Sehr geehrte Frau Haderthauer,

Transkript

1 Seite 1 Sehr geehrte Frau Haderthauer, wir, die Freiwilligen des FSJ Kultur 2012/2013, möchten Ihnen gerne unsere Sicht auf unser freiwilliges Jahr, inklusive positiver und negativer Aspekte, darstellen. Das FSJ-Kultur ist vor allem für junge Menschen nach der Schule eine ideale Möglichkeit sich für das spätere Leben zu orientieren. Es werden neben fachlicher Kompetenzen auch eine große Fülle an sog. Softskills vermittelt, die nicht nur in beruflicher Hinsicht dienlich sind, sondern auch dazu beitragen, einen Blick über den Tellerrand der eigenen Fähigkeiten und Weltbilder zu schaffen. Mehrtägige Workshops über Themenbereiche, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die freien Bildungstage, sind eine wichtige Beihilfe zum Blick über den Tellerrand.

2 Seite 2 Doch nicht nur die zahlreichen Bildungsangebote und die Hospitanztage bei anderen Einsatzstellen, sondern vor allem auch die Erfahrungen innerhalb der eigenen Einsatzstelle tragen zur vielfältigen Erfahrungen und zur Persönlichkeitsbildung wesentlich bei. Desweiteren stellt der Freiwilligendienst in der Kultur eine sinnvolle Alternative zur sofortigen, teils willkürlich Wahl von Ausbildungs- und Studienplätzen dar. Die Erfahrungen, die wir in diesem Jahr sammeln konnten, zeigen eine Vielzahl von Möglichkeiten und Alternativen in kulturellen als auch anderen Bereichen für die spätere Berufswahl. Pädagogisch, künstlerisch, handwerklich oder organisatorisch, das FSJ Kultur bietet einen vielseitigen Einblick. Auch bietet der Einsatz als Freiwilliger die Möglichkeit, die eigenen Grenzen auszutesten. Wie weit kann ich mich selbst belasten? Wo liegen meine Stärken? Wo liegen meine Schwächen? Wie hoch kann ich Verantwortung übernehmen? Mit der richtigen Anleitung und Rückhalt im FSJ können diese eigenen Grenzen ausgetestet werden, ohne dass schwerwiegende Schäden zu befürchten sind, denn die Einsatzstelle kann im Falle eines Falles noch

3 Seite 3 helfend eingreifen. Durch dieses Austesten wird die Selbsteinschätzung geschult und ein Bewusstsein für eigene Stärken und Schwächen gefördert. Ebenso ein wichtiger Aspekt ist, dass wir über die Vielfalt an Kontaktmöglichkeiten mit geschultem Fachpersonal, die sich nicht nur über die Einsatzstellen selbst, sondern auch über die Seminare und Freie Bildungstage in Form von Workshopleitern ergeben, gezielt Beziehungen aufbauen und uns bereits vor Studienbeginn wertvolle Informationen und Ratschläge einholen können. Auch werden wir bei der Planung und Durchführung eines verpflichtenden Projekts im kulturellen Bereich damit konfrontiert, eigenverantwortlich zu arbeiten. Wir lernen selber Aufgaben termingerecht zu organisieren, zu erledigen und effektiv zu kommunizieren. Gerade das geforderte Maß an Verlässlichkeit und Eigenverantwortung ist ein wichtiger Teil der vermittelten Soft-Skills, die das FSJ Kultur so attraktiv machen. Diese erreichten Lernziele, die vollbrachten Aktionen und die erfolgreich abgeschlossenen Projekte werden in einem Zertifikat eindrücklich aufgelistet, welches uns am Ende des Jahres ausgehändigt wird. Durch diese direkte Würdigung des Engagements, welche unsere Lebensläufe durchaus bereichert, kann ein Vorteil im Auswahlverfahren für Stipendien und Studienplätze entstehen.

4 Seite 4 Natürlich darf eben genanntes Zertifikat nicht der primäre Grund für die Ableistung eines FSJ Kultur sein, ist aber definitiv ein positiver Nebeneffekt und eine kleine Entlohnung für ein Jahr kulturelles Engagement. Neben den gerade aufgezählten positiven Aspekten, gibt es jedoch auch einige negative: Dazu gehört unter anderem die geringe Bezahlung von nur 300 bzw Für einen Freiwilligen, der aufgrund seines FSJs von zu Hause wegziehen muss, ist es utopisch, sich mit diesem Taschengeld, das hauptsächlich für die Wohnungsmiete benötigt wird, ohne finanzielle Unterstützung der Eltern selbst versorgen zu können. Desweiteren ist es für einige FSJler unter uns nicht möglich in die Nähe ihrer Einsatzstelle zu ziehen, weswegen sie oft hohe Fahrtkosten in Kauf nehmen müssen, ohne dass diese ihnen zurückerstattet werden. Im Gegensatz hierzu erhalten Auszubildende Fahrtkostenrückerstattung! Dazu kommt noch, dass wir Freiwilligen im FSJ Kultur bei der Wohnungssuche keine direkte Unterstützung von Träger und Einsatzstellen in Anspruch nehmen können anders als bei manchen Einsatzstellen im normalen FSJ oder Freiwilligen Ökologischen Jahr. Daraus resultiert, dass die Freiwilligen, welche frühestens ab Juni erfahren, in welcher Einsatzstelle sie arbeiten, Schwierigkeiten haben, sich zeitig auf Wohnungssuche zu begeben. Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass es leider den wenigstens Schulabgängern bewusst ist, dass es nach dem Abschluss verschiedenste Möglichkeiten gibt,

5 Seite 5 wie es weiter gehen kann. Denn außer einem Studium oder einer Ausbildung gibt es u.a. diverse freiwillige Jahre: FSJ Kultur, FÖJ, FSJ im Sport, FSJ Politik, FSJ in der Denkmalpflege, etc. Um den Schülern die verschiedenen Angebote zeigen zu können, ist es daher wichtig Vorträge an Schulen und sogenannte Berufsorientierungstage zu veranstalten. Wir FSJ Kulturler sind keine an temporärer Orientierungslosigkeiten leidenden Schulabgänger, sondern vielmehr junge Menschen, die ihre Prioritäten nicht auf finanzielles Entgelt sondern auf soziales Engagement setzen. Das FSJ in der Kultur ist für uns kein bloßes Brückenjahr, wie es in der Gesellschaft oft gesehen wird. Gerade deswegen wünschen wir uns, dass dieses Jahr gesellschaftlich und politisch gewürdigt wird. Mit freundlichen Grüßen von den Freiwilligen des FSJ- Kultur-Jahrgangs 2012/13 in Bayern