Strahlenschutz in Kernanlagen: Komplexität versus Systematik
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- Frieda Dunkle
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1 Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat Swiss Federal Nuclear Safety Inspectorate Strahlenschutz in Kernanlagen: Komplexität versus Systematik ENSI, Sektion «Radiologischer Arbeitsschutz» Jahrestagung des Fachverbands für Strahlenschutz 26. Sept. 2016
2 Expositionssituationen Strahlenquellen Expositions -pfade Personen und Objekte 2
3 Quellentypen in Kernanlagen Neue Brennelemente Brennstoff während Leistungsbetrieb Abgebrannte Brennelemente Aktivierte Reaktoreinbauten, Reaktordruckbehälter, Aktiviertes und kontaminiertes Kühlmittel inkl. Fremdstoffe Kontamination des primären Kühlkreislaufs Radioaktive Gase/Aerosole in der Abluft, radioaktive Rückstände in Filter/Ionenaustauscher, Kontaminationen an Einrichtungen, Werkzeugen, radioaktive Abfälle Durchstrahlungsquellen mit radioaktiven und Röntgen-Quellen Kalibrier- und Testquellen Thorium-Schweisselektroden, Radon, Isotopenproduktion Nutz- und Streustrahlung von Beschleuniger, Spallationsquellen, aktivierte Einrichtungen wie Targets, Beam Dumps 3
4 Betriebszustände von Quellen Normalbetriebssituationen: Inbetriebsetzung Leistungsbetrieb inkl. Anfahren, Abfahren Abstellungen inkl. Modifikationen, Instandhaltung, Brennelementwechsel, Nachbetriebsphase Rückbau inkl. Konditionierung Lagerung Zeitlich unplanbare Ereignisse, planbare Vorsorge: Minimale Abweichungen / Betriebsstörungen: Leckagen, Auslegungsstörfälle auslegungsüberschreitende Störfälle / Notfälle 4
5 Umgang mit Quellen Tätigkeiten: Aufbau und Inbetriebsetzung, Änderungen, Instandhaltung, Schneiden, Schleifen, Schweissen, Bohren, Rückbau, Dekontamination, Separation, Konditionieren Lagerung: Betriebsintern: Temporäre Aufbewahrung, Abklinglagerung, externe Zwischenlager, geologische Tiefenlagerung Beförderung: ausserbetrieblich (Strasse, Schiene, Gewässer, ) betriebsintern Versand und Empfang radioaktiver Gefahrgüter 5
6 radioaktiven Quellen: je nach Quellentyp, Betriebszustand, Art der Tätigkeit gibt es teils sehr grosse Unterschiede bezüglich: Gesamtaktivität Nuklidzusammensetzung: Halbwertszeiten Strahlenarten: Alpha-, Beta-, Gamma- und Neutronenstrahlung Zerfallsprodukte (rad. Tochter) Chemische Verbindungen Physikalische Aggregatzustände Offene oder umschlossene Form Dispersität, Festigkeit der Matrix, Freisetzungsanteile Streustrahlung Eigenschaften der Quellen Reaktoren, Röntgenröhren und Beschleuniger im Betrieb 6
7 Expositionspfade Ausbreitung radioaktiver Stoffe: Ausbreitung innerhalb von Systemen und Gebäuden Kontrollierte Abgabe über Wasser- oder Luftpfad (Wasserkontrollkammer oder Kamin) oder unkontrolliert über Undichtigkeiten Ausbreitung in der Fortluftfahne / Athmosphäre (wetterabh.) und in Gewässer, nasse o. trock. Ablagerung Transfer innerhalb der Geo-, Hydro-, Biosphäre und Nahrungskette Externe Bestrahlung über Direkt- und Streustrahlung: Quellengeometrie, Abstand, Abschirmung, Aufbaufaktoren Bestrahlung durch Haut- und Kleidungskontaminationen Interne Bestrahlung: Inhalation, Ingestion, Inkorporation durch Haut und Wunden 7
8 zu schützende Personen und Objekte Beruflich strahlenexponiertes Personal (> 1mSv/y möglich): A- und B-Eigenpersonal, Fremdpersonal, schwangerne oder stillende Frauen, jugendliche Arbeiter und Auszubildende (>16) Ganzkörper, Haut, Extremitäten, Augen, Organe, Personen auf dem Betriebsgelände (< 1mSv/y): Personal, welches nicht in Kontrollbereichen arbeitet Besucher in Kontrollbereichen Bevölkerung: Erwachsene, Jugendliche, Kinder, Säuglinge Umwelt: Luft, Boden, Grundwasser, Oberflächenwasser, Pflanzen, Tiere, Ökosysteme Anlage: Inner- und ausserhalb des Kontrollbereichs, Kommandoräume 8
9 Expositionssituationen in Kernanlagen Strahlenquellen Expositions -pfade Personen und Objekte Tausende möglicher Kombinationen 9
10 Strahlenschutzmassnahmen und rad. Überwachung Tausende verschiedener Aufgaben für die Kernanlagen insbesondere für das Strahlenschutzpersonal 10
11 Veranlassung Vorkommnisse mit tatsächlichen bzw. potentieller Abgabe radioaktiver Stoffe über unkontrollierte Pfade (in der Schweiz und international vor 2007) Ursachen: meist Schwachstellen in der Auslegung von Kernanlagen bezüglich dem Einschluss radioaktiver Stoffe intensive Überprüfung der Aussengrenze der kontrollierten Zone in schweizerische Kernkraftwerke ( ) Vergleich mit internationalen Empfehlungen und nationalen Vorgaben sowie Erfahrungen aus Strahlenschutz-Symposien Einige (wenige) Themenbereiche sind in den Beurteilungsgrundlagen des ENSI nicht oder nur sehr generell geregelt Komplexität der Strahlenschutzaufgaben Systematik im Strahlenschutz notwendig 11
12 Art. 4 KEG (und Art. 1 StSG): Primärer Grundsatz der nuklearen Sicherheit: Bei der Nutzung der Kernenergie sind Mensch und Umwelt vor Gefährdungen durch ionisierende Strahlen zu schützen 12
13 Systematik im Strahlenschutz gleichzeitig Anwendung des Schutzzielkonzepts (im Folgenden erläutert) Gestaffeltes Sicherheitsebenenkonzept (Multibarrierenkonzept oder Zwiebelschalenprinzip) mit den Sicherheitsebenen 1 Normalbetrieb 2 Abweichungen vom Normalbetrieb (Betriebsstörung) 3 Auslegungsstörfälle 4 Auslegungsüberschreitende Störfälle 5 Notfall 13
14 Schutzziele für Kernanlagen gemäss UVEK-Verordnung über die Gefährdungsannahmen und die Bewertung des Schutzes gegen Störfälle in Kernanlagen (in Anlehnung an KTA-Basisregeln und IAEA) 1. Kontrolle der Reaktivität 2. Kühlung der Brennelemente 3. Einschluss radioaktiver Stoffe 4. Begrenzung der Strahlenexposition 5. Schutzzielübergreifende Massnahmen Management/Prozesse: Strahlenschutzplanung, Strahlenschutzfreigaben, radiol. Störfallanalysen (Nachweis der Auslegung, Prognosen im Notfall, ), QS Transport, Organisatorische/Personelle Maßnahmen: Aufbauorganisation, Funktionen, Zuständigkeiten, Aus- u. Weiterbildung, 14
15 Weitere Unterteilung der Schutzziele Schutzziel: Teilschutzzielen Schutzfunktionen (bzw. Konzepte) Technische, organisatorische und persönliche Schutzmassnahmen, Sicherheitsfunktionen von Systemen und Komponenten, Überwachungsmassnahmen Anforderungen für die Auslegung Anforderungen an den Betrieb 15
16 3. Einschluss radioaktiver Stoffe Teilschutzziel 3.1: Integrität der Sicherheitsbarrieren für Brennstoff im Leistungsbetrieb (inkl. der daraus erfolgten Störfälle) 17
17 3. Einschluss radioaktiver Stoffe Einschluss radioaktiver Stoffe innerhalb der kontrollierten Zone Teilschutzziel 3.2 Integrität der Kontrollbereichsgrenzen und Systembarrieren In der Schweiz ist der Umgang mit offenen radioaktiven Stoffe (> LA) nur in der «kontrollierten Zone» (demnächst «Kontrollbereich» bezeichnet) gemäss Strahlenschutzverordnung zulässig Einschluss radioaktiver Stoffe, die auch ausserhalb der kontrollierten Zone transportiert und gelagert werden können Teilschutzziel 3.3 Integrität der Transport- und Lagerbehälter inkl. endkonditionierter Abfallgebinde und geologischer Barrieren 18
18 3.2 Integrität der Kontrollbereichsgrenzen und Systembarrieren 2-Barrieren-Konzept: Es gibt mindestens zwei Barrieren zwischen offenen radioaktiven Stoffen und der Umwelt (KTA-Regel), wobei als Barriere gilt: Umschliessung der Räume des Kontrollbereichs (Aussengrenze) Beispiele: Mauern, nicht zu öffnende Fenster, Gebäudefugen, Liner in Betonböden, Stahl + Rückhaltung an den Durchdringungen der Aussengrenze für Personenund Materialverkehr mittels Schleusen + Überwachungsinstrumentierung Beispiele: Personenkontaminationsmonitore am Ausgang aus dem Kontrollbereich + Rückhaltung der in Abwasser / Abluft befindlichen radioaktiven Stoffe Beispiele: Feinstaubfilter, Aktivkohlefilter, Abklingstrecken, Auswaschbehälter, Ionenaustauscher, Unterdruckhaltung in den Räumen des Kontrollbereichs gegenüber der Umwelt Umschliessung der zur Umwelt offenen, inaktiven Systeme innerhalb des Kontrollbereichs Beispiele: Druckluft, Regenwasser-Ablaufrohre, Heizungsrohre, Trinkwasser, Barrieren zwischen Systemen mit radioaktiven Medien ( radioaktive Systeme ) und zur Umwelt offenen Systeme Beispiele: Isolationskomponenten (Ventile, Rückschlagklappen, etc.) Druckunterschied zwischen Systeme Beispiel: Unterdruck auf Sekundärseite im Kondensator von Siedewasserreaktoren 19
19 3.2 Integrität der Kontrollbereichsgrenzen und Systembarrieren Gestaffelte Barrieren innerhalb des Kontrollbereichs: zur Verhinderung der Kontaminationsverschleppung Barrieren zwischen Räumen und Bereichen mit unterschiedlichen Kontaminationsrisiken (d.h. mit unterschiedlichen Zonentypen) z.b.: festeingebaute Wände, temporäre Zelte, Abdeckungen, Folien, Schleusen, Übergänge Unterdruckstaffelung zwischen Räumen mit unterschiedlichen Kontaminationsrisiken Umschliessung der Systeme, welche radioaktive Medien beinhalten können z.b.: mit Wasservorlagen: wie Brennelementbecken, Pools, Siphons, 20
20 4. Begrenzung der Strahlenexposition Teilschutzziele 4.1 Reduktion der Aktivitätsinventare auf das Notwendige 4.2 Begrenzung und Optimierung der externen Strahlenexposition 4.3 Verhinderung oder Begrenzung und Optimierung der Inkorporation und der Personenkontamination sowie Minimierung der internen Strahlenexposition 24
21 4.1 Reduktion der Aktivitätsinventare auf das Notwendige Verhinderung unerwünschter Aktivierung im Reaktor Ausschluss von aktivierbaren Materialien im Kontakt zum Primärkühlmittel, Ausschluss von aktivierbaren oder korrosionsfördernden Chemikalien im Kühlmittel Ausschluss von Fremdkörpereintrag Reduktion rad. Stoffe im Reaktorwasser + Primärkreislauf Reaktorwasserreinigung Verhinderung von Ablagerungen im Primärkreislauf Kontrolle der Kontaminationen sonstiger Systeme, Komponenten und Räume der kontrollierten Zone Überwachung der Kontamination und gegebenenfalls Dekontamination Gewährleistung dekontaminierbarer und leicht zugänglicher Oberflächen Entsorgung radioaktiver Abfälle: möglichst rasche Konditionierung, sichere FS-Jahrestagung, Zwischenlagerung, Sept
22 Schutz- und Teilschutzziele im Überblick Schutzziele Kontrolle der Reaktivität Kühlung der Brennelemente Einschluss radioaktiver Stoffe Teilschutzziele Integrität der Barrieren im Leistungsbetrieb von Reaktoren Integrität der Zonengrenzen und Systembarrieren Integrität der Lager- und Transportbehälter inkl. endkonditionierter Abfällgebinde und geol. Barrieren Begrenzung der Strahlenexposition Schutzzielübergreifende Massnahmen Reduktion der Aktivitätsinventare auf das Notwendige Begrenzung und Optimierung der externen Strahlenexposition Verhinderung der Inkorporation und der Personenkontamination sowie Minimierung der internen Strahlenexposition Managementsystem/Prozesse Aufbauorganisation/Personal 32
23 Merci, für`s Zuelose! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Fragen? 34
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