Natur im Sucher. Text und Fotos: Christian Haasz

Transkript

1 Natur im Sucher Atemberaubende Landschaften, Tiere in freier Wildbahn, traumhaft leuchtende Blüten die Natur hat Hobbyfotografen viel zu bieten. Ein Profi sagt, wie Sie Ihre Lieblingsmotive noch besser ins Licht rücken. Text und Fotos: Christian Haasz 18 Natürlich

2 Fotografie NATUR Sonnenblumenfelder sind immer ein Blickfang. Man sollte sich jedoch auch hier auf einen Focus konzentrieren. Eine Möglichkeit ist, sich auf eine einzelne Blume zu konzentrieren und die anderen als Hintergrund zu verwenden. Naturfotografie ist keine Frage der Technik. Man kann mit fast jeder (Digital-)Kamera gute Landschafts-, Pflanzenoder Tieraufnahmen machen. Kleine Einschränkung: Das Fotografieren von Wildtieren erfordert natürlich ein hohes Mass an Vorbereitung, viel Geduld und bei besonders scheuen Tieren spezielle Ausrüstung. Wenn man nicht gerade darauf aus ist, einen Steinadler in seinem Horst beim Brüten aus ein paar Metern Entfernung aufs Bild zu bringen, ist fast jede gute Kompaktkamera mit genügend weitem Zoombereich ausreichend für die Naturfotografie. Ein bisschen Technik muss sein In der Regel besitzen Kompaktkameras ein Zoomobjektiv mit variabler Brennweite. Für Aufnahmen weiter Landschaften ist die Weitwinkelstellung (kleinste Brennweite um 28 bis 35 mm) üblich, Details wie einen alleine stehenden Baum, ein paar im Flussbett liegende Steine oder ein verfallenes Bauernhaus an einem Hang nimmt man auch mit mittlerer bis langer Brennweite auf. Bei Aufnahmen von Tieren gilt: je länger die maximale Brennweite, desto weniger muss man sich den Tieren nähern, um sie nicht zu verscheuchen. Neben der Brennweite spielt die Lichtstärke des Objektivs eine wichtige Rolle. Je lichtstärker ein Objektiv, desto weniger Umgebungslicht genügt, um noch aus der Hand ohne Stativ zu fotografieren. Die Lichtstärke wird angegeben mit 1: 2,8 oder 1: 5,6. Die hintere Zahl benennt den kleinsten möglichen Blendenwert, den die Kamera zu bieten hat. Achtung! Je kleiner der Blendenwert, desto grösser ist die tatsächliche Öffnung im Objektiv und desto mehr Licht fällt während der Aufnahme durch die Optik auf den Sensor. Je mehr Licht beim Auslösen und Öffnen der Blende auf den Sensor fallen kann, desto kürzer kann auch die Verschlusszeit sein. Das ist wiederum wichtig, um die Bilder nicht zu verwackeln. Eine wichtige Faustregel dazu: Die Verschlusszeit darf bei Aufnahmen ohne Stativ höchstens den umgekehrten Wert der eingestellten Brennweite haben. Konkret: Wird mit einer Brennweite von 60 mm fotografiert, sollte die Verschlusszeit maximal 1 60 Sekunde betragen. Wäre die für eine e Belichtung nötige Verschlusszeit zum Beispiel 1 8 Sekunden, sind freihändige Bilder mit ziemlicher Sicherheit verwackelt. Die Werte für Blende und Verschlusszeit lassen sich auf dem Kameradisplay oder im Sucher (bei Spiegelreflexkameras) kontrollieren. Ebenfalls nicht unwichtig in technischer Hinsicht: die Auflösung. Hier muss gesagt sein, dass eine sehr gute 6-Mega- Natürlich

3 Die Lichtstimmung am späten Nachmittag war toll, die Birken wurden von der untergehenden Sonne beschienen. Um die Stimmung wiederzugeben, trägt die düstere Umgebung nicht bei. Deshalb wurde der Bildausschnitt für ein beeindruckendes Foto deutlich knapper gewählt. pixel-kamera in der Regel deutlich bessere Ergebnisse liefert als ein günstiges 10- Megapixel-Modell. Die Ursache dafür: Während auf dem Sensor der 6-Megapixel-Kamera 6 Millionen kleinste Sensoren (Pixel) untergebracht sind, teilen sich bei der anderen Kamera 10 Millionen Einzelsensoren den gleichen Platz. Die winzigen Sensoren bekommen also weniger Licht ab, wodurch die Kamerahersteller gezwungen sind, die Signale der Sensoren elektronisch deutlich zu verstärken. Das führt, wenn die Verstärkung nicht optimal ist, gerade bei hoher Empfindlichkeit (ISO) zu Bildrauschen, Unschärfe und schlechterer Farbdarstellung. Werden Bilder bis zu einer Grösse von 20 mal 30 Zentimeter entwickelt oder gedruckt, genügt in jedem Fall eine gute 6-Megapixel-Kamera. Der Unterschied zu einer Aufnahme mit höherer Auflösung ist in der Praxis nicht zu erkennen. Mit Autoprogramm auf Nummer sicher Ist ein Bild belichtet, ist das schönste Motiv dahin. Deshalb klügeln die Hersteller von Digitalkameras immer 20 Natürlich bessere und zuverlässigere Automatikfunktionen aus, die dem Hobby-Fotografen alles rund ums e Belichten abnehmen. Wenn man keine Lust hat, sich mit den Zusammenhängen zwischen Blende, Verschlusszeit und ISO-Wert oder dem Weissabgleich (Funktion gegen Farbstiche) auseinanderzusetzen, kann man sich in den allermeisten Fällen auf ein automatisches Aufnahmeprogramm verlassen. Landschaften werden mit dem Landschaftsprogramm fotografiert, schnelle Bewegungen oder spielende Kinder mit dem Programm für Sportaufnahmen. Für Nahaufnahmen gibt es das Makroprogramm, für Bilder von Menschen das Porträtprogramm. Manuell für mehr Kreativität Im Handbuch jeder Kamera steht genau beschrieben, welche Automatikprogramme es gibt und wofür sie eingesetzt werden. Kennt man die Programme und weiss, wie man sie an der Kamera aktiviert, kann fast nichts mehr schief gehen. Wer schon mehr über die Fotografie weiss, stellt statt einer Automatik ein Kreativprogramm ein, bei der man Blende oder Verschlusszeit (oder beides) manuell wählen kann. Ausserdem lässt sich dann der ISO-Wert einstellen, was wichtig ist, um Bildrauschen zu vermeiden. Je höher der ISO-Wert, desto stärker wird feines Bildrauschen in gleichmässigen Flächen wie zum Beispiel dem Himmel sichtbar. Der Zusammenhang zwischen Verschlusszeit und ISO-Empfindlichkeit: Je niedriger der ISO-Wert ist, desto länger muss die Verschlusszeit sein, weil mehr Licht für korrekte Belichtung notwendig ist. Der Kamerasensor ist weniger «lichtempfindlich». Bildgestaltung nach dem Goldenen Schnitt Wüssten Fotoamateure nur ein wenig mehr über gelungene Bildgestaltung, der Enthusiasmus für ihr Hobby würde schlagartig gesteigert. Denn wenn die Gestaltung einer Aufnahme nicht passt, wirkt das schönste Fotomotiv langweilig. Hier die wichtigsten Regeln: Viele unwichtige Details lenken immer vom Hauptmotiv ab. Selbst eine weite Landschaft hat einen optischen Anziehungspunkt. Es gilt, den wichtigsten Punkt herauszufinden und diesen optimal im Bild zu platzieren. Solche «Eye- Catcher» können ein einsames Haus, ein Baum, eine Strasse, ein Felsen, sogar ein Schatten oder ein Lichtfleck sein. Hat man erst entdeckt, was den eigenen Blick

4 Fotografie NATUR fesselt, fehlt nur noch die e Positionierung des Blickfangs im Bild. Hauptmotiv und wichtige Nebenmotive sollten bis auf wenige Ausnahmen nicht in der Bildmitte platziert werden. Die meisten Bilder von Profis sind nach dem Goldenen Schnitt gestaltet, eine einfachere und praktikablere Variante ist die Drittel-Regel. Teilt man die Bildfläche mit Hilfe von zwei horizontalen und zwei vertikalen Linien in neun gleiche Teile, kann man sich bei der Anordnung von Haupt- und Nebenmotiven an diesen Linien oder Schnittpunkten orientieren. Dadurch entsteht in den meisten Fällen sofort deutlich mehr Spannung und das Auge des Betrachters verweilt länger im Bild. Kleiner Tipp: Einige Kameras blenden auf Wunsch diese Orientierungslinien auf dem Display ein. Im Handbuch steht, wie das funktioniert. kann ein am Rand des Bildes auftauchender Ast, ein Felsen oder ein Boot an einem Seeufer sein. Im Mittelgrund befindet sich das Hauptmotiv, der entfernt liegende Hintergrund rundet die Komposition ab. Auf diese Weise erfährt der Betrachter des Fotos, in welchem Kontext sich das Hauptmotiv befindet. Vom Umgang mit Licht und Blitz Sonnenlicht kann in der Naturfotografie Segen und Fluch zugleich sein. Ein strahlend blauer Himmel an einem sonnigen Tag kann eine Voraussetzung für stimmungsvolle Landschaften sein. Zum Problem wird die Sonne aber dann, wenn sie harte, dunkle Schatten produziert. Die Kontrastunterschiede zwischen tiefen Schatten und sehr hellen Motiven wie einer weissen Hauswand sind von Digitalkameras nicht zu bewältigen. Entweder werden die Details im Schatten korrekt belichtet und die hellen Flächen dabei völlig überbelichtet oder umgekehrt sind die Schatten nur pechschwarze Flächen, während die hellen Bildteile korrekt wiedergegeben werden. Hier hilft nur, auf die Stunde nach Sonnenaufgang oder die Stunde vor Sonnenuntergang zu warten. Die sogenannte «Blaue Stunde» liefert für die Landschaftsfotografie traumhaftes Licht. Was vorne was hinten? Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit sind sogenannte Führungslinien. Ein Zaun, ein langer Schatten, eine Baumreihe sie führen den Betrachter durchs Bild, im Idealfall direkt zum Hauptmotiv. Um einem zweidimensionalen Foto Tiefe zu verleihen und einen Eindruck von der Dreidimensionalität des Motivs zu vermitteln, sollte man bewusst auf die Einbeziehung von Vorder-, Mittel- und Hintergrund achten. Der Vordergrund Sind Tiere zu weit weg, hat ein Foto wenig Sinn. Man sieht die Tiere auf den Bildern kaum. Hier kommt dazu, dass die Enten in einer unattraktiven Umgebung auf einem verdorrten Baum sassen. Im anderen Bild passt alles: Licht, Position und Blick des Auerhahns sowie Vorderund Hintergrund. Natürlich

5 Wenn man sich Blüten sehr nähert, sollte man mit Stativ arbeiten. Das Bild der Heckenrose ist deutlich verwackelt, weil aus der Hand fotografiert wurde. Aber auch schlechtes Wetter kann für packende Naturmotive interessant sein. Wenn der Himmel bewölkt ist und die Sonne für kurze Zeit durch die Wolken scheint, ergeben sich mitunter tolle Lichtstimmungen. Ein kleiner Trost, wenn der Himmel völlig von Wolken verhangen ist: Das Licht ist an solchen Tagen besonders sanft und es existieren praktisch keine harten Schatten. Das ist günstig für Tieraufnahmen und Pflanzenporträts. Wenn das Tageslicht nicht ausreicht, kann man je nach Motiv immer noch mit Blitz fotografieren, was ausserdem noch die ansonsten trüben Farben an einem grauen Tag zum Leuchten bringt. Blüten und Insekten ganz nah Wer sich für Nahaufnahmen von Pflanzen und Tieren begeistert, sollte darauf achten, dass seine Kamera ein entsprechendes Aufnahmeprogramm hat. Das Nah- oder Makroprogramm wird üblicherweise mit dem Symbol einer Blume auf dem Programmwahlrad oder auf dem Kameradisplay gekennzeichnet. Wie man das Nahprogramm aktiviert, steht im Kamerahandbuch. Bei Blütenbildern besonders hilfreich: ein Stativ. Das hat zwei Gründe. Einerseits kann man sich besser auf das Motiv konzentrieren, zweitens muss man für gute Aufnahmen mit kleinen Blenden (8 oder 11) fotografieren, was zu langen Verschlusszeiten und somit zu Verwacklungsgefahr führt. 22 Natürlich Die kleine Blende (je grösser der Wert, desto kleiner die Blendenöffnung) sorgt dafür, dass eine möglichst grosse Distanz vor und hinter dem Hauptmotiv scharf ist (Schärfentiefe). Würde man mit grosser Blende (kleiner Blendenwert, zum Beispiel 2,8) fotografieren, wäre der scharfe Bereich im Motiv nur ein paar Millimeter tief. Konkret: Der Kopf einer Biene wäre scharf, der Körper bereits deutlich verschwommen. Weil eine kleine Blende (grosser Blendenwert) nicht nur mehr Schärfentiefe, sondern auch eine kleinere Objektivöffnung bedeutet, kommt nur wenig Licht durch die Blende. Deshalb verlängert sich die Verschlusszeit. Das steuert die Kamera bei eingeschaltetem Nah-/Makroprogramm zwar automatisch, leider werden die Verschlusszeiten in der Praxis dann aber so lang, dass man mit Stativ fotografieren muss, um nicht zu verwackeln. Tiere zum Üben in den Zoo Freunde von Tieraufnahmen stehen vor deutlich grösseren Problemen als Landschaftsfotografen ihre Motive stehen in den seltensten Fällen still. Das heisst, man muss schnell auf neue Lichtverhältnisse oder Richtungswechsel reagieren. Möchte man sich um die technischen Aspekte der Kamera keine Gedanken machen, wählt man für rasante Tierporträts am besten das Aufnahmeprogramm für Sportmotive (siehe Kamerahandbuch). Die Kamera wählt dann eine möglichst

6 Zu viel Himmel, ungünstige Bildgestaltung, zu dunkle Baumreihen im Vordergrund die schlechtere Version des von einer Aussichtsplattform aufgenommenen Landschaftsmotivs zeigt, wie man es nicht machen sollte. Beim gelungenen Foto sind Horizont und das Dorf vorn links im Goldenen Schnitt angeordnet Christian Haasz ist seit über zehn Jahren Profifotograf. Er lebt in Tittling, Deutschland, und bietet das ganze Jahr Fotoschulung und -kurse an. Er ist Autor mehrerer Sachbücher zum Thema digitale Fotografie und Bildbearbeitung. Kontakt: kurze Verschlusszeit, um die Bewegungen des Motivs «einzufrieren». Blende und Empfindlichkeit (ISO-Wert) werden für korrekte Belichtungen entsprechend angepasst. Gute Tieraufnahmen leben nicht nur davon, dass ein Tier scharf abgebildet wird. Auch die Bildgestaltung (Vorderund Hintergrund, Lichteinfall, Körperhaltung des Tieres) ist wichtig. Um einen Blick für Gestaltung und nebenbei Routine im Umgang mit der Kamera zu entwickeln, lohnt sich der Besuch im Zoo oder in einem Naturpark. Dort stören zwar häufig Gitter und Zäune die Bildgestaltung, immerhin sind die Tiere aber an Menschen gewöhnt und verstecken sich nicht gleich. Kommt man nah genug an ein ruhendes Tier ran, ist das Aufnahmeprogramm für Porträts ideal für stimmungsvolle Tierbilder. INFOBOX Literatur Haasz: «Digitale Fotoschule Basiswissen» Verlag Franzis 2006, Fr. 34. Atherton/Crabb: «Digitale Fotografie von A Z», Verlag Rowohlt 2005, Fr Beardsworth: «Digital fotografieren Schwarz-Weiss» Verlag Markt+Technik, Fr Internet Suchbegriffe wie «Fotografieren, Fotoschule, Fotokurs, Fotobearbeitung» liefern Ihnen eine Fülle von Adressen, Fototipps, weiterführenden Texten und Programmen zur Bildbearbeitung Natürlich