Verhaltenstherapiemanual
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- Jacob Kaiser
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1 Verhaltenstherapiemanual Bearbeitet von Michael Linden, Martin Hautzinger Neuausgabe Taschenbuch. XVIII, 600 S. Paperback ISBN Format (B x L): 17 x 24,2 cm Weitere Fachgebiete > Psychologie > Psychotherapie / Klinische Psychologie > Verhaltenstherapie Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.
2 151 Entspannungstraining M. Linden.1 Allgemeine Beschreibung Durch Entspannungsübungen soll eine Veränderung physiologischer Reaktionen herbeigeführt werden, die als körperliche Begleiterscheinungen von Angst und Anspannung auftreten können. Gleichzeitig soll durch innere Vorstellungen, Bilder oder Erinnerungen auch eine seelische Distanzierung und ein Abschalten ermöglicht wirden. Trainingsziel ist zu lernen, Anspannungsreaktionen zu kontrollieren oder zu modifizieren. Die physiologischen Funktionen sollen so beeinflusst werden, dass sie mit Angstreaktionen inkompatibel sind. Solche Trainingsziele sind vor allem Muskelentspannung, Vasodilatation in den Extremitäten, relative Bradypnoe, Reduktion der gastrointestinalen Motilität und Reduktion von Tachykardien. Die bekanntesten Entspannungsverfahren sind das» autogene Training«, die» progressive Muskelrelaxation«und die» gestufte Aktivhypnose«. Sie basieren alle auf den gleichen Prinzipien und unterscheiden sich nur in technischen Details, die aber für die Anwendbarkeit von Bedeutung sein können. Im Folgenden soll ein abgekürztes Verfahren dargestellt werden, das eine ausreichende Trainingsreaktion in wenigen Sitzungen auch bei irritierbaren Patienten ermöglicht..2 Indikationen Entspannungsverfahren werden zum einen als eigenständige Therapieverfahren einge- setzt, z. B. bei Nervosität, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, funktionellen Magen-Darm- Störungen wie Gastritis oder Reizkolon, Herz- Kreislauf-Störungen wie Arrhythmien, Angina pectoris, Hypertonie oder Erröten, Muskelund Gelenkerkrankungen wie Costen-Syndrom oder Lumboischialgien. Durch länger dauernde Übung soll eine Reduktion des allgemeinen Erregungsniveaus erreicht werden. Zum anderen sollen dem Patienten die Entspannungsreaktionen auch als Hilfsmittel zur Verfügung stehen, um in besonders erregungsintensiven Situationen die körperlichen, d. h. vor allem vegetativen Reaktionen, zu dämpfen. Daneben werden Entspannungsverfahren auch als integrale Bestandteile anderer therapeutischer Techniken verwendet. Hier ist z. B. die systematische Desensibilisierung ( Kap. 64) zu nennen. In diesem Verfahren werden Patienten in der Vorstellung mit angstauslösenden Situationen konfrontiert. Entspannung hat dabei die Funktion, Angstreaktionen zu verhindern..3 Kontraindikationen Entspannungsübungen führen durch Abschottung von äußeren Reizen zu einer Art»Extinktionszustand«mit der Konsequenz eines initialen Hyperarousals. Dies kann zu verstärkter Angst führen und ist ein Grund, warum gerade Angstpatienten sich mit»autogenen«entspannungsverfahren sehr schwer tun. In diesen Fällen ist ein aktiveres therapeutisches
3 152 Kapitel Entspannungstraining Vorgehen mit heterosuggestiven Elementen erforderlich. Durch Entspannungstraining wird des Weiteren eine vermehrte Selbstbeobachtung herbeigeführt. Bei Patienten, die bereits von sich aus eine verstärkte Selbstbeobachtung mit hypochondrisch ängstlicher Selbstwahrnehmung praktizieren, kann durch Entspannungstraining die Symptomatik noch verstärkt werden. Es kann zu Depersonalisationssymptomen und in Extremfällen auch zu Derealisationssymptomen kommen, d. h. die Patienten nehmen aufgrund einer veränderten Körperwahrnehmung sich selbst oder auch die Umwelt als fern und abgehoben wahr, wodurch Angst provoziert werden kann. Bei problematischer Therapeut-Patient-Beziehung sind Entspannungsverfahren ebenfalls nur bedingt einsetzbar. Bei Entspannungsübungen fühlen sich Patienten dem Therapeuten in verstärktem Maße ausgeliefert. Es muss bei solchen Versuchen dann mit verstärkter Angst gerechnet werden. Hier sind Probleme der therapeutischen Beziehung vorab zu klären. Bei organischen Leiden wie Herzfunktionsstörungen, Atemwegserkrankungen und auch einer Reihe neurologischer Erkrankungen besteht eine relative Kontraindikation. Beispielsweise kann durch die im Rahmen des Entspannungstrainings eintretende Verlangsamung der Atmung eine Ateminsuffizienz verstärkt werden..4 Technische Durchführung Es ist faktisch und psychologisch eine hinreichende Zeit von ca. 20 min vorab zu reservieren. Dies zu garantieren, ist das größte Problem bei der Durchführung von Entspannungsübungen. Gegebenenfalls sind eigene psychotherapeutische Interventionen vorzuschalten, um»raum und Möglichkeit«für Entspannung zu schaffen. Der Patient liegt oder sitzt bequem, sodass er selbst möglichst wenig statische Haltearbeit in irgendeinem Teil seines Körpers leisten muss. Der Patient wird mit offenen Augen und begleitet durch dialoghaftes Gespräch aufgefordert, die dominante Hand fest anzuspannen. Die Spannung ist kurze Zeit zu halten und auf ein Maximum zu steigern. Der Therapeut unterstützt den Patienten dabei durch intensives Zureden. Dann wird die Hand entspannt. Der Therapeut beschreibt in monoton perseverierender Art die Empfindungen, die der Patient in der Hand nun verspürt und verspüren soll:»die Hand ist schwer, dick, aufliegend, ruhig und gelöst, sie liegt auf, schwer, dick usw.«der Patient beschreibt selbst die Phänomene, die er in der Hand verspürt. Wiederholung von Punkt 3. Der Patient wird zu detaillierter Beschreibung aufgefordert. Der Therapeut beschreibt die Gefühle in jedem Finger, in der Handinnenfläche, auf dem Handrücken. Die Beschreibung sollte möglichst monoton perseverierend, formelhaft ablaufen. Ebenso wie mit der Hand wird nacheinander mit dem Unterarm und dem Oberarm der dominanten Seite, dann mit der Hand, dem Unterarm und dem Oberarm der anderen Seite verfahren. Dann kommen beide Füße, beide Unterschenkel und beide Oberschenkel an die Reihe. Der Patient und der Therapeut wechseln sich jeweils ab in der Beschreibung der erlebten Phänomene unter der Entspannung, die jeweils auf eine Anspannung erfolgt. Immer wieder zu wiederholende Worte sind: ruhig, schwer, gelassen, sicher, dick, entspannt, aufliegend, gelöst, warm. Nachdem die einzelnen Körperpartien durchgegangen wurden, wird der Patient nun aufgefordert, zunächst beide Arme und Hände gleichzeitig zu entspannen, dann
4 .6 Grad der empirischen Absicherung und persönliche Bewertung 153 beide Beine und schließlich Arme und Beine gleichzeitig. Wenn der Patient angibt, in beiden Armen und Beinen gleichzeitig ein Gefühl der Schwere und Entspannung zu verspüren, dann wird er aufgefordert, die Augen zu schließen und sich innerlich ganz auf die entspannten Arme zu konzentrieren. Der Patient wird dann am Anfang maximal s in diesem entspannten Zustand mit geschlossenen Augen belassen. Der Therapeut beschreibt dabei erneut die Entspannungsphänomene, wobei er die Aufmerksamkeit noch einmal nacheinander von den Händen über den Unterarm auf die Oberarme, über die Füße, die Unterschenkel und die Oberschenkel lenkt. Bei den ersten Übungen sollten nur Hände und Unterarme einbezogen werden. Der Patient wird aufgefordert, diese Übungen in der gleichen Weise etwa 1- bis 2-mal täglich selbst zu üben. Bei der nächsten Sitzung sollte der Patient seine Erfahrungen schildern. Dann wird die gesamte Entspannungsübung erneut trainiert. Es können dann u. U. das Gesicht, die Schulter, das Gesäß und die Bauchmuskulatur hinzugenommen werden. Man sollte sich hiermit jedoch Zeit lassen. Mit zunehmender Übung werden die Anspannungsphasen immer kürzer gehalten und schließlich ganz weggelassen. Wichtig ist, dass der Patient die muskuläre Entspannung immer wieder bei offenen Augen übt. Dies sollte auch in Alltagssituationen erfolgen, wie z. B. Warten an der Bushaltestelle, beim Telefonieren usw. Wenn die muskuläre Entspannung zunehmend gelingt, sollt sie mit inneren Bildern der Ruhe, der Zeit, der Gelassenheit, der Ausgeglichenheit assoziiert werden. Hierbei können auch sog. Phantasiereisen hilfreich sein, in denen der Patient Bilder an entsprechende Momente seines Lebens erinnert..5 Erfolgskriterien Es gibt für Entspannungsübungen eine Reihe von objektiven Erfolgsmaßen, die in aller Regel für die Routine jedoch zu aufwendig sind. Hierzu gehören Messungen der Hauttemperatur, der peripheren Durchblutung, EEG- und EMG- Messungen. In der Praxisroutine wäre evtl. einzig die Messung des galvanischen Hautreflexes sinnvoll einsetzbar. Solche Objektivierungen des Trainingserfolges bringen normalerweise jedoch keine Vorteile. Als ausreichendes Erfolgsmaß kann die subjektive Beschreibung des Patienten benutzt werden..6 Grad der empirischen Absicherung und persönliche Bewertung Bezüglich der Erfolge von Entspannung als eigenständiger Therapiemethode sind vor allem von Seiten der Forschung zum autogenen Training eine Fülle von Daten vorgelegt worden. Mit Einsatz von Entspannung als Teil komplexerer psychologischer Therapien, etwa im Rahmen der systematischen Desensibilisierung, ist Entspannung im Zusammenhang mit den jeweiligen Techniken untersucht worden. Entspannung zeigte sich dabei als ein hilfreiches, jedoch nicht unbedingt notwendiges Verfahren. Es sind durch Entspannungstraining ohne Zweifel verschiedene physiologische Reaktionen beeinflussbar. Trotz solcher mit objektiven Verfahren nachgewiesenen Wirkungen kann von einer Wirksamkeit jedoch nur bedingt gesprochen werden, da in aller Regel Trainingserfolge im Sinne der Schachter-Hypothesen erst dann therapeutisch wirksam werden, wenn sie zusammen mit Veränderungen von Interpretationen, Wahrnehmungen und Bewertungen der Reaktionen selbst, wie der auslösenden Bedingungen einhergehen. Wird im Rahmen einer Therapie jedoch eine Veränderung solcher kog-
5 154 Kapitel Entspannungstraining nitiven Variablen erreicht, dann ist ein Entspannungstraining in vielen Fällen nicht mehr nötig. Bei auch nur relativen Kontraindikationen sollte deshalb darauf verzichtet werden. Ansonsten kann es eine leicht zu erlernende, hilfreiche Methode sein. Literatur Bernstein DA, Borkovec TD (1997) Entspannungstraining. Handbuch der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobson. Pfeiffer, München Hofman E (1998) Progressive Muskelentspannung. Ein Trainingsprogramm. Hogrefe, Göttingen Krampen G (1998) Einführungskurse zum autogenen Training. Verlag für angewandte Psychologie, Stuttgart Langen D (1967) Die gestufte Aktivhypnose. Thieme, Stuttgart Vaitl D, Petermann F (2004) Entspannungsverfahren. Das Praxishandbuch Beltz, Weinheim Schultz H (2003) Das autogene Training. Thieme, Stuttgart
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