen ist es definitiv kein Armenviertel mehr, es gibt in dem eigentlich gar nicht so großen Viertel mehrere hundert Kneipen. Die zwei Semester reichen auch bei weitem nicht aus, um Polen und die Nachbarländer zu bereisen. Reisen in Polen ist äußerst günstig, als Student bekommt man automatisch 51% Rabatt auf Zugfahrten und Busreisen sind auch ziemlich günstig. Innerhalb von 3 Stunden ist man für 20 zł (5 ) in Breslau oder Warschau, in 2 Stunden ist man in

5 Zakopane, dem Zentrum der hohen Tatra, von wo aus man wunderschön wandern kann. Auch Wochenendfahrten ins europäische Ausland wie nach Prag, Vilnius, Wien oder Lemberg sind gut machbar und nicht teuer. Allein in der Woiwodschaft Kleinpolen, deren Hauptstadt Krakau ist, gibt es neben der hohen Tatra noch die Salzmine Wieliczka, das Museum des KZ Auschwitz und viele kleinere Juwelen wie etwa Wadowice, die Geburtsstadt von Papst Johannes Paul II. zu sehen. Leben in Krakau Ich habe in Krakau ein polnisches Konto bei der Bank Millennium eröffnet. Die meisten anderen Studenten nutzten aber nur ein Konto bei einer deutschen Bank, die keine Gebühren beim Abheben im Ausland erhebt (z.b. Deutsche Bank, DiBa, DKB). An der Stelle sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass der Wechselkurs des Złoty nicht an den Euro gekoppelt ist und frei schwebt (während meiner Zeit hier zwischen 1:4,1 und 1:4,5). Als Netzbetreiber ist PLAY sicher die günstigste Variante in Polen. Da man in Zeiten von WhatsApp einfach unter seiner deutschen Nummer weiterschreiben kann obwohl eine polnische SIM verwendet wird, ist ein zweites Handy nicht mehr notwendig. Ich habe mir ein Zweithandy auf Anraten früherer Erfahrungsberichte gekauft und habe es nicht genutzt. Die Lebenshaltungskosten in Polen sind niedriger als in Deutschland. Während Essen im Supermarkt in etwa gleich teuer wie in Deutschland sind (manche Importprodukte wie Olivenöl sind sogar teurer), sind Dienstleistungen deutlich günstiger. Eine Mensa gibt es nicht, in Rrstaurants wie Koko und Bordo (beide in der ul. Gołębia) und den zahlreichen sogennanten Milchbars (Bar Mleczny) in der Innenstadt kann man aber zu Mensapreisen traditionell polnisch essen. Die polnische Küche ist relativ fettig, aber da es zum Beispiel die traditionellen Pierogi (Teigtaschen) in allen möglichen Füllungen gibt, hat man auch als Vegetarier keine Probleme in Polen. Nicht nur der Fernverkehr, sondern auch der öffentliche Nahverkehr sind in Polen sagenhaft günstig. Eine ermäßigte Fahrt für 20 Minuten kostet 1,40 zł (wenig mehr als 30 Cent). Das Straßenbahn- und Busnetz ist gut ausgebaut, wenn auch auf den den ersten Blick etwas unübersichtlich. Die App jakdojade (nur für Android kostenlos) führt sehr zuverlässig durch den Krakauer Fahrplan.

6 Fazit Ich bin nach Polen gegangen, um einen Teil Europas zu entdecken, den ich fast überhaupt nicht kenne und dessen Kultur ich kennen lernen wollte. Polen hat eine lange und sehr interessante Geschichte, die kaum jemand in Deutschland kennt. Vor allem aber findet man bei über 1000 Erasmus-Studenten in Krakau ganz sicher Freunde mit gemeinsamen Interessen aus ganz Europa bzw. der ganzen Welt. Die Zeit hat mich viel offener und neugieriger gemacht. Auch viele meiner Vorurteile gegenüber Mittel- und Osteuropa sind verschwunden. Polen ist kein Entwicklungsland, sondern wirtschaftlich viel weiter, als die meisten Menschen denken. Ich würde die Entscheidung, Erasmus an dieser Universität in dieser Stadt zu machen, jederzeit wiederholen und kann jedem nur raten, dies auch zu tun.