Bewerbung für den LMU Lehrinnovationspreis
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- Philipp Kaiser
- vor 7 Jahren
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1 DIDAKTIK DER ENGLISCHEN SPRACHE UND LITERATUR Bewerbung für den LMU Lehrinnovationspreis Lehrveranstaltung: Intercultural Service Learning (WS 2014/15, 14171) Kursleitung: Dr. Petra Rauschert Intercultural Service Learning: Bürgerbildung und interkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht ein Buchprojekt Studierender mit Flüchtlingen Eines der wesentlichen Ziele des Fremdsprachenunterrichts besteht neben der Ausbildung sprachlicher Fertigkeiten in der Förderung interkultureller Kompetenz. Dabei werden die zentralen Faktoren interkultureller Kompetenz (Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen, vgl. Byram 1997) immer stärker auch im Kontext der Bürgerbildung (engl. Citizenship Education) verankert. Dieser Entwicklung liegt die Annahme zu Grunde, dass die grundsätzliche Fähigkeit, kulturell angemessen zu interagieren, und auch die grundsätzliche Bereitschaft, Menschen anderer Herkunft mit einer Haltung der Offenheit und Toleranz zu begegnen, den Anforderungen der heutigen globalen Welt nicht mehr genügen. Gefordert wird darum, diese Aspekte interkulturellen Lernens mit Faktoren der Citizenship Education (Dt.: Bürgerbildung) zu koppeln, d.h. zusätzlich zur theoretischen Ausbildung interkultureller Kompetenzen sollen für Lernende praktische Möglichkeiten geschaffen werden, auf lokaler und globaler Ebene Verantwortung zu übernehmen, bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme mitzuwirken und damit aktiv das gesellschaftliche Leben mitzugestalten (vgl. Byram 2008 und 2011; Guilherme 2002; Sliwka 2008). Der Fremdsprachenunterricht ist hier mit seiner globalen Ausrichtung besonders in der Pflicht. Während weitgehend Konsens darüber besteht, dass interkulturelles Lernen und das Wissen über Andere auch Fragen praktischer Verantwortungsübernahme aufwerfen, gibt es bisher kaum Konzepte, wie diese Ziele im Fremdsprachenunterricht tatsächlich realisiert werden sollen. Intercultural Service Learning liefert hier ein praktisches Konzept, das formales Lernen und gemeinnütziges Engagement verbindet. Während Service Learning in den USA bereits auf eine längere Tradition blicken kann (hauptsächlich in anderen Fachbereichen), ist das Konzept in Deutschland noch vergleichsweise wenig verbreitet. Für den Fremdsprachenunterricht liegen bisher kaum Praxisbeispiele vor. An diesem Punkt setzt die hier durchgeführte Lehrveranstaltung an und darin besteht auch der Innovationsgehalt. Die Studierenden sollen nicht nur mit einem aktuell sehr relevanten und innovativen Konzept bekannt gemacht werden, das ihnen Wege eröffnet, wie sie später auf nachhaltige Weise interkulturelles Lernen im Englischunterricht fördern können. Vielmehr sollen sie selbst neue Service Learning-Konzepte entwickeln und sie praktisch umsetzen. Die eigene Erfahrung kann erheblich zur Professionalisierung der zukünftigen Lehrkräfte beitragen, da neben einem persönlichen Zugewinn an interkultureller Kompetenz auch sämtliche Stärken und Schwächen der Lehrmethode erfahren und analysiert werden können. Zusätzlich zu dieser Art des Praxisbezugs wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass es sich um eine Lehrveranstaltung im Rahmen der Lehrerausbildung (Englischdidaktik) handelt und der Praxisbezug darum idealerweise neben einem interkulturellen Projektpartner auch eine Zusammenarbeit mit SchülerInnen beinhaltet. Die Lehrveranstaltung enthielt darum eine Verzahnung zwischen Universität und Schule, indem die Studierenden mit Gymnasiasten aus Gauting kooperierten.
2 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 2 VON 3 Eine weitere horizontale Verzahnung erfolgte durch die Zusammenarbeit des vergleichsweise kleinen Seminars zum Intercultural Service Learning (6 Teilnehmer) mit acht Studierenden aus einem Theorie und Praxis Seminar der LMU (ebenfalls aus der Englischdidaktik), die bei den Übersetzungen mitwirkten. Nach einer fundierten theoretischen Auseinandersetzung mit Konzepten interkultureller Kompetenz und des Service Learning als praktischer Methode, formales Lernen und gemeinnütziges Engagement zu koppeln, entwickelten die Studierenden Konzepte, die sich auch für den Fremdsprachenunterricht an der Schule eignen. Von diesen Konzepten wurde im selben Kurs eines erprobt. Bei dem ausgewählten Projekt handelt es sich um ein interkulturelles Begegnungsprojekt zwischen Studierenden, SchülerInnen und Flüchtlingen, die gemeinsam ein Kochbuch erarbeiten. Während die Entscheidung zur gemeinsamen Erarbeitung eines Kochbuchs im universitären Kontext ungewöhnlich erscheinen mag, liegen ihr fachdidaktische und gesellschaftspolitische Überlegungen zu Grunde. Zur langfristigen Friedenssicherung sind Begegnungsprojekte mit Flüchtlingen zwingend notwendig, in praktischer Hinsicht handelt es sich jedoch um einen hochkomplexen Prozess, der sprachliche und kulturelle Hürden enthält, sehr viel Sensibilität im Hinblick auf den Umgang mit den Flüchtlingen erfordert und darum insbesondere auch die beteiligten SchülerInnen vor massive Herausforderungen stellt. Das gemeinsame Kochen bietet zunächst den notwendigen positiven und angstfreien Rahmen, in dem sich Gespräche überhaupt erst entwickeln können. Das Ergebnis des Begegnungsprojektes ist schließlich weit mehr als ein Kochbuch. Mit einem allgemeinen Teil zur Situation von Flüchtlingen in Deutschland, Rezepten und 13 Länderberichten, die den Rezepten jeweils vorangehen, wird das Buch auch zum politischen Dokument, das eine von vielen Möglichkeiten zeigt, wie SchülerInnen und Studierende im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und interkulturelles Lernen mit konkreter Integrationsarbeit verbinden. In fachlicher Hinsicht trägt das Konzept dem Fremdsprachenunterricht überdies dahingehend Rechnung, dass das Buch in allen Teilen bilingual (Englisch/Deutsch) aufgebaut ist, was sich aus der Sprachenvielfalt der ProjektteilnehmerInnen auf natürliche Weise ergibt. Englisch wird hier u.a. als Lingua Franca zur Verständigung eingesetzt. Bei mehreren Treffen zwischen Flüchtlingen, SchülerInnen und Studierenden im Rahmen des Kochens, Redigierens oder der allgemeinen Dialogvertiefung wurde cultural awareness sowie auch language awareness aufgebaut. Fachwissenschaftlich lassen sich die einzelnen Projektphasen unmittelbar an Byrams (1997) theoretische Konzeption interkultureller Kompetenz mit seinen drei (interdependenten) Ebenen von Knowledge, Skills und Attitudes anbinden: Knowledge of self and other of interaction 1. Theoretische Fundierung im Seminar Information von den Flüchtlingen (durch Begegnung) Skills interpret and relate discover and interact 2. Auswertung der Informationen Weitere Recherche (Länderberichte, Asylsituation) Entwicklung von Dialogfähigkeit Artikelproduktion Attitudes relativizing self valuing other 3. Einblick in verschiedene Kulturen Reflexion Gesellschaftliche Komponente des Projekts/aktives Handeln Input Anwendung Transfer Abb.: Interkulturelles Lernen in den einzelnen Phasen des Projekts bezogen auf Byrams (1997) Modell interkultureller Kompetenz
3 LUDWIG-MAXIMILIANS-UNIVERSITÄT MÜNCHEN SEITE 3 VON 3 Mit dem theoriegeleiteten Ansatz interkulturellen Lernens wird die Ebene des formalen Lernens erfüllt. Die zweite Komponente des Intercultural Service Learning, die Koppelung mit Zielen der Bürgerbildung bzw. die Service-Komponente, realisiert sich durch die Begegnung mit den Flüchtlingen als Integrationsmaßnahme und Beitrag zur Völkerverständigung. Durch die Publikation des erarbeiteten Buches wird zudem gesellschaftliche Aufklärungsarbeit geleistet. Der Erlös aus dem Buchverkauf kommt den Flüchtlingen zu Gute. Der Verkauf wird mit einem großen Begegnungsfest im Rathaus in Gauting (am 12. Dezember 2015) eröffnet. Ein weiteres Begegnungsfest findet im Lesecafé Lost Weekend in der Schellingstraße in München statt. Anschließend erfolgt der Buchverkauf im Gautinger Buchhandel und an der LMU. Methodisch erfolgte in allen Phasen des Kurses der Einsatz moderner Medien. Der Buchaufbau und der Austausch der Einzelbeiträge wurde z.b. Cloud-basiert über eine Dropbox durchgeführt, so dass die Beiträge verglichen und auch gegenseitig Korrektur gelesen werden konnten. Das Verfassen der Länderartikel beinhaltete Internetrecherchen, aber auch Telefonate und verkehr mit den Flüchtlingen und untereinander. Mit einem Layoutworkshop (InDesign) wurden außerdem Publikationskompetenzen gefördert. Abschließend ist festzustellen: [W]e must consider that teaching/learning about foreign languages/cultures integrates broader educational frameworks such as Human Rights Education and Education for Democratic Citizenship (Guilherme 2002: 207). Die Veranstaltung hatte das Ziel, diese sehr aktuelle und relevante Forderung exemplarisch in der Praxis umzusetzen, nämlich Menschenrechtserziehung und Bürgerbildung als Teil interkulturellen Lernens im Fremdsprachenunterricht zu verankern. Indem die Studierenden Service Learning nicht nur theoretisch reflektieren, sondern so in die Tat umsetzen, wie sie es später als Lehrkräfte mit ihren SchülerInnen durchführen können, wird dem Anspruch der Integration verstärkter Praxisorientierung in der Lehre Rechnung getragen. Im Vordergrund steht entsprechend auch das Bemühen, Service Learning grundsätzlich für die Fremdsprachendidaktik nutzbar zu machen und Impulse für einen weiteren Ausbau des Konzepts an der LMU zu geben. Ausblick: Die Veranstaltung sollte Modellcharakter haben, wobei die Tatsache, dass sich die Studierenden über das Seminar hinaus bis jetzt noch freiwillig weiter für das Begegnungsprojekt engagieren, für das pädagogische Potential und die Nachhaltigkeit des Ansatzes spricht. In der Konsequenz arbeiten wir am Lehrstuhl für Englischdidaktik nun daran, an der LMU ein interdisziplinäres Netzwerk zum Service Learning aufzubauen, um den Ansatz für Studierende besser nutzbar zu machen. Zur weiteren vertikalen Vernetzung erfolgten bereits Gespräche mit Vertretern der ersten, zweiten und dritten Ausbildungsphase. Das vorliegende Service Learning-Projekt versteht sich damit nicht als einmaliges Event, sondern als Impuls für weiterreichende Kooperationen zur Förderung der Citizenship Education im Rahmen eines modernen Fremdsprachenunterrichts. Literaturverweise: Byram, M. (1997). Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence. Clevedon: Multilingual Matters. Byram, M. (2008). From Foreign Language Education to Education for Intercultural Citizenship. Essays and Reflection. Clevedon: Multilingual Matters. Byram, M. (2011). From foreign language education to education for intercultural citizenship. In: Intercultural Communication Review 9: Guilherme, Manuela (2002). Critical Citizens for an Intercultural World: Foreign Language Education as Cultural Politics. Clevedon: Multilingual Matters. Sliwka, Anne (2008). Bürgerbildung. Demokratie beginnt in der Schule. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.
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