Eine Auswahl von Stellungnahmen. von Professoren der Universität Santa Croce. zum Rücktritt Papst Benedikts XVI
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- Liane Adler
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1 Eine Auswahl von Stellungnahmen von Professoren der Universität Santa Croce zum Rücktritt Papst Benedikts XVI Benedikt XVI. ein Pontifikat gegen den Strom Prof. Diego Contreras, Dozent für Analyse und Praxis journalistischer Information an der Fakultät für Kommunikationswissenschaften der Päpstlichen Universität Santa Croce, zum angekündigten Rücktritt des Papstes. Benedikt XVI. hatte es schon angekündigt: aber wir haben es sozusagen vergessen (zumindest ich.) Wenn ein Papst zu der Einsicht kommt, dass er aus physischer, psychischer und spiritueller Sicht nicht mehr in der Lage ist, dieses Amt zu bekleiden, dann hat er das Recht, unter gewissen Umständen geradezu die Pflicht, abzutreten. Das sagte er zu Peter Seewald im 2010 veröffentlichten Interview-Buch Licht der Welt. Mir scheint, andere Beweggründe für die vom Papst verkündete Entscheidung zu suchen, sind überflüssig. Die universale Kirche zu leiten, erfordert heute einen außerordentlichen Aufwand an Kräften, ganz anders als es noch vor Jahren war. Der Papst erfreut sich einer guten Gesundheit und verfügt über einen erstaunlich wachen Geist, allerdings sieht er sich nicht mehr in der Lage, zu regieren. Meiner Meinung nach konnte man das schon feststellen: der Papst konzentrierte sich auf das Wesentliche, insbesondere der Darlegung der Glaubenslehre und der Ernennung von Bischöfen aber er merkte auch, dass er eigentlich mehr machen müsste. Man wird dagegenhalten, dass es um die Gesundheit Johannes Pauls II. deutlich schlechter stand, er aber nicht abtrat. In diesem Fall jedoch hatte der Papst entschieden, dass es seine Mission sei, als Nachfolger Petri durch das Leiden Zeugnis abzulegen. Und so wurde es auch wahrgenommen. Wenn man ehrlich ist, kann man nicht abstreiten, dass Benedikt XVI. in seinem fast achtjährigen Pontifikat ständig gegen den Strom rudern musste. Das bedeutet einen noch stärkeren Kraftaufwand. Er ist in zu vielen Fällen alleingelassen worden. Für mich ist das dramatischste Dokument seines Pontifikates der Brief, den er im März 2009 aus Anlass der gewaltigen Polemik gegen die Aufhebung der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe an die Bischöfe schrieb.
2 Auf jeden Fall hat Benedikt XVI. gezeigt, dass er nichts mit den Karikaturen zu tun hat, die einige von ihm gezeichnet haben (in der Regel außerhalb Roms: hier war es leichter den authentischen Ratzinger kennenzulernen.) Die Tatsache allein, dass er zurücktritt, bekräftigt, dass es nicht eine hohle Frase war, als er sich nach seiner Wahl als demütiger Diener im Weinberg des Herrn präsentierte, sondern die Wahrheit. Der Rücktritt Benedikt XVI. und die Öffentliche Meinung Stellungnahme (leicht gekürzt) von Prof. Norberto Gonzáles Gaitano, Dozent für Öffentliche Meinung an der Fakultät für Kommunikationswissenschaften der Päpstlichen Universität Santa Croce, zur Ankündigung des Rücktritt Benedikts XVI. Angesichts der durch Gebet und inneres Ringen getroffenen Gewissensentscheidung eines Menschen auch wenn es sich um einen Papst handelt gibt es keine andere Reaktion, als Respekt auszudrücken. Tiefen Respekt. Die Öffentliche Meinung ist diesbezüglich weltweit einhellig: religiöse Führer, Staatsoberhäupter, Regierungspräsidenten und das Volk auf der Strasse. Dies lässt sich auf die klassische Formel bringen: vox populi, vox Dei. Auch wenn die Bewertung dieses Rücktritts in seinen ganzen Facetten noch nicht abgeschlossen sein kann das wird Sache der Historiker sein wage ich als einer, der seit einigen Jahren das Verhältnis von Öffentlicher Meinung und Kirche wissenschaftlich untersucht einige Überlegungen zu formulieren: 1. Allein die Tatsache, dass der Rücktritt des Oberhauptes einer Religion weltweit eine so bedeutende Aufmerksamkeit findet (mit Ausnahme in China aus Gründen der Zensur), zeigt in gewisser Weise, dass die öffentliche Meinung die katholische Kirche und den Mann, der sie leitet, als etwas Einzigartiges wahrnimmt, mit anderen Ansprüchen als etwa andere Religionen. Diese Ansprüche, die man akzeptieren kann oder nicht, je nachdem, ob man den Glauben teilt oder nicht diese Ansprüche werden immerhin als solche wahrgenommen. Man widmet eine solche Aufmerksamkeit nicht dem Rücktritt eines anderen religiösen Führers. Sicherlich, es gibt noch andere Faktoren, die das Interesse wecken: die Zahl der Gläubigen, die Geschichte usw. Aber allein erklären sie dieses immense Interesse nicht.
3 2. Im katholischen Umfeld, innerhalb der Kirche also, finde ich zusammen mit einer ausdrücklichen Unterstützung Benedikts XVI. und einem Verständnis für seine Entscheidung Fragen und manchmal auch Ratlosigkeit. Verändert eine Entscheidung wie diese nicht die Rolle des Papstes in der Kirche? Wird das für die Zukunft der Kirche von Vorteil oder eher nachteilig sein? Werden so die Entscheidungen seiner Nachfolger nicht beeinflusst, und in welcher Weise? Diese Fragen haben mit der öffentlichen Meinung innerhalb der Kirche zu tun. Auf dieser Ebene der Formulierung und der Formung der öffentlichen Meinung innerhalb der Kirche ergeben sich einige Überlegungen: a) Auf der Ebene des Glaubens (also auf dem dogmatischen Feld mit wesentlichen Inhalten des Glaubens) hat die öffentliche Meinung keinen diskursiven Charakter, unabhängig ob sie innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft des Glaubens geführt wird. Das Credo sagt nichts über den Rücktritt des Stellvertreters Christi aus. Gleichwohl erweist sich die öffentliche Meinung hier als Ausdruck des sensus fidelium, der die Entscheidung des Papstes nicht richtet, sondern betet. Und tatsächlich gibt es diese Einstimmigkeit im Gebet für die Kirche, für den Papst und seinen Nachfolger. Es genügt im Internet zu surfen, um diese Welle des Gebetes zu hören. b) Auf der praktischen Ebene der Gemeinschaft des Lebens die Kirche ist keine demokratische Gesellschaft, sie ist aber eine Gemeinschaft liegt die Entscheidung über den Rücktritt eines Papstes allein bei ihm selber, verantwortlich vor Gott und seinem Gewissen. Allerdings muss er - wie alle anderen Gläubigen in einer gewissen Form Rechenschaft vor der Gemeinschaft der Gläubigen ablegen (accountability), da er nicht eine despotische Macht innehat. Und eben das hat Benedikt XVI. getan, indem er Rechenschaft über seine Entscheidung vor dem Konsistorium der Kardinäle abgelegt hat, die ihn in seiner Regierung unterstützen und die Kirche als Ganze repräsentieren. Und so hat der Papst es vor allen Gläubigen getan und vor der öffentlichen Meinung. c) Auf der Ebene des Nicht-Definitiv-Festgeschriebenen, des Kontingenten, regiert die Freiheit, mit mehr oder weniger vernünftigen Argumenten auf besserem oder schlechterem Fundament. In diesem Bereich sind die Diskussionen eröffnet und notwendig. In Zukunft müssen die Päpste, die Kardinäle, die Kirchenrechtler und Theologen und in gewisser Weise alle Gläubigen darüber nachdenken, wie die Kirche klar und transparent geleitet werden kann, wenn der Papst dazu nicht mehr in der Lage ist, ob er nun abtritt oder nicht. Der Akt, den Benedikt XVI. gesetzt hat, ist auch eine Lehrstunde der Kommunikation in diesem Feld: kontingente Fragestellungen mit kontingenten Entscheidungen lösen. Nur die Heiligen haben diese Freiheit des Geistes, weil für sie ausschließlich das Urteil Gottes von Bedeutung ist, nicht das der Geschichte. So hat es auch Johannes Paul II. getan, als er sich entschied, sein Amt weiterzuführen bis zum Tod.
4 Konsequenz und Demut in der Entscheidung Benedikts XVI. Prof. Philip Goyret, Vize-Rektor und Dozent für Ekklesiologie der Päpstlichen Universität Santa Croce, zur Rücktrittserklärung Benedikts XVI. Wir sind noch überrascht von dieser unerwarteten Geste Benedikts XVI. Die erste natürliche Reaktion eines jeden Katholiken darauf muss das starke und tiefe Gebet für seine Person und die Kirche sein. Wenn man genau hinsieht, dann ist die Entscheidung des Papstes ganz in Übereinstimmung mit seinem Denken und in besonderer Weise mit seiner Art das Petrusamt zu verstehen. Dieses lässt sich nicht nach den Parametern nationaler Regierungen leiten. Als die Apostel diskutierten, wer von ihnen wohl der Größte sei, sagte Jesus zu ihnen: "Der Größte unter euch soll werden wie der Kleinste, und der Führende soll werden wie der Diener." (Lk 22, 26) Für das Haupt der Apostel, und für seine Nachfolger, die die Kirche leiten, ist das Bewusstsein wesentlich, ganz im Dienst an der Herde zu stehen. Wenn man merkt, dass die Bedingungen, diesen Dienst zu erfüllen, nicht mehr ausreichen und das kann auf verschiedene Weisen geschehen, nicht nur wenn die physische oder mentale Kraft schwindet -, dann erweist sich die Entscheidung, sich zurückzuziehen, nicht nur als konsequente Wahl, sondern auch als Ergebnis einer persönlichen Haltung, die geprägt ist von Demut, weit ab von einem despotischen Kleben an der Macht. So ist der einfache und demütige Arbeiter im Weinberg des Herrn, als welchen sich Benedikt der Welt präsentierte als er sich am 19. April 2005 den auf dem Petersplatz versammelten Gläubigen zeigte, sich bis zum Ende treu geblieben. Aber der wesentliche Aspekt ist immer der Dienst, wie es im Evangelium nach Lukas heißt. Die Weise, zu dienen, kann sehr wirksam sein auch im Leiden und in der Krankheit, wie im Fall der letzten Jahre des vergangenen Pontifikates. Halten wir fest, dass das wirksamste Leiten der Kirche, das Leiden und Sterben Jesu am Kreuz war, welches in gewisser Weise von Petrus fortgeführt wurde: auch er starb am Kreuz. Mit Bestimmtheit lässt sich sagen, dass der Rücktritt vom Leitungsamt auch ein Dem-Ruhm-Sterben ist. Und so hinterlässt uns Benedikt XVI. ein ebenso wertvolles Zeugnis wie Johannes Paul II.
5 Ein Wendepunkt der Geschichte Prof. Johannes Grohe, Direktor des Annuarium Historiae Conciliorum, Dozent für Kirchengeschichte an der Päpstlichen Universität Santa Croce, zur Ankündigung des Papstes, Ende Februar von seinem Amt zurückzutreten. Aus historischer Sichtweise stellt der Rücktritt Benedikt XVI. einen Wendepunkt dar, obgleich man auf die Rücktritte Klemens I. (97) oder des Pontian (235) als Vorbilder hinweisen könnte. Dennoch es handelte sich ebenso wie in anderen ähnlichen Fällen der ersten Jahrhunderte um Situationen der Christenverfolgung, in welchen der Rücktritt die Zielsetzung hatte, die Kirche nicht ohne Hirte sein zu lassen. Nicht einmal der Rücktritt vom Papstamt durch Coelestin V. (1294) kann ernsthaft als Beispiel dienen, da der heilige Eremit nach wenigen Monaten einsah, dass er persönlich ungeeignet für dieses Amt war und zu sehr unter der stetig wachsenden Abhängigkeit vom neapolitanischen Hof stand. Mit großer Demut zog er die Konsequenzen. Papst Benedikt hat am 11. Februar seine Entscheidung mit großem Mut und in voller Freiheit getroffen: Wenn ein Papst zur klaren Einsicht gelangt, physisch, psychisch und mental sein ihm anvertrautes Dienstamt nicht mehr ausführen zu können, dann hat er das Recht und unter bestimmten Umständen auch die Pflicht, zurückzutreten. So hat er es schon 2010 im Interview mit Peter Seewald erklärt, das unter dem Titel Licht der Welt veröffentlicht wurde.
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