LLP/E R F A H R U N G S B E R I C H T (ausformulierte Version)

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1 Name:* Zeynep-Özlem Demir Universität: Eskisehir Osmangazi Üniversitesi * Land: Türkei Tel:* Zeitraum: 2010/11 Programm: Erasmus via FB 04 Fächer: Pädagogik ( * diese Angaben sind freiwillig! ) Datum: 1. September 2011 LLP/E R F A H R U N G S B E R I C H T (ausformulierte Version) Als in Deutschland geborene Türkin, habe ich mir nicht nur einmal die Frage gestellt, wie mein Leben wohl aussehen würde, wären meine Großeltern in den 60er Jahren nicht nach Deutschland gekommen. Wie würde mein Werdegang wohl in der Türkei aussehen? Auch fragte ich mich, wie sehr die kulturellen, sprachlichen und akademischen Verschiedenheiten mich von altersgleichen Studenten aus der Türkei unterscheiden. Dass man zwischen zwei Kulturen aufwächst und weder typisch deutsch noch typisch türkisch ist (falls es so was denn geben sollte), fällt einem schließlich erst auf, wenn man auch den wahren Alltag in der Türkei erlebt und nicht nur für wenige Wochen den Urlaub im Heimatland verbringt. Meine Motivation in der Türkei zu studieren basierte also zunächst auf kulturellen Interessen und darauf, mich selbst und meine Persönlichkeit in neuen Situationen und einem neuen Umfeld zu erleben. Ein wenig irreführend ist der Name der Stadt, in der ich für die Dauer von 9 Monaten gelebt und studiert habe, schon. Wörtlich bedeutet Eskisehir nämlich alte Stadt. Doch bei Eskisehir handelt es sich um eine moderne Stadt mit ca Einwohnern und zählt somit zu den größeren Städten der Türkei. Neben vielfältigen Angeboten, die Freizeit zu gestalten (3 große Parks Kentpark, Sazova- Park, Selale-Park -, vielen Bars, Clubs und Cafés, 3 Kinos, einige Einkaufszentren etc.), gibt es auch einpaar Sehenswürdigkeiten. So ermöglichen die Odunpazari -Häuser einen authentischen Einblick in die osmanische Häuserarchitektur und das Lületas -Museum bietet eine Ausstellung von kostbaren und für Eskisehir typische Schmuckstücke, Pfeifen und Figuren aus Meerschaum. Außerdem besuchenswert sind das Archäologiemuseum, das Luftmuseum und das Yunus Emre-Museum. Ein Besuch eines Spiels des Eskisehirer Fußballteams (Eskisehirspor), der in der ersten Liga der türkischen Süperlig platziert ist und dessen Fans für ihren Enthusiasmus und auch die in der Türkei einzigartige Fanblaskapelle bekannt ist, kann ebenfalls empfohlen werden. Aber abgesehen davon bietet Eskisehir durch seine zentrale Lage innerhalb der Türkei die Möglichkeit in viele, große Städte für wenig Geld und in kurzer Zeit zu reisen. So kommt man schon für ca. 10 in 4 Stunden mit dem Zug nach Istanbul, in 1 ½ Stunden für nur ca. 9 in die Hauptstadt Ankara und nach Bursa dauert die Busfahrt auch nur 3 Stunden. Selbst für jemanden, der lange Fahrten hasst, wird eine Reise in der Türkei angenehm sein. Die meisten Busse sind mit Internet ausgestattet und für jeden Reisenden steht ein Monitor (mit Auswahl verschiedener

2 Filme, Musik und teilweise sogar Spielen) zur Verfügung. Für Verpflegung im Sinne von Getränken (natürlich schwarzem Tee oder auch Kaffee, sowie kalten Getränken) und Knabbereien (Kekse, Salzstangen etc.) ist kostenfrei gesorgt. Durch die beiden staatlichen Universitäten Anadolu Universitesi und Osmangazi Universitesi, die ihre Standorte in Eskisehir haben, fällt einem gleich zu Beginn auf, dass einen Großteil der Bevölkerung Studenten darstellen (insgesamt über Studenten), sodass man schnell Kontakte knüpfen und Freunde finden kann. Auffällig ist, dass die nicht-studentische Bevölkerung Eskisehirs ebenfalls stark von den Studenten geprägt wurde. Deutlich wird dies nicht nur an den ganzen Extra-Angeboten für Studenten (Vergünstigungen in Restaurants, bei Tickets, in Geschäften usw.), sondern auch an der Hilfsbereitschaft vieler Menschen. Ein weiterer Vorteil Eskisehir für einen Erasmus-Aufenthalt zu wählen besteht darin, dass die Stadt im Vergleich zu einer großen Metropole wie Istanbul überschaubar ist. Es ist schwierig, sich in Eskisehir zu verlaufen, da der Aufbau der Stadt so konzipiert ist, dass zu Fuß von der Stadtmitte aus vieles erreichbar ist. Auch verfügt Eskisehir über ein gut ausgestattetes öffentliches Verkehrsmittel-System (neben den Bussen, den Minibussen, (günstige) Taxen, gibt es auch eine Straßenbahnverbindung mit zwei Linien, die zu beiden Universitäten führen). Allerdings empfindet man zu Beginn des Aufenthaltes gerade die Busverbindung als unübersichtlich, da an den meisten Bushaltestellen keine Fahrpläne hängen und die Haltestellen nicht beschriftet sind, sodass man nicht genau weiß, wo man sich gerade befindet. In die Universität aber führen viele verschiedene Busse und Minibusse, weshalb man schließlich doch immer einen Weg auf den Campus findet. Im Falle sich nicht mehr zurechtzufinden kann aber auch einfach nachgefragt werden. An meinem ersten Tag an der Universität, wusste ich zunächst gar nicht, wie es nun weitergehen sollte. Zuvor wurde ich per Mail nur darum gebeten einen Tag für meine genaue Ankunft in Eskisehir anzugeben. Danach hatte sich keiner mehr bei mir gemeldet, weshalb ich einfach am genannten Tag an die Universität ging und dort das International Relations Office (mit Hilfe) aufgesucht habe. Ohne Hilfe hätte ich das International Relations Office (IRO) vermutlich nicht gefunden, obwohl ich bereits daran vorbeigelaufen war. Geprägt von dem Bild, das ich vom International Office der Goethe-Universität hatte, rechnete ich nicht damit, dass das IRO in Eskisehir eher einer Hütte gleichte und nicht direkt in die Universitätsgebäuden integriert, sondern vielmehr separat war. Genauso erstaunt war ich dann allerdings über den sehr freundlichen und lockeren Empfang der Angestellten. Nach einem Smalltalk mit Tee über das Wohlbefinden und meinen Eindrücken wurden dann Formalitäten zusammen mit einem der Angestellten erledigt. Zunächst ging es in das Studentensekretariat, wo ich mich persönlich einschreiben musste. Auch dort wurde ich sehr freundlich empfangen und die Wartezeiten wurden mit erneutem Smalltalk überbrückt. Anschließend ging es an die Stundenplanerstellung. Gemeinsam mit dem Angestellten aus dem IRO betrat ich also das erste Mal die Egitim Fakültesi (die Fakultät für Erziehung), um dort meinen mich betreuenden Dozenten zu treffen. Zwei weitere Erasmus-Studentinnen aus Frankfurt, die ich bereits aus Deutschland kannte, traf ich an dieser Stelle wieder, sodass unsere Stundenpläne zusammen erstellt worden sind. Allerdings handelte es sich dabei um Lehramtsstudentinnen, weshalb sich unsere Interessen bezüglich der Vorlesungs- und Seminarauswahl doch unterschieden. Bei der Stundenplanerstellung wurde auf meine Wünsche und mein Learning-Agreement gut eingegangen, was mich wunderte, da mir von früheren Erasmus-Studenten oft gesagt wurde, dass der ganze Stundenplan umgeschmissen werden würde und man am Ende das machen müsse, was der Dozent für einen auswählt. Ganz im Gegenteil wurden also nicht nur meine Wünsche respektiert und angenommen, sondern telefonierte der Dozent mit verschiedenen Dozenten und Professoren, um von diesen weitere

3 Informationen und Tipps über die Seminarangebote zu erhalten. Am Ende hatte ich dann einen Stundenplan, der ganz meinen Wünschen entsprach. Vergleicht man das Studium an der Osmangazi Üniversitesi Eskisehir mit dem an der Goethe-Universität, so fallen einem gleich zu Beginn große Unterschiede auf. Das Studium ist dort in ein 4 jähriges Klassensystem eingebettet und erinnert auch etwas an das Oberstufenmodell eines Gymnasiums. Dies wird unter anderem dadurch deutlich, dass die Vorlesungsräume nicht unseren stufenförmig aufgebauten Vorlesungsräumen ähneln, sondern vielmehr an Klassenzimmer aus unserer Schulzeit erinnern. Dass die Studenten sich untereinander alle sehr gut kannten, da sie bereits die Jahre zuvor zusammen studiert hatten, sorgte dafür, dass ich gleich bei Betreten des Vorlesungsraumes auffiel und sich sämtliche fragende Blicke auf mich richteten. Kaum, dass ich an einem Tisch Platz nahm, drehten sich gleich die vor mir Sitzenden um, um mit mir ein Gespräch zu beginnen und mich kennen zu lernen. Als dann auch der Dozent meiner ersten Vorlesung mich darum bat mich vorzustellen und von meinen Eindrücken zu berichten, hatte ich sehr schnell die Möglichkeit viele meiner Kommilitonen kennen zu lernen. Alle empfingen mich mit großem Interesse und Aufgeschlossenheit und der Dozent fragte zu Beginn, ob er die Vorlesung lieber auf Englisch halten solle oder wenigstens langsamer sprechen solle. Insgesamt kann ich sagen, dass die Dozenten und Professoren sehr freundlich waren und mir auch stets anboten bei Schwierigkeiten zu helfen. Kleinere und versteckte Unterschiede bemerkte ich allerdings erst im Laufe der Zeit. So wurde ich schon einmal schräg angeguckt, als ich beim Zuspätkommen bei einer Vorlesung ohne anzuklopfen, direkt am ersten freien Tisch Platz nahm, wie ich es in Deutschland immer tat. Diesen Blick konnte ich erst deuten, als ich merkte, dass alle nach mir zu spät Kommenden erst anklopften, sich entschuldigten und dann um Erlaubnis baten einzutreten. Auch wenn ich in Vorlesungen während dem Notiznehmen noch an meinem Tee nippte, erhielt ich schon einmal den ein oder anderen verwirrten und belustigten Blick von Dozenten und Kommilitonen, die mir dann auch erklärten, dass die meisten Dozenten es nicht gerne sahen, wenn man in ihren Vorlesungen aß oder trank. Vor einem kleinen Resümee möchte ich allerdings allen, die einen Erasmus-Aufenthalt in Eskisehir planen, ein paar Tipps geben. Vor meinem Aufenthalt habe ich mir lange überlegt, eine Auslandsversicherung zu machen. Meine eigene Krankenkasse bot dies nicht und wies mich an die Auslandsversicherung des ADAC, welche zwar mit toller Unterstützung lockte, aber auch mit hohen Preisen abschreckte. Als ich mich dann aber näher informierte, fand ich heraus, dass ein Auslandskrankenschein, den man dann in der Versicherungsbehörde (SGK) Eskisehirs für 5 anerkennen lassen konnte, nahezu die gleichen Dienste leistete, um wenigstens vor Ort kostenfrei behandelt werden zu können. Auch die in der Türkei neu eingeführten Hausärzte (Aile saglik merkezi), die es in jedem Stadtteil gibt, können kostenfrei besucht werden. Ob und wie weit diese Angebote von jedem genutzt werden können, sollte aber vorher zur Sicherheit geklärt werden. Bezüglich der Unterkunftssuche lässt sich sagen, dass man sich zunächst keinen Stress machen braucht. Obdachlos bleibt kein Student in Eskisehir, da es in dieser Stadt sehr viele Wohnheime (staatlich und auch private) gibt. Allerdings sollte man bedenken, dass man immer (!) verhandeln kann und sollte, was die Mietpreise angeht. Weiterhin ist es empfehlenswert sich eine Unterkunft in der Nähe des Stadtzentrums und der Straßenbahn zu suchen, da die Busverbindungen anfangs doch sehr irritierend sind. Findet man gar keine Unterkunft, so kann man sich jederzeit an das sehr hilfsbereite Personal des IRO wenden. Für Studenten, die Interesse haben die Türkei und die türkische Kultur wirklich kennen zu lernen kann ich empfehlen, sich nicht nur mit Erasmus-Studenten in Kontakt zu setzen, sondern auch mit einheimischen Studenten viel zu unternehmen. Gerade, wenn man sich vornimmt, die

4 türkische Sprache zu verbessern, sollte das die beste Möglichkeit sein, da man mit anderen Erasmus-Studenten doch eher Englisch spricht. Abgesehen von den ganzen universitären Veranstaltungen, von welchen es sehr viele gibt und die stets im Internet ausgeschrieben sind (wie z.b. Filmvorführungen, Plenen und Diskussionsrunden), sollte man auch immer einen Blick auf die örtlichen Angebote machen. Theateraufführungen in der Haller und in den Kulturzentren sind genauso empfehlenswert, wie (nach erfolgreicher Bewerbung) die Teilnahme an Konferenzen der Europäischen Union. Gerade für Leute die gerne Reisen und Museen sowie Sehenswürdigkeiten besuchen wollen, kann ich nur empfehlen die Müzekart (Museumskarte) zu beantragen, da dadurch nach einmaliger Gebühr staatliche Museen kostenlos besucht werden können. Allerdings können diese nur türkische Staatsbürger beantragen. Das Studium betreffend kann ich empfehlen beim Erstellen des Stundenplans direkt und deutlich seine Wünsche zu äußern. Außerdem kann ich für die Pädagogik Studenten empfehlen Veranstaltungen der Psikolojik danismanlik ve rehberlik (PDR) Studenten zu besuchen. Die PDR-Vorlesungen (psychologische Beratung und Führung, entspricht am Ende der universitären Ausbildung dem Beruf des Schulsozialpädagogen) entsprechen am ehesten den unseren. Zusammenfassend bin ich zu folgenden Erkenntnissen gekommen: Mein Erasmus-Aufenthalt stellt eine der schönsten Zeiten in meinem Leben dar und ermöglichte mir mich selbst in neuen Situationen kennen zu lernen. So sehr man auch glaubt, selbständig zu leben, wenn man in einer anderen Stadt studiert, als die Eltern wohnen, so merkt man doch, dass es etwas ganz anderes ist, tausende von Kilometern von der Familie entfernt zu sein und wirklich niemand anderen zu kennen. Vieles, was in Deutschland zur Routine geworden ist (wie einfache Busfahrten oder Einkäufe) erscheinen einem durch die Fremdheit wie neue Aufgaben. Wichtige Entscheidungen, wie bei gesundheitlichen Problemen oder der Wahl der Unterkunft, stellen hingegen Aufgaben dar, für deren Konsequenzen man selbst verantwortlich ist. Aufgaben, die man dabei alleine bewältigen muss. Aber auch auf sprachlicher Ebene kann ich Entwicklungen an mir feststellen. Während ich zu Beginn meines Aufenthaltes viele Redewendungen und Wortwitze auf Türkisch nicht einmal verstanden habe, war ich am Ende meines Aufenthaltes sogar in der Lage, selbst solche Wortspielereien zu machen. Ein Indiz für mich, dass ich die türkische Sprache nun besser zu beherrschen scheine. Erstaunt war ich auch darüber, dass ich mich von Anfang an nicht fremd gefühlt habe, obwohl ich zuvor nur einmal vor ca. 10 Jahren in dieser Stadt gewesen bin. Nie hatte ich Angst verloren zu gehen und nie habe ich mich Fehl am Platz gefühlt. Alles fühlte sich seltsam aber doch angenehm vertraut an. Auch war es interessant, in der Türkei als Türkin eine Deutsche zu sein. So kam es sogar zu einem mich nach wie vor belustigenden Dialog mit einer Kommilitonin zu Beginn unserer Freundschaft, die fest davon überzeugt war, ich sei eine Deutsche. Auf die Antwort hin, dass ich eine in Deutschland geborene Türkin bin, antwortete sie nur etwas wie Ja, verstehe, also bist du Deutsche. Nachdem sie mich nach meinem Namen fragte und ich ihr diesen nannte, erhielt ich dann die überraschte und erleichterte Antwort Ohh, wenigstens ist dein Name türkisch. Und hin und wieder kam es auch vor, dass Freunde, die zu spät bei Verabredungen waren zu einander sagten Siehst du, ich hab dir doch gesagt, dass Zeynep pünktlich sein wird. Deutsche Pünktlichkeit halt. Dies zeigte mir, so sehr man auch glaubt, nicht an ein typisch deutsch und typisch türkisch zu glauben, jeder doch eine solche Typisierung vielleicht auch unterbewusst und auch in kleinem Maße bildet. Im Großen und Ganzen lässt sich aber für mich feststellen, dass es etwas Schönes ist, zwischen diesen Typisierungen hin und her pendeln zu können.

5 Wie mein Werdegang und mein Leben aussehen würden, wäre ich in der Türkei geboren, kann ich nach wie vor nicht sagen. Doch ich denke, dass ein solcher Erasmus-Aufenthalt dazu beiträgt andere Kulturen und manchmal sogar die eigene Zweit-Kultur besser kennen zu lernen. In diesem Sinne kann ich einen solchen Aufenthalt nur jedem empfehlen und möchte jedem Danken, der dies ermöglicht hat.