Energietechnologien Schwerpunkte für Forschung und Entwicklung

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3 STE Research Report 01/2010 Energietechnologien 2050 Schwerpunkte für Forschung und Entwicklung Fossil basierte Kraftwerkstechnologien, Wärmetransport, Brennstoffzellen Abschlussbericht des BMWi-Forschungsvorhabens "Verbundprojekt: Energietechnologien 2050 Schwerpunkte für Forschung und Entwicklung; Teilprojekt: Technologieanalyse fossile Energieumwandlung" Förderkennzeichen D Ulf Birnbaum, Richard Bongartz, Jochen Linssen, Peter Markewitz, Stefan Vögele Forschungszentrum Jülich Institut für Energieforschung Systemforschung und Technologische Entwicklung (IEF-STE)

4 Die Verantwortung für den Inhalt des vorliegenden Berichts liegt bei den Autoren

5 Inhalt I Aufgabenstellung... 3 II Kohlegefeuerte Kraftwerke... 5 II.1 Beschreibung des Technologiefeldes... 7 II.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf... 8 II.3 Bewertung des Technologiefeldes II.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand II.5 Anhang: Datenblatt Kohlegefeuerte Kraftwerke II.6 Literatur III Kohlekombikraftwerke III.1 Beschreibung des Technologiefeldes III.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf III.3 Bewertung des Technologiefeldes III.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand III.5 Anhang: Datenblatt Kohlekombikraftwerke III.6 Literatur IV Gas- und GuD-Kraftwerke IV.1 Beschreibung des Technologiefeldes IV.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf IV.3 Bewertung des Technologiefeldes IV.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand IV.5 Anhang: Datenblatt Gasturbinen- und GuD-Kraftwerke IV.6 Literatur V CO 2 -Abscheidung V.1 Beschreibung des Technologiefeldes V.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf V.3 Bewertung des Technologiefeldes V.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand V.5 Anhang: Datenblatt CO 2 -Abscheidung V.6 Literatur VI CO 2 -Transport und -Speicherung VI.1 Beschreibung des Technologiefeldes VI.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf VI.3 Bewertung des Technologiefeldes VI.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand VI.5 Anhang: Datenblatt CO 2 -Speicherung VI.6 Literatur VII CO 2 -Nutzung und -Verwertung VII.1 Beschreibung des Technologiefeldes VII.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf VII.3 Bewertung des Technologiefeldes VII.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand VII.5 Literatur

6 VIII Wärmetransport und -verteilung VIII.1 Beschreibung des Technologiefeldes VIII.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf VIII.3 Bewertung des Technologiefeldes VIII.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand VIII.5 Literatur IX Brennstoffzellen /Brennstoffzellen-Hybridkraftwerke IX.1 Beschreibung des Technologiefeldes IX.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf IX.3 Bewertung des Technologiefeldes IX.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand IX.5 Anhang: Internationale Brennstoffzellenhybrid-Demonstrationen IX.6 Anhang: Datenblatt Brennstoffzellen / Brennstoffzellen- Hybridkraftwerke IX.7 Literatur Anhang

7 1 Energietechnologien 2050 Fossil basierte Kraftwerkstechnologien, Wärmetransport, Brennstoffzellen Research Centre Jülich, Institute of Energy Research - Systems Analysis and Technology Evaluation (STE), D Jülich, Germany Executive Summary The 5 th German R&D Energy programme is actually the frame of federal public R&D funding in the energy technology field. The German Government plans to update this programme. The German Federal Ministry of Economics and Technology (BMWi), which is responsible, initiated a pre screening study to identify future R&D topics for various energy technology fields like power plant technology, CCS, renewable energy technology, storage technology, electrical grids and energy efficient technologies for industrial appliances. Beside IEF-STE six further German research institutes (Fraunhofer Institutes Umsicht, ISI, ISE and University Karlsruhe, DLR, RWTH University Aachen) have been instructed to analyse the technologies fields in depth. A lot of energy technology experts have been involved by interviews and workshops within the project. IEF-STE was responsible for the technology fields fossil power plants, carbon capture and storage, carbon capture reuse, fuel cells, hybrid power plants and district heating. In a first step a list of criteria has been developed for analyzing and evaluating the technology fields. Starting point of this working package were previous studies, which have carried out within the EDUARD project. In a further step different scenarios have been developed representing different energy futures (Business as usual, climate policy, short resources). The role of each technology field was evaluated within these different scenarios. The Identification of visionary future R&D topics was the main objective of the study reflecting also other different fields like material science, engineering science etc. The results have been discussed with experts from science and industry. Keywords F&E Schwerpunkte, Kohlegefeuerte Kraftwerke, Kohlekombikraftwerke, Gasturbine, CCS, CO 2 -Nutzung, Brennstoffzellen, Hybridkraftwerke

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9 3 I Aufgabenstellung Der Rahmen für die mit öffentlichen Bundesmitteln geförderten F&E Projekte im Energiebereich ist derzeit das 5. Energieforschungsprogramm, das von der Bundesregierung im Jahr 2005 verabschiedet wurde. Derzeit wird von den zuständigen Bundesressorts ein neues Energieforschungsprogramm vorbereitet. Im Vorfeld dieses Prozesses hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie als federführendes Ressort das Verbundprojekt Energietechnologien 2050 Schwerpunkte für Forschung und Entwicklung in Auftrag gegeben. Ziel des Vorhabens ist es, Techniken zu bewerten sowie insbesondere F&E-Themen zu identifizieren, die für eine öffentliche Förderung Relevanz besitzen. Die Arbeiten sollen einen wesentlichen Beitrag für die forschungspolitische Ausrichtung sowie die Prioritätensetzung für die nicht-nukleare Energieforschung liefern und eine Basis für das neue Energieforschungsprogramm darstellen. An dem Verbundprojekt waren das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik, die Universität Karlsruhe, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt sowie das Forschungszentrum Jülich beteiligt. Folgende Energietechnikfelder wurden im Rahmen des Verbundvorhabens analysiert: Elektrizitätserzeugung (fossil, erneuerbar), Energietransport und -verteilung, Energiespeicherung, CO 2 -Abscheidung, -Speicherung und -Nutzung, rationelle Energienutzung (Gebäude, Industrie) sowie Wasserstoff/Brennstoffzellen. Das Vorhaben wurde von Industrieunternehmen begleitet; eine Vielzahl von Experten aus Industrie und Forschung wurden im Rahmen von Workshops und Expertengesprächen sowie Unteraufträgen einbezogen. Das Institut für Energieforschung Systemforschung und Technologische Entwicklung (IEF-STE) des Forschungszentrums Jülich hat im Rahmen des Verbundvorhabens folgende Themenfelder bearbeitet: - Kohlegefeuerte Kraftwerke - Kohlekombikraftwerke - Gasturbinen- und GuD-Kraftwerke - CO 2 -Abscheidung, -Transport, -Speicherung und -Nutzung - Wärmetransport und -verteilung - Brennstoffzellen/Brennstoffzellen-Hybridkraftwerke

10 4 Die Auswahl der Techniken, die in den jeweiligen Themenfeldern vorgenommen wurde, erfolgte in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber. Für die einzelnen Themenbereiche erfolgte in einem ersten Schritt eine Aufarbeitung des derzeitigen Entwicklungsstandes. Danach wurden mögliche F&E Felder identifiziert, was den eigentlichen Schwerpunkt der Studie darstellt. Das Spektrum reicht hierbei von der Materialentwicklung bis hin zu neuen Technikkonzepten. Die anschließende Bewertung des Technologiefeldes erfolgte vor dem Hintergrund von drei Szenariowelten anhand eines Kriterienkatalogs, der von allen Projektpartnern einheitlich genutzt wurde. Die Szenarien beschreiben unterschiedliche denkbare zukünftige Entwicklungspfade (Moderat, Klimaschutz, Ressourcenverknappung). Den Abschluss eines jeden Themenfeldes bilden F&E Empfehlungen für eine mögliche öffentliche Förderung.

11 5 II Kohlegefeuerte Kraftwerke Unter kohlegefeuerter Kraftwerkstechnik werden in diesem Kapitel Dampfkraftwerke auf der Basis von Kohleverbrennung verstanden. Kraftwerksprozesse auf der Basis von Kohlevergasung sowie Kraftwerke mit CO 2 -Abscheidung werden gesondert in eigenen Kapiteln (siehe Kapitel III: Kohlekombikraftwerke und Kapitel V: CO 2 - Abscheidung) behandelt. Abbildung II-3 enthält eine Klassifizierung der wichtigsten heutigen und zukünftigen kohlegefeuerten Kraftwerkstypen. Unterschieden wird zwischen Prozessen mit atmosphärischer und druckaufgeladener Feuerung. Auf Wunsch des Auftraggebers werden in dieser Studie die druckaufgeladenen Prozesse nicht behandelt. In jüngerer Vergangenheit wurde sowohl die öffentliche als auch die industrielle F&E-Förderung für die druckaufgeladenen Prozesse (z. B. Druckkohlenstaubfeuerung) nahezu vollständig eingestellt, da eine Umsetzung dieser mit höchstem technischem Risiko behafteten Kraftwerksprozesse unrealistisch erschien. Darüber hinaus wurden aus heutiger Sicht die Effizienzpotenziale konventioneller Konkurrenztechniken deutlich unterschätzt, so dass mit derzeitigem Kenntnisstand der vermeintliche Effizienzvorteil der druckaufgeladenen Prozesse sehr viel geringer oder kaum noch vorhanden ist. Abbildung II-1: Klassifizierung kohlegefeuerter Dampfkraftwerke Kohle Verbrennung Druckfeuerung Atmosphärische Feuerung Wirbelschichtfeuerung Heißgasentstaubung Gasturbinen- Prozess Abhitzekessel Wasser/ Dampfprozess Staubfeuerung Höchsttemperatur- Gasreinigung Gasturbinen- Prozess Abhitzekessel Wasser/ Dampfprozess Staubf. Indirekt befeuerter Kohle-Kombiprozess (EFCC) Höchsttemperatur- Wärmetauscher Gasturbinen- Prozess Abhitzekessel Dampferzeuger Wasser/ Dampfprozess Staubf., Wirbelschichtf. Binäre Kreisläufe z.b. Kalium- Dampferzeuger z.b. Kalium- Dampfprozess Abhitzekessel Wasser/ Dampfprozess Wasser/ Dampfprozess Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

12 Bei der Art der atmosphärischen Feuerung ist zwischen Staub- und Wirbelschichtfeuerung zu unterscheiden. Bei Letzterer wird zwischen der stationären und der zirkulierenden Wirbelschicht unterschieden. Beide Verfahren werden heute kommerziell eingesetzt. Etwa ab Anfang der 1980er-Jahre wurden in Deutschland intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Wirbelschichtfeuerung durchgeführt. Sie befand sich lange Zeit im öffentlich geförderten Forschungs- und Entwicklungsportfolio. Hauptmotivation war seinerzeit die Reduktion von SO 2 - und NO x -Emissionen. Aufgrund der deutlich niedrigeren Verbrennungstemperaturen und somit niedrigeren NO x -Emissionen sowie der Möglichkeit, das im Rauchgas befindliche SO 2 über Kalkzugabe zu binden, schien sie gegenüber konventioneller Technik deutliche Vorteile aufzuweisen. Aus heutiger Sicht ist jedoch festzustellen, dass sich die Kalkwäsche zur SO 2 -Reduzierung sowie Primär- und Sekundärmaßnahmen zur NO x - Minderung durchgesetzt haben. Zusätzlich stellte die Leistungsbegrenzung der wirbelschichtgefeuerten Kraftwerke einen wesentlichen Nachteil dar. Dies führt in der Summe dazu, dass sich die Wirbelschichtfeuerung in Deutschland entgegen den ursprünglichen Erwartungen nicht durchsetzen konnte. Aufgrund der hohen Brennstoffflexibilität wird sie heute vorwiegend zur Nutzung niedrigkaloriger Brennstoffe (Raffinerierückstände etc.) eingesetzt. Die installierte elektrische Leistung in Deutschland liegt deutlich unter 1 GW und der Beitrag zur deutschen Stromversorgung ist eher marginal. Wie am Beispiel anderer Länder festzustellen ist, hängt ihr Einsatz maßgeblich von der Brennstoffqualität ab. So ist der Einsatz von Wirbelschichtfeuerungen in Ländern wie z. B. China oder Indien sehr attraktiv, da die dortige heimische Kohle eine relativ schlechte Qualität besitzt. Favorisiert für den Einsatz zur Stromerzeugung wird die zirkulierende Wirbelschicht, die große thermische Leistungen ermöglicht. So wird derzeit in Polen (Lagisza) eine Wirbelschichtfeuerungsanlage gebaut, die eine thermische Leistung von MW aufweist, was einer elektrischen Leistung von 460 MW entspricht. Von einer weiteren Steigerung der Blockgröße ist auszugehen [Szentannai et al., 2008]. Deutschland verfügt über heimische Kohle von hoher Qualität. Durch das Auslaufen des deutschen Steinkohlebergbaus ist in den letzten Jahren eine starke Zunahme importierter Steinkohle zu beobachten, die eine ebenso hohe Brennstoffqualität aufweist. Zukünftig werden die Steinkohlenimporte weiter zunehmen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Wirbelschichtfeuerung in Deutschland auch zukünftig keine signifikante Rolle bei der kohlegefeuerten Stromerzeugung spielen und ihr Einsatz sich eher auf Nischenmärkte beschränken wird. Aus diesem Grund wird die Wirbelschichtfeuerungstechnik im Folgenden nicht weiter betrachtet. Der klassische konventionelle Dampfkraftwerksprozess mit konventioneller Staubfeuerung ist sowohl national als auch international der Eckpfeiler heutiger Kohleverstromung. Dieser Prozess wurde im Laufe der letzten Dekaden sukzessive weiter entwickelt, und es wurden erhebliche Wirkungsgradpotenziale erschlossen, was von 6

13 einer Vielzahl öffentlich und industriell geförderter F&E-Projekte begleitet und unterstützt wurde. Sowohl national als auch weltweit liegen große Betriebserfahrungen vor, so dass der Dampfkraftwerksprozess auch aus innovationsökonomischer Sicht als Basistechnikpfad zu sehen ist. Zukünftig werden für den Dampfkraftprozess noch weitere große Effizienzpotenziale gesehen, so dass er im Wettbewerb mit anderen fossil gefeuerten Stromerzeugungstechniken (z. B. Kohlekombikraftwerke) als Maßstab zu sehen ist. Insbesondere vor dem Hintergrund eines Zeithorizonts bis zum Jahr 2050 werden im Folgenden auch Kraftwerkskonzepte analysiert und bewertet, die zwar aus heutiger Sicht weit von einer technischen Umsetzung entfernt sind, jedoch hohe Effizienzpotenziale aufweisen. Sie könnten möglicherweise in ferner Zukunft das Technikportfolio erweitern oder etablierte Technik ablösen. 7 II.1 Beschreibung des Technologiefeldes Kohlegefeuerte Dampfkraftwerke tragen derzeit (2007) mit einem Anteil von gut 47 % zur Nettostromerzeugung in Deutschland bei. Hierbei entfallen etwa 24 % auf braunkohlegefeuerte Kraftwerke und 22,3 % auf steinkohlegefeuerte Kraftwerke. Die installierte Kraftwerksleistung beträgt 20,3 GW (Braunkohle) bzw. 27,8 GW (Steinkohle). Die Anteile an der gesamten installierten Kraftwerksleistung belaufen sich auf ca. 14,7 % (Braunkohle) bzw. ca. 20 % (Steinkohle) [BMWi, 2008, Bundesnetzagentur, 2008]. Während Braunkohlekraftwerke im Grundlastbetrieb gefahren werden, liegt der Einsatzbereich von Steinkohlekraftwerken im Mittellastbereich. Derzeit befinden sich in Deutschland einige kohlegefeuerte Kraftwerke in Bau (Braunkohle: ca. 2,8 GW, Steinkohle ca. 5,5 GW). Darüber hinaus sind eine Vielzahl von kohlegefeuerten Kraftwerken geplant bzw. befinden sich in der Genehmigungsphase. Der Anteil kohlegefeuerter Kraftwerke an der weltweiten Stromproduktion betrug im Jahr 2006 etwa 41 % (7.756 TWh) [IEA, 2008]. Der Energieträger Kohle bildet somit sowohl national als auch international das Rückgrat der heutigen Stromproduktion. Die Internationale Energieagentur (IEA) geht in ihrem aktuellen Referenzszenario davon aus, dass die heutige globale Stromproduktion aus Kohlekraftwerken bis zum Jahr 2030 auf einen Wert von ca TWh ansteigt, was in etwa einer Verdopplung entspricht. Selbst in einem ambitionierten Klimagasreduktionsszenario, das eine CO 2 -Konzentration in der Atmosphäre von 550 ppm unterstellt, spielt die Verstromung von Kohle aus Sicht der IEA immer noch eine erhebliche Rolle. Sie liegt gegenüber dem Referenzszenario für das Jahr 2030 um etwa ein Drittel niedriger, was jedoch gegenüber der heutigen Erzeugung immer noch einen Anstieg von 27 % bedeutet. Allerdings ist ein Großteil der Anlagen dann mit CCS-Technik (siehe Kapitel V: CO 2 -Abscheidung) ausgestattet.

14 8 II.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf Nachfolgend werden für ausgewählte Techniken der aktuelle Entwicklungsstand sowie der künftige Forschungs- und Entwicklungsbedarf beschrieben. Den Schwerpunkt bilden hierbei die konventionellen Dampfkraftwerke mit Staubfeuerung, da sie derzeit und auch in absehbarer Zukunft das Rückgrat der Kohleverstromung sind. Sie sind der Maßstab, an dem sich alternative Kohleverstromungstechniken messen lassen müssen. Insbesondere vor dem Hintergrund einer weiteren Steigerung der Dampfparameter (700 C-Kraftwerk, Vision 800 C-Kraftwerk) wird im Folgenden der erforderliche F&E-Bedarf skizziert. Ein besonderer Fokus wird hierbei auf die Komponenten Dampferzeuger sowie Dampfturbine gelegt. Für die braunkohlegefeuerten Kraftwerke wird im Rahmen eines Exkurses auf mögliche Vortrocknungstechniken eingegangen. In vielen F&E-Strategieüberlegungen werden Kraftwerksprozesse mit binären Arbeitsmitteln sowie der EFCC-Prozess 1 genannt, da ihnen ein sehr hohes Effizienzpotenzial zugeschrieben wird. Für diese Prozesse wird ebenfalls der aktuelle Entwicklungsstand aufgezeigt, das technische Entwicklungsrisiko abgeschätzt sowie möglicher F&E-Bedarf skizziert. II.2.1 Konventionelle Dampfkraftwerke mit Staubfeuerung Die wenigen Mitte der 1990er-Jahre in Deutschland gebauten Steinkohlekraftwerke (z. B. Rostock, Staudinger) sind durchweg Kraftwerke mit überkritischen Dampfparametern, die einen Nettowirkungsgrad von etwa 43 % aufweisen. Die heute im Bau befindlichen Steinkohlekraftwerke (z. B. Datteln, Walsum) entsprechen in etwa den technischen Merkmalen des Referenzkraftwerks NRW, das im Rahmen einer Machbarkeitsstudie [NRW, 2004] im Jahr 2004 analysiert und konzipiert wurde. Für die Vorzugsvariante dieses Kraftwerks wird ein Nettowirkungsgrad von ca. 46 % angegeben, der durch Anhebung des Frischdampfzustands (285 bar, 600 C), durch weitere Komponentenoptimierung und andere effizienzverbessernde Maßnahmen erreicht werden kann. Aus der Studie geht hervor, dass bereits heute Wirkungsgradsteigerungen um weitere 1,4 Prozentpunkte möglich wären (z. B. doppelte Zwischenüberhitzung), allerdings zu erheblichen Mehrkosten [NRW, 2004, Schnadt & Benesch, 2008]. 1 External fired combined cycle

15 9 Abbildung II-2: Entwicklung von Dampfparametern steinkohlegefeuerter Kraftwerke Wirkungsgrad Pioniere: 1956: Hüls 340/ : Eddystone (USA) 344/ : Dormagen 230/ : Staudinger 260/545 unterkritisch 167/540/540 überkritisch 250/540/ / 580/ /600/ : Scholven 185/ : Wilhelmshaven 191/ : Bergkamen 200/ : Mannheim 245/ : Wolfsburg 185/ : Rostock 245/ /630/ /700/720 COMTES700 AD700 EMAX F&E COST KOMET650? /800/? Wilhelmshaven 50plus 365/705/720 KW Moorburg 276/600/ Referenz-KW NRW 285/600/620 Kraftwerk Heßler (Planung 1994), 275/580/580 FD (bar)/fd( C)/ZÜ( C) 50er 60er 70er 80er 90er 00er 10er 20er? Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Die in den 1990er-Jahren in den neuen Bundesländern gebauten Braunkohlekraftwerke werden ebenfalls mit überkritischen Dampfzuständen betrieben. Sie erreichen einen Wirkungsgrad von gut 42 % und stellen einen wichtigen Meilenstein verbesserter Braunkohleverstromungstechnik dar. Durch weiter optimierte Anlagentechnik konnten weitere Effizienzpotenziale ausgeschöpft werden, so dass der Wirkungsgrad auf knapp 43 % (z. B. BoA 2 -Block Niederaußem) gesteigert werden konnte. Der neue am Standort Boxberg in Bau befindliche Kraftwerksblock ist für Frischdampfzustände von 600 C (286 bar) und Zwischenüberhitzungs(ZÜ)-Zustände von 610 C (50 bar) ausgelegt und soll einen Wirkungsgrad von 43,6 % erreichen [Breuer, 2008]. Ähnliche Dampfzustände (600/610 C, 272 bar) sind auch für den derzeit in Bau befindlichen Braunkohle-Doppelblock Neurath (2 x MW br ) vorgesehen. Eine maßgebliche Ursache für die kontinuierliche Steigerung des Wirkungsgrades in der Vergangenheit ist die stetige Erhöhung der Frischdampfparameter. Einige Anlagen (siehe Pioniere in Abbildung II-2), die Ende der 1950er- bzw. Anfang der 60er- Jahre mit überkritischen Dampfzuständen gebauten wurden, scheiterten neben Kostenaspekten an den eingesetzten Werkstoffen, die nicht den technischen Anforderungen genügten. Danach erfolgte eine sukzessive Entwicklung geeigneter Werkstoffe. Dieser Weg wird auch zukünftig weiter beschritten. Das Konzept des geplanten 2 BoA: Braunkohlekraftwerk mit optimierter Anlagentechnik

16 steinkohlegefeuerten E.ON-Kraftwerks Wilhelmshaven (50plus) geht von Frischdampftemperaturen von 705 C und einem Frischdampfdruck von 365 bar aus und weist in etwa die Frischdampfparameter auf, die 1959 in dem Kraftwerk Eddystone realisiert wurden. Grundsätzlich gibt es für die weitere Effizienzerhöhung folgende Möglichkeiten, die auch zukünftig für die Weiterentwicklung von Dampfkraftwerken gelten und deren Einsatz nicht nur von der technischen Machbarkeit abhängt, sondern auch der Wirtschaftlichkeit: 1. Weitere Steigerung der Frischdampfparameter 2. Senken des Kondensatordrucks 3. Weitere Optimierung von regenerativer Speisewasservorwärmung und Kesselwirkungsgrad 4. Zusätzliche Zwischenüberhitzung Heutige Forschungs- und Entwicklungsarbeiten konzentrieren sich auf die Realisierung des 700 C-Kraftwerks und damit auf die weitere Steigerung der Frischdampfparameter. Hierbei sind noch große technische Herausforderungen zu bewältigen und in einigen Bereichen wird technisches Neuland betreten. Die Forschungsarbeiten werden im Rahmen zahlreicher Forschungsvorhaben durchgeführt, die in vielen Fällen mit öffentlichen Geldern von Bund und EU gefördert werden. Stellvertretend seien die Projekte COMTES700, AD700, KOMET650, EMAX und KW21 genannt. Anlagenteststrecken, mit denen Werkstoffe unter Realbedingungen untersucht werden, befinden sich derzeit in den Kraftwerken Scholven (COMTES700), dem Großkraftwerk Mannheim (725HWTGKM), dem Kraftwerk Esbjerg und dem Kraftwerk Weisweiler. Alle Vorhaben haben zum Ziel, das Verhalten neuer Werkstoffe unter extremen Temperatur- und Druckbedingungen zu testen sowie neue Erkenntnisse über Komponenten (Rohrleitungen, Armaturen, Ventile etc.) hinsichtlich Konstruktion, Fertigung, Montage und Schweißtechnik zu erlangen [Meyer et al., 2008, Knödler, 2008, Bauer et al., 2008]. Parallel hierzu wird derzeit im Rahmen des Projekts NRWPP700 eine sogenannte Pre-Engineering-Studie für ein 700 C-Kraftwerk durchgeführt. Im Rahmen dieser vom Land NRW geförderten Studie [Meier, 2008] wird unter Einbindung verschiedenster Akteure (Betreiber, Hersteller, Wissenschaft) das Konzept eines 700 C- Kraftwerks sowie die Auslegung verschiedener Komponenten analysiert und erarbeitet. Vorläufige Auslegungsrechnungen von drei unterschiedlichen Anlagenherstellern zeigen, dass Wirkungsgrade von 50 % erreichbar sind. Die F&E-Arbeiten zum 700 C-Kraftwerk werden insbesondere in der vom BMWi initiierten COORETEC- Forschungsinitiative gebündelt und vorangetrieben. Eine entsprechende F&E-Road- 10

17 map wurde entwickelt und eine Vielzahl von Forschungsprojekten 3 initiiert [COORE- TEC, 2007, COORETEC, 2008]. Abbildung II-3 verdeutlicht das Effizienzpotenzial der einzelnen Maßnahmen, um einen Wirkungsgrad von 50 % zu erreichen. Generell ist zwischen einer Verbesserung der Frischdampfparameter und sonstigen systembedingten Maßnahmen (z. B. Verringerung des Eigenbedarfs) zu unterscheiden. Demnach lassen sich etwa 70 % (ca. 2,8 Prozentpunkte) des gesamten Effizienzpotenzials durch das Anheben der Frischdampfparameter erschließen. Die restlichen 30 % (1,2 Prozentpunkte) entfallen auf sonstige Maßnahmen, mit denen die wärmetechnische Schaltung verbessert und Eigenverluste vermindert werden können. Darüber hinaus gibt es Maßnahmen, die eine weitere Steigerung des Wirkungsgrads auf deutlich über 50 % ermöglichen. Dies ist beispielsweise die doppelte Zwischenüberhitzung, die etwa 1,5 Prozentpunkte erbringt, jedoch auch die Modifikation anderer Komponenten (z. B. Mitteldruckturbine) erfordert [Kjaer & Drinhaus, 2008]. Möglichkeiten dieser Art sind seit langem bekannt, scheiterten jedoch an den zum Teil erheblichen Mehrkosten. 11 Abbildung II-3: 50% Effizienzpotenziale 700 C-Kraftwerk Optimierte regenerative Speisewasservorwärmung Sonstige Optimierungen Optimierte Niederdruckturbine Kondensatordruck (kaltes Ende) Wärmerückgewinnungsmaßnahmen Doppelte ZÜ (1,5% Pkt.) System ca. 30% Erhöhung des Frischdampfdrucks > 350 bar Erhöhung der Frischdampftemperatur auf 700 C Frischdampfparameter ca. 70% ca. 46% (285 bar, 600 C, Typ Referenzkraftwerk NRW: Staudinger Bl. 6, Datteln) heute Quelle: [Gierschner, 2008, Kjaer & Drinhaus, 2008, Folke & Tschaffon, 2008] IEF-STE 2010 Längerfristig betrachtet, stellt sich die Frage nach Möglichkeiten einer weiteren Steigerung des Wirkungsgrades und den hierfür erforderlichen technischen Voraussetzungen. Sowohl im 5. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung [BMWi, 2005] als auch von den COORETEC-Experten wird als weitere Vision das 800 C- Kraftwerk genannt. Nach Aussage der im Rahmen der Studie befragten Experten ist 3 Alle betreffenden Forschungsprojekte sind auf der Webseite der COORETEC-Initiative aufgelistet.

18 das noch auszuschöpfende Effizienzpotenzial durch Systemverbesserungen sehr begrenzt. Dies bedeutet, dass die weitere Anhebung der Frischdampfzustände die wichtigste wirkungsgradsteigernde Maßnahme ist (vgl. auch [Stamatelopoulos & Weissinger, 2005]). Der Schlüssel für die Realisierung der Vision des 800 C- Kraftwerks liegt demzufolge in der Entwicklung geeigneter Materialien und Werkstoffe. Dies umfasst die eigentliche Materialentwicklung, die Werkstoffqualifizierung und die Entwicklung geeigneter Füge- und Fertigungstechniken. Der Einsatz eines solchen Kraftwerkes mit höchsten Dampfzuständen ist jedoch nicht nur eine Frage der technischen Machbarkeit und der Höhe der erforderlichen Investitionen. Vielmehr ist auch die mögliche Fahrweise des Kraftwerks unter den Randbedingungen des gesamten Versorgungssystems in den Blick zu nehmen. Die Liberalisierung des Strommarktes sowie die Einbindung fluktuierender regenerativer Stromerzeugungsoptionen wirken sich auf die Fahrweise konventioneller Kraftwerke aus und verlangen besondere Regeleigenschaften. Auf dauerhafte Laständerungsanforderungen soll möglichst schnell reagiert werden, so dass ein schnelles Laständerungsverhalten verlangt wird. Darüber hinaus sollen Anlagen eine ausreichende Heißstartfähigkeit besitzen. Dies steht mitunter im Widerspruch zu der Forderung nach höheren Dampfzuständen, die größere Bauteilabmessungen (z. B. größere Wanddicken) erfordern, die wiederum zu einer Einschränkung der Betriebsflexibilität führen. So führt eine Begrenzung des Betriebsdruckes unter 250 bar zwar zu einer Wirkungsgradverschlechterung um etwa 0,3 Prozentpunkte. Allerdings kann hierdurch die Wanddicke des Hochdruck-Austrittssammlers um rund 10 mm reduziert und die Anlagenflexibilität deutlich erhöht werden [Stamatelopoulos & Weissinger, 2005]. Damit stellt sich auch für ein Energieversorgungsunternehmen die unternehmensstrategische Frage nach neuen Versorgungskonzepten. So erfordert der Einsatz von Dampfkraftwerken mit höchsten Dampfzuständen, die fast ausschließlich in der Grundlast gefahren werden, neue zusätzliche Möglichkeiten der Regelenergieversorgung, die entweder durch andere eigene Erzeugungsoptionen bereitgestellt oder gekauft wird (vgl. auch [Benesch, 2005]). Die Investitionskosten eines 700 C-Kraftwerks liegen nach Mäenpää et al. [2007] um etwa 12 bis 25 % höher als die eines konventionellen Kraftwerks mit gleicher Leistung (vgl. auch [Klebes, 2007]). Der Hauptteil der Mehrkosten entfällt auf den Einsatz von nickelbasierten Werkstoffen. Der Preis dieser Werkstoffe liegt etwa um das 5- bis 8-Fache über den Preisen eines herkömmlichen austenitischen Stahls. Im Fokus zukünftiger Materialentwicklungen wird daher noch stärker der Kostenaspekt stehen. So könnte ein Werkstoff mit z. B. besseren Festigkeitswerten den Bau dünnwandigerer Bauteile mit entsprechender Materialersparnis ermöglichen und damit zu Kosteneinsparungen führen. Die Entwicklung und der Einsatz neuer Materialien verlangen mitunter eine völlig neue Konzeption einzelner Kraftwerkskomponenten. Wie 12

19 die bisherigen Erfahrungen mit dem 700 C-Kraftwerk zeigen, sind zusätzlich neue Herstellverfahren, Halbzeuge sowie Schweißverfahren zu entwickeln. Die Anhebung der Frischdampfparameter stellt insbesondere für Dampferzeuger und Dampfturbine eine besondere Herausforderung dar. Im Folgenden wird auf diese beiden Komponenten detailliert eingegangen Dampferzeugertechnik Die Dampferzeugertechnik wurde im Laufe der Dekaden kontinuierlich weiter entwickelt und verbessert (siehe Abbildung II-2). Durchgesetzt hat sich der einzugige Zwangsdurchlaufdampferzeuger, mit der Brennkammer im unteren und den Konvektionsheizflächen im oberen Teil. Gegenüber Zweizugdampferzeugern weist der Einzugdampferzeuger deutlich geringere Erosionserscheinungen auf. Durch sein gleichmäßiges Rauchgastemperatur- und Strömungsprofil ermöglicht er höchste Dampfparameter. Gleichmäßige Strömungs- und Temperaturprofile sind die wesentliche Voraussetzung dafür, um dampfseitige Temperaturschieflagen technisch handhaben zu können. Bei heute üblichen Dampftemperaturen von 600/620 C sind vor allem Überhitzer- und Sammlerwerkstoffe nahe ihres Temperatureinsatzbereichs [Stamatelopoulos & Weissinger, 2005]. Durch verschiedene Maßnahmen (z. B. effizientere Reinigungseinrichtungen) wurde ein kompakteres Brennkammerdesign möglich. Für Kohlearten, die sich durch eine geringe Verschlackungsneigung und niedrige Chlorgehalte auszeichnen, konnten die Brennkammeraustrittstemperaturen entsprechend angehoben werden. Neben einer Optimierung der Brennkammerhöhe kann somit auch die Mediumtemperatur am Verdampferaustritt aus werkstoffseitiger Sicht in sinnvollen Grenzen gehalten werden. Die Steigerung der Dampfparameter war nur durch die Entwicklung neuer Werkstoffe mit verbesserten Eigenschaften möglich, deren Einsatz maßgeblich durch eine ausreichende Zeitstandfestigkeit bestimmt wird. Folgende Komponenten eines Dampferzeugers sind besonders hohen Temperaturen ausgesetzt, und ihnen ist daher besonderes Augenmerk zu schenken: Verdampferwände, Endstufen von Überhitzern und Zwischenüberhitzern sowie dickwandige Bauteile wie Sammler und Rohrleitungen. Bei Überhitzer- und Zwischenüberhitzerflächen gilt es insbesondere die rauchgasseitige Hochtemperaturkorrosion und die innere Dampfoxidation zu berücksichtigen. Rauchgasseitige Korrosion reduziert die effektive Rohrwanddicke und vermindert die Lebensdauer der Bauteile. Durch die Dampfoxidation wird die Oxidschichtbildung im Rohrinnern beschleunigt, die als thermischer Widerstand wirkt und zu einer Erhöhung der Metalltemperatur führt. Darüber hinaus führt eine zu hohe Oxidationsrate zum Abplatzen der Oxidationsschicht, wodurch Erosionsschäden in der Turbine entstehen können [Knödler & Straub, 2007]. Ziel ist daher die Entwicklung korrosionsbeständiger Materialien (hoher Chromanteil) mit hoher Zeitstandfestigkeit (vgl.

20 hierzu auch [Blum et al., 2000]). Martensite können aufgrund ihrer Festigkeitskennwerte bis zu Temperaturen von 580 C eingesetzt werden. Für Dampftemperaturen bietet sich der Einsatz von Austeniten an. Mit steigenden Dampfparametern steigt die Wandstärke der dickwandigen Bauteile. Die Wanddicke begrenzt Temperaturänderungsgeschwindigkeiten und wirkt sich somit unmittelbar auf die Einsatzflexibilität eines Kraftwerks aus. Daher werden Werkstoffe mit hoher Zeitstandfestigkeit benötigt, die geringere Wanddicken ermöglichen. Beim 700 C-Kraftwerk ist für die Komponenten mit den höchsten Temperaturbelastungen der Einsatz von Austeniten nicht mehr möglich, sondern der Einsatz nickelbasierter Stähle notwendig [Stamatelopoulos & Weissinger, 2005]. Derzeit laufen eine Vielzahl von Forschungsprojekten mit dem Ziel, eine Werkstoffqualifizierung für das 700 C-Kraftwerk zu erreichen. Stellvertretend seien die Projekte MARCKO700 und COST536 genannt. Im Rahmen dieser Forschungsvorhaben werden eine Vielzahl von Zeitstands- und Komponentenversuchen zur Beurteilung der Langzeiteigenschaften durchgeführt. Abbildung II-4 beschreibt die Wärmeaufnahme über der Temperatur bei einem 700 C-Dampferzeuger. DieTabelle II-1enthält hierzu komplementär die möglichen Einsatzstähle für die Berohrung mit den jeweiligen Auslegungsdaten. So werden die Rohre, die höchsten Temperaturen ausgesetzt sind, für Temperaturen deutlich oberhalb von 750 C ausgelegt. Insgesamt ist für die Berohrung der Einsatz von rund 11 verschiedenen Werkstoffarten vorgesehen. Ein ähnliches Bild lässt sich für die dickwandigen Bauteile zeichnen, bei denen je nach vorliegendem Druck und Temperatur unterschiedliche Materialien zum Einsatz kommen. Da es sich um dickwandige Bauteile handelt, überwiegen hier nickelbasierte Stähle. Insgesamt werden alleine für Rohre und dickwandige Bauteile fast 15 unterschiedliche Werkstoffe eingesetzt (Tabelle II-1). Die Ausführungen machen deutlich, dass eine Steigerung der Frischdampfzustände nicht nur die Entwicklung neuer Werkstoffe für Komponenten umfasst, vielmehr sind auch die etablierten Werkstoffe sukzessive weiterzuentwickeln (vgl. [Tigges, 2008]). 14

21 15 Abbildung II-4: Wärmeaufnahme sowie Temperaturverlauf eines 700 C- Dampferzeugers Quelle: [Stamatelopoulos & Weissinger, 2007] IEF-STE 2010 Tabelle II-1: Werkstoffauswahl für Rohre eines 700 C-Kraftwerks Komponente Druck (bar) Temperatur ( C) Werkstoffe Auslegung (bar) Max. Betrieb 100 % Dampferzeugerlast Auslegung ECO CrMo45 Trichter CrMo45 Verdampfer T24, T92 ÜH-Wände T92 ÜH2 (Tragrohre) Alloy617m ÜH2 (Gitter) Sanicro25 ÜH HR3C, Sanicro25, Alloy617m ÜH Alloy740 ZÜ1a CrMo910, T91 ZÜ1b S304HSB, HR3C, Alloy617m ZÜ Alloy617m Quelle: [Stamatelopoulos & Weissinger, 2007] IEF-STE 2010

22 Im Rahmen verschiedener Forschungsprogramme und -initiativen (COORETEC, KW21, Kompetenznetzwerk NRW etc.) sind bereits eine Vielzahl von F&E-Aktivitäten identifiziert und angestoßen worden (vgl. [Kather et al., 2008]). Der nachfolgend skizzierte F&E-Bedarf zielt insbesondere auf die Anforderungen bei einer weiteren Steigerung der Dampfparameter (Vision 800 C-Kraftwerk) ab. Vor diesem Hintergrund stellt sich der notwendige Forschungs- und Entwicklungsbedarf wie folgt dar: Notwendig für die weitere Steigerung der Dampfparameter (Vision 800 C- Kraftwerk) ist die Weiterentwicklung von ferritisch-martensitischen Stählen (>600 C), austenitischen Alloys (>650 C) und nickelbasierten Alloys (>750 C). Materialversuche zeigen, dass heutige nickelbasierte Alloys (z. B. Alloy740) nicht ausreichen, um Materialtemperaturen von über 850 C standhalten zu können [Mohn, 2008]. Daher ist die Entwicklung neuer Materialien notwendig. Die modellgestützte Vorhersage von Kriecheigenschaften bei Höchsttemperaturen wäre wünschenswert. Ein wesentlicher Schwerpunkt sollte hierbei auf Korrosionsphänomene (Hochtemperaturkorrosion, Dampfoxidation etc.) gelegt werden. Darüber hinaus ist ein besseres Verständnis von Mikrostruktur und Langzeitstabilität (Festigkeit, Duktilität, Kriech- und Ermüdungsverhalten) sowie den bruchmechanischen Eigenschaften notwendig. Die Entwicklung neuer Werkstoffe (durch Zulegieren) sowie geeigneter Beschichtungen stellt hierbei ein Schlüsselthema dar. Anzustreben ist auch die Entwicklung von Modellen für die Vorhersage verschiedenster Materialeigenschaften, da mit ihnen die Zahl zeit- und kostenaufwendiger Versuche reduziert werden könnte. Heutige Versuche benötigen ca Betriebsstunden und mehr. Mit entsprechenden Modellen könnten diese Zeiten deutlich verkürzt werden. Dies würde auch insgesamt zu einer Verkürzung der Entwicklungszeiten führen. Darüber hinaus gibt es bislang nur wenige Erfahrungen mit dem Einsatz neuer hochtemperaturbeständiger Stähle unter Realbedingungen. Daher ist es derzeit notwendig, wesentliche kürzere Überwachungsintervalle vorzusehen, um mögliche Schäden rechtzeitig vorhersagen zu können. Im Rahmen des Forschungsprojekts COST538 ist damit begonnen worden, entsprechende Methoden und Werkzeuge zu entwickeln, um derartige Überwachungsintervalle verlängern zu können [Stolzenberger & Meier, 2007, Gampe, 2007]. Wie bisherige Erfahrungen zeigen, erfordert der Einsatz neuer Materialien neue Füge- und Fertigungstechniken. Das Verbinden bzw. das Schweißen verschiedener Materialien bewirkt zusätzliche Wärmespannungen, die wiederum die Zeitstandsfestigkeit verringern. Es gilt daher, relativ kleine Schweißnähte mit möglichst wenig Schweißgut anzustreben, wobei Schweißmaterial und Werkstoff miteinander harmonisieren müssen. Hierfür sind neue Schweißverfahren (Laserverfahren, Elektronenstrahl) zu entwickeln. Dieses Forschungsfeld ist ebenso wichtig wie die eigentliche Werkstoffentwicklung. Darüber hinaus besitzt es in einigen Bereichen Grundlagenforschungscharakter. Eine Anhebung des Frischdampfdruckes erfordert den Einsatz dickwandigerer Komponenten. Die derzeit eingesetzten zerstörungsfreien Prüfverfahren reichen nicht aus, um eine problemlose Prüfung durchführen zu können. Dies wird in der Regel mit entsprechenden Sicherheitsaufschlägen berücksichtigt. Daher sind neue zerstörungsfreie Prüfverfahren erforderlich, mit denen kleinste Materialfehler detektiert werden können. Sie bieten zudem die Möglichkeit, Komponenten optimal 16

23 (dünnwandiger) fertigen zu können, was Material und somit Kosten einsparen könnte. Derartige Prüfverfahren besitzen hohe F&E-Relevanz und sollten daher Gegenstand öffentlicher F&E-Förderung sein. Die Qualifizierung der eingesetzten Materialien stellt eine weitere Herausforderung dar. Gegenüber den Genehmigungsbehörden müssen entsprechende Nachweise ( Riss vor Bruch, Zeitstandsfestigkeitswerte etc.) erbracht werden, damit ein neuer Werkstoff eingesetzt werden kann. In aller Regel wird ein Werkstoff über ca Stunden unter verschiedenen Bedingungen geprüft. Anschließend wird mit entsprechenden Verfahren, die sich an Erfahrungswerten anlehnen, auf Betriebsstunden extrapoliert. Von wesentlicher Bedeutung ist das Vorhandensein ausreichender Erfahrungswerte. Beim Einsatz neuer Materialien stellt sich die Schwierigkeit, dass kaum Erfahrungswerte vorhanden sind. Wie einige Versuche an der COMTES-Teststrecke gezeigt haben, sank die Zeitstandfestigkeit einiger Materialien unerwartet nach längerer Betriebsdauer. Eine Vorhersage solcher Phänomene war aufgrund fehlender Erfahrungen nicht möglich. Erklärungsansätze hierfür sind äußerst schwierig und bedürfen eines tiefen materialwissenschaftlichen Verständnisses. Heute existierende Modelle sind nur sehr eingeschränkt in der Lage, derartiges Verhalten zu erklären, da sie in aller Regel nur einen gemessenen Effekt beschreiben und bereits eine Veränderung von Parametern die Modelle überfordert. Es gilt daher derartige Modelle (weiter) auf der Basis eines verbesserten Verständnisses des Werkstoffverhaltens zu entwickeln. Die Entwicklung derartiger Modelle hat starken grundlagenorientierten Forschungscharakter und sollte daher insbesondere im Fokus öffentlicher F&E-Förderung stehen. Die Inbetriebnahme neuer Kraftwerksblöcke zeigt, dass durch einen zunehmenden Zeitdruck die Anlagen dynamisch bei weitem nicht so optimal eingesetzt und gefahren werden können, wie dies zum großen Teil durch die verfahrenstechnische Auslegung möglich wäre. Dies liegt daran, dass prozessnahe Regelungen nicht optimal ausgelegt und in Betrieb gesetzt werden. Eine Erhöhung der Flexibilität, was mit einer Kostensenkung korreliert, erfordert eine Optimierung von Regelkonzepten im Leitsystem und erfordert neue modellgestützte Regelkonzepte [Kurth & Greiner, 2008]. Ziel ist es, Bauteile mit möglichst geringem Materialaufwand zu entwickeln, die den Umgebungsbedingungen eines Kraftwerksbetriebs standhalten und ausreichende Lebensdauern garantieren. Daher gilt es, Materialien mit speziellen lokalen Eigenschaften zu entwickeln. Dies könnte z. B. eine Komponente sein, die an einer hoch belasteten Stelle eine besonders hohe Festigkeit aufweist, während sie an anderen weniger hoch belasteten Stellen andere geforderte Charakteristika (z. B. gute Verschleißeigenschaften) besitzt. Materialien mit lokal unterschiedlichen Eigenschaften würden auch den verbindungstechnischen Aufwand von unterschiedlichen Materialien verringern bzw. u. U. nicht erforderlich machen. Materialien dieser Art werden auch als funktional gradierte Materialien bezeichnet. Der Einsatz solcher Materialien wird in anderen Bereichen bereits erforscht. In Analogie zum Sonderforschungsbereich Transregio 30 [Transregio30, 2008], in dem gradierte Materialien für den Automobil- und Flugzeugbau entwickelt werden, sollten das Potenzial und die Möglichkeiten gradierter Materialien für den Kraftwerksbereich untersucht werden. Dies beinhaltet auch die Vorhersage von Materialeigenschaften mit möglichst realitätsnahen Modellen sowie die Entwicklung hierfür 17

24 geeigneter numerischer Verfahren zur Vorhersage thermomechanischer Phänomene. Ein weiterer Ansatz ist die Modellierung auf atomarer Ebene. Hierbei gilt es, Materialien auf atomarer Ebene zu simulieren mit dem Ziel, Eigenschaften eines Werkstoffes vorhersagen zu können. Grundlage könnte hierbei die Phasenfeld-Theorie sein. Dieses Forschungsfeld besitzt tiefsten Grundlagencharakter und sollte daher insbesondere im Fokus öffentlicher F&E stehen. Optimierte Lebensdauervorhersagen ermöglichen optimale Wartungsstrategien und tragen letztendlich zu einer Senkung der Betriebskosten und ggf. zu einer Steigerung der Wirkungsgrade bei. Für die Belastung und Schädigung von Brennkammern bzw. Dampferzeugern sind geeignete Messmethoden mit hoher Genauigkeit zu entwickeln. Begleitend hierzu sind entsprechende Modelle zur Lebensdauervorhersage zu erweitern bzw. zu validieren. Beide Entwicklungen führen zu einer exakteren Vorhersage von Schäden sowie Lebensdauern und könnten die heute üblichen empirisch basierten Methoden ablösen. Der Einsatz derartiger Modelle inklusive Datenerfassung würde die Vorhersage von Zeit, Ort und Kosten für Inspektionen ermöglichen. Die Auslegung eines Dampferzeugers erfordert adäquate Modelle. Eine optimale Auslegung sowie Fahrweise senkt ebenfalls die Betriebs- und Entwicklungskosten. Sie erfordert eine optimale Parametereinstellung der Thermohydraulik. Hierfür wären geeignete Simulationsmodelle notwendig, die auch die Beschreibung von Zweiphasenströmungen umfassen sollte. 18 Dampfturbinentechnik Die Steigerung der Frischdampfparameter erfordert auch die Verbesserung der Dampfturbinentechnik. In der Vergangenheit wurden bereits z. B. der Profilwirkungsgrad verbessert, die Oberflächenrauigkeit minimiert, Sekundärverluste reduziert sowie die Leitradprofile für transsonische Strömungsvorgänge optimiert. Eine wesentliche Ursache hierfür waren leistungsfähigere Computer mit entsprechenden Rechenprogrammen, die eine dreidimensionale Simulation von Strömungsvorgängen ermöglichten. Der Wirkungsgrad heutiger Dampfturbinen wird mit mehr als 92 % angegeben. Eine weitere Steigerung der Frischdampfparameter, die als maßgebliches Effizienzpotenzial zu sehen ist, erfordert eine Veränderung von Turbinendesign und Auslegung sowie den Einsatz geeigneter Materialien. Darüber hinaus sind entsprechende Verfahren für die Komponentenfertigung zu entwickeln. Um den Einsatz von kostenintensiven, nickelbasierten Materialien in Grenzen zu halten, ist beispielsweise die Kühlung des Turbinengehäuses notwendig. Eine externe Dampfkühlung ermöglicht den Einsatz kostengünstigerer Chromstähle für das Turbinengehäuse [Drenckhahn et al., 2009]. Die wesentlichen F&E-Felder sind in COORETEC [2008] und KW21 [2009] genannt. Insbesondere vor dem Hintergrund einer über 700 C hinausgehenden Steigerung

25 der Dampftemperatur, aber auch des Dampfdruckes ist folgender Forschungs- und Entwicklungsbedarf zu nennen: Der Einsatz nickelbasierter Werkstoffe ist mit erheblichen Kosten (für Material und Bearbeitung) verbunden, die bereits im Entwicklungsstadium begrenzend wirken. So führen die hohen Kosten auch dazu, dass zukünftig eine weitaus geringere Anzahl von Komponenten zu Testzwecken gefertigt werden kann. Der Einsatz geeigneter Simulationsmodelle z. B. für die Analyse des Werkstoffverhaltens sollte daher vorangetrieben werden. Höhere Dampfparameter machen den Einsatz neuer bzw. weiterentwickelter Werkstoffe notwendig. Zur Reduzierung der Kosten ist die Entwicklung von Kühlkonzepten notwendig, die auch den Einsatz kostengünstigerer Werkstoffe ermöglichen. Die Bedeutung von Kühlkonzepten wird mit steigenden Dampfparametern (Vision 800 C-Kraftwerk) zunehmen und dementsprechend sind neue Kühlkonzepte zu entwickeln (vgl. [Bohn, 2008a, Bohn, 2008b]). Weiterhin ist ein besseres Verständnis z. B. von Wärmübergangsvorgängen notwendig. Hierzu sind entsprechende Simulationsmodelle erforderlich, die mit entsprechenden Messdaten zu validieren sind. Durch die erhöhten Dampfdrücke wird künftig die Dichte des Dampfes steigen. Dies führt bei gleicher Leistung zu einer Verengung der Beschaufelungsräume. Die hierdurch entstehenden zusätzlichen Verluste müssen minimiert werden. Entsprechende Dichtungskonzepte sind (weiter) zu entwickeln [Wieghardt & Klotz, 2009, COORETEC, 2008]. Ziel ist es, bei Niederdruckturbinen die Anzahl der Fluten zur Verarbeitung des großen Austrittsvolumenstroms und damit der Austrittsverluste zu reduzieren. Hierfür ist eine Vergrößerung der Austrittsquerschnitte notwendig. Dies erfordert Schaufellängen, die über das technologische Maß heutiger aus Stahl gefertigter Schaufeln deutlich hinausgehen und somit den Übergang zu neuen Werkstoffen (z. B. Titan) erfordern. Wirkungen hinsichtlich Wassertropfenerosion sind zu untersuchen. Gleichzeitig ist eine andere Auslegung vor allem der Endstufe notwendig [COORETEC, 2007, KW21, 2009, Bettentrup et al., 2007]. Die Entwicklung neuer Profile erfordert neue bzw. verbesserte Simulationsmodelle zur Beschreibung von Strömungsvorgängen. In Dampfturbinen wird üblicherweise das Arbeitsmedium Wasserdampf bis in das Nassdampfgebiet hinein entspannt. Hierbei kommt es zu Tropfenkavitation mit Erosionswirkung (Tropfenschlagerosion), die eine Schädigung der Laufschaufelenden bewirkt. Eine Vorhersage der Schädigung ist aufgrund fehlender Daten und Modelle nicht möglich. Dies gilt insbesondere bei sich ändernden Betriebsbedingungen. Strömungssimulationen in Turbinenendstufen und Diffusoren von Dampfturbinen sind aufgrund fehlender Methoden und Validierungsdaten nur unzureichend möglich. Hier ist zu prüfen, ob dies mit Methoden wie CFD (Computational Fluid Dynamics), die in anderen Bereichen erfolgreich eingesetzt werden, bewerkstelligt werden kann. Charakterisierung von Schweißverbindungen aus Mischnähten hochwarmfester Werkstoffe. 19

26 Entwicklung neuer Dichtungskonzepte und -materialien (z. B. abrasive Dichtungen bzw. Hybrid Brush Seals), Simulation von Strömungsverhältnissen zur Erklärung des aeordynamischen Verhaltens von Dichtungen im Dichtspaltbereich bei unterschiedlichsten Betriebsbedingungen. Entwicklung verbesserter Konzepte der zustandsorientierten Instandhaltung, z. B. durch verbesserte Lebensdauerberechnungen kritischer Bauteile mittels Finite- Elemente-Berechnungen (vgl. [Thumm et al., 2008]). Die Wirkungsgradsteigerung der konventionellen Kraftwerkswerkstechnik (800 C- Kraftwerksvision) erfordert einen erheblichen technischen und kostenseitigen Mehraufwand. Darüber hinaus ist die Frage zu stellen, wann die Grenzen technischer Machbarkeit erreicht sind. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, auch andere Konzepte in den Blick zu nehmen, deren Effizienzprognosen vielversprechend sind. Kraftwerkskonzepte, denen ein ähnliches oder gar höheres Potenzial zugetraut wird, sind der indirekt befeuerte Kohle-Kombiprozess (EFCC) sowie Mehrstoffdampfprozesse. II.2.2 Braunkohlekraftwerke Nach Einschätzung der befragten Experten ist eine Steigerung des Wirkungsgrades durch die weitere Anhebung der Frischdampfparameter (700 C-Kraftwerk) auch bei braunkohlegefeuerten Kraftwerken möglich. Daneben ist die Vortrocknung der Braunkohle Gegenstand heutiger Entwicklungsvorhaben und führt zu erheblichen Wirkungsgradverbesserungen. Inwieweit die in den Steinkohlekraftwerken mit den hochtemperaturbeständigen Werkstoffen gemachten Erfahrungen auf Braunkohlekraftwerke übertragen werden können, ist derzeit ungewiss. Wie die Vergangenheit zeigt, sind die Frischdampfparameter ebenfalls sukzessive gesteigert worden, allerdings mit zeitlicher Verzögerung gegenüber Steinkohlekraftwerken. Da aufgrund der unterschiedlichen Brennstoffeigenschaften (z. B. Aschegehalte und -zusammensetzung) sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen vorliegen, sollte der Einsatz von hochtemperaturbeständigen Werkstoffen unter typischen Braunkohlebedingungen getestet werden. Etwa ein Viertel des deutschen Strombedarfs wird durch Braunkohle gedeckt. Gefördert wird sie im Rheinischen, Lausitzer, Mitteldeutschen und Helmstedter Revier in zehn Tagebauen. Braunkohle ist damit ein wichtiger heimischer Energierohstoff. Die Tabelle II-2 enthält einige ausgewählte Daten zur Qualität der Rohbraunkohle der verschiedenen Reviere. 20

27 21 Tabelle II-2: Braunkohlequalitäten Revier Heizwert Asche- Wasser- Schwefel- (kj/kg) gehalt (%) gehalt (%) gehalt (%) Rheinland ,5 8, ,15 0,5 Lausitz ,5 13, ,3 1,4 Mitteldeutschland ,5 8, ,5 2,1 Helmstedt ,0 20, ,5 2,8 Quelle: [DEBRIV, 2009] IEF-STE 2010 Braunkohle hat infolge ihres Kapillargefüges einen wesentlich höheren Wassergehalt als Steinkohle, die meist weniger als 10 % Wasser vorwiegend Oberflächenwasser enthält. Der Gehalt des in Kapillaren und Poren physikalisch und chemisch gebundenen Wassers kann bis zu 60 Gew.-% betragen. Während sich Oberflächenfeuchte relativ leicht entfernen lässt (z. B. durch Zentrifugieren), muss für die Überwindung der Bindungskräfte des Wassers an die Kohlesubstanzen Energie in das System eingebracht werden. Bei der Verbrennung feuchter Rohbraunkohle wird ein Teil der Brennstoffenergie für die Verdampfung des Wassers gebraucht. Um die Effizienz des Kraftwerksprozesses zu erhöhen, wird die Braunkohle bislang üblicherweise gleichzeitig gemahlen und mit C heißem Rauchgas aus dem Kraftwerkskessel getrocknet. Das Verfahren der Mahltrocknung hat allerdings energetische Nachteile, da die Trocknungsenergie exergetisch ungünstig aus dem heißen Rauchgas bezogen wird und die Brüdenenergie ungenutzt bleibt. Alternative Verfahren wie die Wirbelschichttrocknung mit interner Abwärmenutzung (WTA) kommen mit erheblich niedrigeren Temperaturen aus und nutzen die Brüdenenergie (Energie, die das Wasser aus der Kohle während der Trocknung aufnimmt) für den Trocknungs- oder Kraftwerksprozess. Nach Ewers [2003] steigt beispielsweise der Kraftwerkswirkungsgrad des BoA-Kraftwerks Niederaußem bei Anwendung der Wirbelschichttrocknung anstelle der Mahltrocknung um rund 4 Prozentpunkte. Wirkungsgradgewinne von bis zu 5 Prozentpunkten werden für möglich gehalten [Lechner et al., 2008]. Der Einsatz und die Integration moderner Kohle-Trocknungsverfahren wird daher von Experten als ein wesentlicher Entwicklungsschritt zur erheblichen Effizienzsteigerung von Braunkohlekraftwerken angesehen. Stand der Technik bei den Trocknungsverfahren für Braunkohle für den Kraftwerkseinsatz (beispielsweise im BoA-Kraftwerk Niederaußem) ist die Mahltrocknung, bei der mittels einer Schlagradmühle die Kohlenzerkleinerung und Trocknung miteinander kombiniert werden. Bei der durch Prall- und Reibvorgänge hervorgerufenen Zerkleinerung wird gleichzeitig der größte Teil der Kohlenfeuchtigkeit freigesetzt und verdampft. Zum Trocknen und Fördern des Mahlgutes wird C heißes

28 Rauchgas aus dem Kessel angesaugt. Zusammen mit den bei der Trocknung entstehenden Brüden (ca. 130 C) wird der erzeugte trockene Kohlenstaub (ca. 15 % Restfeuchte) zu den Brennkammern gefördert. Das Ansaugen des Rauchgases und die Förderung des Mahlgutes erfolgt durch die Rotation des Schlagrades der Mühle, das wie ein Radialgebläse wirkt. Die Mahltrocknung ist allerdings exergetisch ungünstig, da die Braunkohle mit heißem Rauchgas getrocknet wird. Zudem kann die Energie des verdampften Kohlewassers bei diesem Verfahren nicht genutzt werden, sondern gelangt mit dem Brennstoff in den Kessel [Rode, 2004]. Als alternative, energetisch günstigere Trocknungsverfahren für den großtechnischen Einsatz werden insbesondere die Wirbelschichttrocknung (WTA), die Mechanisch/Thermische Entwässerung (MTE) und die Dampfwirbelschichttrocknung (DWT) verfolgt, die zum Teil bis zum Demonstrationsmaßstab entwickelt sind. Weitere Verfahren zur Entwässerung von Braunkohle, wie die Warmgas- und Fließbett- Trocknung oder das Fleißner-Verfahren, stehen zur Verfügung, werden in Rode [2004] aber für den großtechnischen Einsatz als nicht konkurrenzfähig bezeichnet und daher hier nicht weiter betrachtet. Erste Arbeiten zur Wirbelschichttrocknung begannen Anfang der 80er-Jahre an der University of Melbourne. Die Entwicklung der Wirbelschichttrocknung mit interner Abwärmenutzung (WTA) wurde 1987 von der Rheinbraun AG in Köln für den Kombi- Kraftwerksprozess mit Braunkohlenvergasung gestartet. Es war weltweit das erste Trocknungsverfahren für Braunkohle, das mit einer energetischen Nutzung der Kondensationswärme der Trocknerbrüden (mit Wasserdampf gesättigte Luft) ausgestattet war. Seit 1993 wird das WTA-Verfahren in Demonstrationsanlagen ( t/h Rohkohledurchsatz) in Frechen und Niederaußem erprobt. Der Verbund mit einem Großkraftwerk wird erstmals seit 2008 am RWE BoA-Kraftwerk Niederaußem praktiziert. Die dort eingesetzte Versuchsanlage (200 t/h) soll 20 bis 30 % der sonst in der BoA-Kraftwerksanlage mit herkömmlicher Mahltrocknung eingesetzten Braunkohle ersetzen. Bei der Wirbelschichttrocknung wird die feinkörnig gemahlene Kohle von einer Gasströmung aus verdampftem Kohlewasser (sogenannte Brüden), das in die Wirbelschicht zurückgeführt wird, in der Schwebe gehalten. Die für die Trocknung erforderliche Wärme (Energie) wird über einen in die Wirbelschicht eingebauten Wärmetauscher eingebracht. Zur Beheizung des Wärmetauschers dient überhitzter Dampf, der aus den Brüden der Wirbelschicht gewonnen wird (in der Versuchsanlage Niederaußem wird Niederdruckdampf aus dem BoA-Block eingesetzt). Hierbei wird die für die Verdampfung des Kohlenwassers erforderliche Energie teilweise wieder zurückgewonnen, was eine erhebliche Senkung des spezifischen Energiebedarfs des Trocknungsverfahrens zur Folge hat. Die resultierende Restfeuchte der ausgetragenen Trockenbraunkohle wird durch die mittlere Verweilzeit in der Wirbelschicht eingestellt. Die Trockenkohle wird nach einer Abkühlung in einem luftdurchströmten Vib- 22

29 rationskühler zu Staub ausgemahlen. Das nach dem Wärmetauscher anfallende Kondensat kann zur Kohlenvorwärmung innerhalb des WTA-Prozesses oder alternativ zur Kondensatvorwärmung im Kraftwerksprozess und anschließend als Brauchwasser genutzt werden. Die Kohle trocknet im Wasserdampf-Wirbelbett unter Luftausschluss und unter leichtem Überdruck, was die Gefahr einer Selbstentzündung ausschließt. Die Abbildung II-5 zeigt ein vereinfachtes Schema des WTA- Trocknungsverfahrens. Durch den Wechsel von der Mahltrocknung auf das WTA-Verfahren erhöht sich nach Berechnungen von Rode [2004] der Nettowirkungsgrad des Kraftwerksprozesses um rund 10 bis 12 % (4 bis 4,7 Prozentpunkte), je nach Restfeuchte der Trockenbraunkohle (TBK). 23 Abbildung II-5: Prinzipschema des WTA-Trocknungsverfahrens Quelle: [RWE, 2009] IEF-STE 2010 Das seit 1980 erforschte Verfahren der Dampf-Wirbelschicht-Trocknung (DWT) ist vergleichbar mit dem WTA-Verfahren. Die Trocknung im DWT-Verfahren findet ebenfalls in reiner Dampfatmosphäre in einer Wirbelschicht statt. Der Unterschied liegt in der Beheizung der Wirbelschicht, die im DWT-Verfahren mit Entnahmedampf aus der ND-Turbine erfolgt. Der gegenüber dem Mahltrocknungsverfahren erzielbare Wirkungsgradgewinn ist abhängig von der Weiterverwendung der ausgetriebenen Brüden, die in diesem Verfahren, im Gegensatz zum WTA-Prinzip, nicht direkt genutzt werden. Nach Lechner et al. [2008] ist durch Nutzung der Brüdenenthalpie des verdampften Kohlewassers im Kraftwerksprozess eine Erhöhung des Kraftwerks-Nettowirkungsgrades um 4 bis 5 Prozentpunkte möglich. Zwischen 2001 und 2006 wurden an der BTU Cottbus zusammen mit Vattenfall die Grundlagen einer Druckaufgeladenen Dampf-Wirbelschicht-Trocknung (DDWT) an einer kleinen Versuchsanlage erforscht (0,5 t/h Rohbraunkohle, 1,2 6,5 bar). Die Erkenntnisse aus dem Betrieb einer weiteren Versuchsanlage (Schwarze Pumpe, 10 t/h, ) sollen in eine

30 Demonstrationsanlage münden (Jänschwalde, 250 MW el, ab 2013). Ein kommerzieller, großtechnischer Einsatz ist ab 2020 geplant [Höhne, 2008]. Ein weiteres Trocknungsverfahren, die sogenannte Mechanisch/Thermische Entwässerung (MTE) wurde ab 1993 an der Uni Dortmund entwickelt. Hier erfolgt durch Anwendung von Wärme und mechanischer Kraft eine Entwässerung der Braunkohle. Bei diesem Verfahren wird die als Schüttung in einer Presse befindliche Kohle zunächst durch heißes Prozesswasser vorgewärmt hierdurch werden die auf das Kohlewasser wirkenden Kapillarkräfte reduziert, dann durch kondensierenden Sattdampf auf die Prozesstemperatur aufgeheizt und anschließend mechanisch verdichtet. Durch den Pressvorgang wird das Kondensat und zusätzlich ein Teil des Kohlenwassers aus dem Presskuchen abgeschieden. Dabei wird ein Restwassergehalt von etwa 28 % erreicht. Durch die Entspannungsverdampfung nach Entlastung der Presse und den anschließenden Abkühlvorgang kommt es zur Verdampfung von weiterem Kohlenwasser, so dass am Ende des MTE-Prozesses eine Restfeuchte der Trockenbraunkohle (TBK) von etwa 22 % erreicht wird. Die Vorteile dieses Kombi- Verfahrens sind die moderaten Prozessdrücke und -temperaturen und eine günstige Energiebilanz. Nach Rode [2004] liegen die optimalen Prozessparameter bei rund 200 C und 6 MPa. Eine zunächst diskontinuierlich arbeitende MTE-Pilotanlage (TBK: 1,6 t/h) wurde 1996 in Betrieb genommen. Es folgte eine Demoanlage mit einer Trockenkohlenleistung von 12 t/h, die am Kraftwerksstandort Niederaußem errichtet und dort gleichzeitig mit einer WTA-Demoanlage 2001 in Betrieb genommen wurde. Mit modernen Kohle-Trocknungsverfahren wie der Wirbelschichttrocknung mit integrierter Abwärmenutzung (DWT), der Druckaufgeladenen Dampf-Wirbelschicht- Trocknung (DDWT) oder der Mechanisch/Thermischen Entwässerung (MTE) lassen sich Wirkungsgradgewinne von 4 bis 5 Prozentpunkte erzielen. Sie liegen damit um 1 bis 2 Prozentpunkte über dem Potenzial, das durch die Erhöhung der Frischdampfparameter beim 700 C-Kraftwerk erzielbar ist. Die nächsten Maßnahmen zur Effizienzsteigerung der Braunkohlekraftwerke sollten daher auf die Integration moderner Kohle-Trocknungsverfahren fokussiert bleiben und weiter mit Nachdruck verfolgt werden, zumal die Verfahren inzwischen hochentwickelt sind und bereits erfolgreich demonstriert werden. II.2.3 Indirekt kohlebefeuerter Kombiprozess (EFCC) Der EFCC-Prozess besteht aus einer atmosphärischen Kohlefeuerung, einem Hochtemperatur-Wärmetauscher, einer Luftturbine inklusive Verdichter, einem Abhitzekessel sowie einer Dampfturbine. Die komprimierte Luft wird mit Hilfe eines Hochtemperatur-Wärmetauschers auf die zulässige Heißluftturbinen-Temperatur aufgeheizt. Die den Wärmetauscher verlassenden Rauchgase werden in einen Abhitzekessel geführt, während die Luft aus der Luftturbine als Verbrennungsluft für die atmosphäri- 24

31 sche Feuerung dient (Abbildung II-6). Der EFCC-Kraftwerksprozess kann prinzipiell auch mit anderen Brennstoffen (z. B. Erdgas, Biomasse) befeuert werden (vgl. [Kautz & Hansen, 2007]). 25 Abbildung II-6: Prinzipskizze des EFCC-Prozesses Kohle Rauchgas Verbrennung Lufterhitzer Abhitzekessel Dampfturbine G G Gasturbine Luft Quelle: [COORETEC, 2003] IEF-STE 2010 Der Wirkungsgrad des EFCC-Prozesses wird mit ca. 53 % angegeben [Baum, 2000]. Die eigentliche Herausforderung des EFCC-Prozesses ist die Entwicklung eines Hochtemperatur-Wärmetauschers (Lufterhitzer). Dieser ist für höchste Temperaturen (>1.200 C) und für eine hohe Druckdifferenz auszulegen, wobei mögliche Verschlackungsprobleme zu bewältigen sind. Darüber hinaus hat er sowohl staub- als auch gasdicht zu sein. Heißluftturbinenprozesse ähnlicher Art wurden in der Vergangenheit als geschlossene Kreisläufe (Ackeret-Keller-Anlagen) konzipiert, wobei aus Materialgründen Luftaufheizungen bis etwa 660 C realisiert wurden und der Wirkungsgrad entsprechend gering war. Nach Schulte-Fischedick & Zunft [2008] kommt für den Einsatz von Temperaturen oberhalb 850 C nur noch der Einsatz keramischer Werkstoffe in Frage. Wärmetauscher dieser Art wären neben EFCC-Anlagen auch für andere Bereiche einsetzbar (extern befeuerte Mikrogasturbinen, allgemeine Wärmerückgewinnungsverfahren oberhalb 900 C, Einsatz für thermochemische Wasserstofferzeugung etc.). Auf der Basis eines holzgefeuerten Prozesses wurden für den Hochtemperatur-Wärmetauscher folgende Anforderungen abgeleitet [Schulte-Fischedick & Zunft, 2008]: Thermische Stabilität bis C Mechanische Stabilität und Dichtigkeit bei Druckdifferenzen von 13 bar und mehr Thermomechanische Stabilität bei raschen Lastwechseln, wie Notabschaltungen Stabilität gegen Heißgaskorrosion Lebensdauer Stunden

32 26 Die Entwicklung eines Hochtemperatur-Wärmetauschers erfordert eine entsprechende Werkstoffauswahl und -entwicklung, die Konzeptionierung des Herstellungsprozesses sowie eine wärmetechnische und strukturmechanische Auslegung. Von allen möglichen Anwendungsfeldern stellt der Gasturbinenprozess aufgrund der gleichzeitigen Temperatur- und Druckbelastung die höchsten Anforderungen dar. Derzeit aktuelle F&E-Arbeiten konzentrieren sich auf die obigen Anforderungen für eine Gasturbinennutzung [Schulte-Fischedick & Zunft, 2008]. Derzeit befindet sich der Hochtemperatur-Wärmetauscher im Forschungsstadium. Aufgrund der vielfachen Anwendungsmöglichkeiten und des starken Forschungscharakters ist er prädestiniert für öffentliche F&E-Förderung. II.2.4 Kraftwerksprozess mit binären Arbeitsmitteln Unter Kraftwerksprozessen mit binären Arbeitsmitteln werden im Folgenden Mehrfachdampfprozesse sowie Prozesse verstanden, die mit einem Arbeitsmittelgemisch arbeiten, das sich aus mehreren Substanzen zusammensetzt. Mehrfachdampfprozesse Die Hintereinanderschaltung von Dampfprozessen mit unterschiedlichen Arbeitsmitteln wird als Mehrfachdampfkraftprozess bezeichnet. Während im unteren Temperaturbereich der klassische Wasserdampfprozess eingesetzt wird, muss für den oberen Temperaturbereich ein Dampfkraftprozess mit einem Arbeitsmittel gewählt werden, das einen wesentlich niedrigeren Dampfdruck im Hochtemperaturbereich aufweist. Hierdurch kann die Werkstoffbeanspruchung infolge kleinerer Druckkräfte auch im höheren Temperaturbereich noch beherrscht werden. Dieser dem Wasserdampfprozess vorgeschaltete Prozess wird oftmals auch als Topping Cycle bezeichnet. Die Auswahl der eingesetzten Arbeitsfluide ist dabei auf den jeweiligen Temperaturbereich zugeschnitten. Die freigesetzte Brennstoffwärme wird sukzessive von einem Prozess zum anderen abgegeben bzw. genutzt. Der im höchsten Temperaturbereich arbeitende Prozess nimmt die Verbrennungswärme des Kessels auf. Die Kondensationsabwärme dieses Prozesses dient zur Verdampfung des Arbeitsfluids des nachgeschalteten Prozesses. Neben dem niedrigeren Dampfdruck und damit geringeren Werkstoffbeanspruchungen besteht ein weiterer wesentlicher Vorteil in dem höheren Temperaturniveau, der im Sinne einer Carnotisierung des Gesamtprozesses zu interpretieren ist und somit höhere Wirkungsgrade gegenüber einfachen Dampfprozessen gewährleistet [Pruschek et al., 1990, RAG/STEAG, 2004]. Mehrfachdampfprozesse waren bereits Anfang des letzten Jahrhunderts in den USA Gegenstand umfangreicher Forschungsarbeiten. Hierbei fokussierte man sich im Wesentlichen auf Quecksilberdampfprozesse. Der erste kommerzielle Quecksilberdampfkraftprozess wurde 1928 im Kraftwerk South Meadow (Hartford) installiert und

33 verfügte über eine elektrische Leistung von etwa 10 MW el. Wesentliche Bauteile (z. B. Quecksilberturbine) wurden von der Firma General Electric entwickelt. Eine weitere Anlage wurde 1931 im Kraftwerk Schenectady (N.Y.) realisiert. Der erreichte Wirkungsgrad lag bei etwa 35 % und war damit gegenüber damaligen konventionellen Wasserdampfkraftprozessen deutlich höher. Insgesamt wurden sechs Anlagen gebaut. Das letzte weltweit gebaute Quecksilberdampfkraftwerk war das Schiller Kraftwerk in Portsmouth (New Hampshire, USA) Das in den 50er-Jahren gebaute Kraftwerk bestand aus insgesamt zwei kohlegefeuerten Quecksilberdampferzeugern (B&W) sowie zwei Quecksilberdampfturbinen (General Electric) und verfügte über eine elektrische Leistung von etwa 40 MW (inkl. Dampfprozess). Die Leistung der Quecksilberturbinen umfasste dabei ca. 15 MW. Aufgrund der hohen Toxizität sowie der begrenzten Verfügbarkeit von Quecksilber wurde dieser Prozess nicht weiterverfolgt. Darüber hinaus gewannen fortgeschrittene Kraftwerksprozesse (basierend auf Wasserdampf) immer mehr an Bedeutung, wie der Bau von überkritischen Kraftwerken Anfang der 60er-Jahre in den USA eindrucksvoll belegt. Von der NASA wurden Ende der 60er-Jahre Untersuchungen zu Mehrfachdampfprozessen durchgeführt. Hierbei wurde der Einsatz natrium- bzw. kaliumgekühlter Nuklearanlagen mit einem Quecksilberdampferzeuger detailliert analysiert. Gemeinsam von der damaligen Interatom GmbH und den damaligen Deutsche Babcock Werken wurde Ende der 80er-Jahre ein Kalium-Wasserdampfprozess detailliert analysiert [Lojewski & Jansing, 1989]. Es konnte gezeigt werden, dass unter Berücksichtigung technischer Verluste ausgehend vom damaligen Stand der Technik Kraftwerkswirkungsgrade von über 50 % erreichbar sind (vgl. auch hierzu [Werner, 1990]). Geplante Forschungsaktivitäten, wie beispielsweise Versuche zum Siedeund Kondensationsverhalten von Kalium, wurden allerdings eingestellt. Mit Beginn der 90er-Jahre wurden in Deutschland die Entwicklungen zum Mehrfachdampfprozess weitestgehend eingestellt. 27 Arbeitsfluide für den Mehrfachdampfprozess Insbesondere Alkali-Metalle eignen sich aufgrund niedriger Dampfdrücke für den Einsatz in Mehrfachdampfprozessen. Die Stoffdaten und das Verhalten von Alkali- Metallen (z. B. Natrium) sind vor allem im Hinblick auf die Verwendung in Kernkraftwerken (Schneller Brüter) studiert worden. Einer Übertragung dieser Kenntnisse auf konventionelle Kraftwerke steht prinzipiell nichts im Wege. Vor dem Hintergrund der Verfügbarkeit sowie Kosten werden derzeit die Elemente Lithium, Natrium und Kalium (Tabelle II-3) favorisiert. Zwar eignen sich auch andere Elemente wie Cäsium sowie Rubidium, allerdings wird ihr Einsatz aus anderen Gründen nicht in Erwägung gezogen. Kalium wie Natrium reagieren stark exotherm mit Wasser, so dass auch ein Zwischenkreislauf mit Diphenyl als Sicherheitsbarriere vorgeschlagen wurde. Auch wurden andere inorganische Stoffe (Aluminiumbromid, Schwefel etc.) im Hinblick auf

34 ihren möglichen Einsatz als binäres Arbeitsmittel untersucht. Zu einer Anwendung kam es jedoch nie [Angelino & Invernezzi, 2006]. 28 Tabelle II-3: Stoffeigenschaften von Lithium, Natrium und Kalium Schmelztemperatur ( C) Siedetemperatur ( C) Dampfdruck bei 450 C (bar) Dampfdruck bei 850 C (bar) Dampfdruck bei C (bar) Kritische Temperatur ( C) Kritischer Druck (bar) Lithium 180, , ,0072 0, Natrium 97, ,0084 0,756 2, Kalium 63, ,0169 2,240 6, Quelle: [Angelino & Invernezzi, 2006] IEF-STE 2010 Kalium-Wasserdampfprozess (BRC-Babcock) Der von der Firma Babcock entwickelte Mehrfachdampfprozess (Abbildung II-7) basiert auf dem Einsatz von Kalium und Wasser. Während der Frischdampfdruck des Wasser-Dampfkreislaufs wie bei üblichen konventionellen Steinkohlekraftwerken gewählt werden kann, bedürfen Frischdampf- und Zwischenüberhitzungstemperatur einer Anpassung an die Kondensationstemperatur des Kaliumkreislaufs. Dies lässt sich über eine Kondensation auf verschiedenen Druckniveaus optimieren. Der überwiegende Teil des Kaliums wird bei einem möglichst niedrigen Druck kondensiert. Die Kondensationswärme dient zur Verdampfung und ersten Überhitzung. Die Endüberhitzung wird dann mit der Kondensationswärme des Kaliums bei dem höheren Druckniveau durchgeführt. Der berechnete Wirkungsgrad beträgt ca. 50 % unter Zugrundelegung der in Tabelle II-4 enthaltenen Annahmen [RAG/STEAG, 2004]. Im Rückblick kommt RAG/STEAG [2004] zu dem Schluss, dass unter Berücksichtigung heutiger Wasserdampfkreisläufe bzw. -parameter die Kondensationstemperatur des Kaliums deutlich höher (bei etwa 870 C) liegen müsste. Der Investitionsbedarf für ein solches Kraftwerk wird auf das Zweieinhalbfache eines konventionellen Steinkohlekraftwerks gleicher Leistung geschätzt [RAG/STEAG, 2004].

35 29 Abbildung II-7: Mehrfachdampfprozess Kalium/Wasser Quelle: [RAG/STEAG, 2004] IEF-STE 2010 Tabelle II-4: Auslegungsparameter zum binären Kreislauf Quelle: [RAG/STEAG, 2004] IEF-STE 2010 Fortgeschrittene Multi-Dampfkreisläufe mit unterschiedlichen Arbeitsmitteln Die weitere Steigerung der Frischdampfparameter bei konventionellen Dampfkraftwerken erfordert anspruchsvolle Materialentwicklungen, die höchsten Drücken und Temperaturen genügen müssen. Dampftemperaturen und -drücke von 800 bis 850 C sowie 400 bar stellen werkstoffseitige Herausforderungen dar, für die es aus heutiger Sicht noch keine verlässlichen Konzepte gibt. Vor diesem Hintergrund erlangt das Konzept der Mehrfachdampfprozesse zunehmend Interesse, da der Betrieb eines Topping Cycle bei einer Verdampfungstemperatur von ca. 870 C (2 bar) auch werkstoffseitig für durchaus möglich gehalten wird. Angelino & Invernezzi [2006] diskutieren am Beispiel eines Kaliumprozesses u. a. die materialtechnischen Herausforderungen. Sie verweisen auf entsprechende Erfahrungen, die in den 1960er- Jahren gemacht wurden. So stellte Korrosion bei den damalig verwendeten Cr-Ni-

36 Stählen kein Problem dar. Angelino & Invernezzi [2006] führten zahlreiche Analysen für Kaliumprozesse durch. Basis war ein herkömmlicher Wasserdampfprozess (550 C, 290 bar, doppelte Zwischenüberhitzung), der mit einem Kalium-Topping Cycle kombiniert wird. Berechnungen wurden für verschiedene Kaliumverdampfungstemperaturen, mehrstufige Kondensation sowie unter Variation der Frischdampfparameter durchgeführt. Die Wirkungsgrade des Topping Cycle liegen in einer Bandbreite von 12,3 bis 26 %. In Tabelle II-5 sind sowohl die Wirkungsgrade für den Kaliumprozess (Topping Cycle) als auch für den Gesamtprozess für eine Verdampfungstemperatur von 850 C sowie eine Frischdampftemperatur von 550 C aufgelistet. Es wird deutlich, dass die Kondensation auf verschiedenen Temperaturniveaus eine signifikante Wirkungsgradverbesserung bewirkt. 30 Tabelle II-5: Wirkungsgrade eines Kalium-Wasserdampfprozesses bei einer Frischdampftemperatur von 550 C und einer Kaliumverdampfungstemperatur von 850 C Prozess A Prozess B Prozess C Anzahl der Kondensationsstufen Temperaturniveau 570 C 450 C/570 C 400 C/485 C/570 C Kaliumprozess 19 % 23 % 24,4 % Gesamtprozess 57,7 % 59,8 % 60,6 % Quelle: [Angelino & Invernezzi, 2006] IEF-STE 2010 Eine Erhöhung der Fischdampftemperatur von 550 C auf 600 C bei gleich bleibender Verdampfungstemperatur wirkt sich auf den Prozess mit einstufiger Kondensation mit einer Wirkungsgradverschlechterung aus. Erst bei einer mehrstufigen Kondensation bewirkt die Erhöhung der Frischdampftemperatur eine Wirkungsgradverbesserung. Für den oben skizzierten Kalium-Wasserdampfprozess analysieren Angelino & Invernezzi [2005] auch die entsprechende Auslegung einer Kaliumdampfturbine. Aufgrund des niedrigeren Druckverhältnisses (oberer Prozessdruck zu unterem Prozessdruck), der für Kalium mit ca. 370 (zum Vergleich Wasserdampfprozess: ca ) angegeben wird, hält man die Turbinenauslegung prinzipiell für durchaus machbar. Allerdings sind aufgrund der niedrigen Kondensationsdrücke die Volumenströme sehr groß, was aus strömungstechnischer Sicht problematisch ist. Verglichen mit einer Wasserdampfturbine liegt der Leistungsoutput einer Kaliumturbine gleicher Baugröße um den Faktor 3 bis 5 deutlich niedriger [Angelino & Invernezzi, 2005]. Kritisch wird ebenfalls die Qualität des Kaliumdampfes (Flüssiganteil des Kaliums) gesehen. Bei einer Kondensationstemperatur von 400 C beträgt die Nassdampfqualität etwa 73 % und dürfte für den Turbinenbetrieb erhebliche Probleme bedeuten.

37 Abbildung II-8: Vereinfachte Darstellung eines Lithium-Kalium-Wasserdampfprozesses 31 Lithiumkreislauf Temperatur Kaliumkreislauf Wasserdampfkreislauf Entropie Quelle: nach [Angelino & Invernezzi, 2006] IEF-STE 2010 Für eine Anhebung der oberen Prozessdampftemperatur bieten sich Dreifach- Dampfprozesse an (Abbildung II-8). Angelino & Invernezzi [2006] errechnen für einen Lithium-Kalium-Wasserdampfprozess Wirkungsgrade von ca. 70 % bei einer oberen Prozesstemperatur von C. Die Herausforderung solcher Prozesse besteht im Wesentlichen in der Lösung materialtechnischer Probleme sowie in der Entwicklung von Kraftwerkskomponenten (Dampferzeuger, Kondensator, Turbinen, Pumpen etc.) für das jeweilige Arbeitsfluid. Kraftwerksprozesse mit Arbeitsfluidgemischen Gegenüber dem herkömmlichen Wasserdampfprozess ist das Arbeitsfluid ein Gemisch aus zwei oder mehreren Substanzen. Für den Kraftwerkseinsatz wurde bislang nur ein Zweistoffgemisch vorgeschlagen, das aus Ammoniak und Wasser besteht. Das Zweistoffgemisch hat den Vorteil, dass es keinen festen Siedepunkt hat, sondern einen Siedebereich. Das Zweistoffgemisch ermöglicht gegenüber einem Einstoffgemisch eine Verdampfung mit zunehmender Temperaturerhöhung (nicht isotherm). Dies ermöglicht somit eine bessere Wärmeübertragung und führt zu einer Erhöhung der oberen Prozesstemperatur. Auch erfolgt die Kondensation nicht isotherm, was zu einer Verringerung der unteren Prozesstemperatur führt. Sowohl die Erhöhung der oberen Prozesstemperatur als auch die Verringerung der unteren Prozesstemperatur führt zu einer effizienteren Wärmeübertragung und damit zu einem höheren Wirkungsgrad. Der nach dem Entdecker A. Kalina benannte Prozess wird vorzugsweise für die Nutzung von Wärme im niedrigeren Temperaturbereich (z. B. Nutzung von Geothermie) eingesetzt. Mittlerweile sind etwa 250 Patente von der in

38 den USA ansässigen Fa. Exergy (Firmeneigentümer: A. Kalina) angemeldet worden. Lizenzen auf europäischer Ebene besitzen die Unternehmen Siemens AG sowie M+W Zander. Der Kalina-Prozess wurde in einer Vielzahl von Geothermieanwendungen realisiert. Die Nutzung des Kalina-Prozesses in konventionellen Kohlekraftwerken (konventionelle Staubfeuerung, Wirbelschichtfeuerung) war in den 1980er-Jahren Gegenstand vieler Untersuchungen. Viele der Analysen umfassten eine eingehende Exergiebzw. Pinch-Point-Analyse der verschiedensten Prozessvarianten. Gegenüber dem herkömmlichen Rankine Cycle werden für die unterschiedlichen Konzepte Effizienzsteigerungen von 10 bis 20 % angegeben. Abbildung II-9 zeigt eine mögliche Variante einer Einbindung eines Kalina-Prozesses in einen herkömmlichen Kraftwerksprozess. In diesem Prozess wird ein Gemisch eingesetzt, das zu 75 % aus Ammoniak und 25 % aus Wasser besteht. Gegenüber dem konventionellen Dampfkraftwerk (42 %) werden Wirkungsgradsteigerungen von 4 bis 5 Prozentpunkte errechnet [Enick et al., 1997]. 32 Abbildung II-9: Schaltskizze eines Kalina-Kraftwerksprozesses Luft REA, DENOX Einheit H 2 O W Kalina Abluftkamin Wärmeübertragung W Rankine Warmluft NH 3 - H 2 O ND, MD, HD- Turbinen NH 3 - H 2 O Dampfturbine Kohle Kohleverbrennung Wärme-Rückgewinnung Q Kondensator W Pumpe Asche W Pumpe Destillierung Kondensation Q Verdampfer-Beheizung Q Kondensator-Kühlung Kühlwasser Quelle: [Enick et al., 1997] IEF-STE 2010 Vor dem Hintergrund der vorherigen Ausführungen werden die Kraftwerksprozesse mit binären Arbeitsmitteln wie folgt bewertet und folgender Entwicklungsbedarf abgeleitet:

39 Gegenüber konventionellen Dampfkraftwerken weist der Mehrstoffdampfprozess mit zwei oder mehreren unterschiedlichen Arbeitsmitteln deutliche Wirkungsgradvorteile auf. Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in den USA einige Mehrstoffdampfprozessanlagen (basierend auf Quecksilber) realisiert. Die Arbeiten und Entwicklungen wurden Ende der 50er-Jahre eingestellt, da die Effizienzverbesserung des konventionellen Dampfprozesses deutlich höhere Potenziale aufwies, die sich zudem einfacher realisieren ließen. In Deutschland wurden Mehrfachdampfprozesse bis Ende der 80er-Jahre beforscht. Aufgrund des hohen technischen Entwicklungsrisikos sowie der deutlich höheren Kosten zogen sich die beteiligten Unternehmen (z. B. Babcock) zurück. Danach wurden die Forschungsarbeiten zum Mehrfachdampfprozess eingestellt. Insbesondere wegen seines hohen Wirkungsgradpotenzials wird der Mehrstoffdampfkraftprozess in einigen nationalen F&E-Strategien als mögliche Option aufgeführt. Die im Rahmen des Projekts durchgeführten Literaturrecherchen zeigen allerdings, dass derzeit weltweit keine signifikanten F&E-Arbeiten zu Mehrstoffdampfprozessen im größeren Maßstab durchgeführt werden. Die vorherigen Ausführungen verdeutlichen das äußerst hohe technische Entwicklungsrisiko. So sind Kraftwerkskomponenten wie Turbine, Dampferzeuger, Kondensator, Wärmeübertrager und Pumpen für die neuen Arbeitsmedien völlig neu zu entwickeln. Hinzu kommt, dass keinerlei Erfahrungen für diesen Kraftwerksprozess vorliegen, auf die zurückgegriffen werden könnte. Gleiches gilt für die Einbindung des Kalina-Prozesses in einen konventionellen Kraftwerksprozess. Auch hier sind für den großtechnischen Einsatz in Kohlekraftwerken weltweit keine aktuellen F&E-Aktivitäten festzustellen. Dies lässt den Schluss zu, dass aus heutiger Sicht die aktuell erreichbaren Wirkungsgradverbesserungen das technische Entwicklungsrisiko nicht zu rechtfertigen scheinen. Dennoch sollte im Zuge der rasanten Werkstoffentwicklungen und Neuerungen in der Kraftwerkstechnik der Mehrstoffdampfprozess neu bewertet werden. Erst auf der Grundlage einer detaillierten Neubewertung sollte entschieden werden, ob der Prozess zum engeren F&E-Portfolio zählen sollte. Die Tabelle II-6 gibt einen Überblick über den Entwicklungsstand verschiedener Technologien zu kohlegefeuerten Dampfkraftwerken. 33

40 34 Tabelle II-6: Überblick zum Entwicklungsstadium kohlegefeuerter Dampfkraftwerke Kommerziell Demonstration F&E Ideenfindung Überkritische Dampfzustände Für Braun- und Steinkohlekraftwerke 285 bar, 600 C ZÜ: 620 C Vortrocknung Braunkohle (Standort Niederaußem) Test von Materialien für das 700 C-Kraftwerk COMTES KW Scholven GKW Mannheim KW Weisweiler Dampfturbinen: - Kühlungskonzepte - Dichtungen Materialien für ein 800 C- Kraftwerk Entwicklung neuer hochtemperaturbeständiger Materialien (inkl. Methoden, Modellierung) für ein 800 C- Kraftwerk Mehrfachdampfprozesse Indirekt kohlebefeuerte Kombiprozesse (EFCC) Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 II.3 Bewertung des Technologiefeldes Die Bewertung des Technologiefeldes kohlegefeuerter Dampfkraftwerke vor dem Hintergrund der im Rahmen des Projektes definierten Szenarien ist in Tabelle II-7 dargestellt. Wie die bisherigen Erfahrungen des 700 C-Kraftwerks zeigen, ist das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko als eher hoch einzustufen, was unabhängig von der jeweils gewählten Szenariowelt gilt. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung, Charakterisierung und Fertigung geeigneter Werkstoffe und Verbindungstechniken. Zwar ist davon auszugehen, dass das wirtschaftliche Risiko aufgrund steigender Investitionen für neue Materialien gegenüber heute zunehmen wird, jedoch wird das wirtschaftliche Forschungs- und Entwicklungsrisiko als eher gering eingestuft. Dafür spricht auch die dominierende Stellung des kohlegefeuerten Dampfkraftwerks, das sowohl heute als auch zukünftig das Rückgrat der Kohleverstromung sein wird. Wie aktuelle Szenarien sowohl weltweit als auch national zeigen, ist der Einsatz von fossil gefeuerten Kraftwerken mit CO 2 -Abscheidung eine wichtige Maßnahme, um die gesetzten Klimagasminderungsziele zu erreichen. Aufgrund der relativ hohen Effizienzverluste durch den Einsatz von CO 2 -Abscheidetechnik ist es zwingend notwendig, den Wirkungsgrad des Kraftwerksbasisprozesses zu steigern. Vor diesem Hintergrund dürfte sich das wirtschaftliche Forschungs- und Entwicklungsrisiko gegenüber dem moderaten Szenario nicht unterscheiden. Im Ressourcen-Szenario wird eine Ressourcenverknappung unterstellt, die sich in extrem hohen Energiepreisen widerspiegelt. Unter einer solchen Prämisse dürfte der Einsatz von fossilen Energieträgern und somit der Einsatz von fossil basierten Kraftwerkstechniken nicht so ausgeprägt sein. Dies führt letztendlich zu der Einschätzung, dass das wirtschaftliche Forschungs- und Entwicklungsrisiko im Vergleich zu den beiden anderen Szenariowelten deutlich höher eingeschätzt werden muss.

41 Für die Bewertung des aktuellen Entwicklungsstadiums ist eine Bewertung des Gesamtsystems Dampfkraftwerke nicht zielführend. Daher werden im Folgenden einige wichtige F&E-Felder bewertet. Wie ausgeführt, stellt die Entwicklung geeigneter Werkstoffe für ein Kraftwerkssystem mit Frischdampftemperaturen von deutlich oberhalb 700 C (Vision 800 C-Kraftwerke) einen wesentlichen Schlüssel dar. Nach Meinung der befragten Experten ist diese Entwicklung als sukzessiver Prozess zu sehen, der auf Werkstofferfahrungen in Zusammenhang mit dem 700 C-Kraftwerk aufbauen dürfte (Tabelle II-8). Derzeitige Aktivitäten konzentrieren sich auf die Entwicklung von Materialien für das 700 C-Kraftwerk. Unter Materialentwicklung wird sowohl die eigentliche Werkstoffentwicklung, Verbindungstechniken, Methoden zur Materialcharakterisierung als auch Fertigungstechniken verstanden. Materialentwicklungen für höhere Temperaturen und Drücke befinden sich derzeit in der Phase der Ideenfindung bzw. allenfalls in einer ersten F&E-Phase (Tabelle II-9). 35 Tabelle II-7: Bewertung des technischen und wirtschaftlichen Forschungsund Entwicklungsrisikos von kohlegefeuerten Dampfkraftwerken (800 C-Kraftwerk) Szenario 1: Moderat Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 2: Klimaschutz Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 3: Ressourcen Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist sehr gering gering eher gering eher hoch hoch Sehr hoch Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

42 36 Tabelle II-8: Aktuelles Entwicklungsstadium von Materialentwicklung (700 C-Kraftwerk) 700 C-Werkstoffe (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Tabelle II-9: Aktuelles Entwicklungsstadium von Materialentwicklung (Vision 800 C-Kraftwerk) 800 C-Werkstoffe (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Dem Mehrfachdampfprozess wird gegenüber dem konventionellen Wasserdampfprozess ein sehr viel höheres Effizienzpotenzial zugemessen. Die Idee des Mehrfachdampfprozesses wird seit den 1920er-Jahren verfolgt. Seit den 1950er-Jahren wurden weder Demo- noch Versuchsanlagen gebaut. Die wenigen Aktivitäten der letzten Dekaden beschränken sich auf theoretische Untersuchungen (Tabelle II-10)

43 37 Tabelle II-10: Aktuelles Entwicklungsstadium von Mehrfachdampfprozessen Mehrfachdampfprozesse (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Einer der wesentlichen Schlüssel zur Realisierung des indirekt kohlebefeuerten Kombiprozesses (EFCC) ist die Entwicklung eines Hochtemperatur- Wärmetauschers. Hierzu werden derzeit F&E-Arbeiten durchgeführt. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass für einen Einsatz auch Heißluftgasturbinen zu entwickeln sind (Tabelle II-11). Tabelle II-11: Aktuelles Entwicklungsstadium von EFCC-Prozessen EFCC-Prozess (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Beitrag zur Energieeffizienz Heutige moderne Braun- und Steinkohlekraftwerke erreichen Wirkungsgrade von 43,5 bzw. 45 %. Bis zum Jahre 2050 werden Wirkungsgrade von deutlich über 50 % als erreichbar angesehen. Die Ausschöpfung dieses Potenzials erfordert u. a. die Integration der Braunkohletrocknung in den Kraftwerksprozess und die Verwirklichung der Vision des 800 C-Kraftwerks. Das primärenergieseitige Einsparpotenzial,

44 das der Einsatz effizienterer Braun- und Steinkohlekraftwerke ohne CO 2 - Abscheidetechnologie ermöglicht, zeigt Tabelle II-12. Die angegebenen Einsparungen ergeben sich aus dem szenarienabhängig unterstellten Zubau effizienterer Anlagen und deren voraussichtlich erreichtem Wirkungsgradniveau. Referenzbasis sind heutige moderne Braun- und Steinkohlekraftwerke mit Wirkungsgraden von 43,5 bzw. 45 %. Die Wirkungsgrade der bis 2020 zugebauten Braun- und Steinkohlekraftwerke werden mit 46,5 bzw. 50 % veranschlagt, bis 2030 erfolgt eine weitere Steigerung auf 48,5 bzw. 51 % und bis 2050 auf 52,5 bzw. 54 %. Der kohlegefeuerte Kraftwerkszubau (Ersatz, Neubau) bis 2020 wurde für das moderate Szenario mit 18,7 GW angenommen. Er beträgt bis 2030 kumuliert 37 GW und bis 2050 gut 49 GW. Im Klimaschutz-Szenario erfolgt bis 2020 ebenfalls ein Zuwachs von 18,7 GW. Alle nach 2020 gebauten Anlagen sind mit CO 2 -Abscheidetechnik ausgestattet. Die bis 2020 zugebauten Anlagen bleiben bis 2050 in Betrieb; das Einsparpotenzial bleibt damit erhalten (Tabelle II-12: Szenario 2). Im Ressourcen- Szenario steigt der Zubau von Braunkohlekraftwerken moderat bis 2050 an, während er bei Steinkohlekraftwerken deutlich sinkt. Es wird angenommen, dass bis 2020 insgesamt 11 GW, bis GW und bis 2050 knapp 39 GW zugebaut werden. 38 Tabelle II-12: Jährlich vermiedener Primärenergieeinsatz durch Kohlekraftwerke Vermiedener Primärenergieeinsatz durch Braun- und Steinkohlekraftwerke [PJ/a] Deutschland Szenario 1: Moderat (ohne/mit CCS) Szenario 2: Klimaschutz (ohne/mit CCS) Szenario 3: Ressourcen (ohne/mit CCS) / 80 / 47 / / 15,5 80 / / / 0,2 80 / 0,7 274 / 6 Anmerkung: Vermiedener Primärenergieeinsatz im Bezugsjahr. Quelle: eigene Berechnung IEF-STE 2010 Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz Der Anteil fossil gefeuerter Kraftwerke an den gesamten CO 2 -Emissionen liegt global als auch für Deutschland bei über 40 %. Um einen Beitrag zu den Klimaschutzzielen der Bundesregierung zu liefern, besitzt die Effizienzsteigerung der Kraftwerke allergrößte Bedeutung. Diese reicht allerdings allein nicht aus, um die im Klimaschutz- Szenario angestrebte Senkung des gesamten CO 2 -Ausstoßes um 80 % bis 2050 zu erreichen. In einem solchen Szenario ist die CO 2 -Abscheidung ein unverzichtbarer Bestandteil fossil gefeuerter Kraftwerkstechnologie (siehe Kapitel V: CO 2 - Abscheidung). Daher sind im Klimaschutz-Szenario alle nach 2020 zugebauten Anlagen mit CO 2 -Abscheidetechnik ausgestattet. Tabelle II-13 zeigt das CO 2 -

45 Einsparpotenzial, durch den Einsatz effizienterer Braun- und Steinkohlekraftwerke ohne/mit CO 2 -Abscheidetechnologie. Die angegebenen Einsparungen ergeben sich wie zuvor aus dem Anlagenzubau und den Wirkungsgradsteigerungen. Braun- und Steinkohlekraftwerke mit heutiger modernster Technik bilden auch hier wieder die Referenzbasis. 39 Tabelle II-13: Jährlich vermiedene CO 2 -Emissionen durch Kohlekraftwerke Vermiedene CO 2 -Emissionen durch Stein- und Braunkohlekraftwerke [Mio. t/a] Deutschland Szenario 1: Moderat (ohne/mit CCS) Szenario 2: Klimaschutz (ohne/mit CCS) Szenario 3: Ressourcen (ohne/mit CCS) / 8 / 5 / / 43 8 / / / 78 8 / / 62 Anmerkung: Vermiedene Emissionen im Bezugsjahr. Quelle: eigene Berechnung IEF-STE 2010 Investitionsvolumen Der Gesamtauftragseingang der deutschen Kraftwerksherstellerindustrie betrug im Jahr 2008 ca. 12,8 Mrd. [VDMA, 2009]. Hiervon entfielen auf den Export 75 % sowie auf das Inlandsgeschäft 25 %. Wie bereits in den Vorjahren macht der Export den Hauptanteil aus. Deutschland nimmt auf dem Gebiet Entwicklung und Bau von Kraftwerken eine weltweit führende Rolle ein. So wird der derzeitige Weltmarktanteil deutscher Kraftwerkstechnologie auf etwa 20 % geschätzt [Deutsche Bank Research, 2008]. Der in den Szenarien angenommene Kraftwerkszubau umfasst sowohl den Ersatz als auch ggf. den nachfragebedingten Zubau von Kohlekraftwerken in Deutschland. Das geschätzte für die Errichtung der Kraftwerke notwendige Investitionsvolumen ist in Tabelle II-14 als mittlerer Jahreswert dargestellt. Zum Vergleich: Die historischen Zubauraten für Kohlekraftwerke schwankten in den vergangenen Dekaden erheblich. In den letzten zwei Dekaden lag die Zubaurate mit nur wenigen Ausnahmen bei deutlich unter 0,5 GW/a [Markewitz et al., 2009].

46 40 Tabelle II-14: Investitionsvolumen durch Kohlekraftwerke in Mrd /a in Deutschland Investitionsvolumen durch Stein- und Braunkohlekraftwerke [Mrd. /a] Szenario 1: Moderat (ohne/mit CCS) Szenario 2: Klimaschutz (ohne/mit CCS) Szenario 3: Ressourcen (ohne/mit CCS) ,7 / 1,7 / 1,0 / ,8 / 1,3 / 2,7 1,3 / 0, ,7 / 0,5 / 1,0 0,7 / 0,5 Anmerkung: Gemitteltes jährliches Investitionsvolumen Quelle: eigene Berechnung IEF-STE 2010 II.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand Die Entwicklung neuer Materialien ist einer der Schlüssel für eine weitere Wirkungsgradsteigerung kohlegefeuerter Kraftwerke. Zukünftige F&E-Aktivitäten sollten daher insbesondere diesen Bereich in den Blick nehmen. Ziel sollte auch ein erweitertes Verständnis vom Materialverhalten unter unterschiedlichsten Bedingungen sein. Der Einsatz neuer Materialien erfordert eine entsprechende Materialqualifizierung sowie parallel dazu die Entwicklung von neuer Füge- und Fertigungstechniken. Mit Unterstützung vieler öffentlich geförderter F&E-Vorhaben soll ein 700 C-Steinkohlekraftwerks realisiert werden. Eine Übertragung der 700 C-Technologie auf braunkohlegefeuerte Kraftwerke sollte vorangetrieben werden. Die Realisierung eines 800 C-Kraftwerks erfordert für einige Hochtemperatur- Komponenten (z. B. ZÜ-Rohre, Sammler) Materialien, die Temperaturen bis annähernd 900 C standhalten müssen. Nach heutigem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass die derzeit für ein 700 C-Kraftwerk im Test befindlichen Materialien für solche Temperaturen nicht geeignet sind und die Entwicklung neuer Materialien notwendig ist. Darüber hinaus gilt es, auch ferritische Stähle, ferritischmartensitische Stähle und austenitische Alloys weiterzuentwickeln, da ihr Einsatz aus Kostengründen unabdingbar ist. Erfahrungsgemäß erfordern neue Materialien die Entwicklung neuer Füge- und Fertigungstechniken. Das schweißtechnische Fügen verschiedener Materialien bewirkt wärmebedingte Spannungen, die die Zeitstandsfestigkeit verringern. Weiter voranzutreiben ist die Weiterentwicklung von Schweißverfahren (z. B. Laserverfahren, Elektronenstrahlverfahren) sowie die Entwicklung und Charakterisierung von geeignetem Schweißgut (Kompatibilität mit den neuen Materialien). Mit der Qualifizierung der Materialien wird der Nachweis der Eignung erbracht. Der Einsatz neuer Materialien erfordert ein besseres Verständnis von Mikrostruktur und Langzeitstabilität (Festigkeit, Duktilität, Kriech- und Ermüdungseigenschaften) sowie bruchmechanischen Eigenschaften. Ein Schlüsselthema ist hierbei die Entwicklung neuer Werkstoffe (durch Zulegieren) sowie geeigneter Beschichtungen. Die Charakterisierung der Werkstoffe erfolgt heute durch kosten- und zeitaufwen-

47 dige Versuche, die in der Regel Betriebsstunden und mehr umfassen. Anzustreben ist die Entwicklung geeigneter Modelle, mit denen die Vorhersage von Materialeigenschaften unter verschiedensten Umgebungsbedingungen möglich wäre. Ihr Einsatz könnte die Anzahl aufwendiger Versuche minimieren und Kosten reduzieren. Die Modelle könnten auch zu einer Optimierung von Restlebensdauern eingesetzt werden, was optimale Wartungsstrategien und dadurch eine Reduzierung der Betriebskosten ermöglichen würde. Die Qualität der Vorhersage hängt hierbei auch von der Genauigkeit geeigneter Messmethoden ab, die im laufenden Betrieb eingesetzt werden, um die Zustandsparameter zu erfassen. Heutige Methoden erreichen diese Genauigkeit nicht. Geeignete Modelle in Kombination mit Messmethoden hoher Genauigkeit könnten die heute üblichen empirisch basierten Methoden ablösen. Die Anhebung des Frischdampfdruckes führt zu einer Zunahme der Wanddicke von Komponenten. Die heute eingesetzten zerstörungsfreien Prüfverfahren reichen hierfür nicht aus. Notwendig ist die Entwicklung neuer Prüfverfahren auf der Basis neuer Methoden. Darüber hinaus bieten sie die Möglichkeit einer effizienteren Komponentenauslegung. Auch bei der Materialentwicklung sollten neue Wege geprüft werden. So könnte die Herstellung von Materialien mit gezielt lokal unterschiedlichen Eigenschaften (gradierte Werkstoffe) ein möglicher Zukunftsweg sein. Ein weiterer Ansatz, der heute noch als visionär bezeichnet werden muss, ist die Modellierung eines Werkstoffes auf atomarer Ebene. Sie besitzt aus heutiger Sicht starken Grundlagenforschungscharakter und bedarf somit insbesondere der öffentlichen Förderung. Da Dampfturbinen bis in das Nassdampfgebiet entspannen, kommt es zu Tropfenkavitation mit Erosionswirkung, die eine Schädigung der Laufschaufelenden bewirkt. Eine Vorhersage der Schädigung ist derzeit aufgrund fehlender Daten und Modelle nicht möglich. Durch die Verringerung der Anzahl der Fluten lassen sich die Austrittsverluste bei Niederdruckdampfturbinen reduzieren. Die hierdurch vergrößerte Austrittsfläche erfordert Schaufellängen, die über das technisch machbare Maß heutiger aus Stahl gefertigter Schaufeln hinausgehen und den Übergang zu neuen Werkstoffen (z. B. Titanlegierungen) erfordern. Dies macht eine Änderung der Auslegungsphilosophie notwendig und erfordert die Entwicklung neuer Profile. Grundlage hierfür ist die Entwicklung neuer Simulationsmodelle zur Beschreibung von Strömungsvorgängen. Neue Dichtungstechniken (z. B. Hybrid Brush Seals) ermöglichen die Verringerung von Verlusten. Hierzu wäre eine adäquate Simulation von Strömungsvorgängen notwendig, um das aerodynamische Verhalten von Dichtungen bei unterschiedlichsten Betriebsbedingungen zu erklären. Die Anhebung des Wirkungsgrades eines Dampfkraftwerkes ist mit erheblichen Mehrkosten verbunden. Mögliche Konkurrenztechniken sollten daher in zeitlichen Abständen analysiert werden, wobei die konventionellen etablierten Techniklinien als Benchmark zu sehen sind. Visionäre Kraftwerksprozesse sollten im Rahmen technischer Systemstudien hinsichtlich ihrer technischen Machbarkeit im Lichte neuer all- 41

48 gemeiner Entwicklungen (z. B. Simulation, Materialien) sukzessive neu bewertet werden. - Technikeinordnung und Entwicklungsrisiko Für das Technologiefeld der fossil basierten Stromerzeugung gibt es eine Vielzahl von Optionen, um die Effizienz zu steigern. Das Spektrum reicht von der inkrementellen Verbesserung etablierter Techniklinien (Dampfkraftwerke) bis hin zu neuen Technikkonzepten (Kohlekombikraftwerke). Langfristig existieren visionäre Konzepte (z. B. Hybridkraftwerke, Mehrfachdampfprozesse), deren Wirkungsgradpotenzial noch höher ist. Weiterhin ist die Bewertung der Techniklinien insbesondere vor dem Hintergrund der CO 2 -Abscheidung zu erweitern. Die Entwicklung von Kraftwerkstechniken der vergangenen Dekaden zeigt insbesondere, dass eine Technikbewertung basierend auf einem Effizienzvergleich sowie der Investitionen zu kurz greift. So sind Kriterien wie Verfügbarkeit, flexible Fahrweise etc. mindestens gleichrangig zu sehen. Heutige große Kraftwerkshersteller bedienen den globalen Markt und entwickeln entsprechend für diese Anforderungen geeignete Kraftwerkstechniken. Dieser Trend dürfte sich künftig noch verstärken, da die großen Marktpotenziale in den Schwellenländern außerhalb Europas bestehen. Wegen der hohen Anlageninvestitionen im Kraftwerkssektor spielt das F&E-Risiko bei der Technikwahl bzw. -entwicklung eine besondere Rolle. Aufgrund der ausgeprägten Technikpfadabhängigkeit und der damit vorhandenen Erfahrungen besitzen inkrementelle Verbesserungen ein deutlich niedrigeres F&E-Risiko [Rennings et al., 2008]. Vor diesem Hintergrund ist die in Abbildung II-10 dargestellte Technikeinordnung hinsichtlich des F&E-Risikos sowie des zeitlichen Erwartungshorizonts kommerzieller Verfügbarkeit zu sehen. Die Bewertung wurde unter Berücksichtigung der im Rahmen des Projektes befragten Experten durchgeführt. Demnach wird für die Weiterentwicklung der konventionellen Techniklinien ein weitaus geringeres F&E-Risiko und eine frühere Verfügbarkeit gesehen. Für Techniken wie beispielsweise Mehrfachdampfprozesse sowie Hybridkraftwerke wird das F&E-Risiko als sehr hoch eingeschätzt. Sie bedürfen daher insbesondere der Unterstützung durch öffentliche Förderung. Allerdings sollte bei diesen visionären und zum Teil vielversprechenden Konzepten der F&E-Fokus auf die kritischen Komponenten (bottlenecks) gelegt werden. Ein kontinuierliches Benchmarking, das einen Vergleich mit den konventionellen Techniklinien umfasst, würde eine kontinuierliche Neubewertung ermöglichen und eine Entscheidungsbasis für die mögliche F&E-Förderung darstellen. 42

49 43 Abbildung II-10: Zeitliche Verfügbarkeit und F&E-Risiko für Techniken der fossil basierten Stromerzeugung Verfügbarkeit auf der Zeitskala 2050 Vision GuD η 65% 800 C - Kraftwerk EFCC GuD η 62% Mehrstoffdampfprozesse Hybridkraftwerke, groß CCS-Membran, Looping IGCC mit CCS (4. Generation) C-BK-Kraftwerk CCS-Wäsche (2. Generation) Brennstoffzelle (groß) IGCC (3. Generation) CCS-Oxyfuel 700 C-SK- Kraftwerk CCS-Post CCS-Pre GuD η 60% Dampfkraftwerke Gaskraftwerke IGCC gering mittel groß F&E Risiko Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

50 44 II.5 Anhang: Datenblatt Kohlegefeuerte Kraftwerke Technologiefeld Kohlegefeuerte Kraftwerke Technische Beschreibung Physikalisches Prinzip Dampfkraftwerk auf der Basis von Kohleverbrennung Wichtige Bestandteile Dampferzeuger Dampfturbine Sonstige Merkmale Erprobte Technik, Betriebserfahrungen über viele Dekaden Wirkungsgrad/Nutzungsgrad Braunkohlekraftwerke: Stand der Technik: ca. 43% Langfristig (nach 2020): >50% Steinkohlekraftwerke: Stand der Technik: ca. 46% Langfristig (nach 2020): >50% Technik Installierte Leistung Braunkohlekraftwerke: D: 20,5 GW tnetto (2008), in Bau: 2,83 GW (Gesamte Elektrizitätserzeugung) Steinkohlekraftwerke D: 27,4 GW netto (2008), in Bau: 6,1 GW (Gesamte Elektrizitätserzeugung) Weltweit installierte Kohlekraftwerksleistung: 1440 GW (2007), ca. 32% Anteil an der gesamten weltweit installierten Kraftwerksleistung Wichtige Pilotprojekte in Deutschland: KW Wilhemshaven 500 MW, Geplant: 2015, Studie NRW PP700 Entwicklungsstand Kommerziell Demonstration F&E Ideenfindung Überkritische Dampfzustände Für Braun- und Steinkohlekraftwerke 285 bar, 600 C ZÜ: 620 C Vortrocknung Braunkohle (Standort Niederaußem) Test von Materialien für das 700 C- Kraftwerk COMTES KW Scholven GKW Mannheim KW Weisweiler Dampfturbinen: - Kühlungskonzepte - Dichtungen Materialien für ein 800 C-Kraftwerk Entwicklung neuer hochtemperaturbeständiger Materialien (inkl. Methoden, Modellierung) für ein 800 C- Kraftwerk Mehrfachdampfprozesse Indirekt kohlebefeuerte Kombiprozesse (EFCC) Ökonomie Kosten (heute) Investitionen: Betriebskosten: SK: 990 /kw (Angaben lt. VGB) BK: 1100 /kw (Angaben lt. VGB) Aktuelle Preise liegen deutlich höher (ca. +50%), aufgrund der starken Nachfrage und hohen Werkstoffkosten. Trend kann aber nicht bis 2050 fortgeschrieben werden. 2-3 Ct/kWh (einschl. Wartung) Wartung: s.o.

51 45 Ökologie Potenziale der Dampfkraftwerke (ohne/mit CCS) in Abhängigkeit der Szenarien Emissionen Ressourcen Sonstige Umweltrisiken Installierter Neubau, kumuliert (GW) Sz Moderat (BK+SK), o/m CCS Sz Klimaschutz (BK+SK), o/m CCS Sz Ressourcen (BK+SK), o/m CCS Stromerzeugung, kumuliert (TWh) Sz Moderat (BK+SK), o/m CCS Sz Klimaschutz (BK+SK), o/m CCS Sz Ressourcen (BK+SK), o/m CCS Primärenergieeinsparung (PJ/a) Sz Moderat (BK+SK), o/m CCS Sz Klimaschutz (BK+SK), o/m CCS Sz Ressourcen (BK+SK), o/m CCS CO 2 -Einsparung (Mio. t/a) Sz Moderat (BK+SK), o/m CCS Sz Klimaschutz (BK+SK), o/m CCS Sz Ressourc. (BK+SK), o/m CCS Investitionsvolumen (Mrd /a) Sz Moderat (BK+SK), o/m CCS Sz Klimaschutz (BK+SK), o/m CCS Sz Ressourc. (BK+SK), o/m CCS ,7 / 0 18,7 / 0 11,0 / / / 0 72 / 0 80,4 / 0 80,4 / 0 46,8 / 0 7,8 / 0 7,8 /0 4,6 /0 1,7 / 0 1,7 / 0 1,0 / 0 37,0 / 9,2 18,7 / 18,3 24,8 / 3,8 236 / / / ,1 /-15,5 80,4 / -31,0 130,3 / -11,2 18,5 / 43,2 7,8 / 86,0 13,2 / 22,9 1,8 / 1,3 0 / 2,7 1,3 / 0,6 49,3 / 15,3 18,7 / 30,6 38,7 / 10,0 324 / / / ,9 / 0,2 80,4 / 0,7 274,1 / 5,8 31,7 / 78,2 7,8 / 156,3 28,9 /61,5 0,7 / 0,5 0 / 1,0 0,7 / 0,5 Referenztechnologie: Heutige bestmögliche BK/SK-Dampfkraftwerke (η el : 43,5/45%, Investitionskosten: 1050/ 900 /kw). Neubau: η BK/SK-DKW, ohne CCS: 46,5/49,5% (2020), 48,5/51% (2030), 52,5/54% (2050) η BK/SK-DKW, mit CCS: 38,5/41,5% (2020), 41,5/44% (2030), 45,5/47% (2050) SO 2 -, NOx-, Staubemissionen Steinkohle, Braunkohle Tagebau Braunkohle (Staubbelastung, Grundwasserabsenkung, Landschaftsbeeinträchtigung) Firmen Deutschland: ALSTOM, Hitachi Power Energy, Siemens, MAN International: GE, Foster Wheeler, Babcock & Wilcox, Babcock Hitachi, Mitsubishi, AE&E, Dongfang Electric, Harbin Power, Shanghai Electric Group Forschungseinrichtungen Deutschland: Zahlreiche Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen (z.b. HGF), F&E Initiativen COORETEC, KW21 etc. Umfeld Hemmnisse Besondere Anmerkungen Technisch Gut 47% der derzeitigen deutschen Bruttostromerzeugung wird in Kohlekraftwerken erzeugt. F&E Netzwerk zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen (Hersteller und Betreiber) ist sehr effizient. Deutschland besitzt bei der Entwicklung effizientester Dampfkraftwerke seit vielen Jahren eine weltweite Spitzenstellung. Derzeit in Deutschland gebaute Kraftwerke weisen die weltweit höchsten Wirkungsgrade auf. Neuentwicklungen wurden stets in heimischen Pilotanlagen demonstriert. Nutzung heimischer Braunkohle trägt zur Erhöhung strategischer Versorgungssicherheit bei. Die Vielzahl möglicher Kohlelieferländer wirkt sich ebenfalls positiv auf die strategische Versorgungssicherheit aus. Der derzeitige Weltmarktanteil Deutschlands im Großkraftwerksanlagenbau beträgt 20%. Deutschland zeichnet sich international durch die höchste Exportquote aus. (Deutsche Bank Research, 2008) Der Gesamtauftragseingang für Kraftwerke ist in den letzten 10 Jahren stark gestiegen und lag im Jahr 2007 bei etwa 11 Mrd. Euro. Der Großteil der Aufträge (etwa 80%) kommt aus dem Ausland. Etwa 40% aller Auftragseingänge des Großanlagenbaus (Gesamt: 30 Mrd. Euro) entfallen auf Kraftwerke. Neue Materialen: Neben der Entwicklung von neuen Materialen, ist deren Herstellung, die Herstellung von Halbzeugen zur Bearbeitung sowie geeignete Verbindungstechniken (z.b. Schweißverfahren) von elementarer Bedeutung für die industrielle Anwendung. (COMTES Erfahrungen) Zur Charakterisierung des Langzeitverhaltens von Werkstoffen, werden Langzeittests unter Betriebsbedingungen durchgeführt ( h). D.h. Werkstoffe können erst mit großem Zeitverzug eingesetzt werden. Modelle, die es erlauben, Werkstoffeigenschaften zu simulieren, könnten eine Reduktion dieser Zeiträume bewirken.

52 46 Wirtschaftlichkeit Sonstige Für das 700 C-Kraftwerk werden Mehrinvestitionen von 15-20% gegenüber einem konventionellen Kraftwerk aufgrund steigender Materialkosten angenommen. Es ist noch weitgehend ungeklärt, ob 700 C-Kraftwerke in den gleichen Lastbereichen gefahren werden können, wie derzeit existierende Dampfkraftwerke. Demgegenüber stellt die zunehmende Einbindung fluktuierender Stromerzeugung neue Anforderungen an die Regelfähigkeit konventioneller Kraftwerke. Unternehmen werden mitunter andere Regelenergiestrategien konzipieren müssen. Akzeptanzprobleme beim Bau inländischer Kohlekraftwerke.

53 47 II.6 Literatur ANGELINO, G. & INVERNIZZI, C. (2005): Combined binary cycles using combustion gases, alkali metal and steam as working fluids. Proceedings of the second International Conference on Clean Coal Technologies for our Future (CCT 2005), , Sardinien. ANGELINO, G. & INVERNIZZI, C. (2006): Binary and ternary liquid metal-steam cycles for high-efficiency coal power plants. In: Proc. IMechE Bd. 220, Teil A: Journal Power and Energy, 2006, S BAUER, H., TSCHAFFON, H. & HOURFAR, D. (2008): Role of 700 C Technology for the Carbon-low Power Supply. In: VGB PowerTech Journal 4, S BAUM, J. (2000): Untersuchungen zum extern befeuerten Gasturbinenprozess mit Hochtemperatur-Wärmeübertrager. Dissertation an der Universität Stuttgart, Fortschritt-Berichte VDI, Düsseldorf 2001, Reihe 6, Energietechnik. BENESCH, W. (2005): Preiswert, effizient und flexibel. In: Brennstoff Wärme Kraft 57, S BETTENTRUP, J., STÜER, H., DAVID, W., RICHTER, C. & DECKERS, M. (2007): Schaufeln aus Titan. In: Brennstoff Wärme Kraft, 59. Jahrgang, Heft 6, S BLUM, R., CHEN, Q., COUSSEMENT, C., GABRIEL, J., TESTANI, L. & VERELST, L. (2000): Betriebsversuche von Überhitzerwerkstoffen bei hohen Dampftemperaturen in einem steinkohlegefeuerten Dampferzeuger. VGB Konferenz Forschung für die Kraftwerkstechnik, Düsseldorf, BOHN, D. (2008a): Neue Kraftwerkstechnologien in der Verantwortung für kommende Generationen. Vortrag im Rahmen des IDG-Kolloqiums an der RWTH Aachen, Aachen, BOHN, D. (2008b): Die Entwicklung offenporöser Mehrschichtsysteme für Dampfturbinen der 700 C-Technologie. In: VGB PowerTech Journal 10, S BREUER, H. (2008): Die Erfolgsstory der Braunkohleverstromung in der Lausitz. In: VGB PowerTech Journal 3, S BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE, BMWI (2005): Innovation und neue Energietechnologien Das 5. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung. Hrsg. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Juli BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE, BMWI (2008): Energiedaten nationale und internationale Entwicklung. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, November BUNDESNETZAGENTUR (2008): Monitoringbericht 2008, COORETEC (2003): Forschungs- und Entwicklungskonzept für emissionsarme fossil befeuerte Kraftwerke Bericht der COORETEC Arbeitsgruppen. Hrsg. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI), Dokumentation Nr. 527, Dezember COORETEC (2007): Der Weg zum zukunftsfähigen Kraftwerk mit fossilen Brennstoffen. Forschungsbericht Nr Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie.

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57 51 III Kohlekombikraftwerke Neben der Weiterentwicklung der heute eingesetzten Technologien für kohlegefeuerte Dampfkraftwerke (siehe Kapitel II) sind Kohlekombikraftwerke in der Entwicklung, die gegenüber dem reinen Dampfprozess durch Nutzung der Gasturbine ein zusätzliches signifikantes Potenzial zur Steigerung des elektrischen Wirkungsgrades und damit zur CO 2 -Reduzierung haben. Eine der wichtigsten Voraussetzungen in diesem kombinierten Gas- und Dampfturbinenprozess ist die Umwandlung des Festbrennstoffes Kohle in ein gasturbinenverträgliches Arbeitsmittel. Hierfür lassen sich grundsätzlich drei Verfahren unterscheiden: Kohlevergasung, Druckwirbelschichtfeuerung und die Druckkohlestaubfeuerung. Das Kombikraftwerk mit integrierter Kohlevergasung (Integrated Gasification Combined Cycle, IGCC) ist von diesen Verfahren die am weitesten entwickelte Technologie. Sie wird als eine vielversprechende Option für eine zukünftige CO 2 -arme bzw. CO 2 -freie Energiegewinnung angesehen [COORETEC, 2007]. III.1 Beschreibung des Technologiefeldes Das Kombikraftwerk mit integrierter Kohlevergasung (IGCC) ist eine Kraftwerkstechnologie, bei der Kohle in einer vorgeschalteten Vergasungsanlage (z. B. Flugstromvergaser) bei hohen Temperaturen und unter einem Druck von ca. 30 bar zunächst in ein brennbares Rohgas umgewandelt wird. Dieses aus den Hauptbestandteilen CO, H 2 und CO 2 bestehende Synthesegas wird anschließend von Schadstoffen gereinigt, um die Anforderungen der Gasturbinenhersteller und die gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte zu erfüllen. In zusätzlichen Verfahrensschritten (Shift-Konversion und CO 2 -Wäsche) kann das CO zu CO 2 umgewandelt und abgetrennt werden (IGCC mit CCS). Das gereinigte Brenngas wird in einem nachgeschalteten Gas-und-Dampf(GuD)-Kombiprozess zur Stromerzeugung eingesetzt. Die Abbildung III-1 zeigt ein vereinfachtes IGCC-Prozessschema (ohne/mit CCS). Abbildung III-1: IGCC-Prozessschema Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

58 52 Vergasungsverfahren Für die Kohlevergasung wird eine Reihe verschiedener Vergasungsverfahren eingesetzt, die sich hinsichtlich der Gas-Feststoff-Kontaktierung in Festbett-, Wirbelschicht- und Flugstromvergaser unterteilen. Als Vergasungsmittel werden Sauerstoff oder Sauerstoff-/Dampfgemische eingesetzt. Der Brennstoff wird entweder trocken oder als Suspension in den Vergaser eingebracht. Je nach Prozesstemperatur unterscheidet man Verfahren mit trockenem Ascheabzug (klassische Festbett- und Wirbelschichtverfahren) und Verfahren mit Flüssigschlackeabzug (Flugstrom- und Schlackebadverfahren mit Temperaturen über ca C). In Tabelle III-1 sind die wesentlichen Unterschiede der Vergasungsverfahren aufgeführt. Tabelle III-1: Unterschiede der Vergasungsverfahren Vergasungsverfahren Festbett Wirbelschicht Flugstrom Einsatzstoff Grobkörnig Feinkörnig Staubförmig Aufbereitungsaufwand Ggf. Agglomeration Gering Mahlung Sauerstoffbedarf Gering/Mittel Mittel Hoch Rohgastemperatur Niedrig ( C) Mittel ( C) Hoch ( C) C-Vergasungsgrad % % >95 % Ascheaustrag Trocken oder Schlacke Trocken oder Agglomerate Schlacke Raum-Zeit-Ausbeute Niedrig/Mittel Mittel/Hoch Sehr hoch Regelbarkeit Gut Sehr gut Sehr gut Typische Vertreter Lurgi, BGL HTW, KRW, U-Gas Texaco, Prenflo, SFGT Quelle: [Radig, 2007] IEF-STE 2010 Weltweit gibt es zahlreiche nach dem Flugstrom- bzw. Festbettverfahren arbeitende Anlagen, wobei die überwiegende Anzahl der Flugstromvergasungsanlagen für die Nutzung von Raffinerierückständen errichtet wurde und zur Erzeugung von Synthesegas, Ammoniak, Wasserstoff oder Methanol eingesetzt wird. Das Wirbelschichtverfahren wurde bislang nur in Demonstrationsanlagen erprobt. Dieses und insbesondere das Flugstromverfahren sind für den großtechnischen Einsatz in IGCC- Kraftwerken geeignet, Festbettverfahren dagegen weniger. Die thermische Leistung von Festbettvergasern ist verfahrensbedingt auf ca. 200 MW begrenzt. Außerdem erzeugen sie ein teer- und methanhaltiges Rohgas, das den Gasreinigungsaufwand erhöht [COORETEC, 2007]. Die folgende Tabelle III-2 zeigt die typische Zusammensetzung des Rohgases für die drei Verfahren. Die angegebenen Werte können je nach eingesetzter Technologie und eingesetzten Kohlen deutlich variieren. Nachfolgend wird auf die Flugstrom- und Wirbelschichtvergasung sowie auf die Aufbereitung des erzeugten Kohlegases näher eingegangen.

59 53 Tabelle III-2: Typische Rohgaszusammensetzung Vergasungsverfahren Rohgaszusammensetzung Festbett Wirbel- Flugstrom [Vol.-% (trocken)] schicht Trocken 1 Suspension 1 CO H CO N 2 + Ar CH CnHm H 2 S + COS Abhängig vom Brennstoff-Schwefelgehalt (ca. 0,2 1) 1 Bespeisungsart; 2 Teer, Öle, Phenole etc. Quelle: [Radtke et al., 2005] IEF-STE 2010 Flugstromvergaser Das Flugstromvergaserprinzip wird u. a. beim Texaco-, Shell-, E-Gas-, Prenflo- und SFGT-Vergaser realisiert. Flugstromvergaser sind die derzeit bevorzugte Vergasertechnologie für IGCC-Kombikraftwerke. Die Kohle muss als feingemahlener Kohlenstaub zugeführt werden. Ihre Verweilzeit bzw. Reaktionszeit im Vergaser ist relativ kurz (Sekundenbereich). Um eine ausreichende Vergasung sicherzustellen, müssen Flugstromvergaser mit Sauerstoff hoher Konzentration betrieben werden. Die Sauerstoffmenge wird so eingestellt, dass eine ausreichende Vergasungstemperatur (etwa C) erreicht wird, um den Kohlenstoff komplett umzusetzen (>99 %) und die Asche schmelzflüssig werden zu lassen. Der Kohlenstaub wird entweder trocken (Prenflo, Shell, Lurgi, SFG) oder als Suspension (Slurry) in den Vergaser eingebracht (E-Gas, GE). Mit trocken gespeisten Vergasern lassen sich generell höhere Anlagenwirkungsgrade erzielen, da Trockeneintragssysteme nicht nur die zur Erwärmung und Verdampfung des Slurrywassers benötigte Energie sparen, sondern auch bis zu 20 % weniger Sauerstoff benötigen [Schmid, 2008]. Die schachtförmigen Vergaser sind entweder ausgemauert (cooling wall) oder mit einer wassergekühlten Membranrohrwand (cooling screen) ummantelt. Die unterschiedlichen Ausführungen sind in Abbildung III-2 beispielhaft dargestellt. Die Variante mit ausgemauertem Reaktionsraum (rechts im Bild) ist bei einem geringen Aschegehalt des Brennstoffs (<2 %) erforderlich. Bei einem zu geringen Aschegehalt bildet sich keine ausreichende Schlackeschicht aus, die auf der Reaktorwand als thermische Schutzschicht dient. Die flüssige Asche wird am unteren Ende des Vergasers abgezogen und in einem Wasserbad granuliert. Die Schlacke wird über ein Schleusensystem abgezogen.

60 54 Abbildung III-2: Ausführungsvarianten von Flugstromvergasern Quelle: [Stoye, 2009] IEF-STE 2010 Der für die Vergasung benötigte Sauerstoff wird in einer kryogenen Luftzerlegungsanlage erzeugt, die über mehrere Wege mit der IGCC-Anlage gekoppelt ist. Neben der Sauerstofferzeugung liefert sie Stickstoff als Verdünnungsmittel in die Gasturbinenbrennkammer und trockengespeisten Vergaser als Transportgas in das Brennstoffeinspeisesystem. Dazu wird Luft vom Verdichter der Gasturbine oder von einem separaten Verdichter entnommen und verflüssigt. Die Abtrennung des Sauerstoffs erfolgt durch Destillation bei Temperaturen um 200 C. Wirbelschichtvergaser Bei der Wirbelschichtvergasung wird der Brennstoff (hauptsächlich Braunkohle) in einer zirkulierenden Wirbelschicht mit Dampf und Sauerstoff bzw. Luft umgesetzt. Die Wirbelschichtvergasung arbeitet im Gegensatz zur Flugstromvergasung bei Temperaturen unterhalb des Ascheschmelzpunktes. Durch die relativ niedrige Prozesstemperatur von ca C eignet sich der Prozess besonders für hochreaktive Kohlenstoffträger wie z. B. die Braunkohle. Das Rohgas ist teerfrei, aber mit Staub beladen. Dieser wird in Rückführzyklonen größtenteils abgeschieden und in die Wirbelschicht zurückgeführt. Nach der Rohgaskühlung erfolgt die Reststaubabscheidung. Der Staub und die Asche aus dem Vergaser werden einer Nachverbrennung zugeführt, um die Deponiefähigkeit zu erreichen. Der Kohlenstoffumsatz ist relativ unvollständig, der Vergasungsgrad liegt bei ca. 95 % [Ogrisek & Meyer, 2007a]. Zu den Wirbelschichtvergasern zählen der Hochtemperatur-Winkler(HTW)-Vergaser sowie der Vergaser von U-Gas (Utility-Gas) und Kellog-Rust-Westinghouse (KRW).

61 Für diese Typen wurden Pilot- und Demonstrationsanlagen in Deutschland und den USA errichtet (1970er- bis 90er-Jahre). Synthesegas-Aufbereitung (Gasreinigung) Bei der Kohlevergasung entstehen durch die in der Kohle enthaltenen Anteile (z. B. von Stickstoff, Schwefel und Asche) Schadstoffemissionen, die aus dem Produktgas (Syngas) entfernt werden müssen, um die Anforderungen der Gasturbinenhersteller und die gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte erfüllen zu können. Zu diesen Schadstoffen zählen Staub (Restkoks und Asche), flüchtige Schwermetalle, Alkalien (NaCl und KCl), Halogene (HCl und HF) sowie Verbindungen von Stickstoff (HCN und NH 3 ) und Schwefel (H 2 S und COS). Zusätzlich muss das Syngas noch konvertiert werden, falls das CO 2 (CCS) abgeschieden werden soll oder Wasserstoff das Zielprodukt ist. Die wichtigsten Verfahrensschritte bei der Synthesegasaufbereitung sind: Entstaubung des Syngases Wasserwäsche, mit der noch vorhandene Flugstaubpartikel, NH 3, HCl, HF, NaCl und KCl sowie die flüchtigen Schwermetalle abgeschieden werden Ggf. Konvertierung des Syngases (bei CCS bzw. bei Zielprodukt H 2 ) Katalytische Hydrolyse von COS (Carbonylsulfid) zu H 2 S Entschwefelung des Syngases (Abscheidung von H 2 S) durch physikalische, chemische oder physikalisch-chemische Nassverfahren Zur Entstaubung der Gase werden in IGCC-Kraftwerken sowohl trockene Verfahren (Fliehkraft- oder Filtrationsabscheider) als auch Nassentstauber (Venturi-Wäscher) eingesetzt. Bei Einsatz von Fliehkraftentstaubern (Zyklonabscheider) ist eine Feinentstaubung nachzuschalten, die zweckmäßigerweise durch eine Wasserwäsche (Venturi-Wäscher) erfolgt, da sie gleichzeitig die oben genannten Schadstoffe NH 3, HCl, HF etc. aus dem Gasstrom entfernt. Die höchsten Abscheidewirkungsgrade für Staub werden mit keramischen Filterkerzen erreicht, bei denen sich eine Feinentstaubung erübrigt. Solche Filtrationsabscheider sind in den IGCC-Anlagen in Buggenum (Niederlande) und Puertollano (Spanien) im Einsatz. Durch die Filtration bildet sich auf der Außenseite der Filterkerzen ein Staubkuchen, der mittels periodisch ausgeführter Druckstöße entfernt wird. Bei der Entstaubung mit Kerzenfiltern werden auch die Alkalien abgetrennt, solange sie nicht gasförmig vorliegen. Aus materialtechnischen Gründen liegt die Obergrenze für die heiße Gasfiltration bei 600 C. Die Gaseintrittstemperatur für die Wasserwäsche liegt bei gut 200 C, um die Entstehung des festen Ammoniumchlorids, das sich aus dem im Rohgas enthaltenen NH 3 und HCl bildet, zu unterdrücken. 55

62 Vor der Entschwefelung des Syngases muss zunächst das COS in Schwefelwasserstoff (H 2 S) umgewandelt werden, da bei den meisten Entschwefelungsverfahren COS nicht simultan mit H 2 S entfernt werden kann. Die Umwandlung erfolgt wie in der Buggenum- und Puertollano-Anlage, üblicherweise durch katalytische Hydrolyse (COS + H 2 O H 2 S + CO 2 ). Für die anschließende Entschwefelung des Syngases (Abscheidung des H 2 S) durch physikalische, chemische oder physikalisch-chemische Nassverfahren muss das Gas verfahrensbedingt auf ca C abgekühlt werden. Die Ammoniumchloridbildung unterbleibt, da bei der vorausgegangenen Wasserwäsche HCl nahezu vollständig, NH 3 teilweise entfernt wurde. Das restliche NH 3 wird bei der Abkühlung des Gases mit dem Wasser auskondensiert. Die physikalische Wäsche beruht auf der unterschiedlichen Löslichkeit der einzelnen Gaskomponenten in einem organischen Waschmittel, z. B. Methanol beim Rectisol- Verfahren. Bei der chemischen Wäsche erfolgt die H 2 S-Auswaschung durch chemische Reaktion mit einem Waschmittel, z. B. Methyl-Diethanolamin (MDEA-Verfahren). Dieses Verfahren wird z. B. in der Puertollano-Anlage eingesetzt. Die Anlage in Buggenum verwendet dagegen eines der chemisch-physikalischen Waschverfahren (Sulfinol-Prozess), bei denen sich das Waschmittel aus einer chemisch und physikalisch wirkenden Absorptionsflüssigkeit zusammensetzt. Der letzte Verfahrensschritt betrifft die Umwandlung des abgeschiedenen Schwefelwasserstoffs in Elementarschwefel, die zumeist nach dem Claus-Verfahren erfolgt. Bei diesem Verfahren wird ein Drittel des H 2 S mit Luft verbrannt, um die benötigte Menge SO 2 für die Umsetzung der restlichen zwei Drittel des Schwefelwasserstoffs zu Schwefel zu erzeugen (2 H 2 S + SO 2 3 S + 2 H 2 O). Mit dem Verfahren wird ein Schwefelrückgewinnungsgrad von bis zu 97 % erreicht [Korobov, 2003]. Um die Schwefelausbeute weiter zu steigern, kann das Abgas des Claus-Prozesses, in dem sich neben überschüssigem SO 2 immer noch H 2 S befindet, nachbehandelt werden. In der IGCC-Anlage Buggenum wird hierzu das SCOT-Verfahren (Shell Claus Offgas Treating) eingesetzt und eine Rückgewinnungsrate von >99 % erzielt [Eurlings & Ploeg, 1999]. Ein Nachteil dieser nassen Gasreinigungsverfahren (Wasserwäsche, COS-Hydrolyse und Nassentschwefelung) ist, dass das Brenngas auf Temperaturen von bis zu 40 C abgekühlt und wieder aufgeheizt werden muss. Dies ist mit Exergieverlusten verbunden. Daher wird in mehreren Ländern an Verfahren für eine trockene Heißgasreinigung bei Temperaturen um ca. 600 C gearbeitet (siehe Kapitel III.2). Druckteilvergasung Neben den üblichen Verfahren der Druckvollvergasung existieren auch Druckteilvergasungskonzepte, bei denen die Kohle im Vergaser nur zu etwa % in Gas umgewandelt wird. Der Restkoks (char) wird in einem Verbrennungskessel zur Erzeu- 56

63 gung von überkritischem Dampf genutzt. Da weniger Material an der Reaktion im Vergaser teilnimmt, ist der Wärmebedarf und die erforderliche Temperatur niedriger als bei einer Vollvergasung. Dies ermöglicht den Einsatz von Luft als Oxidationsmittel. Ein solches Konzept wird in [Domenichini & Giglio, 2002] beschrieben. Ein alternatives Druckteilvergasungskonzept mit zumindest teilweiser CO 2 -Abscheidung wird in [Xu et al., 2008] analysiert. Die Teilvergasung erfolgt in einem Wirbelschichtvergaser, mit Sauerstoff als Oxidationsmittel. Das gereinigte Syngas wird mit Wasserdampf und einer stöchiometrischen Sauerstoffmenge in der Gasturbinen- Brennkammer verbrannt (Oxyfuel-Verbrennung). Dabei bleibt nur CO 2 und Dampf übrig. Durch Entspannung und Abkühlung des Gasturbinen-Arbeitsmediums kann dann das CO 2 durch die Kondensation des Wassers abgetrennt werden. Da aber nur das im Syngas enthaltene CO 2 abgetrennt wird, ist der Abscheidegrad mit insgesamt ca. 45 % vergleichsweise niedrig. Polygeneration IGCC-Kraftwerke eignen sich prinzipiell auch zur Polygeneration, d.h. der Verstromung und parallelen Herstellung von Kraft- und Chemierohstoffen, da das Synthesegas für beide Routen zur Verfügung steht und durch geeignete Sekundärprozesse (z.b. Fischer Tropsch Synthese) umgewandelt werden kann. Der IGCC-Prozess bietet damit die Möglichkeit, die eingesetzte Kohle gleichzeitig auch stofflich nutzen zu können. Durch diese Flexibilität kann das kohlebasierte Kombikraftwerk langfristig nicht nur einen Beitrag zur Versorgungssicherheit der Stromerzeugung leisten, sondern wie die reinen Kohleveredlungsverfahren (z.b. Vergasung, Hydrierung, Pyrolyse) auch die Abhängigkeit z.b. der chemischen Industrie von erdölbasierten Rohstoffen vermindern. Darüber hinaus ermöglicht die parallele Erzeugung von Strom und Sekundärenergieträgern eine Verbesserung der Anlagenauslastung oder gar eine Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit [Ogrisek & Meyer, 2007b], in dem beispielsweise Methanol als Zwischenspeicher verwendet wird, um bei Ausfall oder reduzierter Leistung der Vergasungsanlage als Brenngas der GuD-Anlage zugeführt zu werden. 57 III.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf Bereits in den 70er- und 80er-Jahren wurden erste IGCC-Demonstrationsprojekte mit elektrischen Wirkungsgraden bis zu 36 % und Leistungen bis zu 160 MW realisiert. Dazu zählten ein deutsches Projekt in Lünen, das 1972 als weltweit erstes IGCC- Kraftwerk gebaut wurde. Eine andere Anlage wurde bereits 1964 am Standort Schwarze Pumpe errichtet. Diese in teils erneuerter und ergänzter Form bis heute betriebene Anlage dient überwiegend zur Methanol-Synthese. Im GuD-Teil der Anlage werden 75 MW elektrische Leistung und Prozessdampf für die sieben Festbett-, den Schlackebad- und die zwei Flugstromvergaser erzeugt [Korobov 2003].

64 Eine großtechnische Anlage zur Braunkohlevergasung wurde von der Fa. Rheinbraun projektiert (KOBRA), aber nach Abschluss eines umfangreichen F&E-Programms nicht verwirklicht. Das Rohgas sollte in einem Hochtemperatur-Winkler(HTW)-Vergaser erzeugt werden. Das Verfahren war zuvor in einer Pilotanlage ( ) und in zwei Demonstrationsanlagen ( bzw ) erfolgreich getestet worden. Zu den derzeit in Betrieb befindlichen IGCC-Kraftwerken gehören die in Tabelle III-3 aufgeführten Anlagen. Sie werden seit Mitte der 1990er-Jahre betrieben und auch als IGCC-Kraftwerke der zweiten Generation bezeichnet. Die Anlagen arbeiten überwiegend nach dem Flugstromverfahren. Die Vresova-Anlage ist das derzeit einzige braunkohlengefeuerte IGCC-Kraftwerk. Dort wird neben Festbettdruckvergasern vom Typ Lurgi dry ash seit 2008 auch ein Siemens-Flugstromvergaser (SFG) eingesetzt. Der elektrische Wirkungsgrad der Anlagen liegt zwischen 40 und 45 %, die Verfügbarkeit bei maximal 80 %. 58 Tabelle III-3: IGCC-Kraftwerke der zweiten Generation IGCC-Kraftwerk Buggenum Wabash-River Tampa Puertollano Vresova Standort Niederlande USA USA Spanien Tschechien Inbetriebnahme (2008)* Elektr. Leistung 253 MW 262 MW 250 MW 300 MW 351 (430)* MW Brennstoff Steinkohle + Biomasse Steinkohle + Petrolkoks Steinkohle Steinkohle + Petrolkoks Braunkohle Vergasertyp Shell E-Gas GE Prenflo Sasol-Lurgi (SFG)* η e (H u -Basis) 43 % 40 % 42 % 45 % 44 % (41 %)* * Erweiterung der Anlage Quelle: [BINE, 2006, Meyer, 2008] IEF-STE 2010 Nachfolgend wird beispielhaft die IGCC-Anlage Puertollano näher erläutert. In dieser Anlage wird das Kohlegas in einem einstufigen, sauerstoffgeblasenen Flugstromvergaser der Fa. Uhde erzeugt. Der Gas- und Dampfturbosatz der Fa. Siemens besteht aus einer Dampfturbinen- und zwei Gasturbineneinheiten (Typ V94.3). Die Abbildung III-3 zeigt ein vereinfachtes Schema der Anlage.

65 59 Abbildung III-3: Schema des IGCC-Kraftwerks Puertollano Quelle: [Mills, 2006] IEF-STE 2010 Dem Vergaser wird feingemahlene Kohle mit einer Rate von knapp 30 kg/s trocken über ein Mehrbehälter-Schleusensystem (lock hoppers) zugeführt. Die im Vergaser in flüssiger Form anfallende Schlacke fällt am unteren Ende des Vergasers in ein Wasserbad (40 60 C) und wird dort zu einem verglasten Feststoff abgeschreckt. Hierdurch werden alle Schwermetalle nichtauswaschbar eingekapselt. Die verfestigte Schlacke wird anschließend zerkleinert und ausgeschleust (bis zu 24,3 t/h). Das Vergasungsmedium Sauerstoff (mit einer Reinheit von 85 %) wird zusammen mit den Moderatormedien Wasserdampf und Stickstoff eingebracht. Die Luftzerlegungsanlage wird vom Verdichter der Gasturbine mit einem Luftstrom von m 3 /h und einem Druck von 16 bar gespeist. Die Reaktionskammer des Vergasers ist mit einem Wandkühlsystem ausgestattet, das Mitteldruckdampf erzeugt, der für die Vergasung der Kohle verwendet wird. Die Vergasung findet bei einem Druck von 25 bar und bei Temperaturen von bis C statt. Der Kohlenstoff-Konversionswirkungsgrad des Vergasers liegt bei %, die Rohgaserzeugungskapazität bei m 3 /h. Die Temperatur des erzeugten Rohgases beträgt ~1.550 C. Für die anschließende Reinigung wird das Rohgas in drei Schritten auf 235 C abgekühlt. Zunächst wird hinter dem Austritt der Reaktionskammer entstaubtes und abgekühltes (Quench-)Gas zugemischt und das Gas auf 800 C abgekühlt. Die weitere Abkühlung erfolgt über im Vergaser integrierte Wärmetauscher. Der dabei produzierte Hoch- und Mitteldruckdampf (126 bar, 235 t/h

66 bzw. 35 bar, 23 t/h) wird in der Dampfturbine des Kraftwerks für die Stromerzeugung genutzt. Nach der Abkühlung wird das Rohgas schrittweise gereinigt. Zunächst wird in einer Heißgasfiltrationseinheit die Flugasche bei ~235 ºC entfernt. Ein Teil des entstaubten Gases (235, ,000 m 3 /h) wird verdichtet und in den Vergaser als Quench-Gas zurückgeführt. Das übrige Gas wird zur Entfernung von Stickstoff- und Halogenverbindungen (NH 3, HCN bzw. HCl, HF) sowie der Schwefelkomponenten (H 2 S, COS) Nassreinigungsverfahren unterzogen. Die Stickstoff- und Halogenverbindungen, ein Teil des Schwefelwasserstoffs (H 2 S) und sonstige flüchtige Partikel werden in einem Venturi-Wäscher abgeschieden. Die Schwefelkomponenten werden mittels eines chemischen Wäscheverfahrens (MDEA-Wäsche) abgetrennt. Zuvor muss das COS in einem katalytischen Hydrolysereaktor in Schwefelwasserstoff (H 2 S) umgewandelt werden. Aus dem abgetrennten Sauergas (H 2 S) wird in einer Claus-Anlage elementarer Schwefel gewonnen (3,1 t/h). Durch die Gasreinigung wird der H 2 S- Gehalt des Rohgases von 0,83% auf 3 ppmv, der COS-Gehalt von 0,31 % auf 9 ppmv reduziert und HCN praktisch vollständig entfernt. Das gereinigte Syngas wird vor der Verbrennung noch mit Wasser befeuchtet und mit Stickstoff vermischt, um die Verbrennungstemperatur zu senken und die NOx-Bildung zu minimieren [Mills, 2006]. In den USA sind derzeit zwei IGCC-Anlagen mit Kohleeinsatz in Betrieb: das Tampa- Electric-Polk-Projekt und das Wabash-River-Coal-Gasification-Projekt (Tabelle III-3). Eine ausschließlich mit Raffinerie-Rückständen (Petrolkoks) betriebene 240-MW el - IGCC-Anlage (Delaware) ging 2002 in Betrieb. Ein weit fortgeschrittenes Projekt ist die 630-MW el -Edwardsport-Anlage der Duke Energy, Indiana, die 2011 in Betrieb gehen soll [IEA, 2007]. Außerdem verfolgen verschiedene Firmen mit Unterstützung von DOE die Weiter- bzw. Neuentwicklung von Vergasertechnologien. Der Transport-Vergaser von Southern Company und Kellog Brown & Root (KBR) ist eine Weiterentwicklung der Wirbelschichtvergasungstechnologie in den USA. Eine für 2010 in Orlando, USA, geplante 285-MW-IGCC-Demonstrationsanlage mit KBR-Vergaser wurde inzwischen aufgegeben. Neuere Planungen sehen den Start einer 560-MW el - Anlage für 2013 vor [Stiegel, 2008]. Von Pratt & Whitney Rocketdyne Technology [PWR, 2005] wird die Entwicklung eines kompakten, sauerstoff-geblasenen und trocken gespeisten Flugstromvergasers verfolgt, der gegenüber herkömmlichen Vergasern eine deutlich höhere Prozesskinetik und dadurch eine sehr kurze Verweilzeit des Brennstoffs in der Reaktionszone aufweist. Dadurch wird nach Angaben von PWR nur ein Zehntel der Bauhöhe herkömmlicher Vergaser benötigt. Die extrem hohe Aufheizrate des Brennstoffs soll durch den Einsatz schneller Brennstoffgemischinjektoren erzielt werden, die auf der Raketenantriebstechnik basieren. Nach erfolgreichen Tests einer für 2009/2010 geplanten Pilotanlage ist für eine Demonstrationsanlage vorgesehen [Jaeger, 2008]. 60

67 Die Fa. ALSTOM entwickelt mit Unterstützung durch DOE einen Chemical-Looping- Vergasungsprozess, der eine CO 2 -arme bzw. CO 2 -freie Energiegewinnung ermöglicht. Dieser Hybrid-Prozess basiert auf der Oxidation, Reduktion, Karbonisierung und Kalzinierung kalziumbasierter Komponenten, um mit Kohle, Biomasse oder anderen Brennstoffen in zwei chemischen Loops und in einem thermischen Loop chemisch zu reagieren. In diesem Prozess dienen Kalzium-Komponenten dazu, Sauerstoff und Wärme zwischen den verschiedenen Reaktionsloops zu transportieren [Stiegel et al., 2007]. Die Technologie befindet sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. ALSTOM plant mit Förderung des DOE in den nächsten Jahren eine Demonstrationsphase [Beer, 2007]. Die erste japanische IGCC-Demonstraionsanlage (250 MW el ) ging 2007 in Nakoso in Betrieb. Der zweistufige, luftbetriebene Flugstromvergaser von Mitsubishi Heavy Industries (MHI) wird mit Trockenkohle gespeist. Der untere Teil des Vergasers arbeitet im Verbrennungsmodus. Das am oberen Ende des Vergasers mit einer Temperatur von rund 700 C austretende Rohgas wird in einem Syngaskühler abgekühlt und nach der Gasreinigung in einer Gasturbinen-Brennkammer verbrannt. Mit den heißen Abgasen wird eine Gasturbine der C-Klasse (Mitsubishi 701 DA) betrieben, die ca. 130 MW erzeugt. Als Netto-Anlagenwirkungsgrad wird ein Zielwert von 42 % genannt [Kajitani, 2008]. Das METI (Ministry of Economy, Trade and Industry) will im Rahmen des 2008 initiierten Cool Earth-Innovative Energy Technology Program die Entwicklung der Kohlevergasungstechnologie weiter unterstützen. Die Arbeiten hierzu werden von NEDO (New Energy and Industrial Technology Development Organisation) koordiniert. Zunächst soll durch den Betrieb der 250-MW-Demonstrationsanlage der Nachweis der Zuverlässigkeit, Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Einfachheit der Wartung geführt werden. Weitere Ziele bei der Entwicklung der Kohlevergasungstechnologie sind die Steigerung des Wirkungsgrades auf 46 % bis etwa 2010, auf 48 % bis etwa 2015 (unter Verwendung der Heißgasreinigung) und auf 50 % bis etwa 2025, bei unterstelltem Einsatz einer Gasturbine der C-Klasse [METI, 2008]. In China wurde von der East China University of Sience & Technology (ECUST) eine eigene Version eines suspensionsgespeisten (slurry fed) Flugstromvergasers entwickelt starteten erste Tests mit einer Pilotanlage. Ein erster kommerzieller Vergaser dieses Typs wurde 2004 in Betrieb genommen. Ein weiteres kommerzielles Projekt mit zwei ECUST-Vergasern startete Diese Polygeneration-Anlage produziert t Methanol pro Jahr und 71,8 MW Strom. Neben dem slurry fed- Flugstromvergaser hat ECUST auch eine trockengespeiste Version dieses Flugstromvergasers mit Membrankühlung entwickelt. Eine erste Pilotanlage wurde 2004 getestet, eine weitere folgte 2006 [Holt, 2006]. Im GreenGen-Projekt, das von großen chinesischen Kraftwerksbetreibern getragen wird, ist der Bau einer 250-MW el -IGCC- Anlage geplant, die 2010 in Tianjin fertiggestellt sein soll und neben Strom Syngas 61

68 und Wärme für örtliche Chemiefabriken bereitstellen soll. Zwei weitere 400-MW el - Anlagen sind vorgesehen sowie eine 200-MW el -Anlage in Hangzhou [Fairley, 2009]. Die Entwicklung der Kohlevergasungstechnologie in Deutschland wird derzeit über die COORETEC F+E-Initiative und über EU-Forschungsvorhaben wie COORIVA und ENCAP staatlich gefördert. Die Forschungsergebnisse fließen in das von RWE Power für 2014 geplante 450-MW el -IGCC-Projekt mit CCS ein. Zum Vergasungsteil dieses für Braunkohle konzipierten Kombikraftwerks gehören ein Vollquench-Flugstromvergaser. Die Vollquench-Technologie vereinfacht den Prozess und soll seine Zuverlässigkeit verbessern. Die Besonderheit liegt in der Abkühlung des Rohgases durch einen Wasser-Direktquench im Reaktor auf das Temperaturniveau der Wasserwäsche (Venturi-Wäscher) von ca. 220 C. Der hohe Wasseranteil im Rohgas hat darüber hinaus den Vorteil, CO teilweise in H 2 umzuwandeln, und Vorteile für die CO-Shift-Konvertierungsstufe [Hannemann et al., 2007]. Mit der Vollquench- Technologie sind allerdings Wirkungsgradverluste verbunden, die für CO- Konvertierungsgrade zwischen 80 und 100 % bei 1,0 bis 1,5 % liegen [Radtke et al., 2008]. Für den Stromerzeugungsteil ist eine 160-MW-Gasturbine der F-Klasse mit Diffusionsbrenner vorgesehen. Der Anlagenwirkungsgrad wird mit 34 % angegeben und hängt mit der bewusst gering gehaltenen Systemintegration für diese Erstanlage zusammen. Zielwert für eine Folgeanlage ist 44 %. Entwicklungspotenzial Der IGCC-Technologie wird kurz- bis langfristig (nach 2020) noch ein erhebliches Potenzial bei der Steigerung des Wirkungsgrades, der Verbesserung der Verfügbarkeit und bei der Senkung der Kosten zugesprochen [COORETEC, 2007, Holt, 2006, Korobov, 2003, Beer, 2007]. Bis etwa 2020 werden Wirkungsgrade von ca. 50 % erwartet durch Detailoptimierung der Vergasungstechnologie (realitätsnahe Modellierung der Vergasungsprozesse sowie deren experimentelle Validierung), Weiterentwicklung der Flugstromvergasung für Teilquenchlösungen zur Nutzung der Rohgas- Restwärme in Abhitzewärmetauschern für die Hochdruckdampferzeugung, optimale Integration von Vergasungs- und Energieerzeugungsblock, Entwicklung neuer Brennstoffeinspeisesysteme und Gasturbinen-Verbrennungssysteme sowie Weiterentwicklung der Gasturbinentechnologie. Bei trockengespeisten Vergasern wie z. B. von Siemens (SFG) oder Uhde (Prenflo) wird die Kohle über ein Mehrbehälter-Schleusensystem in den unter Druck stehenden Vergasungsreaktor eingespeist. Den Transport der Kohle vom Schleusensystem zu den Vergaser-Brennern übernimmt ein Transportgas, in der Regel Stickstoff. Dazu wird Stickstoff aus der Luftzerlegungsanlage abgezweigt. Bei einem Vergaserdruck von 30 bar werden nach Higman & van der Burgt [2008] pro kg Kohle etwa 0,09 kg Stickstoff benötigt. Dieses Gas gelangt mit der Kohle in den Vergaser und führt im Produktgas zu einem Stickstoffanteil von ca. 2,7 Mol-%. Als Alternative zu den Mehrbehälter-Schleusensystemen sind Feststoffpumpensysteme in der Entwicklung und 62

69 Erprobung [Aldred & Saunders, 2005]. Die Systementwicklung wird durch DOE gefördert. Neben dem Ziel der Reduzierung der Gesamtanlagenkosten um 100 $/kw [Stiegel et al., 2007] verspricht man sich eine Verbesserung des Gesamtanlagenwirkungsgrades; Beer [2007] nennt 0,5 Prozentpunkte, Aldred & Saunders [2005] geben 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte an. Die Kapazität heutiger syngasbewährter Gasturbinen liegt bei ca. 200 MW el. In Kombination mit einer Dampfturbine lässt sich damit zurzeit eine IGCC-Anlagenleistung von 350 MW el erzielen. Heutige Hochleistungsvergaser können Rohgas für eine 500-MW el -Anlage liefern. Hierfür ist die Erhöhung der Gasturbinenleistung auf 300 MW el erforderlich [Radtke et al., 2005]. In den IGCC-Anlagen Buggenum und Puertollano sind Gasturbinen der Fa. Siemens mit einer Leistung von 190 MW bzw. 200 MW, einer Eintrittstemperatur von ca bzw C und einem Wirkungsgrad von ca % im Einsatz. Mit Unterstützung von DOE arbeitet Siemens an der Entwicklung einer für Syngas und Wasserstoff geeigneten Gasturbine der Baureihe H, die bis 2017 einsatzbereit sein soll [Bancalari et al., 2006]. Für das erdgasbetriebene GuD-Kraftwerk Irsching hat Siemens bereits die H-Klasse entwickelt, die 340 MW leistet. Die Betriebstemperaturen betragen bis zu C. Mit dieser neuen Gasturbine soll der Wirkungsgrad bisher realisierter GuD-Anlagen um 2 Prozentpunkte gesteigert werden [Fischer, 2008]. Die zurzeit für die Verbrennung niederkalorischer Gase eingesetzten Gasturbinenbrenner arbeiten im Diffusionsbetrieb, d. h., Brennstoff und Luft werden erst in der Brennkammer gemischt. Durch die Entwicklung neuer Verbrennungssysteme mit Vormischbetrieb soll die Turbineneintrittstemperatur gegenüber gegenwärtig eingesetzten Gasturbinen mit Diffusionsbrenner erhöht und damit der Wirkungsgrad gesteigert werden. Korobov [2003] gibt für eine Anhebung der Eintrittstemperatur von auf C eine Wirkungsgradsteigerung von 2,3 Prozentpunkten an. Die Verbesserung der Anlagenverfügbarkeit von derzeit maximal 80 % ist neben der Reduzierung der Kosten und Erhöhung der Effizienz ein wesentliches Ziel bei der Weiterentwicklung der Vergasungs- und Kraftwerkskonzepte. Dies ist neben einer allgemeinen Verbesserung der Komponentenzuverlässigkeit durch eine Vereinfachung der Prozesse und/oder geänderter Anlagenkonzepte möglich. Eine Prozessvereinfachung ergibt sich beispielsweise durch die oben erwähnte - mit Wirkungsgradeinbußen verbundene - Vollquench-Technologie oder durch die langfristig angestrebte Heißgasreinigung. Beide Konzepte ermöglichen den Wegfall des Abhitzewärmetauschers für die Rohgaskühlung. Eine höhere Verfügbarkeit kann aber auch durch Änderungen an der Anlagenkonzeption erreicht werden. Störungen an der Vergasungsanlage führen bislang zwangsläufig zum Ausfall der Brenngasversorgung der GuD-Anlage. Um eine möglichst unterbrechungslose Versorgung der Gasturbine mit Brenngas zu gewährleisten, ist z.b. in [Vattenfall, 2006] die Entkopplung des Vergasungs- und des GuD-Anlagenbetriebes durch Zwischenspeicherung des 63

70 Brenngases Methanol vorgesehen. Dies erfordert, die Vergasungsanlage mit einer Leistungsreserve auszulegen, um bei Ausfall oder Reduzierung des Brenngasstromes die Versorgung der Gasturbine aus dem Speicher sicherzustellen. Dieses IGCC-Kraftwerkskonzept mit integrierter Methanolproduktion (Polygeneration) ermöglicht nach [Ogrisek & Meyer, 2007b] eine Verfügbarkeitserhöhung der Gesamtanlage von 85 auf 95%. Langfristig (nach 2020) werden weitere, erhebliche Wirkungsgradverbesserungen erwartet, vor allem von der Entwicklung eines Hochtemperatur-IGCC-Prozesses, einer neuen Luftzerlegungstechnologie, der Verknüpfung des IGCC-Prozesses mit der Brennstoffzellentechnik zu einem Hybridkraftwerk und von neuen Vergasungstechnologien. Für die Vision des Hochtemperatur-IGCC-Prozesses wurde im Rahmen der COORETEC-Initiative das Forschungsprojekt HOTVeGas initiiert, das die Grundlagen zur Entwicklung einer Heißgasreinigung und katalytischen Hochtemperatur-H 2 -Membran liefern soll. In Müller et al. [2009] werden hierzu erste Konzepte aufgezeigt. Danach soll das Rohgas in einem ersten Reinigungsschritt bei Vergasungstemperaturniveau von flüssiger Schlacke, Alkaliverbindungen und ggf. anderen kondensierbaren Gaskomponenten gereinigt werden. Nach Durchströmen des Abhitzedampferzeugers wird das Gas bei Bedarf in einem zweiten Reinigungsschritt von gasförmigen Komponenten (z. B. H 2 S) gereinigt, die für die katalytische Membran schädlich sind. Die anschließende kombinierte CO-Shift-Reaktion und Wasserstoffabtrennung mit einer katalytischen Membran erfolgt oberhalb von 500 C. Elementares Forschungsthema des Hochtemperatur-IGCC-Prozesses ist die Entwicklung der Membrantechnologie, die als alternative Technologie auch für die Luftzerlegung verfolgt wird. Die Entwicklung der Membrantechnologie für die Luftzerlegung wird vielfach staatlich gefördert, u. a. in den USA im Projekt Ion Transfer Membrane [Stiegel et al., 2007], in Deutschland, im Rahmen des COORETEC-Verbundvorhabens Oxycoal [Renz et al., 2005] oder durch das ENCAP-Projekt des 6. EU-Forschungsrahmenprogramms. Ziel des Oxycoal-Projektes ist die Entwicklung einer Hochtemperaturmembran für den Oxyfuel-Prozess. Das Trennverfahren basiert auf neuartigen gemischtleitenden keramischen Membranmaterialien (perowskitische Oxide), die nur für Sauerstoff durchlässig sind und eine hohe Betriebstemperatur (ca. 850 C) erfordern. Abweichend von den Einsatzbedingungen im Oxyfuel-Prozess werden für den IGCC- Prozess als Randbedingungen für die Membranentwicklung ein möglichst hoher Druck (über Vergaserdruckniveau), eine hohe Sauerstoffreinheit (>90 %) und eine Temperatur von max. 230 C (wg. O 2 -Handling) genannt (COORETEC AG3-Sitzung 2009). Diese Temperaturbeschränkung macht die Entwicklung einer Niedertemperatur-Membran erforderlich. Katalytische Hochtemperatur-H 2 -Membranen werden als eine Alternative für die CO-Konvertierungsreaktion angesehen. Ziel ist es, die CO-Konvertierung und die 64

71 Abtrennung des H 2 oder des CO 2 in einem Wassergas-Shift-Membran-Reaktor zu kombinieren. Die hierzu angestoßenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten befinden sich noch in einem sehr frühen Stadium. Sie zielen zunächst auf die Identifizierung geeigneter Membranbeschichtungen, insbesondere im Hinblick auf ihre Beständigkeit. Der Betrieb dieser katalytischen Hochtemperatur-(Shift-)Membran (S/M) ist aber nur in Kombination mit der Heißgasreinigung sinnvoll. Als Alternativen zu Hochtemperatur-H 2 -Membranen werden regenerierbare chemische Sorbentien, z. B. auf Li-Basis, diskutiert [COORETEC, 2007]. Die Heißgasreinigung wird von vielen Experten als eines der zentralen Forschungsthemen für die vierte IGCC-Generation angesehen. Sie verspricht nach Müller et al. [2009] in Kombination mit dem Wassergas-Shift-Membran-Reaktor mit H 2 -Abtrennung eine Wirkungsgradsteigerung von mehreren Prozentpunkten. Die Heißgasreinigung selbst liefert nur einen Beitrag von ca. einem Prozentpunkt, ermöglicht aber durch den Wegfall des Rohgasquenchs einen stabilen Betrieb und daher eine höhere Verfügbarkeit der Anlage. Die Membrantechnologie für die Heißgasreinigung steht erst am Anfang ihrer Entwicklung und bedarf der Grundlagenforschung. Im Fokus der Arbeiten steht dabei zunächst die Abscheidung der Schwefelverbindungen (H 2 S). Hierfür stehen Polymere- und elektrochemische Membranen zur Diskussion. Für Chlorverbindungen gibt es noch keine Lösungsansätze. Die Heißgasreinigung bei C erfordert daher ggf. eine Kombination z. B. aus Membrantechniken und sorptionsbasierten Prozessen. Bestehende Technologien für Gasreinigungen bei hohen Temperaturen beschränken sich auf die Abscheidung von Staub mit keramischen Kerzenfiltern und auf die Abtrennung flüchtiger Verunreinigungen mit Sorptionsmateralien. Keramische Filterkerzen können bei Temperaturen bis 600 C in einer reduzierenden Atmosphäre (Vergasung) eingesetzt werden [Korobov 2003]. Sie erreichen allerdings unter realen Betriebsbedingungen und Temperaturen von 400 C bislang nur relativ kurze Standzeiten. Für die im IGCC Buggenum bei nur C betriebenen Kerzenfilter wurden Standzeiten von h erreicht [Sharma et al., 2008]. Forschungsprojekte an sorptionsbasierten Prozessen, die bei höheren Temperaturen Gasverunreinigungen (z. B. H 2 S und Alkalimetalle) abtrennen, laufen bereits u. a. in Deutschland (z. B. für Alkalimetalle: [Escobar et al., 2008]) und in den USA [Stiegel et al., 2007]. In Escobar et al. [2008] wird über erste Laborergebnisse an Sorptionsmaterialen zur Alkalireinigung (NaCl) von Brenngasen bei C berichtet. Hauptbestandteil des US-Projekts ist die Entfernung des Schwefelwasserstoffs aus dem Syngas. Daneben befasst sich das Projekt auch mit der Entwicklung von Prozessen zur Abscheidung der übrigen Gasverunreinigungen, einschließlich der Entwicklung von Membransystemen für die Abtrennung von H 2 S und CO 2. Als Projektziele werden die Senkung der IGCC-Anlagenkosten um $/kw el und die Steigerung des Anlagenwirkungsgrades um >1 Prozentpunkt genannt. Nach Turk & Schlather [2007] soll allein der Hochtemperatur-Entschwefelungsprozess den IGCC- Wirkungsgrad um 2-3 Prozentpunkte steigern. 65

72 66 Hybridkraftwerk Die Verknüpfung des IGCC-Prozesses mit der Hochtemperatur-Brennstoffzellentechnik (SOFC, MCFC) zu einem Hybridkraftwerk (Integrated Gasification Fuel Cell combined cycle, IGFC) ist eine der langfristigen Visionen bei der Weiterentwicklung des Kohlekombikraftwerks. Durch die energetische Kopplung beider Prozesse können Synergieeffekte zur Steigerung des Gesamtwirkungsgrades genutzt werden. Experten erwarten einen Wirkungsgradgewinn von ca Prozentpunkten, so dass ein elektrischer Systemwirkungsgrad von über 60 % möglich wird [COORETEC, 2007]. Erreichbar ist ein solcher Wirkungsgrad, wenn die Abwärme einer SOFC ( C) für die endothermen Kohlevergasungsreaktionen eingesetzt wird. Durch die Integration der Brennstoffzellentechnik eröffnen sich zudem neue Möglichkeiten der CO 2 -Abscheidung. Das Synthesegas aus der Kohlevergasung durchströmt die Brennstoffzelle in einem isolierten Gasstrom. Nach der Rückgewinnung der unverbrannten Bestandteile besteht das Anodenabgas nur noch aus Wasserdampf, CO 2 und geringen Anteilen anderer nicht kondensierbarer Gase, so dass eine relativ einfache Abscheidung des CO 2 aus dem Anodenabgas möglich wird. Statt mit aufwendigen Waschverfahren lässt sich der gewünschte CO 2 -Restgasstrom hoher Reinheit durch Auskondensieren des Wassers erzielen. Der elektrische Wirkungsgrad für ein IGFC-System mit CCS wird in Grol [2009] mit 51 % und in Verma et al. [2006] mit 53,6 % ermittelt. Abbildung III-4: Hybridkraftwerk mit integrierter CO 2 -Abscheidung Quelle: [Leithner & Schlitzberger, 2004] IEF-STE 2010

73 Für ein solches Hybridkraftwerk sind verschiedene Ausführungsvarianten denkbar. Sie betreffen u. a. die Rückgewinnung der unverbrannten Bestandteile des Anodenabgases. In Verma et al. [2006] sowie in Leithner & Schlitzberger [2004] ist diesbezüglich eine Weiterbehandlung des Anodenabgases (CO-Siftkonvertierung und H 2 - Abtrennung mittels Membran) vorgesehen, in Grol [2009] eine Verbrennung des Restbrennstoffs in einem sauerstoffreichen Verbrennungsprozess (Oxycombustion). Nachfolgend wird das in Leithner & Schlitzberger [2004] vorgestellte IGFC-Konzept mit druckaufgeladenen Kreisläufen, integrierter CO 2 -Abtrennung und Rückgewinnung des Restbrennstoffs mittels H 2 -Membran näher erläutert. Die Abbildung III-4 zeigt dazu ein vereinfachtes Schaltbild. Das aus der Kohlevergasung stammende Synthesegas wird der Anodenseite einer SOFC zugeführt. In der SOFC wird ein Großteil der in den brennbaren Bestandteilen gespeicherten chemischen Energie in Elektroenergie und Wärme umgewandelt. Da nicht der gesamte Brennstoff reagiert, besteht das Anodenabgas neben Wasserdampf und CO 2 auch aus unverbranntem Brennstoff (CO, H 2 ). Ein Teil dieses Abgases wird als Vergasungsmittel in den Vergaser zurückgeführt. Der andere Teil wird einem CO-Shiftreaktor zugeführt, um das CO in H 2 und CO 2 umzuwandeln. Dieser enthält dann als brennbaren Bestandteil nur noch Wasserstoff, der in einer nachgeschalteten H 2 -Membran abgeschieden werden kann. Die Membran wird im Gegenstrom mit Wasserdampf gespült, der anschließend wieder auskondensiert wird. Der übrigbleibende fast reine Wasserstoff wird dem Synthesegasstrom zugegeben. Hinter der Membran besteht das Anodengas nur noch aus Wasserdampf, CO 2 und geringen Anteilen anderer nicht kondensierbarer Gase. Nach einer Entspannung und Abkühlung des Anodengases wird der Wasserdampf schließlich auskondensiert. Übrig bleibt ein im Wesentlichen aus CO 2 bestehender Restgasstrom, der einem CO 2 - Speicher zugeführt werden kann. Das Kathodenabgas besteht hauptsächlich aus Stickstoff. Es kann z. B. zur Trocknung der Kohle eingesetzt werden. Die Abwärme der SOFC wird, wie bereits oben geschildert, für die endothermen Vergasungsreaktionen genutzt. Für die Realisierung solcher Hybridkonzepte besteht neben dem Forschungs- und Entwicklungsbedarf für den IGCC-Prozess noch erheblicher Bedarf für die Weiterentwicklung der SOFC (siehe Kapitel IX) sowie für die Verschaltung der beiden Prozesse. Voraussetzung für den Einsatz von Brennstoffzellen in IGCC-Kraftwerken ist die Weiterentwicklung zu höheren Arbeitsdrücken (druckaufgeladener Betrieb bei etwa 20 bar) und höheren Leistungsgrößen (Megawattbereich). Die Verknüpfung der IGCC-Technologie mit der Brennstoffzellentechnik zu einem hocheffizienten Hybridprozess wird von mehreren Ländern als langfristiges Ziel angestrebt, u. a. in Japan im Rahmen des Cool Earth-Innovative Energy Technology Program [METI, 2008]. Eine Road Map des METI weist eine erste Demonstrationsanlage (600 MW Leistung, 55 % Wirkungsgrad) für die Dekade nach 2020 aus. Wir- 67

74 kungsgrade von 65 % werden für eine bis 2050 nachfolgende nächste IGFC- Generation (Advanced-IGFC) genannt [Kondo, 2008], bei der die Brennstoffzelle dann vollständig in den IGCC-Prozess integriert sein soll. Der Einsatz des SOFC- Restbrennstoffs in einer Gasturbine für die Stromerzeugung und die Nutzung der Turbinen- und SOFC-Abwärme für die endothermen Vergasungsreaktionen sind Schlüsselelemente des Konzepts. Eine konkrete Formulierung von F&E-Aktivitäten zur Realisierung eines IGFC steht nach Watanabe & Maeda [2007] allerdings noch aus. In den USA wird die Entwicklung der IGFC-Technologie über die Förderung von Programmen zur Weiterentwicklung der SOFC-Technologie verfolgt. Das Energieministerium (DOE) unterstützt zu diesem Zweck das SECA-Projekt, dessen Ziel die Entwicklung und Demonstration der SOFC-Technologie für die Integration in IGFC- Anlagen ist [Williams et al., 2006]. Das Ziel der bis 2010 laufenden ersten Projektphase ist die Bereitstellung eines 25-kW-SOFC-Stacks für die Integration in ein kW-Brennstoffzellen-Leistungsmodul und in ein 5 MW Proof of Concept (POC) mit Syngasbetrieb [DOE, 2008]. Dem Betrieb des Leistungsmoduls (2012) und POC- Systems (2015) soll 2020 eine IGFC-Demonstrationsanlage mit mehr als 100 MW Leistung folgen [NETL, 2009]. Das Prinzip des Hybridkraftwerks mit Hochtemperaturbrennstoffzellen und einer weiteren Energiewandlungstechnik wird im Leistungsspektrum bis ca kw bereits demonstriert. Aufgrund der hohen Abgastemperaturen von Hochtemperaturbrennstoffzellen wird dabei die Kopplung mit Mikro-Gasturbinen bevorzugt (siehe Kapitel IX). Die Tabelle III-4 gibt einen Überblick über den Entwicklungsstand verschiedener Technologien zur Stromerzeugung mit Kohlevergasung. 68 Tabelle III-4: Detailangaben zum Entwicklungsstadium Kommerziell Festbett- und Flugstromvergasung; IGCC: weltweit 6 Anlagen (in 5 nur Flugstromvergaser) mit 2,1 GW el Leistung Demonstration Wirbelschichtvergasung; IGCC: 100 MW el (USA, stillgelegt) F&E Entwicklung von Simulationsmodellen mit experimenteller Validierung der Vergasungsreaktionen an Versuchsanlagen; Rohgas- Teilquenchung zur Restwärmenutzung in Abhitzewärmetauscher; Feststoffpumpensysteme zur Brennstoffeinspeisung; Vormischbrenner und fortschrittliche Gasturbinen für H 2 -reiches Syngas Ideenfindung Luftzerlegung mit Niedertemperatur-Membran; Hochtemperatur-IGCC- Prozess: CO-Shift-Membran-Reaktor mit H 2 -Abtrennung; Heißgasreinigung bei ca. 600 C mit Membransystemen; Einbezug von Brennstoffzellen (Hybridkraftwerke) Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

75 69 III.3 Bewertung des Technologiefeldes III.3.1 Kritische Entwicklungshemmnisse Der kommerzielle Durchbruch der IGCC-Kraftwerke wurde bislang wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit verhindert. Die hohen Investitionskosten, die mehr als 20 % über denen konventioneller Kohlekraftwerke liegen, können durch den Wirkungsgrad und die Verfügbarkeit heute betriebener Anlagen von maximal 45 % bzw. maximal 80 % noch nicht wettgemacht werden. Die Integration der CO 2 -Abtrennungstechnologie wird zusätzliche Kosten und sowie Wirkungsgradeinbußen von 6 10 % verursachen. Dadurch vergrößert sich das finanzielle und technologische Risiko dieser Technologie. Die Investitionskosten der für 2014 in Deutschland geplanten Erstanlage mit CCS (450-MW el -Projekt von RWE Power) in Höhe von 2,2 Mrd. setzen sich zusammen aus etwa 50 % für den Vergasungsteil, je etwa 22 % für den Stromerzeugungsteil und die CO 2 -Pipeline (530 km) und etwa 4 % für den CO 2 -Speicher (COORETEC AG3-Sitzung 2009). Die wesentlichen technischen und ökonomischen Parameter zur Identifikation des heutigen Entwicklungstandes und zur Abschätzung notwendiger Entwicklungsziele der IGCC-Kraftwerkstechnologie sind in Tabelle III-5 zusammengefasst. Tabelle III-5: Technoökonomische Parameter für die Beschreibung der kritischen Bottlenecks Parameter Heute Kosten (IGCC ohne/mit CCS) Investitionen, BK-IGCC [ 2005 /kw] Investitionen, SK-IGCC [ 2005 /kw] / / / / / / Stromgestehungskosten [ct 2005 /kwh] ~5 / ~7 ~5,5 / ~6,5 ~6,5 / ~7 O&M-Kosten [ct 2005 /kwh] 0,9* / 2,4* 0,9* / 2,4* 0,9* / 2,4* Effizienz, BK-IGCC (elektrisch) [%] Effizienz, SK-IGCC (elektrisch) [%] 48,5 / 40 50,5 / 41,8 51 /43,5 52,5 / / 48,5 57,5 / 50 *ohne Brennstoffkosten; Zertifikatpreise Sz. 1: 13/15/35; Sz. 2: 20/30/50; Sz. 3: 13/15/35 /t CO 2 Quelle: eigene Recherchen IEF-STE 2010 III.3.2 Relevanz öffentlicher Förderung Kriterium 1: Forschungs- und Entwicklungsrisiken Demonstrationskraftwerke auf der Basis der IGCC-Technologie wurden erstmals in den 70er- und 80er-Jahren mit Leistungen bis zu 160 MW el realisiert. Mitte der 90er- Jahre folgte die zweite Generation heute noch in Betrieb befindlicher Anlagen (drei in Europa, zwei in den USA), mit Leistungen >250 MW el.

76 Da einzelne IGCC-Kraftwerke zur Stromerzeugung in Betrieb sind, wird das Entwicklungsstadium dieses Technologiefeldes (ohne CCS) als zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung eingestuft (Tabelle III-6). IGCC-Kraftwerke mit CCS wurden noch nicht realisiert. Ihr Entwicklungsstadium ist daher als zwischen F&E und Demonstration einzuordnen. Erstanlagen mit CCS sind in Deutschland, Großbritannien, Australien und den USA für die nächste Dekade geplant. 70 Tabelle III-6: Aktuelles Entwicklungsstadium der IGCC-Kraftwerke IGCC ohne CCS mit CCS (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Der kommerzielle Durchbruch der IGCC-Kraftwerke wurde bislang wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit verhindert. Die Integration der CO 2 -Abtrennungstechnologie wird zusätzliche Kosten und Wirkungsgradeinbußen verursachen. Dadurch vergrößert sich das finanzielle und technologische Risiko dieser Technologie. Allerdings wird der IGCC-Technologie ein hohes Wirkungsgradpotenzial zu gesprochen und der Vorteil, CO 2 im Vergleich mit anderen fossilen Kraftwerkstechnologien effektiver, d. h. mit geringeren Wirkungsgradeinbußen abscheiden zu können. Die Entwicklung der dritten Generation der IGCC-Kraftwerkstechnik ist daher gekennzeichnet durch die Ziele weitere Erhöhung der Effizienz, Verbesserung des Anlagenbetriebs, Verminderung der Kosten und Realisierung der CO 2 -Abscheidung und -Speicherung. Ende 2007 waren weltweit etwa 50 IGCC-Projekte (überwiegend ohne CCS) angekündigt, die Mehrzahl davon (60 %) in den USA. Aufgrund des schwierigen Marktumfeldes für Kraftwerksneubauten, der hohen Investitionen und Unsicherheiten in der Klimapolitik ist inzwischen ein Großteil der US-Projekte gestrichen bzw. aufgeschoben [Shuster, 2009]. In der Tabelle III-7 ist die Einschätzung der Forschungs- und Entwicklungsrisiken für Kombikraftwerke mit Kohlevergasung gegeben.

77 71 Tabelle III-7: Bewertung technischer und wirtschaftlicher Forschungs- und Entwicklungsrisikos in Zusammenhang mit IGCC-Kraftwerken IGCC Szenario 1: Moderat Das technische F&E-Risiko ist Das wirtschaftliche F&E-Risiko ist sehr gering Szenario 2: Klimaschutz Das technische F&E-Risiko ist ohne CCS eher gering eher hoch hoch sehr hoch sehr gering gering gering mit CCS eher gering eher hoch hoch sehr hoch F&E-Risiko ist Szenario 3: Ressourcen Das technische F&E-Risiko ist Das wirtschaftliche F&E-Risiko ist Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Kriterium 2: Versorgungssicherheit & Preisrisiken Durch Nutzung heimischer Energieträger (z. B. Braunkohle) tragen IGCC-Kraftwerke zur Versorgungssicherheit im Strommarkt bei. Derzeit werden etwa 47 % der deutschen Netto-Stromerzeugung von stein- und braunkohlegefeuerten Dampfkraftwerken geliefert. Die Braunkohle stammt ausschließlich aus heimischer Förderung (182 Mio. t jährlich). Sie wird international nicht gehandelt, sondern von den Energieversorgungsunternehmen unmittelbar am Ort der Förderung zur Energieerzeugung eingesetzt. Ihre Preisrisiken sind daher vergleichsweise gering. Dementsprechend sind auch nur geringe Auswirkungen auf das Preisrisiko von IGCC-Kraftwerken zu erwarten. Der deutsche Steinkohlebedarf (68 Mio. t jährlich) wird dagegen zu etwa 57 % durch Importe gedeckt. Von den für die Analysen angenommenen Szenarienwelten beinhaltet das Szenario 3: Ressourcen sehr hohe Preissteigerungen bei Steinkohle, die einem wirtschaftlichen Betrieb von IGCC-Kraftwerken mit CCS-Technologie entgegenstünden. Insgesamt liegt das größere Preisrisiko aber nicht bei den laufenden Betriebs- und Brennstoffkosten, sondern in der Entwicklung der Investitionskosten für die Erstellung der Anlage. Steigende Rohstoffpreise haben z. B. in der zurückliegenden Boomphase zu erheblichen Kostensteigerungen für Kraftwerksneubauten geführt. Diese Entwicklung war mit ein Grund für die Streichung bzw. Aufschiebung etlicher IGCC-Projekte in den USA.

78 72 Tabelle III-8: Benötigte Energieträger für IGCC-Kraftwerke Energieträger Braunkohle Steinkohle Sonstige (Vorwiegend) zum Betrieb benötigt Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Tabelle III-9: Benötigte Rohstoffe für IGCC Kraftwerke Rohstoff Rohstoff wird benötigt Rohstoff Rohstoff wird benötigt Aluminium (Bauxit) Kupfer Chrom Magnesit Eisenerz Platin Flussspat Tantal Germanium Vanadium Graphit Wolfram Kobalt Zink Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Für die IGCC-Technologie werden überwiegend konventionelle Materialien benötigt, insbesondere Eisenerz, die in ausreichendem Umfang verfügbar sind. Kritische Materialien spielen dagegen eine untergeordnete Rolle. Kriterium 3: Vorlaufzeiten Die IGCC-Technologie ohne CCS befindet sich nahe der Marktreife. Die Vorlaufzeit für die Realisierung eines ersten kommerziellen Kraftwerks in Deutschland wird mit gut 5 Jahren veranschlagt und fällt somit in die Kategorie 5 15 Jahre. Sie kann durch staatliche Förderprogramme vermutlich nicht wesentlich verkürzt werden. Die Vorlaufzeiten für IGCC mit CCS werden ebenfalls in die Kategorie 5 15 Jahre eingestuft. Eine Erstanlage (RWE-Demonstrationsprojekt) ist in Deutschland für 2014 geplant. Wie bei anderen fossilen Optionen mit CCS ist mit oder ohne staatliche Unterstützung ein kommerzieller Einsatz innerhalb der nächsten 15 Jahre zu erwarten. Der Einfluss der Szenarien auf die Vorlaufzeiten wird als gering angesehen und wird zu keiner Verschiebung der oben angeführten Kategorien führen.

79 Tabelle III-10: Vorlaufzeiten bis zur Kommerzialisierung von IGCC-Kraftwerken IGCC: ohne CCS mit CCS Die Vorlaufzeiten bis zur Inbetriebnahme der ersten kommerziellen Anlage ohne Unterstützung durch Fördermechanismen betragen noch Vorlaufzeit: 5 J. >5-15 J J. 30 J. 5 J. >5 15 J J. 30 J. Sz. 1: Moderat Sz. 2: Klimaschutz Sz. 3: Ressourcen Wenn aktuelle Förderbedingungen unterstellt werden, betragen die Vorlaufzeiten bis zur Inbetriebnahme der ersten kommerziellen Anlage noch Vorlaufzeit: 5 J. >5 15 J J. 30 J. 5 J. >5 15 J J. 30 J. Sz. 1: Moderat Sz. 2: Klimaschutz Sz. 3: Ressourcen Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Bewertung der Relevanz öffentlicher Forschungsförderung Die Kohlevergasung (IGCC) wird von vielen Experten als eine vielversprechende fossile Option für eine zukünftige CO 2 -freie Energieerzeugung angesehen. Neben der Stromerzeugung bietet sie die Möglichkeit, Energieträger wie H 2, SNG, Methanol oder flüssige Kraftstoffe sowie Chemierohstoffe zu erzeugen (Polygeneration). Durch die Nutzung heimischer Energieträger (z. B. Braunkohle) trägt sie zur Versorgungssicherheit bei. Deutschland zählt zu den wichtigsten Ländern bei der Entwicklung und Herstellung der Schlüsselbereiche Vergaser, Luftzerlegung, Gasreinigung und Gasturbine. Die Kohlevergasung besitzt daher ein hohes inländisches Wertschöpfungspotenzial. Bei positiver Weiterentwicklung hat die Kohlevergasung das Potenzial, nach 2020 eine dominierende Rolle bei der fossilen Energieerzeugung einzunehmen. Tabelle III-11: Begründung der Relevanz öffentlicher Forschungsförderung IGCC: ohne CCS mit CCS Rechtfertigung öffentlicher Forschungsförderung gegeben aufgrund technologischer F&E-Risiken Ja Nein Ja Nein wirtschaftlicher F&E-Risiken Ja Nein Ja Nein gravierender Preisrisiken Ja Nein Ja Nein langer Vorlaufzeiten Ja Nein Ja Nein Quelle: eigene Darstellung IEF-STE

80 III.3.3 Detaillierte Bewertung des Technologiefeldes Aufgrund der mit IGCC-Kraftwerken verbundenen Forschungs- und Entwicklungsrisiken wurde dieses Technologiefeld als relevant für die Forschungsförderung eingestuft. Daher erfolgt eine detaillierte Bewertung anhand der Kriterien 4 bis 10. Kriterium 4: Potenziale Weltweit sind derzeit sechs IGCC-Anlagen (ohne CCS) mit einer Gesamtleistung von knapp 2,1 GW el in Betrieb, davon drei Anlagen in Europa. Eine Erstanlage mit CCS ist in Deutschland für 2014 geplant (450-MW el -Projekt der RWE Power). Weitere Projekte sind derzeit in Deutschland nicht vorgesehen. Erst nach Realisierung des RWE-Projekts und erfolgreicher Demonstration der CCS-Technologie ist ab ca mit einem Zubau zu rechnen. Bei positiver Weiterentwicklung hinsichtlich Erhöhung der Effizienz, Verbesserung des Anlagenbetriebs und Verminderung der Kosten hat die Kohlevergasung das Potenzial, nach 2020 eine dominierende Rolle ( 50 %) bei der fossilen Energieerzeugung einzunehmen. Neben der Stromerzeugung bietet sie die Möglichkeit, H 2, SNG, Methanol, flüssige Kraftstoffe und Chemierohstoffe zu erzeugen (Polygeneration). Als Brennstoffe stehen heimische Energieträger zur Verfügung; insbesondere Braunkohle steht noch für längere Zeit (>50 Jahre) ausreichend zur Verfügung. Die Brennstoffkosten für Braun- bzw. Steinkohle liegen derzeit bei ca. 0,7 bzw. 1,3 ct/kwh. Tabelle III-12: Einschätzung der realisierbaren Marktdurchdringung von IGCC- Kraftwerken (ohne/mit CCS) IGCC ohne/mit CCS Deutschland Jahr Installierte Kapazität (ohne CCS); 0,5 mit CCS [GW] 1) 0,5 Energieerzeugung (ohne CCS), 3 mit CCS [TWh] 1) 3 Geschätztes Investitionsvolumen 0,05 (ohne CCS), mit CCS [Mrd /a] 1) 0,1 Energieeinsparung (ohne CCS), 2,6 mit CCS [PJ/a] 1) 2,3 CO 2 -Einsparung (ohne CCS), 0,3 mit CCS [Mio. t/a] 1) 2,4 18,8 9, ,9 1, ,3 31,1 15, ,8 0, ) 1) Stein- und Braunkohle zusammengefasst 2) Wirkungsgrade der Referenztechnologien: 43,5 % für Braun-, 45 % für Steinkohlekraftwerk (BK-IGCC mit CCS, 2020/30/50: 39,8/43,5/48,5 %; SK-IGCC mit CCS, 2020/30/50: 41,8/45/50 %) Quelle: eigene Berechnung IEF-STE

81 Aufgrund des schwierigen Marktumfeldes für Kraftwerksneubauten und der Unsicherheiten in der Klimapolitik stockt die IGCC-Technologie derzeit vor allem in den USA. Ein Großteil der geplanten US-Projekte wurde in den beiden letzten Jahren gestrichen bzw. aufgeschoben. IGCC-Erstanlagen mit CCS sind außer in Deutschland noch in Großbritannien, Australien und den USA für die nächste Dekade geplant. Kriterium 5: Abhängigkeit von Infrastrukturen Als Standorte für IGCC-Anlagen kommen in der Regel die bestehenden Kraftwerksstandorte in Frage. Die bestehenden Infrastrukturen wie Netze müssen nicht ausgebaut werden, da IGCC-Anlagen lediglich Altanlagen ersetzen. Allerdings sind bei der IGCC-Option mit CCS zusätzliche und z. T. neuartige Infrastruktureinrichtungen wie Transportleitungen zu den fernabgelegenen Speichern und die Speicher selbst einzurichten. Für die von RWE für 2014 in Hürth geplante 455-MW-Anlage ist z. B. eine 530 km lange CO 2 -Pipeline zum Speicherort in Norddeutschland zu errichten. Die Pipelinekosten werden mit ca. 22 % und die Speicherkosten mit 4 % der Gesamtinvestitionen von derzeit etwa 2,2 Mrd. veranschlagt. Tabelle III-13: Abhängigkeit von IGCC-Kraftwerken von Infrastrukturen Technologiefeld IGCC ohne CCS mit CCS Die Nutzung der Technologie(n) ist unabhängig von Infrastrukturen möglich Die Nutzung und Verbreitung der Technologie(n) ist von bestehenden Infrastrukturen abhängig Zur Verbreitung und Nutzung der Technologie(n)müssen bestehende Infrastrukturen ausgebaut werden Zur Verbreitung und Nutzung der Technologie(n) müssen neue Infrastrukturen gebaut werden Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Kriterium 6: Kosteneffizienz Die Kosten der Stromerzeugung mit IGCC-Kraftwerken ergeben sich im Wesentlichen aus den Kosten für Investitionen, Betrieb, Brennstoff und CO 2 -Zertifikate. In Tabelle III-14 befinden sich die Angaben zu den Investitions- und Betriebskosten. Die Zertifikatpreise für die Szenarien 1: moderat und 3: Ressourcen werden in Oberschmidt et al. [2009] für 2020 mit 13, für 2030 mit 15 und für 2050 mit 35 angegeben. Die entsprechenden Werte für das Szenario 2: Klimaschutz betragen 20, 30 bzw. 50. Für IGCC-Kraftwerke mit CCS reduziert sich der Kostenbeitrag der Zertifikatpreise auf ca. ein Zehntel, allerdings schlagen hier höhere Investitionskosten für die CCS-Technologie zu Buche. Die Brennstoffkosten für den nicht gehandelten heimischen Energieträger Braunkohle werden konstant mit 0,83 /GJ veranschlagt. Für Steinkohle werden die in Oberschmidt et al. [2009] für die verschiedenen Be- 75

82 zugsjahre (2020/2030/2050) und Szenariowelten vorgegebenen Werte berücksichtigt, die insbesondere für das Ressourcen-Szenario stark abweichen (Moderat: 2,1/2,2/2,7 /GJ; Klimaschutz: 2,6/2,9/3,4 /GJ; Ressourcen: 15,4/14,5/12,5 /GJ). Zur Ermittlung der Kosteneinsparpotenziale durch IGCC-Kraftwerke werden als Referenzmaßstab moderne Braun- und Steinkohlekraftwerke mit ihren heutigen Investitionskosten (1.050 bzw. 900 /kw) und Wirkungsgraden (43,5 bzw. 45 %) berücksichtigt. Mit den oben genannten Werten errechnen sich daraus die in Tabelle III-14 aufgeführten jährlichen Einsparpotenziale. Tabelle III-14: Jährliche Kosteneinsparpotenziale durch IGCC-Kraftwerke Jährliche Kosteneinsparpotenziale durch IGCC-Kraftwerke [Mrd. /a] Deutschland Szenario 1: Moderat (ohne/mit CCS) Szenario 2: Klimaschutz (ohne/mit CCS) Szenario 3: Ressourcen (ohne/mit CCS) ,01 / 0,08 0,01 / 0,06 0,01 / 0, ,24 / 0,91 0,01 / 0,55 0,34 / 0, ,16 / 0,93 0,01 / +0,32 +0,56 / 0,49 Anmerkung: Einsparungen im Bezugsjahr. Quelle: eigene Berechnung IEF-STE 2010 Kriterium 7: Pfadabhängigkeit und Reaktionsfähigkeit Die Parameter für Planungs- und Bauzeiten sowie für die ökonomische Nutzungsdauer von IGCC-Kraftwerken werden als vergleichbar zu konventionellen, kohlebasierten Dampfkraftwerken und als konstant über den Betrachtungszeitraum eingeschätzt. Diesbezüglich werden keine Unterschiede zwischen der Kraftwerksausführung mit und ohne CCS vorgenommen. Dagegen ist mit deutlichen Unterschieden bei den Investitionskosten zu rechnen. Die entsprechenden Werte sind in Tabelle III-15 aufgeführt. Tabelle III-15: Indikatoren zur Bewertung der Pfadabhängigkeit und Reaktionszeit von IGCC-Kraftwerken IGCC-Kraftwerk Heute 2020 (ohne/mit CCS) 2030 (ohne/mit CCS) 2050 (ohne/mit CCS) Planungszeit (Monate) Bauzeit (Monate) Heute übliche ökonomische Nutzungsdauer (Jahre) Investitionen je kw ( 2005 /kw) / / / Quelle: eigene Recherchen IEF-STE

83 77 Kriterium 8: Beitrag zur Energieeffizienz Der elektrische Netto-Wirkungsgrad heutiger IGCC-Kraftwerke liegt bei ca. 45 % (ohne CCS). Bis zum Jahr 2020 wird ein Wirkungsgrad von 50 % als erreichbar angesehen. Zur Ausschöpfung dieses Potenzials sind Optimierungen der Teilprozesse notwendig, die Weiterentwicklungen und z. T. Neuentwicklungen erfordern. Langfristig sind weitere Verbesserungen um gut 5 Prozentpunkte bis 2050 möglich, die aber die Entwicklung unkonventioneller Technologien bedingen. Da für IGCC- Prozesse mit CCS aber Wirkungsgradeinbußen von 10 % (mittelfristig) bzw. 6 % (langfristig) zu veranschlagen sind, ist etwa 2020 mit einem Wirkungsgrad von ca. 40 % und langfristig (2050) von etwa 48 % zu rechnen. Heutige moderne Braun- und Steinkohlekraftwerke erreichen einen Wirkungsgrad von 43,5 bzw. 45 %. Diese Werte können von IGCC-Anlagen mit CCS etwa 2030 erreicht werden. Die Tabelle III-16 zeigt die primärenergieseitigen Einsparpotentiale die der Einsatz von IGCC- Kraftwerken mit und ohne CCS-Technik ermöglicht. Die angegebenen Werte ergeben sich aus den szenarienabhängig unterstellten Kraftwerkskapazitäten und den voraussichtlich erreichten Wirkungsgradniveaus. Die oben genannten Braun- und Steinkohlekraftwerke bilden die Referenzbasis. Die für das moderate Szenario veranschlagten Kraftwerksleistungen sind Tabelle III-12 zu entnehmen. Im Klimaschutzszenario werden alle nach 2020 gebauten Anlagen (19 GW bis 2030, 31 GW bis 2050) mit CCS-Technik ausgestattet. Die bis 2020 installierte Anlage ohne CCS (0,5 GW) bleibt bis 2050 in Betrieb; ihr Einsparpotential bleibt damit erhalten. Im Ressourcenszenario fällt die installierte Leistung von Anlagen mit CCS gering aus (4 GW bis 2030, gut 10 GW bis 2050). Für Anlagen ohne CCS werden dagegen 14 bzw. 28 GW veranschlagt. Wie Tabelle III-16 zeigt, sind die Primärenergieeinsparungen bei Anlagen mit CCS-Technik bis 2030 im Vergleich zur Referenztechnik negativ. Erst die danach installierten Neuanlagen erbringen mit ihren gegenüber der Referenztechnik höheren Wirkungsgraden die für 2050 angegebenen Einsparungen. Tabelle III-16: Jährlich vermiedener Primärenergieeinsatz durch IGCC- Kraftwerke Vermiedener Primärenergieeinsatz durch IGCC-Kraftwerke [PJ/a] Deutschland Szenario 1: Moderat (ohne/mit CCS) Szenario 2: Klimaschutz (ohne/mit CCS) ,6 / 2,3 2,6 / 2,3 2,6 / 2, / 2,3 2,6 / 2,3 100 / 2, / 28 2,6 / / 30 Anmerkung: Vermiedener Primärenergieeinsatz im Bezugsjahr. Szenario 3: Ressourcen (ohne/mit CCS) Quelle: eigene Berechnung IEF-STE 2010

84 78 Kriterium 9: Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz Durch den Einsatz von IGCC-Kraftwerken mit CCS (CO 2 -Abscheidegrad: 90 %) ist ein hoher Beitrag zum Klimaschutz gegeben. Anlagen ohne CCS können den CO 2 - Ausstoß gegenüber der Referenztechnologie (kohlegefeuerte Braun-/Steinkohle- Dampfkraftwerke) dagegen nur durch Steigerung des heute erreichbaren Wirkungsgrades (ca. 45 %) auf etwa 50 % in 2020 und langfristig auf etwa 55 % mildern. Ausgehend von den zuvor erläuterten Annahmen sind in Tabelle III-17 die vermiedenen CO 2 -Emissionen der IGCC-Varianten (ohne/mit CCS) dargestellt. Tabelle III-17: Jährlich vermiedene CO 2 -Emissionen durch IGCC-Kraftwerke Vermiedene CO 2 - Emissionen durch IGCC- Kraftwerke [Mio. t/a] Deutschland Szenario 1: Moderat (ohne/mit CCS) Szenario 2: Klimaschutz (ohne/mit CCS) Szenario 3: Ressourcen (ohne/mit CCS) ,3 / 2,4 0,3 / 2,4 0,3 / 2, / 42 0,3 / / / 71 0,3 / / 52 Anmerkung: Vermiedene Emissionen im Bezugsjahr. Quelle: eigene Berechnung IEF-STE Andere Umwelteinflüsse Obwohl in der sauerstoffreduzierenden Vergaseratmosphäre kein SO 2 gebildet wird, ist der IGCC-Prozess durch die Verfahren zur Schwefelrückgewinnung nicht völlig frei von SO 2 -Emissionen. Die Durchschnittswerte für die IGCC-Anlagen Buggenum und Puertollano liegen in der Regel unter 50 mg/nm³ in 2008 z. B. bei 25 mg/nm³ [Pena & Coca, 2009] und damit deutlich unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwert der 13. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) von 200 mg pro Nm³. Die in der Asche enthaltenen Schadstoffe wie Alkalimetalle werden bei der Abschreckung der flüssigen Asche deponiefähig eingeschlossen. Ansonsten gelten die gesetzlichen Anforderungen der 13. BImSchV bzgl. der Emissionsgrenzwerte für Staub-, Halogen- und Stickstoffverbindungen (NOx), die durch die Anforderungen der Gasturbinenhersteller z. T. deutlich unterboten werden müssen (Staub, Halogene). Kriterium 10: Investitionsvolumen Deutschland besitzt auf dem Gebiet der Entwicklung und des Baus von Kraftwerken eine führende Rolle. Es zählt auch zu den wichtigsten Ländern bei der Entwicklung und Herstellung der Schlüsselkomponenten für IGCC-Kraftwerke. Einige in Deutschland ansässige Firmen gehören weltweit mit zu den führenden Unternehmen für die Schlüsselkomponenten Vergaser (Uhde, Siemens), Gasturbine (Siemens, ALSTOM), Gasreinigung (Lurgi) und Luftzerlegung (Linde). Darüber hinaus bilden Universitäten, Forschungseinrichtungen sowie Industrie (Hersteller, Betreiber) themenspezifische

85 effiziente F&E-Netzwerke. Wesentliche F&E-Themen werden im Rahmen der vom BMWi eingeleiteten Forschungsinitiative COORETEC identifiziert und behandelt. Die in Deutschland vorhandene Kompetenz zur Entwicklung, zum Bau und zum Einsatz der IGCC-Technologie lässt einen hohen inländischen Anteil am Produktionsvolumen von IGCC-Kraftwerken erwarten. Die geschätzten für die Errichtung der Kraftwerke notwendigen jährlichen Investitionsvolumen sind in Tabelle III-18 aufgeführt. Tabelle III-18: Investitionsvolumen durch IGCC-Kraftwerke in Mrd /a in Deutschland Investitionsvolumen durch IGCC- Kraftwerke [Mrd. /a] Szenario 1: Moderat (ohne/mit CCS) Szenario 2: Klimaschutz (ohne/mit CCS) Szenario 3: Ressourcen (ohne/mit CCS) ,05 / 0,1 0,05 / 0,1 0,05 / 0, ,9 / 1,3 - / 2,5 1,5 / 0, ,8 / 0,5 - / 1,1 0,9 / 0,6 Anmerkung: Gemitteltes jährliches IGCC-Investitionsvolumen Quelle: eigene Berechnung IEF-STE 2010 Sonstige Aspekte - Akzeptanz Derzeit ist davon auszugehen, dass kohlegefeuerte Kombikraftwerke mit CO 2 -Abscheidung frühestens ab dem Jahr 2020 zur Verfügung stehen. Dies setzt allerdings voraus, dass die von RWE Power geplante IGCC-Demonstrationsanlage bis Mitte des nächsten Jahrzehnts realisiert und entsprechende Erfahrungen für den Bau erster kommerzieller Anlagen genutzt werden können. Eines der Hemmnisse für den kommerziellen Durchbruch der IGCC-Kraftwerke kann neben der noch unzureichenden Wettbewerbsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit auch eine fehlende gesellschaftliche Akzeptanz für den kohlebasierten Kraftwerksprozess bzw. für den mit der CO 2 -Abscheidung verbundenen Transport und die Speicherung von Kohlendioxid sein. 79 III.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand Bewertung Die IGCC-Kraftwerkstechnologie wird von vielen Experten als eine vielversprechende fossile Option für eine zukünftige CO 2 -freie Energieerzeugung angesehen. Auch mit CO 2 -Abscheidung werden vergleichsweise hohe Wirkungsgrade von >40 % erwartet (ohne CCS >50 %). Die erfolgreiche Marktdurchdringung wird von der Erreichung dieser Effizienzziele, der Steigerung der Anlagenverfügbarkeit, der Senkung der Kos-

86 ten und von der Realisierung der CCS-Technologie abhängen. Durch die koordinierte Zusammenarbeit von Wirtschaft und Forschungseinrichtungen sowie die gezielte finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln wird derzeit im Rahmen der COO- RETEC-Initiative (Laufzeit zunächst bis 2010) an der Weiterentwicklung der IGCC- Technologie gearbeitet. Darüber hinaus werden IGCC-relevante Themen innerhalb der EU-Forschungsrahmenprogramme behandelt. Die Ergebnisse dieser Arbeiten fließen in die für 2014 geplante IGCC-Erstanlage mit CCS ein (450-MW el -Projekt der RWE Power AG). Weitere IGCC-Projekte sind derzeit in Deutschland nicht in Planung. Die IGCC-Technologie wird daher auch bei positiver Weiterentwicklung erst nach 2020 einen nennenswerten Beitrag zur Energieerzeugung leisten können, obwohl Deutschland zu den wichtigsten Ländern bei der Entwicklung und Herstellung dieser Technologie zählt. F&E-Themen Im Hinblick auf die Kosten- und Wirkungsgradoptimierung des IGCC-Prozesses sind neben einer höheren Systemintegration ein besseres Verständnis über die wesentlichen Grundlagen der Vergasung und die Weiterentwicklung der Kraftwerkskonzepte und -komponenten erforderlich. Wesentliche F&E-Themen hierzu sind: Entwicklung und Einsatz von Simulationsprogrammen zur realitätsnahen Modellierung der noch nicht gänzlich verstandenen Vergasungsprozesse sowie deren Validierung durch experimentelle Untersuchungen der Vergasungsreaktionen an Versuchsanlagen, um Vergasung, Reaktionsräume und Reaktorgeometrien zu optimieren Entwicklung von Messtechniken für experimentelle Untersuchungen der Vergasungsreaktionen, die den extremen Prozessbedingungen standhalten, mit dem Fokus auf berührungslose Verfahren wie optische Messverfahren zur Erfassung von Partikeltemperatur und -größe, Radiotracer-Verfahren z. B. zur Bestimmung der Partikel-Verweilzeit oder der Lasermesstechnik z. B. zur Messung von Spurenkomponenten Konstruktive und simulative Weiterentwicklung der Flugstromvergasung für Teilquenchlösungen zur Abkühlung von Rohgas und Schlacke. Mit der Teilquenchlösung soll das Rohgas durch Einspritzen von Wasser nur auf C abgekühlt werden (gegenüber ca. 220 C bei Vollquenchlösung), um die Restwärme in einem zu entwickelnden Abhitzewärmetauscher für hohe Eintrittstemperaturen für die Hochdruckdampferzeugung nutzen zu können. Damit lassen sich die Energieverluste gegenüber der Vollquenchung reduzieren. Gleichzeitig wird durch eine Teilkonvertierung des CO-Anteils der Wasserstoffanteil am Vergaseraustritt erhöht. Entwicklung neuer Gasturbinen-Verbrennungssysteme. Zur Verbrennung niederkalorischer Gase werden zurzeit Diffusionsbrenner eingesetzt. Mit Vormischbrennern lassen sich die Turbineneintrittstemperaturen erhöhen. Eine Möglichkeit könnte das FLOX -Brennerkonzept sein, das durch Vormischung von Abgasen und Brennstoff-/Luftgemisch Temperaturspitzen in der Brennkammer und die Bildung unzulässiger Stickoxidkonzentrationen vermeidet. 80

87 Entwicklung fortschrittlicher Gasturbinen für wasserstoffreiches Syngas und höhere ISO-Eintrittstemperaturen (hohes Wirkungsgradpotenzial). Die Grundlage bildet die permanente Weiterentwicklung der Gasturbinen für den Standardbetrieb mit Erdgas (siehe Kapitel IV). So soll die für das GuD-Kraftwerk Irsching entwickelte Turbine der H-Klasse bis Ende der nächsten Dekade auch für IGCC-Anlagen einsatzbereit sein. Entwicklung neuer Brennstoffeinspeisesysteme (Feststoffpumpen), die anstelle der Mehrbehälter-Schleusensysteme (lock hoppers) den Transport der Kohle zu den Vergaserbrennern übernehmen. Das Feststoffpumpensystem sorgt sowohl für den Transport als auch die Abdichtung zwischen Brennstoffzuführung und Vergaseratmosphäre. Die erhebliche Reduktion des systemtechnischen Aufwands und des Transportgasbedarfs (Stickstoff) verspricht Verbesserungen bei den Investitionskosten und beim Wirkungsgrad. Ihre Entwicklung wird in den USA durch das DOE vorangetrieben. Die öffentliche F&E-Förderung für die längerfristige Weiterentwicklung des IGCC- Prozesses (nach 2020) sollte sich schwerpunktmäßig auf Bereiche fokussieren, deren Entwicklungspotenzial und technologisches Risiko besonders hoch sind. Hierzu zählen der Hochtemperatur-IGCC-Prozess und die Entwicklung von Hybridkraftwerken. In den USA wird außerdem die Entwicklung neuer Vergasertechnologien verfolgt (Kompaktvergaser, Chemical Looping). Für Deutschland wäre eine Weiterentwicklung des Wirbelschichtvergasers sinnvoll, der für die Vergasung von Braunkohle als am geeignetsten gilt. Die Erweiterung auf andere Brennstoffe, die vollständige Kohlenstoffvergasung (derzeit etwa 95 %) und die Senkung des Methan- und CO-Gehaltes im Rohgas stehen dabei als Entwicklungsaufgaben im Vordergrund. Zentrales Forschungsthema für den Hochtemperatur-IGCC-Prozess ist die Entwicklung der Membrantechnologie, die als alternative Technologie auch für die Luftzerlegung verfolgt wird: Luftzerlegung. Der hohe Sauerstoffbedarf von Flugstromvergasern wird derzeit mit leistungs- und kostenintensiven kryogenen Luftverflüssigungsanlagen erzeugt. Für den Oxyfuel-Prozess werden bereits neuartige, gemischtleitende keramische Hochtemperaturmembranen untersucht, die nur für Sauerstoff durchlässig sind und bei ca. 850 C arbeiten. Von ihnen wird eine Verbesserung des Anlagenwirkungsgrades um einige Prozentpunkte erwartet. Für den IGCC-Prozess ist wegen des O 2 -Handlings bei Vergaserdruckniveau eine Temperaturbeschränkung auf 230 C und damit die Entwicklung einer Niedertemperatur-Membran (230 C) erforderlich, die auch im Oxyfuel-Prozess einsetzbar ist. CO-Shift-Membran-Reaktor mit H 2 -Abtrennung. Die CO-Konvertierung und die Abtrennung des H 2 in einem Wassergas-Shift-Membran-Reaktor zu kombinieren ist eines der wesentlichen Langfristziele. Für die Konvertierung muss heute eine große Menge Dampf aus dem Prozess ausgekoppelt werden. Mit katalytischen Hochtemperatur-H 2 -Membranen könnte die Menge stark gesenkt und die Abkühlung auf die für die Konvertierungsreaktion nötigen tiefen Temperaturen vermieden werden. Dies steigert den Wirkungsgrad. Die hierzu angestoßenen Forschungsund Entwicklungsarbeiten befinden sich noch in einem sehr frühen Stadium. 81

88 Heißgasreinigung. Ein Nachteil der derzeitigen nassen Gasreinigung ist, dass das Brenngas auf eine Temperatur von bis zu 40 C abgekühlt werden muss, um anschließend wieder aufgeheizt zu werden. Dies ist mit Exergieverlusten verbunden und könnte durch eine trockene Heißgasreinigung bei Temperaturen um ca. 600 C vermieden werden. Die Entwicklung von Membransystemen z. B. für die Abtrennung von Schwefelwasserstoff steht erst am Anfang und bedarf noch der Grundlagenforschung. Alternativen sind sorptionsbasierte Prozesse. Forschungsprojekte hierzu laufen u.a. in Deutschland (z. B. für Alkalimetalle) und den USA. 82 Technikeinordnung und Entwicklungsrisiko Die Technologie der Kombikraftwerke mit vorgeschalteter Kohlevergasung (IGCC) hat bei positiver Weiterentwicklung der heute in Betrieb befindlichen zweiten Anlagengeneration (weltweit fünf Anlagen, mit Leistungen von 250 bis 300 MW el ) das Potenzial, nach 2020 eine dominierende Rolle bei der fossil basierten Stromerzeugung in Deutschland einzunehmen. Der kommerzielle Durchbruch der IGCC-Kraftwerkstechnologie wurde bislang wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit verhindert. Die Bemühungen um Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen erhalten noch zusätzliches Gewicht durch die aus Klimaschutzgründen angestrebte Integration der CO 2 -Abtrennungstechnologie, die zusätzliche Kosten und erhebliche Wirkungsgradeinbußen verursacht. Dadurch vergrößert sich das finanzielle und technologische Risiko dieser Technologie. Ausgehend vom derzeitigen Stand der Technik mit einem elektrischen Wirkungsgrad von max. 45 % sehen Experten Effizienzwerte von deutlich über 50 % als erreichbar an. Zur Ausschöpfung dieses Potenzials erforderlich sind neben einer höheren Systemintegration und einem besseren Verständnis der Grundlagen der Vergasung die Weiterentwicklung der Kraftwerkskonzepte (z. B. Teilquenchlösungen) und der Kraftwerkskomponenten (Vergaser, Brennstoffeinspeisesysteme, Gasturbine und Gasturbinen- Brennersysteme). Eines der Langfristziele für die Weiterentwicklung des IGCC-Prozesses ist der Hochtemperatur-IGCC-Prozess. Eine weitere Vision, die erhebliches Effizienzpotenzial besitzt, ist die Verknüpfung des IGCC-Prozesses mit der Brennstoffzellentechnik zu einem Hybridkraftwerk. Außerdem wird weltweit die Entwicklung neuer Vergasertechnologien verfolgt. Zentrales Forschungsthema für den Hochtemperatur-IGCC-Prozess ist die Entwicklung der Membrantechnologie, die auch für die Luftzerlegung verfolgt wird. Ziele sind, die CO-Konvertierung und die H 2 -Abtrennung in einem CO-Shift-Membran-Reaktor zu kombinieren und eine trockene Heißgasreinigung bei ca. 600 C durchzuführen. Für den IGCC-Prozess mit CCS sind Wirkungsgradeinbußen von gut 10 Prozentpunkten zu veranschlagen. Durch Einbindung neuer CO 2 -Abscheideverfahren besteht aber auch hier erhebliches Verbesserungspotenzial hinsichtlich Effizienz und Kosten (siehe Kapitel V). Die Abbildung III-5 veranschaulicht das Effizienzsteigerungspotenzial der IGCC-Kraftwerkstechnologie bei Realisierung der aufgeführten

89 kurz-, mittel- und langfristigen Verbesserungen und Weiterentwicklungen. Für den IGCC-Prozess mit CCS ist das Verbesserungspotenzial neuer CO 2 -Abscheideverfahren einbezogen. 83 Abbildung III-5: Effizienzsteigerungspotenzial der IGCC- Kraftwerkstechnologie Anlagenwirkungsgrad 60% 55% 50% 45% 40% IGCC ohne CCS Kurz- bis mittelfristig: Detailoptimierungen Teilprozessintegration Teilquench-Vergaser Brennstoffeinspeisesystem Luftzerlegung GT: H-Klasse Brennersystem IGCC mit CCS Langfristig (nach 2020): Heißgasreinigung CO-Shift-Membran + H 2 -Abtrennung Neue Vergaser IGCC + Brennstoffzelle (Hybrid) 35% Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an [Phillips, 2007] IEF-STE 2010

90 84 III.5 Anhang: Datenblatt Kohlekombikraftwerke Technologiefeld Kombikraftwerk mit Kohlevergasung (IGCC) Technik Technische Beschreibung Installierte Leistung Physikalisches Prinzip Stromerzeugung auf Basis der thermo-chemischen Vergasung von Kohle mit sauerstoffhaltigem Vergasungsmittel zur Erzeugung eines Brenngases und anschließender Nutzung in einem thermodynamischen GuD-Prozess Wichtige Bestandteile (Komponenten) Vergasungsteil: Vergaser, Luftzerlegung, Gasreinigung Stromerzeugungsteil: Gasturbine Arbeitsmedien: Luft, Sauerstoff, Stickstoff, Wasserdampf Sonstige Merkmale Kohlevergasung: erprobte Technik; IGCC (ohne CCS): demonstrierte Technik, Erstanlagen in den 70/80er Jahren, Möglichkeit zur Erzeugung synthetischer Energieträger, Vorteile bei CO 2 -Abscheidung Wirkungsgrad/Nutzungsgrad IGCC ohne CCS: heutige Anlagen bis 45% IGCC ohne CCS: 2020 ca. 50 %, langfristig (2050) ca. 55 % IGCC mit CCS: 2020 ca. 40 %, langfristig (2050) ca. 48 % Weltweit: 2,1 GWe (2008); derzeit in Bau: 2 GW (2006) D: 0 GW; geplant: 2014, 450 MWe IGCC mit CCS (RWE Power, Hürth) Wichtige Demonstrationsprojekte: Buggenum, Niederlande, 253 MW, seit 1994 Puertollano, Spanien, 300 MW, seit 1998 Entwicklungsstand Kommerziell Demonstration F&E Ideenfindung Festbett- und Flugstromvergasung IGCC: weltweit 6 Anlagen mit 2,1 GWe in Betrieb Wirbelschichtvergasung IGCC: 100 MWe Anlage (USA, stillgelegt) Simulationsmodelle für Vergasungsreaktionen mit exp. Validierung an Versuchsanlagen. Rohgas-Teilquenchung zur Restwärmenutzung in Abhitze-WT. Feststoffpumpen für Brennstoffeinspeisung. Vormischbrenner und Gasturbinen für H 2 - reiches Gas. Luftzerlegung mit Niedertemperatur- Membrantechnologie. Hochtemperatur-IGCC- Prozess: CO-Shift- Membran Reaktor mit H 2 -Abtrennung; Heißgasreinigung bei ca. 600 C mit Membransystemen. Einbezug von Brennstoffzellen in IGCC- Prozess (Hybridkraftwerk) Ökonomie Kosten (heute) Investitionen: IEA 2007: ca / $/kw ohne/mit CCS Betriebskosten: 0,9 Ct/kWh: ohne Brennstoff, mit Wartung, (ohne CCS), 2,4 Ct/kWh: ohne Brennstoff, mit Wartung, (mit CCS ) Wartung: s.o.

91 85 Ökologie Umfeld Hemmnisse Potenziale für Kohlekombikraftwerke (ohne/mit CCS) in Abhängigkeit der Szenarien Installierter Neubau, kumuliert (GW) Sz Moderat (BK+SK, o/m CCS) Sz Klimaschutz (BK+SK, o/m CCS) Sz Ressourcen (BK+SK, o/m CCS) Stromerzeugung, kumuliert (TWh) Sz Moderat (BK+SK, o/m CCS) Sz Klimaschutz (BK+SK, o/m CCS) Sz Ressourcen (BK+SK, o/m CCS) Primärenergieeinsparung (PJ/a) Sz Moderat (BK+SK, o/m CCS) Sz Klimaschutz (BK+SK, o/m CCS) Sz Ressourcen (BK+SK, o/m CCS) CO 2 -Einsparung (Mio. t/a) Sz Moderat (BK+SK, o/m CCS) Sz Klimaschutz (BK+SK, o/m CCS) Sz Ressourcen (BK+SK, o/m CCS) Investitionsvolumen (Mrd /a) Sz Moderat (BK+SK, o/m CCS) Sz Klimaschutz (BK+SK, o/m CCS) Sz Ressourcen (BK+SK, o/m CCS) ,5 / 0,5 0,5 / 0,5 0,5 / 0,5 3 / 3 3 / 3 3 / 3 2,6 / -2,3 2,6 / -2,3 2,6 / -2,3 0,3 / 2,4 0,3 / 2,4 0,3 / 2,4 0,05 / 0,1 0,05 / 0,1 0,05 / 0,1 18,8 / 9,7 0,5 / 18,8 14,3 / 4,3 113 / 58 3 / / / -2,3 2,6 / -2,3 100 / -2,3 13 / 42 0,3 / / 21 1,9 / 1,3 0,0 / 2,5 1,5 / 0,6 31,1 / 15,8 0,5 / 31,1 28,1 / 10,5 187 / 95 3 / / / 28 2,6 / / / 71 0,3 / / 52 0,8 / 0,5 0,0 / 1,1 0,9 / 0,6 Referenztechnologie: Heutige bestmögliche BK/SK-Dampfkraftwerke (η el : 43,5/45%, Investitionskosten: 1050/ 900 /kw). IGCC-Daten: η BK/SK-IGCC, ohne CCS: 48,5/50,5 (2020), 51/52,5 (2030), 56/57,5 (2050) η BK/SK-IGCC, mit CCS: 39,8/41,8 (2020), 43,5/45 (2030), 48,5/50 (2050) Emissionen Staub, NOx, CO 2 (bei CCS: Reduktion um 90%) Ressourcen Steinkohle, Braunkohle Sonstige Braunkohletagebau (Staub, Grundwasserabsenkung) Umweltrisiken Firmen Deutschland: Siemens (Gasturbinen, Vergaser); Uhde (Vergaser), ALSTOM (Gasturbine), Linde (Luftzerlegung), Lurgi (Gasreinigung) International: Shell, Westinghouse, Mitsubishi, GE-Bechtel, Babcock-Wilcox, Foster Wheeler Forschungseinrichtungen Deutschland: Zahlreiche Universitäten u. außeruniversitäre Forschungseinrichtungen (z.b. HGF), F&E Initiativen: COORETEC Besondere Anmerkungen Technisch Wirtschaftlich Kombikraftwerke mit Kohlevergasung werden als eine vielversprechende fossile Option für eine zukünftige CO 2 -freie Energieerzeugung angesehen: Im Vergleich mit anderen fossilen Kraftwerkstechnologien kann CO 2 effektiver d.h. mit geringeren Wirkungsgradeinbußen abgeschieden werden. Neben der Stromerzeugung besteht die Möglichkeit, synthetische Energieträger, flüssige Kraftstoffe und Chemierohstoffe zu erzeugen (Polygeneration). Durch die Nutzung heimischer Energieträger (z.b. Braunkohle) trägt sie zur Versorgungssicherheit bei. D zählt zu den wichtigsten Ländern bei der Entwicklung und Herstellung der Schlüsselkomponenten (Vergaser, Luftzerlegung, Gasturbine, Gasreinigung) und besitzt ein effizientes F&E-Netzwerk zwischen Forschung u. Industrie. Bei positiver Weiterentwicklung (Effizienz, Verfügbarkeit, Kosten) hat die Kohlevergasung das Potential nach 2020 eine dominierende Rolle bei der fossilen Energieerzeugung einnehmen zu können. Für den kommerziellen Durchbruch ist neben Kostensenkungen die Steigerung heutiger Wirkungsgrade und Verfügbarkeiten (max. 45% bzw. 80%), sowie die Realisierung der CO 2 -Abscheidung nötig. Wirkungsgrade von deutlich über 50% erfordern u.a. die Weiterentwicklung der Kraftwerkskonzepte und komponenten (Vergasungs- und GuD-Teil). Das technologische Risiko langfristiger Verbesserungen (z.b. Hochtemperatur-IGCC- Prozess) ist als besonders hoch einzustufen. Für das IGCC-Kraftwerk (ohne CCS) werden Mehrinvestitionen von ca. 20 % gegenüber einem konventionellen Kraftwerk genannt. Die Integration der CCS-Technologie wird zusätzliche Investitionen (ca %) und Wirkungsgradeinbußen (6-10%) verursachen. Dadurch vergrößert sich das finanzielle Risiko. Sonstige Für IGCC-Kraftwerke mit CCS sind Akzeptanzprobleme bezüglich CO 2 -Pipeline und - Speicher zu erwarten.

92 86 III.6 Literatur ALDRED, D. & SAUNDERS, T. (2005) Continuous metered injection of coal into gasification and PFBC system operating pressures exceeding 38 bar. International Freiberg Conference on IGCC & XtL Technologies, BANCALARI, E., CHAN, P. & DIAKUNCHAK, I. S. (2006) Advanced Hydrogen Turbine Development. 23rd International Pittsburgh Coal Conference, Pittsburgh, Pennsylvania. BEER, J. M. (2007) High efficiency electric power generation: The environmental role. In: Progress in Energy and Combustion Science 33, S BINE (2006): Kraftwerke mit Kohlenvergasung. Projektinfo 09/06. Hrsg.: Fachinformationszentrum Karlsruhe GmbH. COORETEC (2007) Der Weg zum zukunftsfähigen Kraftwerk mit fossilen Brennstoffen. Forschungsbericht Nr Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. DOE (2008) SECA Coal-Based Systems UTC Power. Project-ID: DE-NT Based%20Systems%20-%20UTC%20Power DOMENICHINI, R. & GIGLIO, R. (2002) Partial gasification combined cycle technology: a practical pathway for clean coal advancement. International Conference on Clean Coal Technologies for our Future, , Sardinia, Italy. ESCOBAR, I., OLESCHKO, H., WOLF, K.-J. & MÜLLER, M. (2008) Alkali removal from hot flue gas by solid sorbents in pressurized pulverized coal combustion. In: Powder Technology 180, S EURLINGS, J. TH. G. M. & PLOEG, J. E. G. (1999) Process Performance of the SCGP at Buggenum IGCC. Gasification Technologies Conference, San Francisco, FAIRLEY, P. (2009) China closes the clean-coal gap. FISCHER, W. (2008) Stärkste Gasturbine im Testbetrieb. energy 2.0 April GROL, E. (2009) Technical Assessment of an Integrated Gasification Fuel Cell Combined Cycle with Carbon Capture. In: Energy Procedia 1, S HANNEMANN, F., SCHINGNITZ, M. & ZIMMERMANN, G. (2007) Siemens IGCC and Gasification Technology Today s Solution and Developments. 2nd International Freiberg Conference on IGCC & XtL Technologies, HIGMAN, C. & VAN DER BURGT, M. (2008) Gasification. 2nd ed., 2008, Elsevier. HOLT, N. (2006) Gasification Technology Status December EPRI, Palo Alto, CA and the Gasification Users Association: IEA (2007) Fossil fuel-fired power generation. Paris: IEA. JAEGER, H. (2008) Compact gasifier 90 % smaller and half the cost of conventional units. In: GTW 2008 IGCC Reference Guide, S KAJITANI, S. (2008) Development of IGCC in Japan: Power Generation Industry Conference (PGIC) 2008, , Seoul, Korea. KOROBOV, D. (2003) Untersuchung der Wirkungsgradpotentiale von IGCC-Kraftwerkskonzepten. Diss., TU Bergakademie Freiberg, 2003.

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95 89 IV Gas- und GuD-Kraftwerke Die nachfolgenden Ausführungen fokussieren sich auf stationäre Gasturbinen und GuD-Kraftwerke mit großen Leistungen. Für derartige Anlagen werden mögliche Verbesserungen sowie der hierfür erforderliche Forschungsbedarf aufgezeigt. Viele Konzepte zur Wirkungsgrad- und Leistungssteigerung sind seit langem bekannt, jedoch aus unterschiedlichsten Gründen (z.b. technische Probleme, Kosten) nicht realisiert worden. Auf die wichtigsten Varianten sowie die Haupthemmnisse, die eine kommerzielle Umsetzung bislang verhindert haben wird im Folgenden eingegangen. Eine weitere Steigerung der Turbinenwirkungsgrade erfordert höhere Turbineneintrittstemperaturen. Voraussetzung hierfür sind neue Materialien sowie geeignete Kühlkonzepte mit geringerem Kühlmittelbedarf. Dieser Aspekt wird im Nachfolgenden besonders aufgegriffen. Die hohen Verbrennungstemperaturen korrelieren mit der zunehmenden Bildung thermischer Stickoxide. Die Einhaltung der Stickoxidgrenzwerte stellen mittlerweile eine wichtige Randbedingung bei der Konzeption und Auslegung der Brennkammer dar. Seit vielen Jahren wird die katalytische Verbrennung als Alternative gegenüber konventionellen brennerspezifischen oder anderen Maßnahmen (z.b. Wassereindüsung) und Prozessen (z.b. GRAZ-Cycle) gesehen, da hierbei kaum Stickoxide entstehen. Im Nachfolgenden wird auch der Stand der Forschungsarbeiten zur katalytischen Verbrennung skizziert und eine Bewertung dieser Technik vorgenommen. Der Einsatz von Kohlekombikraftwerken (siehe Kapitel III) bekommt durch den Aspekt der CO 2 -Abscheidung aktuelle Relevanz. Zum einen profitiert der IGCC-Prozess durch die sukzessive Verbesserung der Gasturbinentechnologie. Zum anderen erfordert er aber auch eine Gasturbinentechnik, die die Verbrennung von wasserstoffreichen Gasgemischen erlaubt. Auf aktuelle Entwicklungen und Erfordernisse wird im Nachfolgenden eingegangen. IV.1 Beschreibung des Technologiefeldes Die installierte Nettoleistung von Gaskraftwerken in Deutschland betrug im Jahr 2008 etwa 23,4 GW [Bundesnetzagentur, 2009]. Der Anteil an der gesamten installierten Kraftwerksleistung betrug rd. 15,9 %. Gaskraftwerke trugen im Jahr 2007 mit rd. 83 TWh zur Stromerzeugung bei, was einem Anteil an der gesamten Stromerzeugung von etwa 14 % entspricht. Heutige Gasturbinen erreichen je nach Größe Wirkungsgrade von 38 bis über 40 %. Die Kopplung von Gasturbine und Dampfkreislauf ermöglicht höchste Wirkungsgrade. Heutige GuD-Kraftwerke erreichen Netto- Wirkungsgrade von ca. 58 % - 59 %. Mit dem GuD-Kraftwerk, das derzeit in Irsching gebaut und getestet wird, soll ein Wirkungsgrad von über 60 % erreicht werden.

96 Der Zubau von Kraftwerksleistung in Deutschland wurde seit dem Jahr 2000 maßgeblich durch den Zubau von GuD-Kraftwerken (ca. 8 GW bis heute) geprägt. Erdgasbefeuerte Kraftwerke besitzen heute einen Anteil von gut 25 % an der global installierten Kraftwerksleistung. Langfristig rechnet die Internationale Energieagentur (IEA) bis zum Jahr 2030 mit einer Steigerung der installierten Leistung um 50 %. Durch die niedrigen Kapitalkosten werden die Stromgestehungskosten eines Gaskraftwerks maßgeblich durch den Brennstoffpreis geprägt. Die zukünftige Entwicklung von Erdgaskraftwerkskapazität ist daher insbesondere im Kontext zukünftiger Erdgaspreise zu sehen. Dies unterstreicht insbesondere den Stellenwert der weiteren Steigerung der Wirkungsgrade. IV.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf Abbildung IV-1 enthält eine Darstellung der aus heutiger Sicht wichtigsten Gasturbinenkraftwerksprozesse. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Konzepte (z.b. chemisch rekuperative Gasturbine, Gasturbine mit CO 2 als Arbeitsfluid, Gasturbinen mit Multistufenverbrennung) die in der Vergangenheit oftmals Gegenstand von Forschungsarbeiten [vgl. Korobitsyn, 1998] waren, deren Realisierung sich jedoch nach Ansicht der befragten Experten auch langfristig nicht abzeichnet. Sie werden daher im Nachfolgenden nicht näher betrachtet. 90 Abbildung IV-1: Wichtige Gasturbinenkraftwerksprozesse Gasturbinenkraftwerksprozesse Konventionelle Gasturbine Gasturbine mit Zwischenkühlung u. Rekuperation STeam Injected Gas Turbine (STIG) Humid Air Turbine (HAT) Gas- u. Dampfturbinen- Kraftwerk (GuD) = Kommerziell verfügbar Konventionelle Gasturbine Gasturbine mit Zwischenkühlung und Zwischenerhitzung Gasturbine mit Zwischenerhitzung = bislang nicht verfügbar Quelle: nach [Kail, 1998] IEF-STE 2010 Von den in Abbildung IV-1 dargestellten Prozessen besitzen lediglich die konventionelle luftgekühlte Gasturbine im Single-Betrieb sowie die Kombination von Gas- und Dampfturbine (GuD) kommerzielle Reife. Prinzipiell lässt sich durch die Anhebung

97 der mittleren Temperatur der Wärmezufuhr (Zwischenerhitzung, Rekuperation) und der Absenkung der mittleren Temperatur der Wärmeabfuhr (Zwischenkühlung) der Wirkungsgrad des Prozesses weiter steigern. Die Möglichkeit der Vorwärmung der Verbrennungsluft durch Gasturbinenabgase (Abbildung IV-2) wurde in kleineren Gasturbinen realisiert (z.b. Westinghouse/Rolls-Royce WR-21, Leistung 21 MW el ). Allerdings blieb dies eher die Ausnahme, da der apparatetechnische Aufwand des Rekuperators erheblich ist [vgl. Ausmeier, 2002, Korobitsyn 1998]. 91 Abbildung IV-2: Gasturbinen-Anlage mit Rekuperator (Vorwärmer) Abgas Vorwärmer Brennstoff Brennkammer Turbine Generator Verdichter Luft Quelle: [Ausmeier, 2002] IEF-STE 2010 Eine andere Variante zur Steigerung des Wirkungsgrades ist die Möglichkeit der Zwischenverbrennung (Abbildung IV-3). Hiermit wird die Zwischenerhitzung der Rauchgase in einer zweiten Niederdruckbrennkammer bezeichnet. Durch die zusätzliche Wärmezufuhr sowie das höhere Verdichterdruckverhältnis werden die mittlere Temperatur der Wärmezufuhr und damit der Wirkungsgrad deutlich angehoben. Durch die höhere Abgastemperatur gegenüber einem einfachen Gasturbinenbetrieb bietet sich der Einsatz dieser Variante in GuD-Kraftwerken an. Unter Berücksichtigung sonstiger Verluste (Mehraufwand für Brennkammerkühlung, Druckverluste in der Brennkammer etc.) errechnet [Kail, 1998] einen Wirkungsgradgewinn von 0,8 Prozentpunkten gegenüber einem vergleichbaren GuD-Prozess mit einfacher Gasturbine (58,5 %). Weitere Vorteile sind insbesondere die niedrigeren Turbineneintrittstemperaturen sowie eine hohe Betriebsflexibilität [Ludwig et al., 2008]. Der Prozess mit Zwischenüberhitzung ist bislang nur in wenigen Gasturbinen (z.b. Alstom GT26, 265 MW) realisiert worden [Korobitsyn, 1998]. Gründe hierfür sind die relativ

98 hohen Kosten einer zusätzlichen Brennkammer, die Anzahl zusätzlicher kostspieliger Verdichter- und Turbinenstufen sowie der zusätzliche Aufwand für die Regelung und Prozessführung [Lechner & Seume, 2003]. Trotzdem wird die Zwischenerhitzung von allen bislang nicht kommerziell realisierten Varianten am aussichtsreichsten angesehen. 92 Abbildung IV-3: Gasturbinen-Anlage mit Zwischenverbrennung Brennstoff Brennstoff Hochdruckturbine Niederdruckturbine Generator Verdichter Luft 1. Brennkammer 2. Brennkammer Abgas Quelle: [Ausmeier, 2002] IEF-STE 2010 Eine andere Möglichkeit der Wirkungsgradsteigerung besteht in der Zwischenkühlung, die eine Absenkung der mittleren Temperatur der Wärmeabfuhr bewirkt (Abbildung IV-4). Die Zwischenkühlung mit einem externen Wärmetauscher führt zu einer deutlich kleineren benötigten Verdichtungsarbeit, da nach der Abkühlung des Arbeitsmediums die Dichte des Gases ansteigt und damit die Kompressionsarbeit reduziert wird. Ein externer Wärmeaustausch bedeutet aber auch eine höhere Brennstoffmenge sowie eine Verschlechterung des Wirkungsgrades, da die ausgetauschte Wärmemenge ohne weitere Nutzung als Verlust zu sehen ist. Wird die Wärmeabfuhr nicht an die Umgebung abgegeben, sondern durch Wassereinspritzung realisiert (Verdunstungskühlung, wet compression), kann der Wirkungsgradverlust vermieden werden [Lechner & Seume, 1998]. Nach [Kail, 1998] ist die Kühlung durch Wassereinspritzung technisch riskant, da bei unvollständiger Verdampfung des Kühlwassers Erosionsschäden an den Verdichterschaufeln auftreten können. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum die Zwischenkühlung bislang nicht zum Einsatz kam. Die Zwischenkühlung bietet sich insbesondere in Kombination mit der Zwischenerhitzung an, da bei dieser Variante ein relativ hohes Druckverhältnisse vorliegt. Auch die Kombination einer Gasturbine mit Rekuperation und Zwischenkühlung ist möglich, führt aber zu einer kleineren spezifischen Leistung gegenüber einem Gasturbinenprozess mit ausschließlicher Zwischenkühlung. Allerdings besitzt er hinsichtlich der Regeleigenschaften Vorteile.

99 93 Abbildung IV-4: Gasturbinen-Anlage mit Zwischenkühlung Brennstoff Luft Brennkammer Turbine Generator Hochdruckverdichter Niederdruckverdichter Abgas Zwischenkühler Quelle: [Ausmeier, 2002] IEF-STE 2010 Eine Möglichkeit der Leistungssteigerung einer Gasturbine besteht in der Eindüsung von Wasserdampf in die Brennkammer. Dieser Prozess, der auch oftmals als STIG- Prozess (Steam Injected Gas Turbine) bezeichnet wird, besteht im Wesentlichen aus einer Gasturbine mit nachgeschaltetem Abhitzedampferzeuger (Abbildung IV-5). Hierbei wird die Abgaswärme der Gasturbine durch die Eindüsung des im Abhitzekessel erzeugten Dampfes in die Brennkammer dem Prozess wieder zugeführt. Gegenüber dem konventionellen GuD-Prozess entfällt der gesamte Wasserkreislauf. Die Leistungssteigerung wird dabei vor allem durch die Änderung der Stoffeigenschaften des Rauchgases und die höhere Durchsatzmenge durch die Turbine bewirkt. Das höhere Druckverhältnis und die Dampfeindüsung erhöhen die mittlere Temperatur der Wärmezufuhr und bewirken eine Wirkungsgradsteigerung gegenüber dem konventionellen Gasturbinenprozess. Im Vergleich zu einem GuD Prozess ist der Wirkungsgrad des STIG Prozesses deutlich niedriger. Selbst bei optimaler Auslegung wird das Wirkungsgradniveau eines konventionellen GuD-Prozess nicht erreicht, da die Abwärme auf einem höheren Temperatur- und Druckniveau abgeführt wird, als dies bei einer herkömmlichen Dampfturbine der Fall ist. Die Realisierung des STIG-Prozesses erfordert eine spezielle Auslegung der Gasturbine, da die angesaugte Luftmenge sowie der Turbinendurchsatz sich von einer konventionellen Gasturbine grundlegend unterscheiden [Lechner & Seume, 2003]. Der STIG-Prozess wurde bereits von General Electric (LM2500, LM5000 STIG) realisiert [Korobitsyn, 1998]. Trotz besserer Teillastwirkungsgrade hat er sich bislang aufgrund der relativ hohen Investitionen in großem Maßstab nicht durchsetzen können [vgl. Hodrien, 2008]. Zudem besitzt der konventionelle GuD Prozess, der als direkte Konkurrenz-

100 technologie zu sehen ist, aus Sicht der im Rahmen des Projekts befragten Experten eine höhere Anlagenflexibilität. 94 Abbildung IV-5: STIG Prozess Wasser Dampferzeuger Dampf Dampf G Dampfturbine Luft Brennstoff Verdichter Turbine Quelle: [Korobitsyn, 1998] IEF-STE 2010 Eine weitere Variante die Gasturbinenleistung zu steigern, ist der sogenannte HAT- Prozess (Humid Air Turbine). Der HAT-Prozess (Abbildung IV-6) besteht aus einer Gasturbine mit Zwischenkühlung, einem Aufsättiger sowie einem Rekuperator. Durch die Aufsättigung von Luft mit Wasser unter Nutzung verschiedener Temperaturniveaus innerhalb des Prozesses, wird ein mit Wasser aufgesättigter und verdichteter Luftmassenstrom der Brennkammer zugeführt. Die Verdichterleistung des HAT- Prozesses ist durch den reduzierten Verdichtermassenstrom und durch die Zwischenkühlung niedriger als bei der konventionellen Gasturbine. Durch Zugabe des Wassers im Sättiger wird der Wasseranteil in den Turbinenrauchgasen erhöht, was eine Erhöhung der Turbinenleistung bedeutet. Gegenüber dem konventionellen Gasturbinenprozess besitzt der HAT-Prozess einen höheren Wirkungsgrad. Verglichen mit einem GuD-Prozess mit konventioneller Gasturbine ist der Wirkungsgradverlust des HAT-Prozesses erheblich [vgl. Kail, 1998]. Nach [Korobitsyn, 1998] besteht ein Vorteil des HAT-Prozesses in einem optimalen Teillastverhalten ohne Verluste, das durch das Variieren der Wasseraufsättigung erreicht werden kann. Der HAT-Prozess wurde in einer Vielzahl von Untersuchungen analysiert, ist jedoch kommerziell nicht zur Anwendung gekommen. Ein wesentlicher Grund sind die hohen Mehrinvestitionen gegenüber einem konventionellen Gasturbinenprozess [vgl. Hodrien, 2008]. Wei-

101 tere Möglichkeiten der Leistungssteigerung sind die Verdichtung von wasseraufgeladener Luft (wet compression), sowie weitere Kühlungsvarianten der Luft sowie die Zusatzfeuerung im Abhitzedampferzeuger [Kail et al., 2009]. 95 Abbildung IV-6: HAT-Prozess Economizer Rekuperator Schornstein Sättiger Wasser Brennstoff Zwischenkühler Luft Nachkühler Verdichter Verdichter Turbine Quelle: [Korobitsyn, 1998] IEF-STE 2010 Sowohl Gasturbinen für den Singlebetrieb als auch gekoppelte Gas- und Dampfprozesse (GuD-Kraftwerke) sind in den letzten zwei Dekaden sukzessive weiter entwickelt worden, indem Wirkungsgrade verbessert und Anlagenleistungen gesteigert werden konnten. Dies wiederum führte dazu, dass die Stromerzeugung mit Gasturbinen und GuD-Kraftwerken sowohl national als auch global deutlich zunahm [Bohn, 2008a]. In der oberen Leistungsklasse werden derzeit Gasturbinen-Leistungen angeboten bzw. entwickelt, die oberhalb von 300 MW (z.b. Siemens SGT5-8000H: 340 MW el, General Electric GE9H: 325 MW, Mitsubishi M701F 334 MW) liegen. Der Einsatz derartiger Gasturbinen in GuD-Kraftwerken führt zu Anlagenleistungen, die in einem Bereich von ca. 480 MW (General Electric, Mitsubishi) bis 530 MW (Siemens) liegen. Während die Siemens 340 MW Gasturbine eine rein luftgekühlte Anlage ist, handelt es sich bei den Anlagen von GE und Mitsubishi um dampfgekühlte Gasturbinen mit geschlossenem Kreislauf. Die Gasturbinenwirkungsgrade liegen in einem Bereich von %. Von dieser Entwicklung profitieren auch die GuD-Prozesse. Lagen die GuD-Wirkungsgrade im Jahr 1991 noch bei ca. 53 %, betragen die Wirkungsgrade heutiger modernster Anlagen über 58 %. Mit den neuesten Gasturbinenentwicklungen werden Wirkungsgrade von 60 % angestrebt. Wesentliche Ursache

102 für die Wirkungsgradverbesserungen der vergangenen Jahre waren nach [Lechner & Seume, 2003] die Steigerung der Turbineneintrittstemperaturen, die Erhöhung der Komponentenwirkungsgrade von Turbomaschinen, die Einführung mehrstufiger Dampfprozesse (Abbildung IV-7) mit Zwischenüberhitzung, die Einführung der Brennstoffvorwärmung sowie die Reduzierung von Austritts- und Umlenkverlusten. 96 Abbildung IV-7: GuD-Prozess mit 3-Druckabhitzekessel Abhitzekessel Schornstein Brennstoff Luft Dampfturbine Verdichter Turbine Quelle: [Korobitsyn, 1998] IEF-STE 2010 Neben der Komponentenoptimierung stellt die weitere Steigerung der Turbineneintrittstemperatur die wesentliche Herausforderung für weitere Effizienzverbesserungen dar. Diese ist in den vergangenen Jahren sukzessive gesteigert worden. So werden in heutigen Gasturbinen ISO-Eintrittstemperaturen von 1230 C realisiert, die somit deutlich oberhalb der maximal zulässigen Materialgrenztemperaturen liegen. Nur mit Hilfe von optimierten Kühlkonzepten für die thermisch hoch belasteten Bauteile sowie den Einsatz geeigneter Materialien können derart hohe Temperaturen beherrscht werden. So beträgt die ISO-Eintrittstemperatur der 4 stufigen SGT5-8000H-Gasturbine der Firma Siemens, die derzeit am Standort Irsching getestet wird, mehr als 1300 C [Drenckhahn et al., 2009]. Dies wiederum erfordert in der 1. Turbinenstufe Einkristallschaufeln sowie zusätzlich in den ersten drei Stufen spezielle luftgekühlte Wärmedämmschichten. Darüber hinaus wurden die Dichtungssysteme zur Minimierung der Kühlluftverluste verbessert. Die Komponentenverbesserung umfasst z.b. eine Reduzierung der Verdichterstufen (13 Stufen), ein strömungstechnisch optimales Verdichterschaufeldesign z.b. durch Riblets [Lietmeyer et al., 2009] sowie ein variables Sekundärluftsystem, das eine flexiblere Fahrweise erlaubt. Nach Ansicht der befragten Experten bestehen zukünftig die größten Effizienzpotenziale in der weiteren Steigerung der Turbineneintrittstemperatur. Dies erfordert einen

103 höheren Kühlmitteleinsatz (Luft oder Dampf). Sowohl die Entwicklung adäquater Kühlkonzepte als auch die Entwicklung neuer Materialien sind daher grundlegende Voraussetzung und erfordern einen erheblichen Forschungsbedarf. Die nachfolgenden Ausführungen beschäftigen sich daher schwerpunktmäßig mit dampf- und luftbasierten Kühlkonzepten sowie erforderlichen Materialentwicklungen. 97 Prinzipielle Kühlungsarten Von allen möglichen Kühlungsarten (Abbildung IV-8) findet die Luftkühlung am häufigsten Anwendung. Demgegenüber befindet sich das Konzept der Dampfkühlung an der Schwelle der kommerziellen Reife und wird derzeit von General Electric und Mitsubishi favorisiert. Bei der Dampfkühlung bieten sich mehrere Varianten an, die von [Ausmeier, 1998, Kail, 1998, König, 2002] hinsichtlich der Wirkungsgradsteigerung sowie Kosten analysiert wurden. Abbildung IV-8: Prinzipielle Kühlungsarten Gasturbinenkühlung Luft H 2 O Andere Kühlmittel Konvektion Filmkühlung Transpiration Brennstoff/Luft Prallkühlung Effusion Dampf Wasser offen geschlossen Kommerziell Fast kommerziell Nicht verfügbar Quelle: eigene Darstellung nach [König, 2002] IEF-STE 2010 Dampfgekühlte Gasturbinen Bei der Dampfkühlung erfolgt die Kühlung der Leit- und Laufschaufeln der Gasturbine mit Dampf anstelle von Luft. Nach [Ausmeier, 1998] bestehen die wesentlichen Vorteile der Dampfkühlung in der größeren spezifischen Wärmekapazität des Dampfes, den niedrigen Dampftemperaturen sowie einem wesentlich geringeren Druckerhöhungsaufwand für Wasser, verglichen mit Luft. Daher sind die benötigten Kühlmittelmengen niedriger. Allerdings ist ein Abhitzekessel notwendig, und darüber hinaus sind die Leckageverluste zu berücksichtigen. Man unterscheidet zwischen der offenen und geschlossenen Dampfkühlung. Bei der offenen Dampfkühlung (Abbildung IV-9) wird der Kühldampf am Ende der Schaufeln dem Heißgas der Turbine beige-

104 mischt. Damit wird die an den Kühldampf übertragene Wärme dem Heißgasstrom wieder zugeführt. Allerdings erfordert die offene Variante einen hohen Wasserverbrauch, der mit hohen Kosten für die Wasseraufbereitung einhergeht. Ausmeier [1998] errechnet für den reinen Gasturbinenbetrieb einen Wirkungsgradgewinn von fast 5 Prozentpunkten gegenüber einer konventionellen luftgekühlten Gasturbine (Wirkungsgrad: 39,9 %). Allerdings führt die Kombination mit einem GuD-Prozess zu Wirkungsgradverlusten, da der im Rauchgas der Gasturbine befindliche Wasserdampf im Gegensatz zu einer Dampfturbine nur auf Umgebungsdruck entspannt wird. 98 Abbildung IV-9: Offene Dampfkühlung eines Gasturbinenprozesses Brennstoff Kühldampf Brennkammer Turbine Generator Verdichter Abhitzedampferzeuger ggf. Dampfturbinenteil Abgas/Dampf Quelle: [Ausmeier, 2002] IEF-STE 2010 Bei einer geschlossenen Dampfkühlung (Abbildung IV-10) kann der Dampf nach Beendigung der Schaufelkühlung in der Dampfturbine einer GuD-Anlage entspannt werden. Damit kann die dem Gasturbinenprozess entzogene Kühlwärme im Dampfprozess weitgehend zurückgewonnen werden. Gegenüber der Gasturbine entspannt die Dampfturbine auf einen sehr niedrigen Kondensatordruck, was energetisch vorteilhaft ist. Gegenüber einem konventionellen GuD-Kraftwerk (Wirkungsgrad 56,2 %) errechnet [Ausmeier, 1998] bei einer Sattdampfentnahme von 35 % der gesamten Dampfmenge einen Wirkungsgradgewinn von etwa 1,7 Prozentpunkten. Neben dem energetischen Vorteil, ist gegenüber dem offenen Kreislauf der niedrigere Wasserverbrauch als weiterer Vorteil zu sehen. Allerdings macht die Realisierung des geschlossenen Prozesses eine andere Dampfturbinenauslegung notwendig. Sowohl

105 die geschlossene als auch die offene Dampfkühlung können auch mit einer Luftkühlung kombiniert werden. Bei den Anlagen von General Electric und Mitsubishi handelt es sich um geschlossene Dampfkühlungen, kombiniert mit einer hiervon getrennten Luftkühlung. Abbildung IV-10: Geschlossene Dampfkühlung eines Gasturbinenprozesses 99 Brennstoff Brennkammer Kühldampf Turbine Generator Verdichter Abhitzedampferzeuger Dampfturbinenteil Abgas Quelle: [Ausmeier, 2002] IEF-STE 2010 Eine weitere Kühlungsvariante, die derzeit diskutiert wird, ist die Nutzung von Brennstoff als Kühlmittel. Das Prinzip beruht auf einer indirekten Zwischenverbrennung. Brennstoff wird der Kühlluft zwischen Leit- und Laufschaufel zugemischt und durch die vorherrschende Temperatur indirekt gezündet. Eine weitere Möglichkeit wäre, das Brenngas wie die Kühlluft in den Schaufeln zu führen und über Bohrungen durch den Kühlfilm in das Heißgas zu leiten und dort zu zünden. Hierdurch würde der Kühlluftbedarf vermindert. Der Effizienzgewinn besteht zum einen in der Zwischenverbrennung und zum anderen in der Verminderung des Kühlluftbedarfs. Die große Herausforderung besteht darin eine gezielte Oxidation zu realisieren. Eine weitere Schwierigkeit stellt das Strömen des Brennstoffstrahles durch den Kühlfilm dar. Ist die Kühlung unzureichend, führt die Verbrennung in Schaufelnähe zu hohen Wandtemperaturen, die eine Beschädigung der wärmedämmenden Schaufelbeschichtungen verursachen könnte [Ausmeier, 2002].

106 100 Luftgekühlte Gasturbine - Neue Konzepte und Materialien Das heute am häufigsten in Gasturbinen eingesetzte Kühlmedium ist Luft. Ein Teil der verdichteten Luft wird dem Verdichter entnommen und unter Umgehung der Brennkammer den Gasturbinenschaufeln zugeführt. Etwa ein Fünftel der vom Verdichter angesaugten Luft wird zu Kühlzwecken benötigt, steht dem eigentlichen Verstromungsprozess nicht zur Verfügung und wirkt sich somit nachteilig auf den Wirkungsgrad aus. Eine Steigerung der Turbineneintrittstemperaturen bewirkt auf der einen Seite eine Erhöhung des Gasturbinenwirkungsgrades, erfordert auf der anderen Seite auch einen höheren Kühlluftbedarf, der wiederum den Wirkungsgradgewinn reduziert. Zukünftige F&E Aktivitäten sollten sich daher insbesondere auf die Entwicklung von neuen Kühlkonzepten sowie geeigneten hochtemperaturbeständigen Materialien konzentrieren. Konzeptüberlegungen [Bohn, 2005, Bohn, 2007] gehen davon aus, dass für das Erreichen eines GuD-Wirkungsgrades von 65 % ISO- Gasturbineneintrittstemperaturen von fast 1500 C (17 bar) erforderlich sind. Darüber hinaus ist dieser Gasturbinenprozess mit dem Wasserdampfkreislauf auf Basis der 700 C-Dampfturbinentechnik zu kombinieren. Für Gasturbinen mit derart hohen Eintrittstemperaturen reichen die bekannten und heute eingesetzten Kühlungsarten wie Konvektions-, Prall- sowie Filmkühlung oder auch Kombinationen unterschiedlicher Kühlungsarten nicht aus. Im Rahmen des DFG-Sonderforschungsbereichs 561 ( Thermisch hochbelastete, offenporige und gekühlte Mehrschichtsysteme für Kombi-Kraftwerke ) werden daher u.a. neue Kühlungsarten und Werkstofflösungen analysiert, mit denen derart hohe Temperaturen beherrscht werden können. Darüber hinaus ist es von großer Bedeutung, alle Turbomaschinen aufeinander abzustimmen und zu optimieren. Eine Weiterentwicklung der Filmkühlung stellt die sogenannte Effusionskühlung dar. Sie unterscheidet sich von der Filmkühlung dadurch, indem die Kühlluft nicht durch Bohrungen sondern durch einen porösen Werkstoff hindurch gleichmäßig (Vermeidung von lokalen Überhitzungen) und kontinuierlich auf die gesamte Profiloberfläche geleitet wird (Abbildung IV-11). Während das Prinzip der Effusionskühlung darin besteht, einen homogenen Kühlungsfilm zu gewährleisten, wird bei der Transpirationskühlung zusätzlich ein Phasenwechsel des Kühlfluids angestrebt, der eine weitere Steigerung der Kühleffektivität bedeutet. Die Transpirationskühlung ist als langfristige Vision zu sehen. Eine wesentliche Herausforderung besteht darin, den Phasenwechsel gezielt steuern zu können.

107 101 Abbildung IV-11: Vereinfachte Darstellung der Effusionskühlung Kühlmittel Strukturwerkstoff Offenporige Zwischenschicht Heißgas Permeable Wärmedämmschicht Quelle: [Bohn, 2008b] IEF-STE 2010 Eine wesentliche Vorrausetzung für die Erhöhung der Turbineneintrittstemperatur ist die Entwicklung neuartiger Wärmedämmschichten (Thermal Barrier Coating, TBC), die den thermischen Beanspruchungen standhalten und über besondere Hochtemperaturkorrosionseigenschaften verfügen. Wie Untersuchungen zeigen, wirkt sich eine Erhöhung der Temperaturen negativ auf die Lebensdauer eines Bauteils aus [Sulzer, 2009]. So bewirkt beispielsweise eine Temperaturerhöhung um 30 C der ersten Leitschaufelreihe eine Verminderung der Lebensdauer (reines Kriechen) um 70 % [Gampe et al., 2005]. Dies unterstreicht die Notwendigkeit Materialien zu entwickeln, die auch unter extremen Bedingungen eine ausreichende Lebensdauer aufweisen. Da aus Kostengründen der Trend zu zustandsabhängigen Wartungsarbeiten anhalten wird, ist zukünftig eine verbesserte Diagnostik (z.b. exakte Temperaturprofilüberwachung) notwendig, was letztendlich zu niedrigeren Life-cycle-Kosten führt [Gampe et al., 2005]. Dies erfordert auch die Entwicklung von Modellen, mit deren Hilfe die Lebensdauer von Bauteilen (z.b. offenporige Bauteile) abgeschätzt werden kann. Die Steigerung der Heißgastemperaturen (>1400 C) erfordert den Einsatz von geeigneten Werkstoffen, der nicht nur die Turbinenschaufeln sondern auch andere heißgasbeaufschlagte Bauteile wie z.b. Brennkammerauskleidungen umfasst. Dies erfordert werkstofftechnische Verbundlösungen, bei der die mechanische Integrität des Grundwerkstoffs eines Bauteils gewährleistet wird. Als Schaufelwerkstoff haben sich für stationäre Gasturbinen Ni-Basiswerkstoffe durchgesetzt, da sie unter den Hochtemperaturbedingungen die notwendigen mechanischen, thermischen und chemischen Eigenschaften aufweisen. Darüber bieten sie vielfältige Möglichkeiten des Zulegierens mit anderen geeigneten Elementen, um sowohl Hochtemperatur- Korrosionsbeständigkeit (z.b. Cr, Al) als auch ausreichende Kriechfestigkeiten zu erzielen. Bei heutigen Turbinenschaufeln handelt es sich um gegossene einkristalline Bauteile. Die absolute Temperaturgrenze für einen langzeitigen Einsatz von Ni- Basislegierungen liegt nach [Lechner & Seume, 2003] wegen der Kinetik diffusions-

108 102 kontrollierter Vorgänge bei etwa 1150 C. Dies unterstreicht die Wichtigkeit der Entwicklung von geeigneten Wärmedämmschichten, die eine weitere Erhöhung der Fluidtemperaturen erlauben (Abbildung IV-12). Abbildung IV-12: Möglichkeiten zur Steigerung der Gasturbineneintrittstemperatur Quelle: [SFB-561, 2009] IEF-STE 2010 Der Schutz gegen korrosive sowie oxidative Einflüsse erfolgt mit Hilfe von Beschichtungen, die seit einiger Zeit auch eine Funktion als Wämedämmschicht übernommen haben. Hierdurch konnte die geforderte Lebensdauer der heißgasbeaufschlagten Teile ( bis Stunden) sowie der sonstigen Komponenten ( bis Stunden) aufrecht erhalten werden [Lechner & Seume, 2003]. Die Weiterentwicklung von Wärmedämmschichten stellt eine der großen technischen Herausforderungen der Werkstofftechnik für stationäre Gasturbinen dar. Ihre Weiterentwicklung ebnet den Weg für höhere Temperaturen sowie einen niedrigeren Kühlluftbedarf. So gilt es die derzeit im Einsatz befindlichen MCrAlY-Schichten (Bestandteile: Nickel, Chrom, Aluminium, Kobalt, Aluminium und Yttrium) weiter zu entwickeln, da sie für eine Modifikation der chemischen Zusammensetzung besonders geeignet sind. Wegweisend könnte die Entwicklung faserverstärkter Keramiken (z.b. aus Al 2 O 3 ) sein, da sie eine höhere Dehnungstoleranz der spröden Keramiken ermöglichen [vgl. Bohn, 2005, Siemens, 2007]. Durch eine Veränderung der Dichte und der Faserorientierung kann der Werkstoff an verschiedene Belastungen im Innern des Bauteils angepasst werden. So könnte mit eingebetteten Fasern die Neigung zur Sprödigkeit einer Keramik verringert werden. Für die Entwicklung derartiger Werkstoffe besteht erheblicher Forschungsbedarf. Dieser reicht von der Verbesserung des theoretischen Verständnisses des Materialaufbaus, des Materialverhaltens bei

109 103 höchsten Temperaturen bis hin zur Optimierung des Materialgefüges. Darüber hinaus gilt es, Herstellungs- und Fertigungsverfahren, Verbindungstechniken sowie geeignete Prüfverfahren zur Charakterisierung bzw. Qualitätssicherung zu entwickeln. Von großer Bedeutung ist die Entwicklung geeigneter Beschichtungsverfahren, wie beispielsweise das Multiquellen-Plasma-Beschichtungsverfahren. Hiermit lassen sich komplexe Wärmedämmschichtsysteme, die aus Wirk-, Haft-, und Barriereschichten bestehen, mit nanoskaliger Präzision und verschiedenen Materialkombinationen herstellen. Nach [HMWVL, 2008] bestehen durch die Weiterentwicklung solcher nanotechnikbasierter Verfahren erhebliche Optimierungspotenziale. Visionär und wünschenswert wären Gasturbinen mit minimalem Kühlluftbedarf, was eine erhebliche Wirkungsgradsteigerung bedeuten würde. Dies würde die Entwicklung von Turbinenschaufeln erfordern, die aus Vollkeramik bestehen und die notwendigen Eigenschaften (z.b. Temperaturfestigkeit, Dehnungseigenschaften, Korrosion) bei einer ausreichenden Lebensdauer aufweisen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf Entwicklungen des Unternehmens Kawasaki, das eine kleine Gasturbine (CGT-302, 300 KW el, Wirkungsgrad 42 %) mit vollkeramischen Bauteilen realisiert hat [Bohn, 2008c]. Nach [Fleischer & Oertel, 1999] sind die werkstoffseitigen Herausforderungen an die strukturkeramischen Komponenten im Vergleich zu den bisher erreichten Eigenschaften heute eingesetzter Materialien außerordentlich hoch. So stellt die Optimierung der Materialgefüge bei der Herstellung ein wesentliches Entwicklungsziel dar. Hierzu gehören nach [Fleischer & Oertel, 1999] auch geeignete Herstellungsverfahren für hochreine und hochfeine Pulver, die auch eine gezielte Beeinflussung des Mikrogefüges erlauben. Wegweisend könnte auch die Entwicklung von faserverstärkten Verbundwerkstoffen mit keramischer Matrix sein, wie sie heute bereits für Brennkammerverkleidungen eingesetzt werden. Als visionär ist die Entwicklung von Turbinenbauteilen aus kohlenstofffaserverstärkten Kohlenstoffen zu sehen, da sie Einsatztemperaturen von über 2000 C standhalten können und dabei z.b. ausreichende Festigkeitseigenschaften besitzen. Hierbei handelt es sich um einen Verbundwerkstoff, bei dem Kohlenstofffasern in eine ebenfalls aus Kohlenstoff bestehende Matrix (Carbon-Carbon-Composites, CC) eingebettet sind. Für die Entwicklung derartiger Werkstoffe besteht erheblicher Forschungsbedarf, der in weiten Teilen noch Grundlagenforschungscharakter besitzt. Verbrennung Die Vorgabe von NO x -Grenzwerten ist eine wichtige Randbedingung bei der Konzeption eines Gasturbinenverbrennungssystems. Die heutigen Grenzwerte liegen in Deutschland bei 25 ppm (15 % O 2 ). In einigen anderen Ländern liegen sie sogar noch niedriger. Dies bedeutet, dass neben einer geringen Temperaturdifferenz zwischen Verbrennungstemperatur und Turbineneintrittstemperatur auch das Ziel einer geringen Verweilzeit erfüllt sein muss, um die Bildung von thermischem NOx zu unterbinden. Hierfür sind kompakte Verbrennungssysteme entwickelt worden, die sich

110 104 durch einen geringen Kühlluftverbrauch auszeichnen [Lechner & Seume, 2003]. Die immer höheren Anforderungen führten in der Vergangenheit dazu, dass die Silobrennkammer durch das Ringbrennkammersystem abgelöst wurde und heute in fast allen großen Gasturbinen zu finden ist. Eine weitere Steigerung der Turbineneintrittstemperaturen sowie Absenkung der NOx-Grenzwerte bedarf der Entwicklung neuer Brennerkonzepte und der Weiterentwicklung neuer Brennkammerkonzepte insbesondere auch unter der Randbedingung, thermoakustisch induzierte Brennkammerschwingungen zu vermeiden. Katalytische Verbrennung Neben den zuvor beschriebenen Konzepten besteht die Möglichkeit der Eindüsung von Wasser oder Dampf zur Vermeidung thermisch bedingter Stickoxidbildung, die allerdings mit Wirkungsgradeinbußen erkauft wird. Für die Einhaltung stringenterer Grenzwerte bietet sich - analog zu heutigen Steinkohlekraftwerken - der Einsatz von Sekundärmaßnahmen (SCR 4 -Anlagen) an, der jedoch zusätzliche Kosten bedeutet und damit insbesondere für kleinere Gasturbinen problematisch sein dürfte. Eine andere Maßnahme, die niedrigste NO x -Emissionen garantieren würde, ist die katalytische Verbrennung. Dabei wird der Brennstoff (z.b. Erdgas) mit Hilfe von Katalysatoren und der Zugabe von Luft oxidiert, wodurch ein Rauchgas mit höchsten Temperaturen hergestellt werden kann (Abbildung IV-13). Die katalytische Verbrennung ist seit den 60er Jahren in vielen Ländern Gegenstand von Forschung gewesen. Allerdings wurde sie nie bis zur kommerziellen Reife entwickelt. Dies scheiterte im Wesentlichen an den eingesetzten Katalysatoren, die unter Einsatzbedingungen weder die geforderte Stabilität noch entsprechende Lebensdauern aufweisen konnten. Erst in jüngerer Zeit wurden insbesondere in den USA, Japan und Italien Forschungsarbeiten aufgenommen, die sowohl die Entwicklung geeigneter Katalysatoren sowie Anlagenkonzepte zum Inhalt haben. Tests an kleineren Versuchsanlagen zeigen, dass NOx-Emissionen von 1 bis 5 ppm eingehalten werden können. Schlüsselkomponente dieses Prozesses ist der Katalysator. Gegenstand heutiger Forschungsarbeiten ist die Entwicklung von Katalysatoren mit möglichst hohen Reaktionsraten und oberflächen, die bei höchsten Temperaturen unveränderte Eigenschaften aufweisen und eine Lebensdauer von mindestens Betriebsstunden aufweisen. Vielversprechende Katalysatormaterialien sind poröse Keramiken basierend auf Pd- und PdO-Katalysatoren. Während der Verbrennung ist ein großes Temperaturspektrum zu durchlaufen (Lufteintritt: ca. 300 C, Verbrennungsende: ca C). Derzeitige Anlagenkonzepte gehen daher von einer katalytischen Verbrennung aus, die in mehreren Stufen mit u.u. unterschiedlichen Katalysatoren praktiziert wird. [Vatcha, 1997, Betta, 1997] 4 Selective catalytic reduction

111 105 Abbildung IV-13: Vereinfachte Darstellung der katalytischen Verbrennung Rauchgas Wasser Dampf Katalysator Luft Brennstoff Anfahrbrenner Quelle: nach [Donau Carbon, 2009] IEF-STE 2010 Versuche mit katalytischer Verbrennung wurden an verschiedenen kleinen Gasturbinen durchgeführt. Das von der Firma Catalytica Energy System, Inc. entwickelte XONON -Cool Combustion System wurde in einer kleinen Gasturbine von Kawasaki Heavy Industries (M1A-13X, 1,5 MWel) sowie einer Gasturbine von General Electric (GE10-1, 11 MW el ) getestet. [Gocchi et al., 2006] Forschungsarbeiten werden derzeit vor allem in den USA, Japan und Italien durchgeführt. Im Jahr 2000 wurde von General Electric zur katalytischen Verbrennung ein eigenes Forschungs- und Testprogramm gestartet. Auch im Rahmen des amerikanischen FutureGen Programms werden im Kontext der Entwicklung eines Gasturbinenkonzeptes für Wasserstoff- und Syngasnutzung Konzepte der katalytischen Verbrennung in den Blick genommen. Eine Alternative zu den oben genannten Möglichkeiten stellt die Weiterentwicklung von Brennersystemen dar. Nach Ansicht der im Rahmen des Projektes befragten Experten ist auf diesem Gebiet noch ein erhebliches Entwicklungspotenzial vorhanden, um niedrigste NOx-Grenzwerte einhalten zu können. Die katalytische Verbrennung wird dagegen als Verfahren mit hohem technischen Risiko gesehen und daher deutlich weniger Chancen eingeräumt. Optimierte Kopplung von Gas- und Dampfturbinenprozess Das optimale Druckverhältnis einer Gasturbine für den GuD-Prozess ist kleiner als bei einem Solo-Gasturbinenbetrieb. Ein geringeres Druckverhältnis bedeutet einen niedrigeren Gasturbinenwirkungsgrad bei höheren Abgastemperaturen. Höhere Abgastemperaturen verbessern jedoch den nachgeschalteten Dampfprozess (Abhitzekessel, Dampfturbine), so dass für das GuD-Gesamtsystem ein Optimum zu finden ist. Durch die weitere Steigerung der Turbineneintrittstemperaturen werden auch die

112 106 Abgastemperaturen ansteigen. Dies erfordert eine Anpassung der Dampfturbinentechnik (700 -Technik). Ein hoher Dampfdruck bei kleinen Leistungen würde das Dampfvolumen und damit die zugehörigen Schaufelhöhen so stark reduzieren, dass die Hochdruckbeschaufelung große Verluste (überproportionales Anwachsen der Spaltverluste) aufweisen würde. Die druckseitigen Anforderungen gegenüber einer Dampfturbine, die in einem konventionellen Kraftwerksprozess eingesetzt wird, sind deutlich niedriger. Daher sind überkritische Dampfprozesse mit Abhitzekesseln aufgrund zu hoher Verluste nicht gebräuchlich [Lechner & Seume, 2003]. Die wesentlichen Maßnahmen zur Erhöhung des Wirkungsgrades sind daher die Steigerung der Frischdampf- sowie der Zwischenüberhitzungstemperatur [vgl. Kail, 1998]. Für zukünftige Gasturbinen mit höchsten Turbineneintrittstemperaturen sind entsprechend den Anforderungen eines Kopplungsprozesses neue Schaltungskonzepte für den nachgeschalteten Abhitzekessel (heute: 3-Druck-Prozess mit ZÜ) in Kombination mit der Dampfturbine zu entwickeln. Darüber hinaus gilt es, materialtechnische Lösungen für die Realisierung einer Dampfturbine zu finden, die höchsten Dampftemperaturen genügen. Hierzu zählt auch die Entwicklung geeigneter Kühlkonzepte [vgl. Bohn, 2008b] für heiße Dampfturbinenbauteile (z.b. Gußgehäuse), um Materialkosten zu senken (vgl. Kapitel II: Kohlegefeuerte Kraftwerke). Des Weiteren ist die Entwicklung von Entwässerungskonzepten notwendig. Gasturbine mit anderen Arbeitsfluiden Wasserstoff Für Kohlekombikraftwerke (IGCC) werden Gasturbinen benötigt, die einen Einsatz von Synthesegas, wasserstoffreichem Gas oder Wasserstoff erlauben und höchste Wirkungsgrade besitzen. Die wenigen heute in Betrieb befindlichen IGCC-Kraftwerke sind lediglich mit herkömmlichen Gasturbinen ausgerüstet. Eine eigene Gasturbinenentwicklung für einen IGCC-Prozess ist von den Herstellerunternehmen aufgrund der fehlenden Nachfrage nach IGCC-Kraftwerken bislang nicht erfolgt. Im Kontext des amerikanischen FutureGen Programms, das die Entwicklung einer hoch optimierten Polygeneration-Anlage mit höchsten Wirkungsgraden zum Ziel hat, ist die wasserstoffbetriebene Gasturbine Bestandteil des F&E-Portfolios. Vom amerikanischen Department of Energy (DOE) wurde Ende 2005 ein entsprechendes Forschungs- und Entwicklungsprojekt mit Beteiligung von Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen unter Federführung der Siemens Power AG 5 gestartet [Bancalari et al., 2007]. Das Projekt, dessen Laufzeit auf über 10 Jahre angelegt ist, besteht aus insgesamt 3 Phasen: In der ersten Phase wurden u.a. erste Konzeptstudien für die einzelnen Gasturbinenkomponenten erstellt sowie erste Prozessrechnungen durchgeführt. We- 5 DOE contract No. DE-FC26-05NT42644

113 107 sentliches Ergebnis ist eine detaillierte R&D-Roadmap, in der die Wege für eine Entwicklung skizziert werden. Es ist geplant, dass die Gasturbine in Kombination mit unterschiedlichsten Vergasern und Luftzerlegungsanlagen genutzt werden kann. In Phase 2 ist die Entwicklung und Auslegung der eigentlichen Gasturbine vorgesehen. Grundlage bildet die Siemens Turbine SGT6-6000G. Ziel ist die Weiterentwicklung, um Wasserstoff bzw. wasserstoffreiches Gas mit höchsten Wirkungsgraden und niedrigsten NOx-Emissionen nutzen zu können. In einem ersten Schritt soll das heute bereits für die F-Klasse verfügbare Brennersystem auf die G-Klasse übertragen werden. Weitere F&E Felder sind die Umsetzung neuer Kühlkonzepte sowie von Materialentwicklungen. Ausgehend von dem in FutureGen zugrunde gelegten IGCC- Konzept wurde die Integration der Gasturbine untersucht und die speziellen Anforderungen (optimales Druckverhältnis, Feuerungstemperatur etc.) festgelegt. Darauf aufbauend wurden erste Auslegungsrechnungen für den Verdichter (Verdichtungsstufen, Strömungsgeometrien etc.) durchgeführt. Für das Brennersystem werden unterschiedliche Konzepte (Diffusionsbrenner, Vormischbrenner, katalytische Verbrennung) untersucht. Mit Hilfe von Brennkammermodellen werden die Verbrennungsabläufe für Wasserstoff bzw. wasserstoffreiches Syngas auf der Basis von CFD- Rechnungen simuliert. Für die eigentliche Turbine werden neue Strömungs- sowie Kühlungskonzepte analysiert und entwickelt. Die Auswahl der Materialen spielt in Analogie zu konventionellen erdgasbefeuerten Gasturbinen eine ebenfalls entscheidende Rolle. So werden für den Einsatz Oberflächenbeschichtungen sowie andere Konzepte und Materialen (z.b. Ceramic Matrix Composite, CMC) in Erwägung gezogen. Mit einem Testbetrieb (Phase 3) wird in etwa fünf Jahren gerechnet. Kohlendioxid/Wasserdampf Die Abscheidung von CO 2 in erdgasbefeuerten Kraftwerken ist derzeit in Deutschland kein F&E Thema. Als eine Ursache kann vermutet werden, dass die Erdgasverstromung mit etwa 14 % nur einen relativ niedrigen Anteil an der gesamten Stromerzeugung aufweist. Der wesentlichere Grund dürfte sein, dass die spezifischen Abscheidekosten deutlich über denen eines Kohlekraftwerkes mit CCS-Technologie liegen. Gründe hierfür sind die niedrigen spezifischen CO 2 -Emissionen für Erdgas, die im Fall eines Einsatzes von CCS-Technik deutlich niedrigere absolute CO 2 - Abscheidemengen zur Folge haben. Darüber hinaus stellen die hohen Erdgaspreise und deren Volatilität ein weiteres Hemmnis dar, da sie die mit der CO 2 -Abscheidung verbundenen Wirkungsgradverluste in besonderem Maße pönalisieren [Linssen et al., 2006]. International wird der Einsatz von CCS-Technik auch in Erdgaskraftwerken diskutiert [IPCC, 2005]. Ein Grundkonzept ist die Verbrennung von Erdgas mit Sauerstoff, für das eine Vielzahl von Varianten mit geschlossenem Kreislauf (z.b. GRAZ-Cycle, MATIANT-Cycle) oder offenem Kreislauf (z.b. Oxyfuel-Verfahren) existieren [Kvamsdahl et al., 2004]. Für derartige Prozesse ist u.a. die Entwicklung neuer Gasturbinen-

114 108 konzepte für neue Arbeitsfluide (z.b. CO 2 /H 2 O) erforderlich. Da sich die derzeitigen F&E Aktivitäten in Deutschland aus gutem Grund auf kohlegefeuerte Kraftwerke konzentrieren, wird aus nationaler Sicht kein signifikanter F&E-Bedarf gesehen. Luft Der external fired combined cycle(efcc)-prozess erfordert den Einsatz von Luftturbinen, die zwar heute in kleineren Ausführungen aber nicht für den großtechnischen Einsatz existieren. Intensive F&E Arbeiten, die für eine Entwicklung solcher Gasturbinenkonzepte notwendig sind, sollten erst dann erfolgen, wenn sich die erfolgreiche Entwicklung der eigentlichen Schlüsselkomponente (Hochtemperatur-Wärmeüberträger) abzeichnet (siehe Kapite II: Kohlegefeuerte Kraftwerke). IV.3 Bewertung des Technologiefeldes Die Bewertung des technischen und wirtschaftlichen Forschungs- und Entwicklungsrisikos von Gas- und GuD-Kraftwerken vor dem Hintergrund der im Rahmen des Projektes definierten Szenarien ist in Tabelle IV-1 dargestellt. Wie zuvor erläutert, besitzt die Steigerung der Turbineneintrittstemperatur hinsichtlich weiterer Wirkungsgradgewinne größte Bedeutung. Eine nochmals deutliche Steigerung der heute erreichten Temperaturen von 1230 C auf langfristig 1500 C erfordert die Entwicklung visionärer Kühlkonzepte und neuer Werkstoffe bzw. Werkstoffbeschichtungen für die Hochtemperaturbauteile der Gasturbine. Diesbezüglich ist das technische Forschungsund Entwicklungsrisiko als eher hoch, was unabhängig von der jeweiligen Szenariowelt gilt. Im Gegensatz zu kohlegefeuerten Anlagen ist der Einsatz von GuD-Kraftwerken mit CO 2 -Abscheidetechnik aufgrund der hohen spezifischen Vermeidungskosten wenig wahrscheinlich. Es ist eher davon auszugehen, dass GuD-Kraftwerke ohne CCS in einem Klimaschutzszenario flankierend zu Kohlekraftwerken mit CCS eingesetzt werden, da sie sich durch eine hohe Betriebsflexibilität auszeichnen. Daher ist es umso zwingender, den Wirkungsgrad des Kombiprozesses weiter zu steigern, um so den Primärenergieeinsatz und damit den CO 2 -Ausstoß zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund dürfte sich das wirtschaftliche Forschungs- und Entwicklungsrisiko der Szenarienwelten Moderat und Klimaschutz nicht unterscheiden. Im Ressourcen- Szenario wird eine Ressourcenverknappung unterstellt, die sich in extrem hohen Energiepreisen (insbesondere Erdgaspreisen) widerspiegelt. Unter einer solchen Prämisse dürfte der Einsatz von Erdgas und somit der von erdgasgefeuerten GuD- Kraftwerken nach 2030 stagnieren oder gar abnehmen. Dies führt letztendlich zu der Einschätzung, dass das wirtschaftliche Forschungs- und Entwicklungsrisiko im Vergleich zu den beiden anderen Szenariowelten deutlich höher eingeschätzt werden muss. Unterstellt man eine extreme Ressourcenverknappung, stellt sich die Frage

115 109 nach möglichen technischen Alternativen, die die Versorgungsaufgabe der Erdgaskraftwerke übernehmen könnten. Eine Möglichkeit könnte die Stromerzeugung auf der Basis von Kohlevergasung darstellen. Insbesondere für diese Szenariowelt wäre die Entwicklung von Gasturbinentechnik für wasserstoffreiche Gase notwendig. Für das Erreichen eines GuD-Kraftwerkswirkungsgrades von 65 % sind neben der Halbierung des Kühlmittelstromes Turbineneintrittstemperaturen von 1500 C notwendig. Dies erfordert eine weitere Steigerung der Kühleffektivität und die Entwicklung neuer Materialien. Beides bedarf erheblicher Forschungsanstrengungen. Darüber hinaus sind Konzepte für die Kombination von Dampfturbinen mit höchsten Frischdampftemperaturen notwendig. Tabelle IV-2 zeigt das Entwicklungsstadium von Gasturbinen mit Eintrittstemperaturen von 1500 C und kühlmittelsparender Kühltechnik (Transpirationskühlung). Sowohl die Materialentwicklung als auch die Kühlungstechnik befinden sich derzeit zwischen Ideenfindung und früher F&E-Phase. Ähnlich einzuordnen ist die Entwicklung von Vollkeramikschaufeln für große Gasturbinen, die einen Wirkungsgradsprung ermöglichen würde. F&E Arbeiten sollten daher sowohl die Entwicklung neuer Materialien und Kühlkonzepte als auch die hierfür erforderlichen Herstellungs-, Fertigungsverfahren und Verbindungstechniken in den Blick nehmen. Tabelle IV-1: Bewertung des technischen und wirtschaftlichen Forschungsund Entwicklungsrisikos von erdgasgefeuerten Gasturbinen und GuD-Kraftwerken Szenario 1: Moderat Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 2: Klimaschutz Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 3: Ressourcen Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist sehr gering gering eher gering eher hoch hoch Sehr hoch Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

116 110 Tabelle IV-2: Aktuelles Entwicklungsstadium von 1500 C-Gasturbinen 1500 C-Gasturbinen mit visionären Kühlkonzepten (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Eine Vielzahl der zuvor diskutierten Gasturbinenkonzepte ist seit langem bekannt. Viele dieser Konzepte scheiterten an den zu hohen Kosten oder wegen des zu hohen technischen Risikos. Von allen dargestellten Varianten wird die Zwischenerhitzung als besonders aussichtsreich angesehen. Die Nutzung von Brennstoff als Kühlmittel stellt ebenfalls eine innovative Weiterentwicklung dar. Die Realisierung einer gezielten Oxidation stellt hierbei die größte Herausforderung dar und bedarf intensiver F&E-Aktivitäten. Derzeit wird das Konzept der Dampfkühlung in großen Gasturbinen von General Electric und Mitsubishi favorisiert und umgesetzt. Das Konzept der Dampfkühlung befindet sich daher zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung (Tabelle IV-3). Tabelle IV-3: Aktuelles Entwicklungsstadium von Dampfkühlung Dampfkühlung (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

117 111 Die Entwicklung von Gasturbinen für wasserstoffreiche Gase besitzt insbesondere in den USA sowie Japan große Priorität. Hintergrund ist die Entwicklung eines IGCC- Kraftwerks mit CCS-Technik. Wasserstoffbefeuerte Gasturbinen sind daher ein wesentliches Element des amerikanischen FutureGen Forschungsprogramms. Zwar wird bereits heute der Einsatz von wasserstoffreichen Gasen in kleinen Gasturbinen praktiziert (z.b. Raffinerien). Allerdings ist für den Einsatz in großen Gasturbinen noch erheblicher F&E-Aufwand notwendig, wie die derzeitigen international laufenden F&E Arbeiten zeigen. Das Entwicklungsstadium von Gasturbinen für wasserstoffreiche Gase wird daher als zwischen F&E und Demonstration befindlich eingestuft (Tabelle IV-4). Inwieweit der Einsatz von wassserstoffbetriebenen Gasturbinen letztendlich zum tragen kommt, hängt derzeit maßgeblich davon ab, ob sich das Precombustion Kraftwerkskonzept gegenüber anderen CCS-Techniklinien (z.b. Postcombustion, Oxyfuel) durchsetzen kann. Tabelle IV-4: Aktuelles Entwicklungsstadium von Gasturbinen für wasserstoffreiche Gase Gasturbine für wasserstoffreiche Gase (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Tabelle IV-5: Aktuelles Entwicklungsstadium der katalytischen Verbrennung Katalytische Verbrennung (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

118 112 Die katalytische Verbrennung steht derzeit in einigen Ländern im Fokus internationaler F&E-Aktivitäten. Nach Ansicht der im Rahmen des Projekts befragten Experten ist sie jedoch mit erheblichen technischen Risiken verbunden. Insbesondere vor dem Hintergrund der Reduzierung von NOx-Emissionen wird für die Weiterentwicklung etablierter Konzepte (z.b. Weiterentwicklung von Mischbrennern) noch ein erhebliches Potenzial gesehen. Das Entwicklungsstadium wird als zwischen F&E und Demonstration befindlich eingestuft (Tabelle IV-5). Beitrag zur Energieeffizienz Heutige moderne GuD-Kraftwerke erreichen Wirkungsgrade von 59 %. Bis zum Jahre 2050 werden Wirkungsgrade von 65 % als erreichbar angesehen. Das primärenergieseitige Einsparpotenzial, das der Einsatz derart effizienter GuD-Kraftwerke (ohne CO 2 -Abscheidetechnologie) ermöglicht, zeigt Tabelle IV-6. Die angegebenen Einsparungen ergeben sich aus dem szenarienabhängig unterstellten Zubau effizienterer Anlagen und deren voraussichtlich erreichtem Wirkungsgradniveau. Referenzbasis sind heutige moderne GuD-Kraftwerke mit Wirkungsgraden von 59 %. Die Wirkungsgrade der bis 2020 zugebauten GuD-Kraftwerke werden mit 61 % veranschlagt, bis 2030 erfolgt eine weitere Steigerung auf 62 % und bis 2050 auf 65 %. Der GuD-Kraftwerkszubau (Ersatz, Neubau) bis 2020 wurde für die hier betrachteten Szenarienwelten mit 11 GW gleich hoch angesetzt. Er steigt in den Szenarien Moderat und Ressourcen bis 2030 auf jeweils 17,1 GW und im Klimaschutz-Szenario auf 19,1 GW. Bis 2050 wird eine weitere Steigerung auf 30 GW (Moderat) bzw. 32 GW (Klimaschutz) unterstellt. Beim Ressourcen-Szenario wird dagegen aufgrund des starken Anstiegs der Primärenergiepreise kein weiterer Zubau angenommen. Alle GuD-Anlagen sind ohne CO 2 -Abscheidetechnik ausgeführt. Tabelle IV-6: Jährlich vermiedener Primärenergieeinsatz durch GuD- Kraftwerke Vermiedener Primärenergieeinsatz durch GuD-Kraftwerke [PJ/a] Deutschland Szenario 1: Moderat (ohne CCS) Szenario 2: Klimaschutz (ohne CCS) Szenario 3: Ressourcen (ohne CCS) ,2 13,2 13, ,0 27, ,6 71,1 24 Anmerkung: Vermiedener Primärenergieeinsatz im Bezugsjahr. Quelle: eigene Berechnung IEF-STE 2010

119 113 Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz Der Anteil fossil gefeuerter Kraftwerke an den gesamten CO 2 -Emissionen liegt global als auch für Deutschland bei über 40 %. Um einen Beitrag zu den Klimaschutzzielen der Bundesregierung zu liefern, besitzt die Effizienzsteigerung der Kraftwerke allergrößte Bedeutung. Tabelle IV-7 zeigt das CO 2 -Einsparpotenzial von effizienteren GuD-Kraftwerken ohne CO 2 -Abscheidetechnologie. Die angegebenen Einsparungen ergeben sich wie zuvor aus dem Anlagenzubau und den Wirkungsgradsteigerungen. GuD-Kraftwerke mit heutiger modernster Technik bilden auch hier wieder die Referenzbasis. Tabelle IV-7: Jährlich vermiedene CO 2 -Emissionen durch GuD-Kraftwerke Vermiedene CO 2 -Emissionen durch GuD-Kraftwerke [Mio. t/a] Deutschland Szenario 1: Moderat (ohne CCS) Szenario 2: Klimaschutz (ohne CCS) Szenario 3: Ressourcen (ohne CCS) ,7 0,7 0, ,3 1,5 1, ,8 4,0 1,3 Anmerkung: Vermiedene Emissionen im Bezugsjahr. Quelle: eigene Berechnung IEF-STE 2010 Investitionsvolumen Der derzeitige Weltmarktanteil der deutschen Kraftwerksherstellerindustrie beträgt ca. 20 %. Deren Gesamtauftragseingang betrug im Jahr 2008 ca. 12,8 Mrd. [VDMA, 2009] und wird zu 75 % vom Export dominiert. Der in den Szenarien angenommene Kraftwerkszubau umfasst sowohl den Ersatz als auch den ggf. nachfragebedingten Zubau von GuD-Kraftwerken in Deutschland. Auf der Basis geschätzter spezifischer Investitionen wird das gesamte Investitionsvolumen auf der Basis der jeweiligen Szenariowelten ohne Berücksichtigung des Exports hochgerechnet. Das geschätzte für die Errichtung der Kraftwerke notwendige Investitionsvolumen ist in Tabelle IV-8 als mittlerer Jahreswert dargestellt. Entsprechend den zuvor erläuterten Szenariowelten errechnen sich für alle drei Welten bis 2030 etwa gleich hohe jährliche Investitionsvolumen. Nach 2030 erfolgt im Ressourcenszenario auf Grund sehr hoher Gaspreise kein weiterer Zubau von GuD-Kraftwerken, das Investitionsvolumen fällt dementsprechend auf Null, während sich für die beiden anderen Szenarienwelten kaum Veränderungen ergeben.

120 114 Tabelle IV-8: Investitionsvolumen durch GuD-Kraftwerke in Mrd /a in Deutschland Investitionsvolumen durch GuD- Kraftwerke [Mrd. /a] Szenario 1: Moderat (ohne CCS) Szenario 2: Klimaschutz (ohne CCS) Szenario 3: Ressourcen (ohne CCS) ,46 0,46 0, ,27 0,36 0, ,34 0,34 - Anmerkung: Gemitteltes jährliches Investitionsvolumen Quelle: eigene Berechnung IEF-STE 2010 IV.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand Konzeptüberlegungen gehen davon aus, dass für das Erreichen eines Wirkungsgrades von mehr als 65 % Turbineneintrittstemperaturen von mehr als 1500 C (ISO) sowie gegenüber heutiger Technik die Halbierung des Kühlmittelstromes notwendig sind. Neben der optimalen Abstimmung aller Komponenten ist die Entwicklung von effektiven und kühlmittelsparenden Kühltechniken notwendig. Während mittelfristig die Effusionskühlung (homogener Kühlfilm) verfolgt wird, ist die langfristige Vision die Transpirationskühlung, bei der durch den Phasenwechsel im Kühlfluid eine weitere Steigerung der Kühleffektivität erreicht werden könnte. Zur Vermeidung lokaler Überhitzungen wäre der Einsatz von porösen gekühlten Oberflächenschichten denkbar. Die Herausforderung zur Umsetzung des Konzepts besteht in der Entwicklung neuartiger Wärmedämmschichten (TBC 6 ) mit entsprechenden Eigenschaften (thermische Beanspruchung, Korrosion, Oxidation) und ausreichender Lebensdauer. Ebenfalls wegweisend könnte die Herstellung von nanostrukturierten Wärmedämmschichten sein, die aus Wirk-, Haft- und Barriereschichten bestehen und sich mit Hilfe von Multiquellen-Plasma-Beschichtungsverfahren mit nanoskaliger Präzision und verschiedenen Materialkombinationen herstellen lassen. Die Entwicklung von Simulationsmodellen ist notwendig, um stationäre/transiente Betriebszustände, die Interaktion von Außen- und Kühlluftströmung sowie die Werkstoffeigenschaften gekühlter offenporiger Strukturen beschreiben zu können. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Validierung der Modelle mit entsprechenden Messdaten, die begleitend zu erheben sind. Aus heutiger Sicht ist für die zukünftige Effizienzsteigerung von Gasturbinen ein Zusammenspiel von Kühltechnik und Materialentwicklung notwendig. Visionär und wünschenswert wären Gasturbinen, die fast ohne Kühlung auskommen, was eine weitere Effizienzsteigerung bedeutet. Dies würde die Entwicklung von Turbinenschaufeln er- 6 Thermal Barrier Coating

121 115 fordern, die aus Vollkeramik bestehen und die notwendigen Eigenschaften (Temperaturfestigkeit, Dehnungs- und Korrosionseigenschaften) aufweisen, die einen Einsatz mit angemessener Lebensdauer ermöglichen. Wegweisend könnte die Entwicklung faserverstärkter Keramiken sein, da sie die Möglichkeit bieten, Werkstoffe und Bauteile maßgeschneidert herzustellen. Durch eine Veränderung der Dichte und der Faserorientierung kann der Werkstoff an verschiedene Belastungen im Innern des Bauteils angepasst werden. So könnte mit eingebetteten Fasern die Neigung zur Sprödigkeit einer Keramik verringert werden. Hinsichtlich des Einsatzes neuer Werkstoffe besteht erheblicher Forschungsbedarf. Dieser reicht von der Verbesserung des theoretischen Verständnisses des Materialaufbaus sowie des Verhaltens bei hohen Temperaturen bis hin zur Optimierung des Materialgefüges. Die Entwicklung verlässlicher Modelle zur Lebensdauerabschätzung ist ein weiterer wichtiger Meilenstein, da sie eine effiziente zustandsorientierte Wartung ermöglichen. Darüber hinaus gilt es, Herstellungs- und Fertigungsverfahren sowie geeignete Prüfverfahren zur Charakterisierung bzw. Qualitätssicherung zu entwickeln. Das optimale Druckverhältnis einer Gasturbine für den GuD-Prozess ist kleiner als bei einem Solo-Gasturbinenbetrieb. Ein geringeres Druckverhältnis bedeutet einen niedrigeren Gasturbinenwirkungsgrad bei höheren Abgastemperaturen. Höhere Abgastemperaturen verbessern jedoch den nachgeschalteten Dampfprozess (Abhitzekessel, Dampfturbine), so dass für das GuD-Gesamtsystem ein Optimum zu finden ist. Für zukünftige Gasturbinen mit höchsten Turbineneintrittstemperaturen sind entsprechend den Anforderungen eines Kopplungsprozesses neue Konzepte für den nachgeschalteten Abhitzekessel (heute: 3-Druck-Prozess mit ZÜ) und die 700 C- Dampfturbine zu entwickeln. Neue GuD-Kraftwerksprozesse, wie z.b. der IGCC-Prozess mit CO 2 -Abscheidung erfordern die Entwicklung von Gasturbinen auf der Basis anderer Energieträger. Insbesondere für den oben erwähnten Prozess ist für einen optimalen Betrieb eine Gasturbine mit einem neuen Verbrennungssystem zu konzipieren, die den Einsatz von Wasserstoff oder wasserstoffreichem Gas ermöglicht. Sowohl für solche Prozesse als auch für die konventionellen Gasturbinenprozesse ist die Entwicklung geeigneter Vormischbrenner notwendig, die eine weitere Steigerung der Turbineneintrittstemperatur bei niedrigsten NOx-Emissionen ermöglichen und den Einsatz teurer Alternativen (z.b. SCR-Verfahren) nicht erfordern.

122 116 IV.5 Anhang: Datenblatt Gasturbinen- und GuD-Kraftwerke Technologiefeld Gasturbinen-, GuD-Kraftwerke Technische Beschreibung Physikalisches Prinzip Verbrennung von Erdgas und Nutzung in einer Gasturbine Wichtige Bestandteile Brennkammer, Verdichter, Turbine Bei GuD: zusätzl. Abhitzekessel, Dampfturbine Sonstige Merkmale Erprobte Technik, Betriebserfahrungen über viele Dekaden, GuD werden seit Anfang der 80er Jahre eingesetzt Wirkungsgrad/Nutzungsgrad Gasturbine: ca % (Stand der Technik, je nach Größe u. Einsatzzweck) GuD: ca. 59 (Stand der Technik), 60% (Pilotkraftwerk Irsching, Testbetrieb) GuD: 65% (nach 2020), >65% (langfristig) Technik Installierte Leistung Gasturbinenkraftwerke: D: 23,4 GW tnetto (2008) derzeit in Bau: 3,3 GW (Gesamte Elektrizitätserzeugung) davon etwa ca. 3 GW (Solo-Gasturbinen), Einsatz überwiegend in der Industrie Weltweit installierte Gas-Kraftwerke: GW (2007), 26% der weltweit installierten Kapazität Wichtige Pilotprojekte: Kraftwerk Irsching 530 MW (Gasturbine 340 MW, Dampfturbine 190 MW) AG Turbo, SFB 561, COORETEC Entwicklungsstand Kommerziell Demonstration F&E Ideenfindung Turbineneintrittstemperatur (TET) 1230 C (ISO) Ringbrennkammer Abhitzekessel: 3 Druck mit Zwischen überhitzung KW Irsching Weltweit größter Turbosatz auf einer Welle (340 MW) Kleine Gasturbinen (<500 kw) mit Vollkeramikschaufeln Neue Kühlkonzepte (Effussionskühlung) Hochtemperaturbeständige Materialien (faserverstärkte Keramiken, Oberflächenbeschichtungen) Herstellung von Oberflächenbeschichtungen durch Einsatz von Nanotechnik Entwicklung von Fertigungs- und Herstellungsverfahren Weg zum Kraftwerk >65% Turbinenschaufeln aus Vollkeramik (keine Kühlung erforderlich), (inkl. Methoden, Modellierung) Gradierte Werkstoffe Transpirationskühlung Ökonomie Kosten (heute) Investitionen: Betriebskosten: GuD: 450 /kw Aktuelle Preise liegen deutlich höher (ca. +50%), aufgrund der starken Nachfrage und hohen Werkstoffkosten. Aufgrund der Finanzkrise und der aktuell stark fallenden Nachfrage kann dieser Trend nicht bis 2050 fortgeschrieben werden. 2-3 Ct/kWh (einschl. Wartung) Wartung: s.o.

123 117 Ökologie Umfeld Hemmnisse Potenziale von GuD-Kraftwerken ohne CCS, in Abhängigkeit der Szenarien Emissionen Installierter Neubau, kumuliert (GW) Sz Moderat Sz Klimaschutz Sz Ressourcen Stromerzeugung, kumuliert (TWh) Sz Moderat Sz Klimaschutz Sz Ressourcen Primärenergieeinsparung (PJ/a) Sz Moderat Sz Klimaschutz Sz Ressourcen CO 2 -Einsparung (Mio. t/a) Sz Moderat Sz Klimaschutz Sz Ressourcen Investitionsvolumen (Mrd /a) Sz Moderat Sz Klimaschutz Sz Ressourcen ,2 13,2 13,2 0,7 0,7 0,7 0,46 0,46 0,46 17,1 19,1 17, ,6 24 1,3 1,5 1,3 0,27 0,36 0,27 Referenztechnologie: Heutige bestmögliche GuD-Kraftwerke (η el : 59%, Investitionskosten: 450 /kw). GuD-Neubau: η GuD-KW, ohne CCS: 61% (2020), 62% (2030), 65% (2050); Investitionskosten ( /kw): 500 (2020), 536 (2030), 626 (2050) NOx-Emissionen (gering) Ressourcen Erdgas (Derzeitige Importquote: ca. 85%) Sonstige - Umweltrisiken Firmen Deutschland: ALSTOM, MAN AG, Siemens International: GE, Mitsubishi, Kawasaki, Rolls Royce, ABB etc. Forschungseinrichtungen Deutschland: Zahlreiche Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen (z.b. HGF), F&E Initiativen (RWTH Aachen: SFB 561 etc.). Besondere Anmerkungen Technisch Wirtschaftlichkeit Sonstige , ,6 71,1 24 3,8 4,0 1,3 0,34 0, % der derzeitigen deutschen Bruttostromerzeugung wird in Gaskraftwerken erzeugt. Gasturbinen zeichnen sich durch eine sehr gute Regelfähigkeit und flexible Fahrweise aus. Durch die zunehmende Integration fluktuierender erneuerbarer Energien, kommt der Systemregelung und damit dem Einsatz von Gasturbinen eine besondere Rolle zu. F&E Netzwerke zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen (Hersteller und Betreiber) sind sehr effizient. Deutschland besitzt bei der Entwicklung effizientester Gasturbinenkraftwerke seit vielen Jahren eine weltweite Spitzenstellung. Derzeit in Deutschland gebaute Kraftwerke weisen die weltweit höchsten Wirkungsgrade auf. Im KW Irsching wird die derzeit weltweit größte Gasturbine getestet. (Weltweit größter Turbosatz auf einer Welle: 340 MW). Die Steigerung der TET sowie die Verringerung des Kühlmittelbedarfs sind Voraussetzung für weitere Steigerung der Gasturbinenwirkungsgrade. Beide Maßnahmen sind in Kombination zu sehen und erfordern die Entwicklung adäquater Werkstoffe. F&E Schwerpunkt sollte auf die Entwicklung neuer Materialien (Qualifizierung, Herstellung, Fertigung) sowie Kühlkonzepte gelegt werden. Der kommerzielle Betrieb stellt eine weitere Stufe und Herausforderung zum Testbetrieb dar, da die gegenüber dem Betreiber bestehenden Garantien einzuhalten sind. Weitere Möglichkeiten zur Effizienz- oder Leistungssteigerung von Gasturbinen lassen sich durch Zwischenerhitzung, Zwischenkühlung sowie der Zumischung von Wasserdampf (STIG) oder der Aussättigung mit feuchter Luft (HAT) erzielen. Alle Konzepte sind seit langem bekannt, werden jedoch in der Regel aus wirtschaftlichen Gründen nicht umgesetzt, da Nutzen, technischer Aufwand und Risiken nicht vereinbar sind und der Einfluss auf die Verfügbarkeit unklar ist. Durch relativ niedrige Kapitalkosten werden die Gestehungskosten durch variable Kosten (Brennstoffkosten) geprägt. Stark fluktuierende Erdgaspreise führen zu hohen Preisrisiken. Hohe Importabhängigkeit. Anzahl der Lieferländer bzw. deren Gasförderung wird sich in den nächsten Dekaden verringern. Gleiches gilt für die nationale Erdgasförderung, die sich reduzieren wird. Hierdurch wird die Importabhängigkeit noch weiter zunehmen.

124 118 IV.6 Literatur Ausmeier, S. (2002): Innovative Gasturbinen-Prozesse zur Steigerung von Wirkungsgrad und Wirtschaftlichkeit. Dissertation (Universität Essen), Fachbereich Maschinenwesen, Essen Bancalari, E.; Chan, P.; Diakunschak, I. S. (2007): Advanced Hydrogen Turbine Development. Betta, R. (1997): Catalytic combustion gas turbine systems: the preferred technology for low emissions electric power production and co-generation. Catalysis Today 35 (1997) Bohn, D. (2005): Technologien für die Gasturbinen der übernächsten Generation. In: VGB Power Tech 7/2005, S Bohn, D. (2007): Improved Cooling Concept for Turbine Blades of High-temperature Gas Turbines. In: VGB Power Tech 12/2007, S Bohn, D. (2008a): Future Developments for CO 2 free Power Plant Technologies with Integrated Gas Turbines. In: VGB PowerTech 8/2008, S Bohn, D. (2008b): Die Entwicklung offenporöser Mehrschichtsysteme für Dampfturbinen der 700 C-Technologie. In: VGB PowerTech 10/2008, S Bundesnetzagentur (2009): Monitoringbericht 2009, Gocchi, S. et al. (2006) Catalytic combustion system for a 10 MW class generation gas turbine. Catalysis Today 117 (2006), Drenckhahn, W., Rukes, B., Riedle, K. (2009): Konventionelle Kraftwerkstechnik - Eine Frage der Effizienz. In: Brennstoff - Wärme - Kraft Bd.(61), Nr. 7/8, S Donau Carbon (2009): Fleischer, T., Oertel, D. (1999): TA-Projekt Neue Materialien zur Energieeinsparung und zur Energieumwandlung. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB), TAB-Arbeitsbericht Nr. 62, Juli Gampe, U., Raddatz, M., Dios, R., Freimark, M. (2005): Auswirkungen von Gastemperatur-Ungleichförmigkeiten am Turbineneintritt auf Bauteillebensdauer und Performance. In: VGB PowerTech 8/2005, S Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (HMWVL), (2008): Einsatz von Nanotechnologien im Energiesektor. Band 9 der Schriftenreihe der Aktionslinie Hessen-Nanotech, Hodrien, C. (2008): Advanced gas turbine power cycles. Vortrag im Rahmen British Flame Technical Meeting: New and unsual Power Generation Processes, Cardiff, June, 18 th Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC (2005): Carbon Dioxide Capture and Storage. Cambridge University Press, Kail, C. (1998): Analyse von Kraftwerksprozessen mit Gasturbinen unter energetischen, exergetischen und ökonomischen Aspekten. Dissertation (Technischen Universität München), München Kail, C., Rukes, B., Märker, W., Strobelt, F., Weber, I., Werner, K. (2009): Wirtschaftlichkeit und Betriebserfahrungen leistungssteigernder Maßnahmen bei Kombi- Kraftwerken. In: VGB PowerTech 10/2009, S

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126 120 V CO 2 -Abscheidung V.1 Beschreibung des Technologiefeldes Kohlendioxid kann bereits mit heute verfügbarer Technik aus CO 2 -haltigen Gasen abgeschieden werden. Diese Technik ist im Bereich der Chemieverfahrenstechnik auch im großskaligen Bereich z. B. bei der Düngemittelproduktion im Einsatz. Die Übertragung der CO 2 -Abscheidung auf den Kraftwerksbereich ist jedoch mit vielen technischen Neuerungen insbesondere im Bereich Systemintegration (Energie- und Stoffstrommanagement, Einbindung in den Kraftwerksprozess) verbunden, so dass in vielen Bereichen des Kraftwerksbaus fachliches Neuland betreten wird. Der Abscheidevorgang inklusive CO 2 -Konditionierung, Verflüssigung und/ oder Kompression erfordert einen zusätzlichen hohen Energieaufwand, so dass der elektrische Wirkungsgrad eines Kraftwerkes deutlich verringert wird. Für die Abtrennung von Kohlendioxid aus Gasgemischen bieten sich eine Vielzahl von Verfahren an; das Spektrum reicht von der Absorption und Adsorption über kryogene Trennung und Membranen bis hin zu biologischen Verfahren (vgl. [Göttlicher, 1999, COORETEC, 2003, IPCC, 2005]). Im Folgenden wird auf die aktuell favorisierten Techniklinien eingegangen sowie auf innovative Verfahren, die aus heutiger Sicht das höchste Effizienzpotenzial aufweisen, mit deren Einsatz jedoch erst mittel- bis langfristig zu rechnen ist. Die derzeit intensiv diskutierten Verfahrensvarianten (Abbildung V-1), deren Einsatz ab dem Jahr 2020 für wahrscheinlich gehalten wird, lassen sich wie folgt unterscheiden: Post-Combustion: CO 2 -Abtrennung aus dem Rauchgasstrom (End of Pipe) Oxyfuel: CO 2 -Aufkonzentration im Rauchgas durch eine sauerstoffgeblasene Verbrennung Pre-Combustion: CO 2 -Abtrennung aus dem reformierten Synthesegas einer Vergasungsanlage Allen Techniklinien ist gemein, dass neben der eigentlichen Abscheidung ein zusätzlicher energetischer Aufwand für die Konditionierung und Verdichtung/Verflüssigung des Kohlendioxids notwendig ist. Dieser zusätzliche Energieaufwand schlägt sich in einer signifikanten Wirkungsgradminderung des Kraftwerksprozesses nieder. Dem heutigen Stand der Technik entsprechend, werden je nach Technologielinie Wirkungsgradeinbußen in einer Bandbreite von 10 bis 14 Prozentpunkten angegeben. Für alle Technologierouten werden erhebliche Effizienzpotenziale gesehen. Mittel- bis längerfristig rechnet man mit Wirkungsgradeinbußen, die in einer Bandbreite von 8 bis 10 Prozentpunkten liegen. Darüber hinaus sind weitere Effizienzsteigerungen beispielsweise durch neue Trennprozesse denkbar, die es erlauben könnten, die

127 121 Wirkungsgradverluste auf deutlich unter 8 % zu reduzieren. So könnte der Einsatz von Membranen konventionelle Wäschen sowie die kryogene Luftzerlegung ablösen. Alternative Verfahren zum Sauerstofftransport (z. B. Chemical Looping) werden ebenfalls als attraktive Wege gesehen. Allerdings befinden sich diese Verfahren noch im Laborstadium, und eine technische Reife für den großskaligen Einsatz ist in den nächsten zwei Dekaden nicht zu erwarten. Abbildung V-1: Derzeit favorisierte Verfahrensrouten der CO 2 -Abscheidung in Kraftwerken Post Combustion CO 2 -Abtrennung Brennstoff Luft Konventionelles Dampfkraftwerk Rauchgasreinigung CO 2 Oxyfuel Luft Rauchgasreinigung Brennstoff O 2 N 2 /O 2 - Trennung Verbrennung/ Kessel CO 2 / H 2 O Kondensation CO 2 Pre Combustion Luft CO 2 -Abtrennung Brennstoff O 2 N 2 /O 2 - Trennung Vergasung Gasreinigung CO-Shift Verbr. / GuD mit H 2 -Turbine CO 2 Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Derzeit werden weltweit erhebliche Forschungsaktivitäten unternommen, um einen baldigen Einsatz von CCS-Techniken zu ermöglichen. Neben den nationalen und internationalen Forschungsprogrammen sind für den wissenschaftlichen Diskussionsprozess Netzwerke mit großer Sichtbarkeit installiert worden. Bei den internationalen Netzwerken ist auf die Aktivitäten der Internationalen Energieagentur (IEA) im Rahmen ihrer Implementing Agreements, des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und auf das Carbon Sequestration Leadership Forum (CSLF) hinzuweisen. Sie stellen internationale Plattformen dar, mit deren Hilfe die Ausrichtung und Bündelung von Forschungsarbeiten und der wissenschaftliche Informationsaustausch gewährleistet werden. Zusätzlich hat sich auf Initiative von Europäischer Kommission, Industrie, Wissenschaft und Nicht-Regierungsorganisationen die European Technology Platform for Zero Emission Fossil Fuel Power Plants (ZEP) gebildet, die ein EU-Programm zur Demonstration von CCS entworfen hat [ZEP, 2008].

128 122 V.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf Ausgehend von den aus heutiger Sicht aussichtsreichsten Technologierouten zur CO 2 -Abscheidung wird im Folgenden für die Technologielinien Post-Combustion, Oxyfuel sowie Pre-Combustion der aktuelle Entwicklungsstand sowie der künftige Entwicklungsbedarf beschrieben. Daran schließt sich eine Beschreibung von CCSinnovativen Lösungsansätzen an, die ein hohes Effizienzpotenzial bieten, mit deren Einsatz jedoch erst längerfristig gerechnet werden kann. V.2.1 Post-Combustion-Verfahren Wird die CO 2 -Abtrennung nach dem eigentlichen Verbrennungsprozess inklusive der nachgeschalteten Rauchgasreinigungssysteme (Staubfilter, Rauchgasentschwefelung, Entstickung) vorgenommen, spricht man von Post-Combustion-Verfahren. Die aus heutiger Sicht aussichtsreichsten Verfahren sind die chemischen Absorptionsverfahren, die oft auch als chemische Wäschen bezeichnet werden. Als mögliche Lösungsmittel werden derzeit aminbasierte, ammoniakhaltige oder alkalihaltige Lösungen favorisiert. Die grundsätzlichen chemischen Reaktionsschemata finden sich in Abbildung V-2. Abbildung V-2: Grundreaktionen der chemischen Absorption von CO 2 Ammoniak CO 2 + H 2 O + (NH 4 )2CO 3 2(NH 4 )HCO 3 Reaktionsenthalpie = 27 kj/mol Gas NH 3 + H 2 O NH OH - Gleichgewicht druck- u. temperaturabhängig MEA (Monoethanolamin) CO R-NH 2 R-NCO R-N + H 2 Reaktionsenthalpie = 85 kj/mol Kalium-Karbonat CO 2 + H 2 O + K 2 CO 3 2K2 HCO 3 Reaktionsenthalpie = 27 kj/mol Quelle: [Görner, 2009] IEF-STE 2010 Mit Hilfe dieser Lösungsmittel wird das im Rauchgas befindliche Kohlendioxid absorbiert. Anschließend wird das CO 2 aus dem beladenen Lösungsmittel mit Hilfe eines Regenerationsprozesses entfernt. Die Regeneration des Lösungsmittels wird durch einen Temperatur- und/oder Druckwechsel angeregt. Das Lösungsmittel wird dem Kreislauf wieder zugeführt und das abgeschiedene CO 2 für den Transport und die

129 123 anschließende Speicherung konditioniert. Absorption in flüssigen Lösungsmitteln ist eine industriell erprobte, weit verbreitete CO 2 -Abtrenntechnik, mit der hohe Reinheiten und Abtrenngrade erreicht werden. Die Lösungsmittel können organischer oder anorganischer Natur sein. Bei den anorganischen Lösungen handelt es sich um Alkalilösungen. Das aminbasierte Abscheideverfahren wird heute kommerziell in verschiedenen Chemieprozessen (z. B. Ammoniakherstellung) eingesetzt, wobei sich Monoethanolamine (MEA) als Lösungsmittel bewährt haben. Die Übertragung des Verfahrens auf Kraftwerksrauchgase stellt die eigentliche Herausforderung dar. In Verbindung mit den verschiedenen Kraftwerksprozessen und Rauchgaszusammensetzungen werden derzeit weitere mögliche Waschflüssigkeiten untersucht. Eine weitere Option stellt die Ammoniak-Wäsche dar. Auf dem Gebiet der Lösungsmittel sind Arbeiten der Industrieunternehmen Fluor, Mitsubishi Heavy Industries, Dow Chemical, Cansolv sowie BASF hervorzuheben. Im Vordergrund der Arbeiten stehen die Verbesserung der Stabilität und die Erhöhung der Wirksamkeit von Lösungsmitteln sowie die Reduzierung des für die Desorption erforderlichen Energieverbrauchs. Ziel ist die Senkung der derzeit noch sehr hohen Kosten. Abbildung V-3: Verfahrensschema einer CO 2 -Abtrennung aus dem Rauchgas (Post-Combustion) Quelle: [Hein & Fischer, 2002] IEF-STE 2010 Ein vereinfachtes Verfahrensschema einer Post-Combustion-Abtrennung zeigt Abbildung V-3. Nach der Kühlung des Rauchgases erfolgt die eigentliche Absorption bei einem Temperaturniveau zwischen 40 und 60 C. Die mit CO 2 beladene Flüssigkeit wird danach einem Regenerator (Stripper) zugeführt. Der Dampf für den notwendigen Temperaturwechsel für die Regeneration der Waschflüssigkeit wird dem eigent-

130 124 lichen Kraftwerksprozess bei einem Temperaturniveau von etwa C in Form von Niederdruckdampf entnommen, der für die Stromerzeugung nicht mehr zu Verfügung steht und maßgeblich verantwortlich für die erheblichen Wirkungsgradeinbußen dieses Post-Combustion-Prozesses ist. Maßgebliche Parameter für einen möglichst technisch optimalen und ökonomischen Betrieb einer Post-Combustion-Wäsche sind: Rauchgasvolumenstrom (dieser bestimmt maßgeblich die Größe und damit die Kosten eines Absorbers) CO 2 -Gehalt des Rauchgases sowie der Partialdruck des CO 2 (der Partialdruck des CO 2 liegt etwa in einem Bereich von 3 15 kpa. In diesem Bereich stellt die chemische Absorption das geeignete Verfahren dar) Grad der CO 2 -Abscheidung (typische Abscheidegrade werden mit etwa % angegeben. Höhere Abscheidegrade erfordern eine größere Dimensionierung der Abscheider und bewirken einen höheren Effizienzverlust und damit höhere Kosten) Lösungsmittelvolumenstrom (bestimmt wesentlich die Dimensionierung der hinter der eigentlichen Absorption befindlichen Komponenten) CO 2 -Reinheitsanforderungen (siehe Kapitel CO 2 -Abscheidung, -Transport und -Speicherung) Weltweit wurden im Rahmen von kleineren Versuchsprojekten und ersten kommerziellen Anwendungen bereits einige Kraftwerke mit CO 2 -Abscheidung errichtet. Eine der weltweit größten CO 2 -Wäschen in Verbindung mit einem Kraftwerksprozess (320 MW el ) wird in Shady Point (Oklahoma, USA) betrieben. Das abgeschiedene CO 2 wird von der Lebensmittelindustrie genutzt. Die aminbasierte chemische Wäsche erreicht eine Abscheideleistung von 800 t pro Tag, was etwa 15 % der gesamten CO 2 - Menge der Anlage entspricht. Ein weiteres Beispiel für die chemische Absorption auf Basis von Aminen ist das Sleipner-Projekt in Norwegen. Beim Sleipner-Erdgasfeld in der Nordsee wird mit Hilfe einer chemischen Wäsche etwa 1 Mio. t CO 2 pro Jahr aus dem geförderten Erdgas abgeschieden (Natural Gas Sweetening) und in einen geologischen Speicher verpresst. Vergleicht man die CO 2 -Abscheidung der Erdgasreinigung mit einer CO 2 -Kraftwerksrauchgasreinigung, sind die Randbedingungen und Ziele sehr unterschiedlich, wie Tabelle V-1 verdeutlicht. So liegt die Abscheiderate bei der Erdgasreinigung mit mindestens 98 % deutlich höher als die für den Kraftwerksprozess angestrebten Werte. Ebenfalls unterscheidet sich der Druck von Erdgas und Rauchgas erheblich. Während das Erdgas neben CO 2 H 2 S und Alkane beinhaltet, ist das Spektrum der Verunreinigungen eines Kraftwerkrauchgases deutlich größer.

131 125 Tabelle V-1: Erdgas Rauchgas Druck bar 1 bar Rauchgasvolumenstrom 1,5 Mio. m 3 /h 3 Mio. m 3 /h Vergleich von CO 2 -Abscheidung aus Erdgas und Kraftwerksrauchgas Rauchgaszusammensetzung CO 2, H 2 S, Alkane N 2, CO 2, O 2, SO x, NO x Ziel 50 ppm 2% CO 2 90% Abscheiderate Möglichst geringer Energieverbrauch Quelle: [Sieder, 2009] IEF-STE 2010 Folgende Absorptionswäschen sind bereits heute kommerziell verfügbar: Kerr-McGee/ABB Lummus Crest Process: MEA-Lösung (Gewichtsanteil von MEA: 15 %) Fluor Daniel ECONAMINE Process (Gewichtsanteil von MEA: 30 %) Mitsubishi Heavy Industries, KEPCO/MHI Process (sterische Amine, KS-1) BASF (amdea) Die Hauptprobleme von chemischen Waschverfahren mit Monoethanolaminen (MEA) und anderen Lösungsmitteln beziehen sich auf folgende Punkte, die letztendlich alle zu erhöhten Betriebs- und Kapitalkosten führen: Zersetzung der Lösungsmittel in Anwesenheit von Sauerstoff und anderen Fremdstoffen (Staub) Die Anforderungen an die heute in der chemischen Industrie eingesetzten chemischen Wäschen sind wegen der einfachen Rauchgaszusammensetzung (z. B. Erdgasexploration) sehr viel niedriger als für Waschlösungen, die für die Reinigung von Kraftwerksabgasen gedacht sind. Der relativ hohe Sauerstoffgehalt in Kraftwerksabgasen führt zu einem Abbau der Amine, der mit dem Zusatz von Inhibitoren verhindert werden kann. Reststaubgehalte können möglicherweise Verstopfungen der Füllkörper verursachen und damit den Betrieb der betreffenden Anlagenkomponenten maßgeblich beeinträchtigen. Eine mögliche Lösung stellt eine der Rauchgasentschwefelung nachgeschaltete Elektrofilternassentstaubung dar, mit der sich niedrigste Staubgehalte einhalten lassen. Eine solche Anlage ist am Kraftwerksstandort Niederaussem geplant. Die der optimierten REA-Anlage nachgeschaltete Nassentstaubung soll Staubgrenzwerte von weniger als 3 mg/m 3 ermöglichen [Reissner, 2009]; das Reingas wird anschließend der Post-Combustion-Anlage zugeführt. Hohe Raten der Lösemitteldegradierung durch Reaktionen mit Schwefeldioxid o- der Stickoxid aus dem Rauchgas Amine besitzen die Eigenschaft, mit Hilfe von SO x und NO x Salze zu bilden, die mit zusätzlichem Aufwand in speziellen Apparaten (Reclaimer) bei hohen Temperaturen abgeschieden werden müssen. Dies kann vermieden werden, indem der

132 126 SO 2 -Gehalt des Rauchgases weiter reduziert wird. Nach Rao und Rubin [2002] lässt sich die Salzbildung bei etwa 10 ppm (SO 2 ) nahezu vermeiden. Dieser Wert liegt jedoch weit unter den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerten (Neuanlagen: 70 ppm bzw. 200 mg/m 3 ). Nach Schätzungen von Versteeg [2009] beträgt die stündliche Zugabe von MEA-Lösungsmitteln aufgrund von Degradation bei heutigen Emissionsgrenzwerten (1.100-MW-Kraftwerk, 200 mg SO 2 /m 3 ) etwa 2,4 t. Zum Vergleich: Die im Prozess befindliche Lösungsmenge beträgt für ein MW-Kraftwerk ca t. Ob die geforderten Niedrig-Emissionswerte mit herkömmlichen Kalkwäschen einzuhalten sind, wird derzeit intensiv untersucht. Hervorzuheben ist hierbei die Versuchsanlage REAPlus am Kraftwerksstandort Niederaussem. Mit einer verbesserten Kalkwäsche werden Rest-SO 2 -Gehalte von mg/m 3 angestrebt, mit denen die zusätzliche Zugabe von Lösungsmitteln deutlich verringert werden kann. Gegebenenfalls muss aber auch auf andere Entschwefelungsverfahren (z. B. Wellmann-Lord) zurückgegriffen werden, um derartig niedrige SO 2 -Gehalte einhalten zu können. Hoher Energieverbrauch für die benötigte Regenerierung des Lösungsmittels Der für die Regenerierung des Lösungsmittels erforderliche Energieverbrauch (Niederdruckdampf) ist der maßgebliche Grund für die Effizienzeinbußen des Post-Combustion-Verfahrens mit chemischen Wäschen. Der Energieverbrauch der ersten Post-Combustion-Versuchsanlagen lag bei über 4 GJ je abgeschiedene Tonne CO 2 ; etwa % des gesamten Niederdruckdampfes aus dem Kraftwerksprozess werden für die Regeneration benötigt [Irons et al., 2007]. Es wird erwartet, dass durch die Verwendung effizienterer Waschflüssigkeiten der Energieverbrauch mehr als halbiert werden kann. Nach Angaben von Feron [2009] liegt der Verbrauch heutiger Testanlagen bei etwa 2,5 3 GJ Dampf je Tonne Kohlendioxid. Weitere Potenziale bestehen hinsichtlich der optimalen Schaltung und thermodynamischen Auslegung der einzelnen Anlagenkomponenten sowie des Gesamtsystems und durch die weitere Optimierung des Absorptions- und Desorptionsprozesses. Nach optimistischen Schätzungen könnte der Energieverbrauch auf fast 1 GJ/t CO 2 abgesenkt werden [Versteeg, 2009]. Großer Bauflächen- und Bauraumbedarf Gegenüber einem Kraftwerk ohne CO 2 -Abscheidung ist der zusätzliche Platzbedarf für eine Post-Combustion-Wäsche erheblich. Abbildung V-4 zeigt den zusätzlichen Platzbedarf für ein 660-MW-Steinkohlekraftwerk. Nach Abschätzungen der RWE Power AG ist der Platzbedarf für Absorber und Stripper sogar größer als der für einen Dampferzeuger inkl. Rauchgaswäsche. Dies bedeutet, dass bei sogenannten Capture-ready-Kraftwerken eine erhebliche Fläche für eine eventuelle CCS-Anlage vorzuhalten ist.

133 Abbildung V-4: Vereinfachte Darstellung der baulichen Größe eines 660- MW-Steinkohlekraftwerks mit nachgeschalteter CO 2 -Wäsche 127 Quelle: [RWE, 2005] IEF-STE 2010 Wie aus den vorherigen Ausführungen hervorgeht, kommt der Entwicklung effizienterer Lösungsmittel für den Einsatz in Kraftwerken eine besondere Bedeutung zu. Ziel ist es, den Energieeinsatz für die Regeneration zu reduzieren, den Lösungsmitteleinsatz zu verringern und Kosten zu senken. Hierzu gehört auch, entsprechende Erklärungsansätze für die auftretenden Degradationsmechanismen (oxidative und thermische Degradation, Reaktion mit sauren Gasen, Nebenreaktionen mit CO 2 ) zu finden. Wesentlicher Nachteil der aminbasierten Wäsche ist der hohe Energieaufwand für die Desorption des CO 2 -beladenen Lösungsmittels, der zu massiven Wirkungsgradverlusten führt. Wie laufende Forschungsarbeiten zeigen, scheint der Einsatz von sogenannten sterisch gehinderten oder tertiären Aminen (amdea, MDEA, KS-1) mit Einsatz von Aktivatoren zur Reaktionsbeschleunigung vielversprechend, da sie weniger Energie für die Desorption sowie für Pumpen und Verdichter benötigen. Darüber hinaus lässt sich die Korrosionsgefahr verringern. Allerdings weisen sie Nachteile beim eigentlichen Absorptionsprozess auf. Nach Angaben von Sieder [2009] liegen für den Einsatz von amdea-lösungsmitteln vielfältige Erfahrungen vor, da sie vornehmlich für die Abtrennung von CO 2 aus Erdgas eingesetzt werden. So umfasst allein die Referenzliste des Unternehmens BASF etwa 230 Anlagen, in denen das hergestellte amdea-lösungsmittel eingesetzt wird. Der Einsatz von Karbonaten stellt eine weitere interessante Option dar, da sich diese durch eine hohe thermische Stabilität, die Beständigkeit gegenüber Sauerstoff sowie relativ niedrige Ab- und Desorptionswärmen auszeichnen. Nachteilig ist die relativ

134 niedrige Reaktionsgeschwindigkeit, die aber durch Zugabe von Additiven erhöht werden kann. 128 Im Mittelpunkt einiger Forschungsarbeiten steht auch das sogenannte Ammoniak basierte Verfahren (siehe Abbildung V-2), bei dem das CO 2 mit Hilfe von Ammoniak und Wasser gebunden wird. Es zeichnet sich zum einen durch einen niedrigen Energieeigenbedarf für Ab- und Desorption aus; zum anderen stellt es ein im industriellen Maßstab kostengünstig herzustellendes Absorptionsmittel dar (vgl. hierzu [Görner, 2009, Kozak et al., 2009]). Eine Variante des ammoniakbasierten Verfahrens ist das chilled-ammonia-verfahren, bei dem der Absorber mit einer deutlich niedrigeren Temperatur gefahren wird als beim herkömmlichen Ammoniakverfahren. Vorteile dieses Verfahrens sind kleinere Volumen- und Massenströme, weniger energetischer Gebläseaufwand sowie ein kleinerer NH 3 -Schlupf. Ausgewählte Post-Combustion-Versuchsanlagen Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts CASTOR (Capture and Geological Storage of CO 2 ) wird im dänischen Kraftwerk Esbjerg eine Versuchsanlage auf Basis einer Aminwäsche (MEA-30 Gew.-%) betrieben, indem ein Teilstrom des Rauchgases gereinigt wird. Die Abscheideleistung beträgt ca. 1 t CO 2 /h bei einem MEA-Volumenstrom von etwa 40 m 3 /h. Die Anlage (Abbildung V-5), die alle erforderlichen Komponenten inklusive Reclaimer umfasst, wird seit dem Jahr 2006 betrieben [Feron et al., 2007]. Ziel ist es, Betriebserfahrungen mit derartigen Anlagen zu sammeln, um letztendlich die Effizienzpotenziale verfügbar machen zu können. Langfristige Benchmark ist ein Energieverbrauch von 2 GJ Dampf pro abgeschiedene Tonne CO 2 bei einer Rückhalterate von 90 %. Als Vermeidungskosten wird eine Kostenbandbreite von pro Tonne CO 2 angestrebt, die deutlich niedriger als heutige Werte liegt (50 60 /t CO 2 ). Bei den ersten Testläufen lag der Energieverbrauch der Versuchsanlage bei etwa 4,4 GJ/t CO 2 und die benötigte Lösungsmittelmenge bei 2,4 kg/t CO 2. Im Rahmen des CASTOR-Projekts ist weiterhin geplant, verschiedene Waschflüssigkeiten sowie kombinierte Membran-/Waschverfahren (vgl. Kapitel V.2.4) zu untersuchen. An dem im Rahmen des 6. EU-Forschungsrahmenprogramms initiierten Projekt sind wissenschaftliche Einrichtungen sowie Industrieunternehmen (deutsche Industriebeteiligung: RWE, Siemens, BASF etc.) beteiligt [Feron et al., 2007, Knudsen et al., 2006].

135 129 Abbildung V-5: MEA-Versuchsanlage im Kraftwerk Esbjerg Quelle: [Feron et al., 2007] IEF-STE 2010 Im August 2009 wurde von der RWE Power AG eine Post-Combustion-Anlage am Standort Niederaussem in Betrieb genommen. Getestet wird eine aminbasierte Wäsche, wobei Dampf zur Regenerierung der kohlendioxidbeladenen Flüssigkeit aus der Vorwärmstrecke des Braunkohlekraftwerks entnommen wird. Angestrebt wird ein Abscheidegrad von 90 %. Der in den ersten Testläufen erreichte Reinheitsgrad beträgt ca. 94 Vol.-% CO 2. Ziel ist eine Reinheit von über 99 % bei einem Wassergehalt von kleiner 500 ppmv. Der Kohlendioxidstrom beträgt 7,2 t CO 2 /Tag bei einem Rauchgasvolumenstrom von m 3 /h. Die Kosten der Versuchsanlage belaufen sich auf etwa 9 Mio., wobei 40 % der Kosten mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Die Anlage wird gemeinsam mit den Unternehmen BASF und Linde betrieben. Erster Schritt war die Durchführung eines Screening-Programms mit dem Ziel, aussichtsreiche Lösungsmittel zu identifizieren. Etwa 400 Substanzen wurden von BASF in einer eigenen Versuchsanlage (Labormaßstab) getestet und etwa 70 Lösungen in die engere Auswahl genommen. Im Rahmen weiterer Tests ist geplant, diese Menge weiter einzuengen. Die aussichtsreichsten Lösungsmittel werden in der Versuchsanlage in Niederaussem getestet. Darüber hinaus umfasst das Projekt weitere Schwerpunkte, wie z. B. die eigentliche Prozessoptimierung der CO 2 -Beladung und des -Recyclings sowie die thermodynamische Optimierung der Einbindung in den gesamten Kraftwerksprozess. Zur Reduzierung der SO 2 -Emissionen, die eine Degradation des Lösungsmittels bewirken, wurde eine Rauchgasentschwefelungsversuchsanlage (REAPlus) gebaut, die auf der Basis eines Kalkwäscheverfahrens arbeitet und mit

136 130 der Emissionswerte von 10 bis 25 mg SO 2 /m ]. erreicht werden sollen [Reissner, Neben zwei bereits in Betrieb befindlichen Post-Combustion-Anlagen plant die E.ON AG derzeit fünf weitere Post-Combustion-Versuchsanlagen in Deutschland. Ziel ist es, gemeinsam mit den führenden Lösungsmittelherstellern verschiedene Post- Combustion-Varianten zu testen (Tabelle V-2). Tabelle V-2: CCS-Versuchsanlagen der E.ON AG Standort Maasvlakte (NL) Karlshamm (SWE) TNO, CATO ALSTOM, Fortum Technologie Amine ( CORAL ) Chilled Ammonia CO 2 -Menge Kooperationspartner Anlagengröße Inbetriebnahme 0,3 MW el t/a MW el t/a Heyden (D) Cansolv Amine 7,5 MW el t/a 2010 Staudinger (D) Datteln (D) Hitachi Chilled Ammonia Wilhelmshaven (D) Standort offen (D) Siemens Amine 0,4 MW el 2009 Fluor Inc. Amine 5 MW el 2010 MHI Amine (K1-S- Lösung) 7,5 MW el 2010 Quelle: [Fischer, 2009, Rode, 2008] IEF-STE 2010 Upscaling von Anlagen Zu beobachten ist eine weltweit steigende Anzahl von Post-Combustion-Versuchsanlagen. Wie bei den anderen CCS-Technologierouten wird es letztendlich von großer Wichtigkeit sein, die mit Versuchsanlagen gewonnenen Erfahrungen auf eine oder mehrere Demonstrationsanlagen zu übertragen, deren Leistung vergleichbar mit heutigen Kohlekraftwerken ist. Zwar werden einige Wäschen (z. B. MEA- Verfahren) in anderen Industriebereichen bereits heute schon kommerziell eingesetzt, allerdings sind die Anlagen verglichen mit den größenspezifischen Anforderungen eines Kraftwerks sehr viel kleiner. Eine wesentliche Herausforderung stellt demzufolge neben der optimalen thermodynamischen Auslegung und der optimalen Einbindung in den Kraftwerksprozess das Upscaling solcher Anlagen dar. Die in heutigen Versuchsanlagen behandelten Rauchgasvolumenströme sind nur sehr gering im Vergleich zum gesamten Rauchgasvolumenstrom eines Kraftwerks und entsprechen Leistungen von unterhalb 1 MW el. Nach Expertenmeinung ist davon auszugehen, dass in einem nächsten Schritt der Bau von Demonstrationsanlagen in einem Leistungsbereich von >10 bis 250 MW el erfolgen muss, bevor auf heutige übliche Kraftwerksgrößen (500 bis MW) übergegangen wird.

137 131 Dies spiegelt sich auch in den Planungen der einzelnen Unternehmen wider. So weisen die geplanten Versuchsanlagen der E.ON AG einen Leistungsbereich von 0,3 bis 7,5 MW el auf. In einem nächsten Schritt ist der Bau von ein bis zwei Pilotanlagen mit einer Leistung von einigen 10 MW el geplant. Anschließend soll in einem Abstand von zwei Jahren eine kommerzielle Anlage in einem Leistungsbereich von einigen 100 MW el errichtet werden. Ähnliche Upscaling-Planungen gibt es bei der RWE Power AG. Aufbauend auf den Erfahrungen, die mit der Versuchsanlage (0,45 MW el, 0,3 t CO 2 /h) gemacht wurden, ist in einem nächsten Schritt der Bau einer Demonstrationsanlage in einem Leistungsbereich von 50 bis 250 MW el ( t CO 2 /h) geplant und erst danach der Bau einer zweisträngigen Wäsche (2 x 50 MW el, 750 t CO 2 /h) in einem MW el -Braunkohlekraftwerk [Holling, 2009, Moser, 2009, Fischer, 2009]. V.2.2 Pre-Combustion-Verfahren Das Verfahren zur CO 2 -Abscheidung aus dem Brenngas nutzt die Kombination aus Umwandlung des Brennstoffs in ein wasserstoffreiches Synthesegas und Abtrennung des entstandenen CO 2 aus dem Brenngas. Das dekarbonisierte Brenngas wird einem Gas- und Dampfturbinenprozess zur effizienten Erzeugung elektrischer Energie zugeführt (siehe Kapitel III: Kohlekombikraftwerke). Die CO 2 -Abtrennung findet nach der Synthesegaserzeugung und der Konvertierung des Kohlenmonoxids im Synthesegas zu CO 2 statt, so dass der nachfolgende wasserstoffbefeuerte GuD-Prozess weitgehend emissionsfrei betrieben werden kann. Die Umwandlung kohlenstoffhaltiger Brennstoffe in Synthesegas erfolgt durch partielle Oxidation und/oder Dampf-Reformierung in einem Vergasungsprozess. Die Nutzung von Kohle oder Öl erfordert eine Reinigung des Gases, um Aschepartikel, Alkali- und Schwefelverbindungen sowie weitere Verunreinigungen aus dem Synthesegas zu entfernen. Durch eine nachgeschaltete katalytische Konvertierung wird das Kohlenmonoxid mit Wasserdampf als Oxidationsmittel zu Kohlendioxid und Wasserstoff umgewandelt (CO-Shift-Reaktion). Da das nach dem CO-Shift vorliegende Brenngas auf einem erhöhten Druckniveau vorliegt, ist die physikalische Abscheidung mit Hilfe von Lösungsmitteln vorteilhaft. Diese Art der Gasseparation zeichnet sich durch moderate Wirkungsgradeinbußen und Kosten aus. Sie wird in einigen Chemiebereichen kommerziell eingesetzt und ist somit Stand der Technik [IEA, 2006, COORETEC, 2007]. Dem Vergasungsprozess wird eine Luftzerlegungsanlage vorgeschaltet, um den Umsatz des Vergasungsschrittes zu erhöhen, den Stickstoff der Luft aus dem Synthesegasprozess fernzuhalten und die Volumenströme und somit auch die Anlagenbestandteile klein zu halten. Das so erzeugte Brenngas besteht nach der Konvertierung des CO fast ausschließlich aus den Bestandteilen Kohlendioxid und Wasserstoff (Abbildung V-6).

138 132 Abbildung V-6: IGCC mit CO 2 -Abtrennung Quelle: [Fischedick, 2006] IEF-STE 2010 Kraftwerke mit integrierter Kohlevergasung (IGCC) sind bereits in den 80er Jahren geplant und zum Teil auch gebaut worden. Das IGCC-Verfahren ohne CO 2 - Abscheidung wird bereits in einigen mit Kohle, Rückstandsöl und Petrolkoks betriebenen Anlagen in kommerziellem Maßstab angewandt. Seit Mitte der 90er Jahre werden im spanischen Puertellano sowie im niederländischen Buggenum kohlegefeuerte IGGC-Kraftwerke betrieben. Als Brennstoffe werden in Puertollano Petrolkoks (Rückstand aus der Petrochemie beim Cracken und Destillation von Erdöl) und Steinkohle eingesetzt. Allerdings wies die Anlage in Puertollano keine langen und kontinuierlichen Nutzungszeiten auf und die technische Verfügbarkeit unterschritt marktübliche Werte. Hauptursache für technische Ausfälle der Anlage war die Vergasungseinheit mit knapp 50 % Fehlerhäufigkeit [Casero, 2007]. Demgegenüber weist die Anlage in Buggenum eine ausreichende Verfügbarkeit auf. Für den Betrieb eines IGCC-Kraftwerks sind Wirbelschicht- und Flugstromvergaser geeignet. Insbesondere Flugstromvergaser bieten höhere Kohledurchsätze, können somit in größeren Leistungseinheiten gebaut werden und ermöglichen die Nutzung eines breiten Kohlenartenspektrums (z. B. Braunkohle und Steinkohle). Zur Konvertierung des Kohlenmonoxids im Synthesegas zu H 2 und CO 2 und damit zur Erhöhung des Wasserstoffanteils werden derzeit das Verfahren des Sauergas- Shifts und des entschwefelten Synthesegas-Shifts eingesetzt. Ersteres Verfahren

139 133 setzt schwefelresistente Katalysatoren im CO-Shiftreaktor voraus, da die Entschwefelung erst nach dem CO-Shift stattfindet. Der eigentliche CO 2 -Abscheideprozess kann aufgrund der günstigen Partialdruckverhältnisse und des absolut höheren Druckniveaus mit Hilfe einer physikalischen Wäsche erfolgen. Derzeit wird der Einsatz der Rectisolwäsche favorisiert, da hier neben CO 2 auch H 2 S und COS (Carbonylsulfid) aus dem Brenngas entfernt werden. Als Lösungsmittel dient ein methanolbasiertes Absorbens, das mit Hilfe von Stickstoff und Temperaturwechsel regeneriert wird. Ein Verfahrensschema der von Linde entwickelten Rectisol-Wäsche ist in Abbildung V-7 dargestellt. Der Vorteil dieser Wäsche liegt in der Kombinationsmöglichkeit der Brenngas-Entschwefelung und der CO 2 -Abscheidung. Nach der Wäsche liegen die H 2 S- und COS-Anteile im Brenngas unter 1 ppm [Prelipceanu et al., 2007]. Abbildung V-7: Prozessdarstellung Rectisol-Wäsche Quelle: [Prelipceanu et al., 2007] IEF-STE 2010 Die thermodynamisch optimale Integration der CO 2 -Abscheidung in den Gesamtprozess sowie die optimale Auslegung der Einzelkomponenten (z. B. Gasturbine) ist derzeit das übergeordnete Ziel bei der Entwicklung von CO 2 -armen IGCC- Kraftwerken. Jedoch gilt es in einem ersten Schritt, die Machbarkeit von Kohlekombikraftwerken mit CO 2 -Abscheidung zu zeigen. Vor diesem Hintergrund ist auch die

140 von RWE Power geplante Kohlevergasungsanlage mit CCS-Technik in Hürth zu sehen, deren Bau ab dem Jahr 2015 geplant ist. 134 Nachteilig wirkt sich die erhöhte Komplexität des Systems aus. Weiterhin muss auch für diese Verfahrensfamilie Sauerstoff für die Vergasung/Reformierung bereitgestellt werden, was sich in erhöhten Betriebskosten und höherem Eigenverbrauch der Kraftwerke niederschlägt. Eine energieeffiziente integrierte Bereitstellung von Sauerstoff für die Pre-Combustion-Kraftwerke kann erheblich zur Verbesserung des Wirkungsgrades und zur Minderung der Betriebskosten beitragen. Neben der Optimierung des gesamten Kraftwerkssystems besteht ein wesentliches Potential darin, die physikalischen Absorptionsverfahren durch membranbasierte Trennverfahren abzulösen (siehe Kapitel V.2.4). Für das Pre-Combustion-Verfahren werden gegenüber dem Basisprozess Wirkungsgradverluste (inkl. Kompression und Verflüssigung) in einer Bandbreite von 9 bis 11 Prozentpunkten angegeben [IPCC, 2005, COORETEC, 2003]. Diese liegen somit etwas niedriger als die Einbußen anderer CCS-Technologielinien. Ein weiterer Vorteil des Pre-Combustion-Verfahrens liegt darin, dass das Synthesegas bzw. Wasserstoff auch zur Produktion anderer Chemikalien (z. B. Ammoniumproduktion), zur Herstellung von Kraftstoffen oder für den Brennstoffzelleneinsatz genutzt werden kann (Polygeneration). Geplante Pre-Combustion-Anlagen mit CO 2 -Abscheidung In konkreter Planung befindet sich seit dem Jahr 2002 ein IGCC-Kraftwerk mit CO 2 - Abscheidung in den USA, das im Rahmen des FutureGen-Programms realisiert werden soll. Aufgrund zu hoher Kosten wurde die Anlagenplanung sowie das gesamte FutureGen-Programm revidiert, wodurch es zu erheblichen Zeitverzögerungen kam. Die geschätzten Kosten des geplanten IGCC-Kraftwerks belaufen sich auf etwa 2,4 Mrd. USD. Für die Errichtung werden etwa 1,7 Mrd. USD veranschlagt, wobei etwa 1 Mrd. USD öffentliche Förderung des Department of Energy (DOE) darstellen und der Rest von den beteiligten Unternehmen aufzubringen ist. Es wird davon ausgegangen, dass die endgültige Bauentscheidung Anfang 2010 getroffen und mit im Jahr 2011 mit dem Bau begonnen wird. Mit der Inbetriebnahme wird ab dem Jahr 2015 gerechnet. Der laufende Betrieb soll vom DOE mit zusätzlichen Mitteln gefördert werden. Das abgeschiedene CO 2 der Polygeneration-Anlage (Leistung: 275 MW, etwa 1,1 Mio. t CO 2 /a in der letzten Ausbaustufe) soll in einem geeigneten Speicher gepresst werden. Es werden vier Standorte in Erwägung gezogen, wobei aktuell der Standort Mattoon (Illinois) favorisiert wird. Ein weiteres Pre-Combustion-Projekt stellt die Anlage in Killingholme (Großbritannien) dar. Das kohlegefeuerte IGCC-Kraftwerk mit CO 2 -Abscheidung soll eine Leistung von 450 MW el besitzen. Die abgeschiedene CO 2 -Menge soll in leeren Erdgasfeldern

141 in der Nordsee gespeichert werden. Derzeit wird von E.ON UK und Powergen eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. 135 Seit dem Jahr 2006 plant die RWE Power AG den Bau eines Kohlekombikraftwerks mit CO 2 -Abscheidung am Standort Hürth in Deutschland. Das Projekt umfasst auch den Transport und die Speicherung des abgeschiedenen Kohlendioxids. Herzstück des IGCC-Kraftwerks ist ein Flugstromvergaser (40 bar, vollständiger Quench). Eingesetzt wird eine Gasturbine der F-Klasse mit Diffusionsbrenner. Nach derzeitigen Planungen erreicht die Anlage einen Nettowirkungsgrad von 34 %; der Bruttowirkungsgrad beträgt 48,5 %. Der Bau zielt im Wesentlichen auf die technische Machbarkeit ab und wurde dementsprechend auf eine sichere und problemlose Fahrweise ausgerichtet. Die Anlage ist demzufolge als Demonstrationsanlage zu verstehen, mit dem Ziel, entsprechende Erfahrungen für den Bau weiterer Anlagen zu gewinnen. Dies erklärt auch das Konzept des vollständigen Quench, der gegenüber einem Teil- Quench weniger energieeffizient, jedoch mit weniger anlagentechnischen Problemen verbunden ist. Ein Teil-Quench bei 850 C würde den Wirkungsgrad um 1 bis 1,5 Prozentpunkte verbessern. Bei einem Bau einer weiteren Anlage würden solche Effizienzpotenziale ausgeschöpft. Für eine solche optimierte Anlage mit CCS wird derzeit ein Zielwirkungsgrad von 44 % angegeben. Die geplante Abtrennrate beträgt etwa 92 %. Der Eigenbedarf der derzeit geplanten Anlage beträgt in der Summe etwa 135 MW (damit beträgt die Nettoleistung ca. 320 MW) und teilt sich auf wie folgt: Luftzerlegungsanlage 49 MW, Kohletrocknung 19 MW, Verdichter 30 MW, Gasaufbereitung 21 MW sowie sonstige Komponenten 16 MW. Die jährlich anfallende Kohlendioxidmenge von 2,6 Mio. t soll über eine 530 km lange Pipeline (Anfangsdruck 200 bar, ohne Zwischenverdichter bzw. Pumpe) in Schleswig-Holstein gespeichert werden. Für das Gesamtprojekt werden derzeit Kosten in Höhe von ca. 2,1 Mrd. veranschlagt, wobei die Schätzungenauigkeit ± 25 % beträgt. Der Kostenanteil für Speicher und Pipeline liegt bei etwa 25 % der Gesamtkosten. Der Großteil der Investitionen von 75 % entfällt auf den Stromerzeugungsteil mit 480 Mio. und den Vergasungsprozess mit Mio.. Für die Erstanlage werden Gestehungskosten von etwa 125 /MWh angegeben. Angestrebt werden Kosten von etwa 80 /MWh [Weil, 2009, Renzenbrink et al., 2008] Eine weitere IGCC-Anlage mit CO 2 -Abscheidung ist in China geplant und soll mit Unterstützung internationaler Unternehmen (z. B. Alstom, Schlumberger) gebaut werden (Projekt GreenGen). Die Anlage soll in einem ersten Schritt 250 MW el umfassen und später in weiteren Stufen auf 650 MW Gesamtleistung ausgebaut werden. Das abgeschiedene CO 2 soll in geeigneten Speichern eingepresst werden. Mit der Anlage soll auch die Erzeugung von Methanol möglich sein. Der Anlagenbetrieb ist für 2013 bis 2015 vorgesehen. Die Kosten für das Projekt werden mit etwa 1 Mrd. USD angegeben.

142 136 Der Bau einer weiteren IGCC-Anlage mit CO 2 -Abscheidung ist in der Provinz Alberta in Kanada geplant. Die Emissionen von 1,2 Mio. t/a der Anlage (270 MW el ) sollen über eine 270 km lange Pipeline (Kosten etwa 600 Mio. $) zu einem salinen Speicher transportiert werden. Die von den Unternehmen EPCOR Utilities Inc. und Enbridge Inc. konzipierte Anlage erfordert Investitionen in Höhe von 2 Mrd. $. Im Juli 2009 sicherte die kanadische Regierung die Finanzierung dieses Projekts zu. Mit dem Betrieb der Anlage wird ab dem Jahr 2015 gerechnet. V.2.3 Oxyfuel-Verfahren Unter der Bezeichnung Oxyfuel-Verfahren wird die Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Brennstoffen mit reinem Sauerstoff verstanden. Gegenüber herkömmlichen Kraftwerken, bei denen der CO 2 -Gehalt im Rauchgas zwischen 12 und 15 Vol.-% beträgt, liegt er bei Oxyfuel-Anlagen bei etwa 89 Vol.-% [COORETEC, 2007]. Das Rauchgas nach der Rauchgasreinigung und -wäsche besteht im Wesentlichen aus einem Kohlendioxid/Wasserdampf-Gemisch. Durch Auskondensieren des Wasserdampfes erhält man ein CO 2 -reiches Rauchgas, das nach der Kompression über eine Pipeline zum Speicherstandort transportiert werden kann. Die Bereitstellung von Sauerstoff für den Verbrennungsprozess erfolgt derzeit mit kryogenen Luftzerlegungsanlagen, in denen der Sauerstoff der Luft durch Kondensation bei tiefen Temperaturen (< 182 C) abgeschieden wird. Dieses Verfahren wird heute großtechnisch in der Stahlindustrie und in neuerer Zeit in Gas-to-Liquid-Anlagen (Kraft- /Brennstoffherstellung aus Erdgas) weltweit genutzt. Die Sauerstoffmengen bei den größten heute geplanten Anlagen (z. B. zur Synthesegaserzeugung) liegen bei ungefähr Nm³/h [Beysel, 2004]. Zum Vergleich: Ein steinkohlebefeuerter Kraftwerksblock mit einer elektrischen Leistung von 500 MW und einem Nutzungsgrad von 43 % benötigt bei stöchiometrischer Verbrennung eine Sauerstoffmenge von ca m³/h. Eine Verbrennung mit Sauerstoffüberschuss (heutige Luftzahlen von Großanlagen liegen bei etwa 1,15) erhöht die benötigte O 2 -Menge entsprechend. Selbst mit diesen Luftzahlen stellt die Größe der erforderlichen kryogenen Anlage kein Problem dar. Wird Brennstoff mit reinem Sauerstoff verbrannt, liegt die Verbrennungstemperatur deutlich höher als bei einer konventionellen Verbrennung und erfordert aufgrund anderer wärme- und strömungsspezifischer Randbedingungen eine Modifikation des Dampferzeugers sowie Maßnahmen zur Begrenzung der Verbrennungstemperatur. Daher wird ein Teil des CO 2 -reichen Verbrennungsgases (etwa zwei Drittel des Rauchgasvolumenstroms) in den Feuerungsraum zurückgeführt, um die Verbrennungstemperatur aufgrund der begrenzten Warmfestigkeit von Konstruktionswerkstoffen zu senken. Weiterhin wird nicht umgesetzter Sauerstoff erneut dem Oxidationsprozess zugeführt und der Restsauerstoffgehalt im Rauchgas gesenkt. Die Verbrennung mit reinem Sauerstoff führt zu deutlich reduzierten Rauchgasmengen und einem veränderten Strahlungswärmeübergang der Rauch-/Brenngase (aufgrund ver-

143 137 änderter CO 2 - und H 2 O- Konzentrationen) und macht eine Neuauslegung von Wärmetauscherflächen und Brennraumgeometrien sowie die Implementierung eines optimierten Rauchgaskanalsystems erforderlich. Auch aufgrund des veränderten Luftüberschusses gibt es erhebliche Probleme bzw. Fragestellungen hinsichtlich der Kohlefeuerung. Da der Sauerstoffüberschuss geringer als bei herkömmlichen Feuerungen ist, kann es zu Ausbrandproblemen und Korrosion an den Brennkammerwänden kommen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die optimale thermodynamische Einbindung der Kohlendioxidaufbereitung in den eigentlichen Kraftwerksprozess, mit der die Effizienz weiter gesteigert werden könnte. Weitere wichtige Probleme, die es zu lösen gilt, sind nach Strömberg et al. [2006], Sekkappan et al. [2006], Vagani et al. [2006] und Burchhardt & Jacoby [2008]: Effizientere Luftzerlegungsverfahren Die Luftzerlegung erfordert einen hohen Energieaufwand, der maßgeblich die Effizienzeinbußen des Oxyfuel-Kraftwerks prägt. Die geforderte Reinheit des benötigten Sauerstoffs beträgt etwa 99,5 Vol.-% (Rest: N 2, Ar). Auch bei weiterer Effizienzerhöhung der Luftzerlegung soll dieser Standard eingehalten werden. Die Maßnahmen zur weiteren Verbesserung herkömmlicher Luftzerlegungsanlagen führen jedoch zu einem geringeren Sauerstoffreinheitsgrad bzw. höheren Restgasgehalt. Die hierdurch notwendige zusätzliche Gasreinigung ist wiederum mit einem höheren Energieaufwand verbunden sowie u. U. mit einem höheren Kompressionsaufwand. Vor diesem Hintergrund gilt es, ein Optimum für den Gesamtprozess zu finden (vgl. [Kather et al., 2008; Castillo, 2009]). Dampferzeuger Generell gilt es, den Sauerstoffüberschuss bei der Verbrennung gering zu halten. Heutige Kraftwerke fahren mit einem Luftüberschuss von etwa 15 % und mehr, um eine ausreichende Verbrennung zu gewährleisten und Korrosionsprobleme zu vermeiden [Nazarko et al., 2007]. Ein zu hoher Restsauerstoffgehalt nach der Verbrennung wirkt sich allerdings negativ auf den Energieaufwand der nachgelagerten Komponenten aus. Ein weiteres Problem stellt das Eindringen von Falschluft dar, die mitunter mehrere Prozent des gesamten Rauchgasvolumens betragen kann und sich mit zunehmender Lebensdauer des Kraftwerks erhöht. Dies kann bei einer Oxyfuel-Anlage dazu führen, dass die geforderte CO 2 -Reinheit nicht mehr erreicht und ein zusätzlicher Energieaufwand für die Kompression notwendig wird. Seit den 80er Jahren werden kohlebefeuerte Kraftwerke mit trockener Staubfeuerung betrieben, da dies insbesondere vor dem Hintergrund niedriger Stickstoffemissionen vorteilhaft ist. Da der Oxyfuel-Prozess sehr hohe Verbrennungstemperaturen aufweist, erscheinen auch Feuerungsarten wie die Schmelzkammerfeuerung (flüssiger Ascheabzug) wieder interessant, da der Anteil des zur Reduzierung der Verbrennungstemperatur zurückgeführten Gases verringert werden kann. Entstickung und Entschwefelung Für die Bildung von Stickoxiden ist der im Brennstoff enthaltene Stickstoff verantwortlich. Durch die niedrigeren Rauchgasvolumenströme (Luftstickstoff entfällt) liegt der Stickoxidgehalt höher als bei einem konventionellen Kraftwerk. Dies und

144 138 die CO 2 -Reinheitsanforderungen erfordern eine andere Konzeption von NO x - Sekundärmaßnahmen. Während heutige herkömmliche braunkohlegefeuerte Kraftwerke für die Einhaltung der NO x -Grenzwerte keine DENOX-Anlage benötigen, ist ein Einsatz solcher Sekundärmaßnahmen in braunkohlegefeuerten Kraftwerken mit Oxyfuel-Technik u. U. notwendig. Gegenüber heutigen Kohlekraftwerken sind die Rest-SO 2 -Gehalte noch einmal deutlich abzusenken, was jedoch letztendlich von den transport- und speicherspezifischen Reinheitsanforderungen abhängt. Ob eine weitere Reduzierung mit den üblichen Kalkwaschverfahren notwendig ist, ist derzeit aufgrund fehlender Vorgaben unklar und Gegenstand laufender F&E-Aktivitäten. Die Herstellung von reinem Sauerstoff mit herkömmlichen kryogenen Verfahren verringert den Kraftwerkswirkungsgrad um ca. 7 Prozentpunkte. Die Abscheidung sowie die Aufbereitung des für den Transport vorgesehenen CO 2 kosten zusätzlich 3 4 Prozentpunkte, so dass der Wirkungsgradverlust in der Summe etwa 11 Prozentpunkte beträgt. Mittelfristig wird davon ausgegangen, dass dieser auf etwa 8 Prozentpunkte reduziert werden kann [Kather et al., 2007]. Neben der Optimierung des Gesamtsystems liegt das Effizienzpotenzial somit hauptsächlich bei der Sauerstoffherstellung. Aus heutiger Sicht bieten sich hierzu folgende Möglichkeiten an: Effizienzverbesserung herkömmlicher kryogener Verfahren Durch die prozesstechnische Verbesserung des kryogenen Verfahrens (z. B. Dreisäulenprozess) ließe sich der elektrische Eigenbedarf der Luftzerlegung um etwa 20 % reduzieren [Leifeld, 2008]. Allerdings verschlechtert sich hierdurch auch der Reinheitsgrad, was wiederum einen höheren energetischen Reinigungsaufwand bedeutet. Sauerstoffproduktion mit anderen Verfahren (siehe Kapitel V.2.4): Entwicklung und Einsatz von Membranen zur Sauerstoffproduktion Chemical Looping Ausgewählte Versuchsanlagen und Projekte Das Oxyfuel-Verfahren in Kraftwerken wurde bisher in einzelnen Versuchsanlagen im Labormaßstab verwirklicht. Das Unternehmen Vattenfall hat im September 2008 die weltweit größte Oxyfuel-Anlage mit einer Feuerungswärmeleistung von 30 MW in Betrieb genommen. Die Versuchsanlage umfasst einen Dampferzeuger, eine Luftzerlegungsanlage, eine Rauchgasreinigung sowie Vorrichtungen für die CO 2 - Abscheidung. Abhängig vom Erfolg der laufenden F&E-Arbeiten ist eine Demonstrationsanlage (250 MW) geplant, die 2015 in Betrieb gehen soll. Die von der Vattenfall AG betriebene Versuchsanlage ist derzeit eines der weltweit größten Oxyfuel- Projekte. Eingebunden sind eine Vielzahl von wissenschaftlichen Instituten (TU Hamburg-Harburg, TU Dresden etc.). Die F&E-Arbeiten sind im Rahmen der COO- RETEC-Forschungsinitiative über das Verbundprojekt ADECOS (Advanced Development of the coal fired Oxyfuel Process with CO 2 Separation) eingebettet.

145 139 Oxyfuel-Verfahren bilden im Rahmen des EU-Projekts ENCAP (Enhanced Capture of CO 2 ) einen wichtigen Forschungsschwerpunkt. Über ENCAP sind eine Vielzahl von Industrieunternehmen (z. B. ALSTOM, Siemens, Air Liquide, Vattenfall) eingebunden. Darüber hinaus ist eine Vielzahl von Oxyfuel-Aktivitäten in das IEA-Netzwerk Oxyfuel Combustion Network integriert. Weitere wichtige Forschungsarbeiten zu Oxyfuel werden außerhalb der EU derzeit in Kanada (CANMET-Projekt, 300-kW-Reaktor) und Japan (1,2-MW-Anlage) durchgeführt. Darüber hinaus wurde 2006 in Australien das Callide-Oxyfuel-Projekt (50 Mio. $ Fördervolumen) gestartet. Ziel ist das Retrofitting eines bestehenden Kohlekraftwerks mit Oxyfuel-Technik. Das mit öffentlichen Mitteln geförderte Projekt wird von Industrieunternehmen und Forschungsinstituten gemeinsam durchgeführt. V.2.4 Innovative Lösungsansätze Neben den bereits beschriebenen Verfahren der Sauerstoff- bzw. CO 2 -Abtrennung im Kraftwerk gibt es eine Vielzahl weiterer technischer Möglichkeiten (Abbildung V-8). Die nach derzeitiger Expertenmeinung aussichtreichsten Techniken für eine langfristig angelegte großtechnische Umsetzung sind membranbasierte Verfahren, Verfahren zur Sauerstoffherstellung (Chemical Looping) sowie die trockene Sorption von CO 2 (Carbonate Looping). Alle Verfahren befinden sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, und mit ihrem großtechnischen Einsatz ist erst langfristig zu rechnen. Sie werden daher auch als CCS-Verfahren der zweiten Generation bezeichnet. Abbildung V-8: Übersicht über Gasseparationsprozesse Absorption Adsorption Kryogene Trennung Membranen Biologische Systeme chemisch Adsorber Trennung Amine Carbonate Looping Metalloxide Ammoniak physikalisch PURISOL SELEXOL RECTISOL Al 2 O 3 Zeolithe Aktivkohle Regenerative Methoden Druckwechsel-Verfahren Temperaturwechsel-Verfahren. Wäscher Polyphenylenoxid Polydimethylsiloxan Absorption Polypropylen Keramische/ Metall. Systeme poröse Membranen (SiO 2, etc.) dichte Ionenleiter (ZrO2, etc) dichte Mischleiter (Perowskite, etc.) dichte Protonenleiter (AgPd or BaZrO 3 ) Quelle: nach [Koss, 2005, Stöver & Meulenberg, 2005] IEF-STE 2010

146 140 Membrantrennverfahren Polymerbasierte, metallische oder keramische Membranen werden schon heute in einer Vielzahl von Prozessen zur Abtrennung von Gasen z. B. bei hohem Partialdruckgefälle eingesetzt. Zurzeit werden weltweit grundlegende F&E-Arbeiten zur Entwicklung von Membranen (dichte, poröse, oder ionen-/elektronenleitende Membranen) zur Abtrennung von CO 2 in Kraftwerksprozessen durchgeführt. Membranen sind Materialien, deren Werkstoffstrukturen eine selektive Permeation von Gasen erlauben (vgl. Abbildung V-9). Die Selektivität der Membranen für die Durchlässigkeit verschiedener Gase hängt im Wesentlichen vom Membranmaterial und den Transportmechanismen ab. Der Stoffstrom des Gases durch die Membran wird maßgeblich durch die Partialdruckdifferenz der Gase zwischen Permeat- und Retentatseite beeinflusst. Verfahren bei hohen Gasdrücken werden daher normalerweise für Membranentrennung bevorzugt. Die Membrantrennung von Gasen findet bereits vielfältige Anwendung in der Industrie, z. B. bei der Abtrennung von CO 2 aus dem Erdgas. Der Nachweis der großskaligen Anwendung im Kraftwerksbereich und der damit verbundenen Anforderungen an Zuverlässigkeit und Kosten steht jedoch noch aus. Abbildung V-9: Schematische Darstellung der Gastrennung mit Membranen Quelle: [IPCC, 2005] IEF-STE 2010 Denkbar ist der Einsatz von Membranen zur CO 2 -Abtrennung im Rauchgas (Post- Combustion), zur Wasserstoff/CO 2 -Separation im Synthesegas nach der Brenngaserzeugung (Pre-Combustion) und zur Sauerstoffherstellung im Oxyfuel-Prozess (vgl. Abbildung V-10). Nach Expertenmeinung wird aufgrund der vorherrschenden physikalisch/chemischen Randbedingungen der Membraneinsatz für Pre-Combustion- und Oxyfuel-Anlagen als besonders aussichtsreich gesehen. Aber auch der Einsatz in Post-Combustion-Anlagen ist derzeit Gegenstand intensiver F&E-Arbeiten.

147 141 Abbildung V-10: Einsatzbereiche für Membranen zur CO 2 -Abscheidung Post combustion Luft Fuel (fossil, biogen) CO 2 + ggf. N 2 (90%N 2 /10%CO 2 ) N 2 /CO 2 power plant separation N 2 Fuel (fossil, biogen) Oxyfuel Luft O N 2 /O 2 2 power plant separation N 2 CO 2 +H 2 O condensation CO 2 Pre Fuel power plant H 2 O (N 2 ), H 2 O combustion (fossil, biogen) H 2 CO H 2,CO 2 Luft O partial 2 N 2 /O 2 2 CO H 2 /CO 2 condensation separation oxidation shift (N 2 ) separation N 2 CO 2 + H 2 O Quelle: [Stöver, 2008] IEF-STE 2010 Die Herstellung reinen Sauerstoffs für das Oxyfuel-Verfahren mit herkömmlichen kryogenen Verfahren ist im Wesentlichen verantwortlich für die Verringerung des Kraftwerkswirkungsgrades. Neben der Optimierung des Gesamtsystems liegt das Effizienzpotenzial somit hauptsächlich bei der Sauerstoffherstellung. Schlüsselkomponente ist die Hochtemperaturmembran zur Luftzerlegung, die oberhalb einer materialabhängigen Temperatur (meist 700 C) durchlässig für Sauerstoffionen wird. Der Massenstrom des separierten Sauerstoffs ist hierbei abhängig von der Partialdruckdifferenz über der Membran, der Membrandicke und Temperatur. Da nur Sauerstoff die Membran durchdringt, kann eine hohe Reinheit erreicht werden unter der Voraussetzung, dass Undichtigkeiten innerhalb des Membranmoduls vermieden werden [Kather & Pfaff, 2008]. Bei den Membranen handelt es sich um Keramiken aus der Familie der Perowskite oder der Fluorite, die sich durch eine spezielle Leitfähigkeit für Sauerstoffionen auszeichnen. Unterschieden wird zwischen Membranen, die sowohl für Elektronen als auch für Sauerstoffionen durchlässig sind (Mixed Ionic Electronic Coductor, MIEC), und nur sauerstoffleitfähigen Membranen, die zum Betrieb eine Elektrodenspannung benötigen. Weitere in der Literatur gebräuchliche Bezeichnungen für diese Membranarten sind Mixed Conducting Membran (MCM), Oxygen Transport Membrane (OTM) und Ion Transport Membrane (ITM). Der O 2 -Stofftransport wird sowohl durch Oberflächeneffekte als auch durch den Diffusionswiderstand der Membran limitiert. Entsprechend der Wagner-Gleichung wird die Permeabilität maßgeblich über das der Membran anliegende O 2 -Partialdruckverhältnis sowie die Betriebstemperatur be-

148 stimmt. So arbeiten Perowskitmembranen in einem Temperaturbereich von ca. 700 bis C. 142 Neben der eigentlichen Entwicklung der Membran besteht eine weitere Herausforderung darin, die Membran wärmetechnisch in den eigentlichen Kraftwerksprozess zu integrieren. Derzeit werden zwei Konzepte favorisiert: Dies ist zum einen das sogenannte 4-End-Verfahren (Abbildung V-11), bei dem rezirkuliertes Rauchgas als Spülgas verwendet wird, was besondere Anforderungen hinsichtlich chemischer Stabilität etc. an die Membran stellt. Bei diesem Verfahren wird zunächst Frischluft verdichtet und in der Rauchgasstrecke vorgewärmt, bevor sie dem Membranmodul zugeführt wird. Die nötige Betriebstemperatur wird durch 850 C heißes Rauchgas erreicht, das auf der Sweepseite eingebracht wird und außerdem als Spülgas genutzt wird. Durch die Kompression der Frischluft sowie die Verdünnung im Spülgas wird ein hohes O 2 - Partialdruckverhältnis erreicht, was zu einer hohen Permeationsrate führt. Das Rauchgas-Sauerstoffgemisch wird anschließend über ein Heißgasgebläse der Verbrennung zugeführt. Die abgereicherte Luft wird nach der Membraneinheit in einer Gasturbine entspannt. Der Prozess erfordert neben der Entwicklung des eigentlichen Membranmoduls die Entwicklung eines Heißgasgebläses (ca. 600 C) und einer Heißgasentschwefelung (ca. 800 C) und besitzt daher ein besonders hohes F&E- Risiko. Die Angabe von Wirkungsgradeinbußen schwankt in einer großen Bandbreite, da diese maßgeblich von dem jeweiligen Integrationskonzept abhängt. So werden Wirkungsgradeinbußen (inkl. Kompression) in einer Bandbreite von 4 bis 9 Prozentpunkten [Pfaff et al., 2008, Meyer, 2007] genannt. Abbildung V-11: Luftzerlegung mit Hochtemperaturmembran (4-End-Prozess) Quelle: [Pfaff et al., 2008] IEF-STE 2010 Das zweite Konzept sieht vor, das Membranmodul ohne Rauchgaskontakt zu integrieren (3-End-Schaltung). Auch bei diesem Prozess wird zunächst Frischluft verdichtet, anschließend über zusätzliche Konvektionsheizflächen im Dampferzeuger auf 850 C erhitzt und dann dem Membranmodul zugeführt. Das notwendige Partialdruckverhältnis wird durch einen niedrigen Permeatdruck erreicht, der durch ein Vakuumsystem erzeugt wird. Für den Gesamtprozess werden im Vergleich zum 4-End- Prozess etwas höhere Wirkungsgradeinbußen und eine größere Membranfläche an-

149 143 gegeben [Nauels, 2009]. Eine solche Schaltung hat allerdings den Vorteil, dass sowohl die Reinigung (z. B. SO 2, Staub) von heißen Rauchgasen sowie ein Heißgasbläse, das bei höchsten Temperaturen arbeitet, nicht erforderlich sind und das F&E- Risiko geringer ist. Grundlegende F&E-Arbeiten zu beiden Prozessvarianten werden z. B. innerhalb des Forschungsprojektes AC-Oxycoal sowie im Rahmen des HGF- MEMBRAIN-Projektes durchgeführt (vgl. [Kneer et al., 2006, Czyperek et al., 2009]). Neben den zuvor erläuterten Konzepten sind als weitere Varianten der AZEP- Prozess (Advanced Zero Emissions Power Plant) sowie der ZEITMOP-Prozess (Zero Emissions Ion Transport Membrane Oxygen Power) zu nennen. Beide Prozesse dienen der Entwicklung eines CO 2 -freien GuD-Prozesses. Das von Norsk Hydro und Alstom Power vorgeschlagene AZEP-Konzept besteht u. a. aus einem Reaktorsystem, einer MCM-Membran, einer Brennkammer sowie einem Hochtemperaturwärmetaucher [COORETEC, 2003]. Für das Konzept werden Wirkungsgradverluste von gut 8 % angegeben. Das ZEITMOP-Konzept bietet zusätzlich die Möglichkeit einer Steigerung der Turbineneintrittstemperaturen, benötigt allerdings Gasturbinen, die mit CO 2 als Arbeitsmittel betrieben werden. Sowohl das AZEP- als auch das ZEITMOP- Konzept erfordern die Neuentwicklung von Komponenten und besitzen daher ein hohes F&E-Risiko. Eine weitere Möglichkeit ist die Entwicklung und der Einsatz von Membransystemen für den Post-Combustion-Prozess. Derzeit geht man von dem Einsatz von Polymermembranen sowie organischen/inorganischen Hybridmembranen für die Trennung von CO 2 /N 2 bei einer Betriebstemperatur von etwa 200 C aus. Das Konzept erfordert einen erheblichen energetischen Aufwand für die Rauchgasverdichtung, um ein entsprechendes Druckgefälle einzustellen [Göttlicher, 1999]. Derzeit weisen die Membranen noch nicht die erforderlichen Selektivitäten auf, so dass sich mit einstufig angeordneten Membranen unter Berücksichtigung des Energieaufwandes nur niedrige Abscheideraten (ca. 50 %) und relativ geringe Reinheiten (ca. 80 %) erzielen lassen. Letztendlich geht es darum, ein Optimum zwischen Energieverbrauch, CO 2 - Reinheit und -Abscheidegrad sowie vertretbarem apparativem Aufwand (z. B. Membranfläche, zusätzliche Komponenten) zu finden. Eine Lösung besteht darin, Membranmodule und Verdichter/Turbinen mehrstufig anzuordnen. Darüber hinaus ist die Rezirkulation des Retentats eine Möglichkeit, um die CO 2 -Konzentration im Feedgas zu erhöhen. Mit derartigen Konzepten lassen sich in Abhängigkeit von den jeweiligen Membraneigenschaften ein Wirkungsgradverlust von 7,8 bis 9,2 Prozentpunkten, ein Abscheidegrad von 90 % und eine Reinheit von ca. 95 % erreichen [Zhao et al., 2009]. Ebenfalls Gegenstand laufender F&E-Arbeiten ist der Einsatz von Membranen in IGCC-Kraftwerken (Pre-Combustion). Aufgrund der günstigen Druckverhältnisse liegen für den Membraneinsatz günstige Randbedingungen vor. Wahlweise kann hierbei die Trennung des Wasserstoffs oder des Kohlendioxids erfolgen. Als Memb-

150 144 ranen (CO 2 /H 2 ) kommen vor allem Polymermembranen in Frage. Krishnan et al. [2009] und O Brien et al. [2009] berichten von einer Polymermembran (Polybenzimidazole, PBI), die in einem Temperaturbereich von 100 bis 400 C arbeitet und sich ideal in einen IGCC-Prozess integrieren lässt. Die Autoren vergleichen den membranbasierten Prozess mit einem Selexol-Prozess und errechnen für beide Prozesse gleiche Wirkungsgradverluste (ca. 9 %) sowie Kostenvorteile für den membranbasierten Prozess. In COORETEC [2007] wird als eines der langfristigen Ziele der Weiterentwicklung des IGCC-Prozesses die Entwicklung einer katalytischen Hochtemperatur-H 2 -Membran in Verbindung mit einer Heißgasreinigung genannt. Erste Konzepte hierzu werden derzeit diskutiert [Müller et al., 2009]. Grundvoraussetzungen für einen großtechnischen Einsatz von Membranverfahren in Kraftwerken sind adäquate Membranwerkstoffe, Verfahrensauslegung und Standfestigkeit der Membranen. Alle Aspekte sind noch nicht hinreichend wissenschaftlich untersucht und befinden sich in einem frühen F&E-Stadium. Tabelle V-3 enthält den grundlegenden Forschungs- und Entwicklungsbedarf für die jeweiligen Membrantypen, die derzeit diskutiert werden. Tabelle V-3: Anwendung und Entwicklungsbedarf von Membranen für die CO 2 -Abscheidung Membrantyp Anwendung Entwicklungsbedarf Mikroporöse Membranen Sol-Gel Membranen H 2 /CO C CO 2 /N C Neue stabile Werkstoffe Hohe Stabilität im Rauchgas (H 2 O) Höhere Permeationsrate Höhere Selektivität Polymer Membranen CO 2 /N 2 Stabilität bei Betriebstemperatur Höhere Selektivität Höhere Permeabilität Zeolithe H 2 /CO C CO 2 /N C MIEC Sauerstoffleiter, Ionen- /Elektronen-Mischleiter MPEC Wasserstoffleiter, Ionen- /Elektronen-Mischleiter O 2 /N C H 2 /CO C Neue Werkstoffe Defektfreie Schichten Hydrophobe Schichten Stabilität unter Kraftwerksbedingungen Höhere Permeabilität Entwicklung von defektfreien Dünnschichtstrukturen und Substraten Entwicklung von mischleitenden Werkstoffen z.b. Ln 6, WO 12 Quelle: [Fischer, 2009, Rode, 2008] IEF-STE 2010 Die eigentliche Membranentwicklung sowie deren Integration in den Kraftwerksprozess stellen die wesentlichen Herausforderungen dar. Die derzeitigen Erkenntnisse

151 145 lassen jedoch den Schluss zu, dass Membranverfahren aus energetischer Sicht niedrigere Wirkungsgradeinbußen durch verbesserte Integration in den thermodynamischen Prozess des Kraftwerkes erwarten lassen. Bisherige Rechnungen zeigen, dass für einige Varianten ein Wirkungsgradverlust von unterhalb 8 % bei ausreichenden Abscheidegraden sowie Reinheiten erreichbar scheint. Zurzeit werden grundlegende F&E-Arbeiten zur Entwicklung von Membranen z. B. im Rahmen der Helmholtz-Allianz MEM-BRAIN durchgeführt. Zu den Kooperationspartnern gehören neben dem Forschungszentrum Jülich das GKSS-Forschungszentrum, DESY, das Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie, das Ernst Ruska- Centrum, das HITK in Hermsdorf, das belgische VITO-Institut, die RWTH Aachen, die Ruhr-Universität Bochum, die Universität Karlsruhe, die Universität Twente und die Universität Valencia [Czyperek et al., 2009]. Darüber hinaus ist das Aachener Oxycoal-Projekt zu nennen, das die Entwicklung und den Einsatz von Sauerstoffmembranen in kohlegefeuerten Kraftwerken zum Inhalt hat, sowie die laufenden Forschungsprojekte OXYMEM sowie METPORE. Redoxbasierte Verfahren Zu den redoxbasierten Verfahren gehören Sorptionsverfahren (Carbonate Looping) und Verfahren zur Sauerstoffproduktion (Chemical Looping). Bei beiden Verfahren werden Trägermaterialien im Kreislauf geführt. Beim Carbonate Looping wird CO 2 absorbiert und anschließend kalziniert, wobei das Trägermaterial (z. B. Kalzium) im Kreislauf geführt wird. Beim Chemical Looping wird ein Metalloxid als Sauerstoffträger im Kreislauf (abwechselnde Reduktion und Oxidation) geführt. Während es sich beim Carbonate Looping um einen Post-Combustion-Prozess handelt, dient das Chemical-Looping-Verfahren der Sauerstoffbereitstellung für einen Oxyfuel-Prozess. Beide Anwendungen sind derzeit Gegenstand intensiver F&E-Arbeiten. Carbonate Looping Das Carbonate Looping (oftmals auch als trockene Sorption bezeichnet) zählt zu den Post-Combustion-Verfahren, die CO 2 aus dem Kraftwerksrauchgas abtrennen können. Hierzu wird die Hochtemperaturreaktion ( C) der reversiblen, exothermen Absorption (Karbonisation) von Kalziumoxid (CaO) in Verbindung mit der endothermen Kalzinierung des Kalziumkarbonats (CaCO 3, ca. 900 C) genutzt. Kernelement des Carbonate-Looping-Prozesses ist ein dualer Wirbelschichtreaktor, in dem das CO 2 -absorbierende Material Kalziumoxid zwischen dem Karbonator (CO 2 - Absorption) und dem Regenerator (CO 2 -Desorption) im Kreislauf geführt wird [Hawthorne et al., 2008]. Die Regeneration des Kalziumoxids erfolgt entweder thermisch unter reduziertem Druck oder unter Verwendung eines Reduktionsmittels, wie z. B. Wasserstoff [Ausfelder & Bazzanella, 2008]. Die prinzipielle Verfahrensanord-

152 nung kann der Abbildung V-12 entnommen werden. Im Gegensatz zum klassischen Waschverfahren kann die Absorptionswärme im Kraftwerksprozess genutzt werden. 146 Abbildung V-12: Prinzipielle Darstellung des Carbonate-Looping-Prozesses Quelle: [Ströhle et al., 2008] IEF-STE 2010 Ein weiterer Vorteil des Carbonate-Looping-Verfahrens ist die im Prinzip erreichbare hohe Reinheit des abgeschiedenen Kohlendioxids. Die energetischen und finanziellen Aufwendungen des Verfahrens sind hauptsächlich mit dem Reaktivierungsschritt verbunden. Diese sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur schwer abzuschätzen, da sich alle Komponenten und Materialien im F&E-Stadium befinden. Das Carbonate Looping mit der Verwendung von CaO/CaCO 3 als absorbierendes Material zeichnet sich durch die kostengünstige und hohe Verfügbarkeit der Ausgangsstoffe (z. B. Dolomit, natürlicher Gips) aus. In den derzeit laufenden Laborversuchen wurde eine relativ schnelle und dauerhafte Deaktivierung der absorbierenden Metalloxide beobachtet. Die benötigten Ersatzmengen für das deaktivierte Absorbermaterial werden als beträchtlich eingeschätzt. Die Entsorgung von deaktiviertem CaCO 3 ist aus Umweltgesichtspunkten unkritisch, da das Kalziumkarbonat als Baumaterial weiter verwendet werden kann [Ausfelder & Bazzanella, 2008]. Durch die kontinuierliche Absorption sowie Kalzinierung kommt es zu einer Deaktivierung des CaCO 3. Daher ist kontinuierlich frisches CaCO 3 zuzuführen. Dies ist jedoch unkritisch, da CaCO 3 ausreichend verfügbar ist [Ströhle et al., 2008]. Der Wirkungsgradvorteil gegenüber anderen konventionellen Waschverfahren ist signifikant. Ausgehend von einem kohlegefeuerten Basisprozess mit einem Wirkungsgrad von etwa 46 % schätzen Abanades et al. [2004] den Wirkungsgradverlust auf etwa 7,2 Prozentpunkte (inkl. CO 2 - Kompression und -Aufbereitung). Ströhle et al. [2008] schätzen den Wirkungsgradverlust (ohne CO 2 -Kompression und -Aufbereitung) auf etwa 3 Prozentpunkte bei einer Abscheiderate von 70 bis 95 %. Das Verfahren ist prinzipiell auch als Nachrüstungsoption für bestehende Kraftwerke denkbar.

153 Chemical Looping für Oxyfuel-Prozesse 147 Bei den bereits vorgestellten Varianten nach dem Oxyfuel-Verfahren wird der Sauerstoff für die Verbrennung durch eine kryogene Luftzerlegung bereitgestellt. Das Rauchgas besteht bei dieser Verfahrensweise im Wesentlichen aus Wasser und CO 2. Das Chemical Looping bietet eine weitere Möglichkeit der Sauerstoffbereitstellung durch Nutzung von Metalloxiden als O 2 -Träger. Der Brennstoff wird dabei in einem Reaktor nicht durch Luft, sondern durch einen geeigneten Sauerstoffträger (meist Metalloxide) oxidiert. Die Regeneration des Metalloxids erfolgt in einem weiteren Reaktor mit Hilfe von Luft als Reduktionsmittel. Der in der Luft enthaltende Stickstoff wird mit Hilfe des Metalloxids nicht dem eigentlichen Verbrennungsprozess zugeführt. Dementsprechend kann durch Auskondensation des Wassers ein CO 2 - reiches Rauchgas erzeugt werden. Die prinzipielle Funktionsweise der Chemical- Looping-Verbrennung ist in Abbildung V-13 dargestellt. Abbildung V-13: Schematische Darstellung der Chemical-Looping- Verbrennung N 2 CO 2, H 2 O Brennstoffreaktor Regenerationsreaktor M y O x M y O x-1 Kombiniertes Membran/MEA-Verfahren Eine andere Variante der chemischen Absorption stellt das MGA-Verfahren (Membrane Gas Absorption) dar. Es nutzt eine poröse, flüssigkeitsabweisende Membran, durch die das CO 2 des Rauchgases diffundiert und letztendlich mit Hilfe eines aminbasierten Lösungsmittels absorbiert wird (Abbildung V-14). Die mit CO 2 beladene flüssige Lösung wird wie beim klassischen MEA-Verfahren in einem nachgeschalteten Schritt regeneriert. Der Vorteil des Verfahrens besteht darin, dass Flüssigkeits- und Gastransfer unabhängig voneinander sind, so dass die eigentliche Separierung nicht durch ein bestimmtes notwendiges Gas-/Flüssigkeitsverhältnis beeinflusst wird. Darüber hinaus wird ein Fluten des Absorbers sowie Schäumen ausge- Luft Fossiler Brennstoff Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

154 148 schlossen. Wie bereits zuvor diskutiert, besteht das grundsätzliche Problem des MEA-Prozesses in den hohen Kosten der Regenerierung des beladenen Absorbens. Der MGA-Prozess benötigt weitaus weniger Energie für die Regenerierung, da die Beladung des Solvens gegenüber dem klassischen MEA-Prozess deutlich höher ist. Darüber hinaus ist das Rückflussverhältnis sehr viel niedriger, was mit weniger Pumparbeit (ein Drittel weniger) korreliert. Des Weiteren zeichnet sich der Prozess dadurch aus, dass er nur ein Zehntel der Chemikalien des klassischen MEA- Prozesses benötigt. Der modulare Aufbau ermöglicht zudem ein einfacheres Upscaling [Erp et al., 2007]. Abbildung V-14: Prinzip des kombinierten Membran/MEA-Verfahrens Quelle: [Van der Vaart et al., 2006] IEF-STE 2010 Führend auf dem Gebiet des MGA-Verfahrens sind u. a. die Niederlande (TNO in Kooperation mit der Universität Twente) sowie Norwegen, wo intensive Forschungsarbeiten durchgeführt werden. Im Rahmen des norwegischen Forschungsprogramms KLIMATEK werden in einer Versuchsanlage (Erdgasaufbereitung, Standort: Karsö) gemeinsam mit dem Betreiber Statoil Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durchgeführt. Eine kleinere Versuchsanlage wird seit 2002 an der Universität Dortmund betrieben [Erp et al., 2007]. CO 2 -Rückhaltung mit Brennstoffzellen Die Kopplung eines gasgefeuerten Kraftwerksprozesses (GuD oder IGCC) mit einer Brennstoffzelle könnte ebenfalls hinsichtlich der CO 2 -Abscheidung Vorteile bringen. So könnte die Brennstoffzelle als Gastrennapparat eingesetzt werden, da das Brenngas in der Brennstoffzelle ohne Vermischung mit Luftstickstoff und ohne Aufwand zur Sauerstoffherstellung oxidiert wird (vgl. [Göttlicher, 1999]). Der Abgasstrom nach der Anode besteht im Wesentlichen aus CO 2 sowie Restbestandteilen aus Un-

155 149 verbranntem (CO sowie hauptsächlich H 2 ). Die Trennung von CO 2 und den Restbestandteilen ist aufgrund des fehlenden Stickstoffs sowie anderer Bestandteile sehr viel einfacher. Je nach Brennstoffzellentyp bieten sich für die Trennung unterschiedliche Konzepte an. Durch eine nachgeschaltete CO-Umwandlung oder eine Nachverbrennung mit reinem Sauerstoff werden die Restbestandteile verringert bzw. beseitigt und der CO 2 -Gehalt weiter erhöht. Der energetische und apparative Aufwand für die nachfolgende CO 2 -Abscheidung (im Wesentlichen Abtrennung von Wasser) ist viel geringer als bei einer kommerziellen CO 2 -Wäsche (z. B. Selexol). Die Konzepte werden in Kapitel III Kohlekombikraftwerke eingehend erläutert. V.3 Bewertung des Technologiefeldes Bewertet man die CO 2 -Abscheidung vor dem Hintergrund der im Rahmen des Projekts festgelegten Szenariowelten, dürfte das wirtschaftliche Risiko bei einem Klimaschutzszenario am geringsten sein. Die erheblichen Effizienzeinbußen bedeuten letztendlich einen deutlich höheren Ressourcenverbrauch, was das wirtschaftliche Risiko im Ressourcenszenario deutlich höher erscheinen lässt. Für die drei derzeit in der Entwicklung befindlichen CCS-Techniklinien dürfte das technische Forschungund Entwicklungsrisiko für alle Szenarienwelten gleich hoch sein (vgl. Tabelle V-4). Tabelle V-4: Bewertung des technischen und wirtschaftlichen Forschungsund Entwicklungsrisikos von CO 2 -Abscheidung Szenario 1: Moderat Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 2: Klimaschutz Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 3: Ressourcen Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist sehr gering gering eher gering eher hoch hoch Sehr hoch Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Eine Analyse der weltweiten F&E-Aktivitäten zur CO 2 -Abscheidung zeigt, dass sich aus heutiger Sicht keine CCS-Techniklinie eindeutig favorisieren lässt (vgl. Abbildung V-15). Vergleicht man die Aktivitäten der deutschen Unternehmen Vattenfall, E.ON

156 150 und RWE, zeigt sich ein ähnliches Bild. Zwar liegt der jeweilige Hauptfokus der großen deutschen Energieversorgungsunternehmen auf unterschiedlichen Techniklinien (Vattenfall: Oxyfuel, RWE: Pre-Combustion, E.ON: Post-Combustion), jedoch beinhaltet das Technikportfolio der Unternehmen alle drei CCS-Techniklinien. Welche Techniklinien letztendlich zum Einsatz kommen werden, hängt von einer Vielzahl technischer und ökonomischer Randbedingungen ab. Nach Expertenmeinungen werden Kraftwerke mit Post-Combustion- und Oxyfuel-Technik eine deutlich geringere flexiblere Fahrweise besitzen als Kraftwerke ohne CO 2 -Abscheidung. Demgegenüber hat das Pre-Combustion-Kraftwerk Vorteile, da der erzeugte Wasserstoff zwischengespeichert und somit das Kraftwerk auch unabhängig von der aktuellen Stromnachfrage gefahren werden kann. Abbildung V-15: Weltweit größere CO 2 -Abscheideprojekte sss sss Belchatow Phase B Hatfield Porto Tolle Maasvlakte Compostella Phase B Belchatow Phase A Compostella Phase A Quelle: [Thambimuthu, 2008] und eigene Recherchen IEF-STE 2010 Ein anderes Kriterium ist die Nachrüstung bestehender Kraftwerke. Derzeit wird davon ausgegangen, dass die CCS-Technik frühestens 2020 kommerziell zur Verfü-

157 151 gung steht. Dies bedeutet, dass die bis 2020 gebauten Kraftwerke keine CO 2 - Abscheidung besitzen. Aktuell wird davon ausgegangen, dass lediglich das Post- Combustion-Verfahren für eine Nachrüstung geeignet ist. Schon aufgrund begrenzter Speicherkapazitäten stellt die CO 2 -Abscheidung eine Übergangstechnik dar. Geht man von den derzeitigen geschätzten Speicherkapazitäten aus und legt die heutigen kraftwerksseitigen CO 2 -Emissionen als jährliche Speichermenge zugrunde, dürfte der Einsatz von CCS-Technik auf gut zwei Kraftwerksgenerationen beschränkt sein [Linssen et al., 2006]. Der Betrieb von Kraftwerken mit CO 2 -Abscheidung erfordert den Aufbau einer neuen Infrastruktur für den Transport und die Speicherung von Kohlendioxid. Die Planung und das Durchlaufen von Genehmigungsverfahren erfordern erhebliche Vorlaufzeiten, die auf mindestens 10 Jahre geschätzt werden [Heithoff, 2009]. Voraussetzung sind verbindliche rechtliche Rahmenbedingungen. Darüber hinaus sind für die Infrastruktur erhebliche Investitionen notwendig. Keine der derzeit favorisierten drei Techniklinien weist momentan eine kommerzielle Anwendungsreife für den Kraftwerksbetrieb auf (Tabelle V-5 bis Tabelle V-7). Tabelle V-5: Aktuelles Entwicklungsstadium Oxyfuel-Prozess CO 2 -Abscheidung (Oxyfuel, kryogen) (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

158 152 Tabelle V-6: Aktuelles Entwicklungsstadium Post-Combustion-Prozess CO 2 -Abscheidung (Pre-Combustion, physikalische Wäsche) (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Tabelle V-7: Aktuelles Entwicklungsstadium Pre-Combustion-Prozess CO 2 -Abscheidung (Post-Combustion, chemische Wäsche) (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Der Entwicklungsstand des Oxyfuel-Verfahrens bewegt sich derzeit zwischen der F&E- und Demonstrationsphase. Die F&E-spezifischen Herausforderungen betreffen im Wesentlichen das Ausbrandverhalten, mögliche Korrosionseffekte sowie die Verringerung des Falschlufteintrags. Die optimale Systemeinbindung sowie die Entwicklung neuer Waschflüssigkeiten mit verbesserten Eigenschaften, die zu einer geringeren Degradation, zu mehr Effizienz und geringeren Kosten führen, stellen die großen Herausforderungen beim Post-Combustion-Prozess dar. Das in der Verfahrenstechnik übliche Upscaling (Laboranlage, Versuchsanlage, Testanlage, Demonstrationsanlage) ist sowohl für den Oxyfuel-Prozess als auch für den Post-Combustion- Prozess noch zu leisten. Derzeit gibt es für beide Verfahren nur Versuchsanlagen, so dass die Schritte hin zu einer Demonstrationsanlage noch zu leisten sind. Die ge-

159 153 planten Pre-Combustion-Anlagen sind deutlicher größer als 200 MW el. Da sowohl der Vergaser als auch die physikalische Wäsche Stand der Technik sind und in anderen Bereichen bereits eingesetzt werden, besteht die große Herausforderung darin, diese Komponenten für eine kommerzielle Kraftwerksgröße zu entwickeln, als System zu optimieren und zu bauen. Darüber hinaus ist der Nachweis zu erbringen, dass die IGCC-Technik kommerziell mit anderen Technikalternativen konkurrieren kann (z. B. ausreichende Verfügbarkeit). Wie bereits ausgeführt, gibt es bei allen Techniklinien ein erhebliches Potenzial zur Effizienzsteigerung und Kostenreduktion. Der Einsatz von Membranen ist bei allen Techniklinien in unterschiedlicher Art und Weise und mit verschiedenen Materialien möglich. Ob und in welchem Ausmaß sich welche Membrantypen durchsetzen werden, ist nicht nur eine werkstofftechnische Frage. Der Einsatz hängt auch maßgeblich davon ab, ob es gelingt, Membranen optimal und mit geringem F&E-Risiko in den Kraftwerksprozess zu integrieren. Erfordert der Membraneinsatz andere neue Entwicklungen (z. B. Heißgasentschwefelung, Heißgasgebläse), erhöht sich dementsprechend das technische und damit das wirtschaftliche Risiko eines möglichen Einsatzes. Die Suche nach adäquaten Konzepten ist daher gleichrangig zur eigentlichen Membranentwicklung zu sehen. Sowohl Membranen als auch die anderen Verfahren (Carbonate Looping, Chemical Looping) befinden sich im F&E-Stadium. Bei allen Techniklinien sind die technologischen und wirtschaftlichen F&E-Risiken allerdings etwas unterschiedlich ausgeprägt. Die wirtschaftlichen F&E-Risiken betreffen vor allem den Prozess des Upscaling. Mit zunehmender Anlagengröße bis hin zum Bau einer kommerziellen Anlage erhöhen sich die erforderlichen Investitionen und damit das wirtschaftliche Risiko. Die Allokation von Fördermitteln ist hinsichtlich des technologischen F&E-Risikos sehr gezielt vorzunehmen. Eine Vielzahl von Post- Combustion-Versuchsanlagen wird in Kürze in Deutschland von Industrieverbünden (Kraftwerksindustrie, Lösungsmittelhersteller) ohne Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel gebaut. Dies deutet darauf hin, dass ein erhebliches industrielles Eigeninteresse vorliegt und der öffentliche Förderungsprozess eventuell abgelöst wird. Tabelle V-8: Begründung der Relevanz öffentlicher Forschungsförderung (CO 2 -Abscheidung) Rechtfertigung öffentlicher Forschungsförderung gegeben aufgrund technologischer Forschungs- und Entwicklungsrisiken Ja Nein wirtschaftlicher Forschungs- und Entwicklungsrisiken Ja Nein gravierender Preisrisiken Ja Nein langer Vorlaufzeiten Ja Nein Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

160 154 V.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand Derzeit befinden sich alle drei CCS-Technikrouten im öffentlichen F&E-Portfolio (gut 40 % der aktuellen COORETEC-Fördermittel werden für Projekte zur CO 2 -Abscheidung ausgegeben). Nächster Schritt ist die Demonstration der technischen Machbarkeit in größeren Anlagen, die eine notwendige Vorbedingung auf dem Weg hin zu einer kommerziellen Anlage sind. Öffentlich geförderte Forschung und Entwicklung sollte den Betrieb von Demonstrationsanlagen partiell und sehr zielgerichtet begleiten. Post-Combustion: Entwicklung neuer Waschflüssigkeiten mit entsprechenden Entsorgungskonzepten (Eigeninteresse der Industrie prüfen), Optimierung von Nachrüstungskonzepten Pre-Combustion: Möglichkeiten weitergehender Prozessoptimierung über den Demonstrationsmaßstab hinaus, Konzepte zur optimalen CCS-Einbindung in den Kraftwerksprozess Oxyfuel: Optimierung des Verbrennungsprozesses inkl. Schadstoffentstehung, Hochtemperaturkorrosion (besseres Verständnis, Materialentwicklung, Vermeidungskonzepte), Konzepte zur Verbesserung des Abbrandverhaltens, Technikkonzepte zur Reduzierung des Falschlufteintrags in Dampferzeugern, Analyse der Machbarkeit einer Nachrüstung insbesondere vor dem Hintergrund von Korrosionseffekten und Verbrennungsaspekten, Entwicklung von Oxyfuel-Konzepten für erdgasgefeuerte Kraftwerke Langfristig verfügen alle drei Techniklinien durch die Einbindung neuer Verfahren über ein erhebliches Verbesserungspotenzial hinsichtlich Effizienz und Kosten (zweite CCS-Generation). F&E sollte auf folgende Punkte fokussiert werden: Membraneinsatz: Entwicklung und Charakterisierung von geeigneten Membranen (mikroporöse Membranen, Polymermembranen, Zeolithe, MIEC, MPEC), Entwicklung und Optimierung von Kraftwerkskonzepten zur Spezifizierung der kraftwerksseitigen Anforderungen für die Membran, Identifizieren von Techniklinien mit dem geringsten Entwicklungsrisiko (Pfadabhängigkeit), Entwicklung von Fertigungsverfahren von Membranen unter Nutzung nanotechnischer Möglichkeiten, Membrantests unter Realbedingungen (Rauchgas, Synthesegas etc.), Entwicklung von Hochtemperatur-H 2 -Membranen für die Konvertierungsreaktion bei IGCC-Kraftwerken (siehe Technologiefeld Kohlevergasung), Identifizieren von Synergien für den Membraneinsatz hinsichtlich anderer industrieller Anwendungen Chemical Looping: Entwicklung und Tests von unterschiedlichen Metalloxiden mit den erforderlichen mechanischen und thermischen Eigenschaften, Einbindungskonzepte für erdgas- und kohlebefeuerte Kraftwerksprozesse (Erdgas, Kohleverbrennung und -vergasung) mit dem Ziel, die Anforderungen an die sonstigen Kraftwerkskomponenten zu spezifizieren, Entwicklung eines geeigneten Reaktorsystems Carbonate Looping (trockene Sorption): Entwicklung von technischen Konzepten zur Einbindung in den Kraftwerksprozess, Möglichkeiten trockener Sorption ohne Sauerstoffeinsatz, Nachweis technischer Machbarkeit mit Hilfe von Pilotanlagen

161 Erforschung der Möglichkeit dauerhafter mineralischer Einbindung 155 Technische Konzeptstudien für die Verknüpfung des IGCC-Prozesses mit Brennstoffzellen und integrierter CO 2 -Abscheidung, Ableiten von Anforderungsmerkmalen für den Gesamtprozess und eine eventuelle Brennstoffzellenentwicklung (siehe Kapitel III: Kohlekombikraftwerke und Kapitel IX: Brennstoffzellen) Neue CCS-Techniken (Chemical Looping, Carbonate Looping, Membranen) müssen sich an den etablierten Techniklinien (erste CCS-Generation) messen lassen, da sie den Maßstab für zukünftige Entwicklungen bzw. Prozessverbesserungen darstellen. Die derzeitige Bewertung von CCS-Techniklinien richtet sich vornehmlich auf Effizienz und Kosten. Eine Technikbewertung sollte jedoch auch eine umweltseitige Bewertung umfassen. Mit Hilfe weitergehender energiewirtschaftlicher Bewertungen sollte der Fokus auch auf die Flexibilität von CCS-Kraftwerken (Teillastverhalten, Anfahr- und Abfahrvorgänge, Betrieb ohne CCS) gelegt werden. Darüber hinaus sollten die prinzipielle Möglichkeit zentraler Kohlevergasung mit CCS und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten (Brückentechnologie für eine zukünftige Wasserstoffversorgung) im Rahmen von Systemstudien eingehend analysiert werden.

162 156 V.5 Anhang: Datenblatt CO 2 -Abscheidung Technologiefeld CO 2 -Abscheidung Technische Beschreibung Physikalisches Prinzip Dampfkraftwerk auf der Basis von Kohleverbrennung mit CO 2 -Abscheidung Varianten: Oxyfuel und Post-combustion (End of pipe) IGCC mit CO 2 -Abscheidung Wichtige Bestandteile Dampfkraftwerk: Wäschen (chem. Absorption), Oxyfuel (kryogene Luftzerlegung) IGCC: Wäschen (physikalische Absorption) Sonstige Merkmale Verschiedene Waschverfahren (z.b. MEA, amdea, Selexol, Rectisol) werden heute bereits für andere Industrieanwendungen (Ammoniakherstellung, CO 2 -Abscheidung bei Erdgasexploration, Raffinerien etc.) eingesetzt. Wirkungsgradeinbußen (inkl. Kompression/Behandlung) Stand der Technik: 11 bis 14 Prozentpunkte, je nach Verfahren Mittelfristig: 8 10 Prozentpunkte, Langfristig: < 8 Prozentpunkte Technik Installierte Leistung Deutschland: Derzeit keine Anlage im großtechnischen Maßstab vorhanden. Oxyfuel-Versuchsanlage am Standort Schwarze Pumpe, 30 MW th (Braunkohle), weltweit größte Oxyfuel-Versuchsanlage. Post-combustion Versuchsanlagen an den Standorten Niederaußem (BK-Kraftwerk) und Staudinger (SK-Kraftwerk). Weitere in der Umsetzung befindliche Projekte: 4 kleinere Post combustion Versuchsanlagen (bis 0,3 MW el ) mit unterschiedlichen Waschflüssigkeiten. Mittelfristige Planung (2015) von Demoanlagen: IGCC-KW Hürth, 450 MW el., 2x250 MW Jänschwalde (Oxyfuel oder Post combustion) Weltweit: Derzeit keine Anlage im großtechnischen Maßstab vorhanden. Warrior Run Power Station (USA), Abscheidung von CO 2 aus einem Kohlekraftwerk (150 t/tag), CO 2 für Lebensmittelindustrie, Sleipner (Norwegen): CO 2 -Abscheidung aus Erdgas (1 Mio. t/a) Viele kleinere Versuchsanlagen zu Post-combustion (KW Esbjerg etc.). Weitere in der Umsetzung befindliche Projekte: z.b. Callide (Oxyfue)l, Mountaineer (Chilled Ammonia), Ciuden (Post-combustion, Oxyfuel), CATO/Castor/Brindsi (Post-combustion). Mittelfristige Planungen von Demoanlagen: z.b. FutureGen (Pre-combustion), Kingsnorth, Nordylland Boundary Dam (jeweils Post-combustion) Entwicklungsstand Kommerziell Demonstration F&E Ideenfindung - Planung Einsatz von Membranen (Sol-Gel, Polymer, Zeolite, MIEC, MPEC) zur CO 2 - und O 2 -Abtrennung Entwicklung von Kraftwerkskonzepten (Post-, Precombustion, Oxyfuel) mit Membraneinbindung Entwicklung effizienterer Waschflüssigkeiten Neue Verfahren zur O 2 - Erzeugung (Carbonate und Chemical Looping) Oxyfuel: Hochtemperaturkorrosion, Falschlufteintrag Mineralische Einbindung von CO 2, ZE- CA-Konzept IGCC-Hybrid mit Brennstoffzelle und integrierter CO 2 - Abscheidung

163 157 Hemmnisse Umfeld Ökologie Ökonomie Kosten (heute) Potenziale für Dampfkraftwerke mit CCS in Abhängigkeit der Szenarien Emissionen Ressourcen Sonstige Umweltrisiken Investitionen: Betriebskosten: Wartung: Installierter Neubau, kumuliert (GW) Sz Moderat (BK+SK mit CCS) Sz Klimaschutz (BK+SK mit CCS) Sz Ressourcen (BK+SK mit CCS) Stromerzeugung, kumuliert (TWH) Sz Moderat (BK+SK mit CCS) Sz Klimaschutz (BK+SK mit CCS) Sz Ressourcen (BK+SK mit CCS) Primärenergieeinsparung (PJ/a) Sz Moderat (BK+SK mit CCS) Sz Klimaschutz (BK+SK mit CCS) Sz Ressourcen (BK+SK mit CCS) CO 2 -Einsparung (Mio. t/a) Sz Moderat (BK+SK mit CCS) Sz Klimaschutz (BK+SK mit CCS) Sz Ressourc. (BK+SK mit CCS) Investitionsvolumen (Mrd /a) Sz Moderat (BK+SK mit CCS) Sz Klimaschutz (BK+SK mit CCS) Sz Ressourc. (BK+SK mit CCS) SK: 1750 /kw (MEA-Wäsche). BK: 2300 /kw (Pre-combustion). Gegenüber herkömmlichen Kraftwerken etwa 50-90% höher ,2 18,3 3, ,5-31,0-11,2 43,2 86,0 22,9 1,3 2,7 0,6 15,3 30,6 10, ,2 0,7 5,8 78,2 156,3 61,5 Referenztechnologie: Heutige bestmögliche BK/SK-Dampfkraftwerke (η el : 43,5/45%, Investitionskosten: 1050/ 900 /kw). Neubau: η BK/SK-DKW, mit CCS: 41,5/44 (2030), 45,5/47 (2050) Evtl. niedrigere SO 2 -, NOx- u. Staubemissionen als bei konv. Kraftwerken ohne CCS Erheblicher zusätzlicher Stein- und Braunkohlebedarf aufgrund von Wirkungsgradeinbußen gegenüber Kraftwerken ohne CO 2 -Abscheidung Je nach Verfahren unterschiedlich (z.b. Entsorgung von degradierten Waschflüssigkeiten etc.) Firmen Deutschland: z.b. ALSTOM, Babcock-Hitachi, Lurgi, ThyssenKrupp, Siemens, BASF, Linde, RWE Power, EnBW, Vattenfall, E.ON Forschungseinrichtungen F&E Initiativen COORETEC, KW21, HGF-Projekt Membrain Deutschland: Zahlreiche Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, etc. Besondere Anmerkungen Technisch Wirtschaftlichkeit Sonstige Derzeit lässt sich keine CCS-Technikroute präferieren F&E Netzwerk zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen (Hersteller und Betreiber) ist sehr effizient (z.b. COORETEC) Deutschland besitzt mit den derzeit laufenden F&E-Aktivitäten zum CCS- Themenkomplex eine weltweit führende Rolle Es steht in Kürze die Substitution veralteter Kraftwerke an. Derzeit ist die technische Machbarkeit und Verfügbarkeit von Kraftwerken mit CCS nicht gegeben. Alle CCS- Verfahren sollten vor dem Hintergrund eines Retrofitting geprüft werden. Die technische Machbarkeit ist in Form von Demonstrationskraftwerken nachzuweisen. Gleiches gilt insbesondere für die CO 2 -Speicherung. Eine großtechnische Demonstration erfordert den Aufbau eines Pipelinenetzes. Die Finanzierung der Demoanlagen ist derzeit nicht geklärt. Die Mehr-Investitionen für CCS-Abscheidung sind beträchtlich. Die Umsetzung von CCS setzt belastbare und klare Rahmenbedingungen (z.b. Zukünftige Ausgestaltung und Fortschreibung des Emissionshandels etc.) voraus. Akzeptanzprobleme (Kohlekraftwerke, Pipelines, Speicherstätten) 0,5 1,0 0,5

164 158 V.6 Literatur ABANADES, J. C., ANTHONY, J. C., ALVAREZ, D., LU, D. Y. & SALVADOR, C. (2004) Capture of CO 2 from combustion gases in a fluidized bed of CaO. In: AIChE 50 (7), S AUSFELDER, F. & BAZZANELLA, A. (2008) Verwertung und Speicherung von CO 2, Diskussionspapier der DECHEMA e. V. Oktober 2008, Frankfurt a. M., /Studien_und_Positionspapiere.html. BEYSEL, G. (2004) Linde Engineering Luftzerlegungsanlagen für Kraftwerke der Zukunft. XXXVI. Kraftwerkstechnisches Kolloqium, Dresden BURCHHARDT, U. & JACOBY, J. (2008) Erfahrungen aus der Inbetriebnahme und erste Ergebnisse aus der Oxyfuel-Forschungsanlage Vattenfall. 40. Kraftwerkstechnisches Kolloqium 2008, Dresden 14./ CASERO, P. (2007) Puertollano IGCC Power Plant. Operational Experience and Current Developments. 2 nd International Freiberg Conference on IGCC & XtL Technologies, Freiberg, CASTILLO, R. (2009) Technical evaluation of CO 2 compression and purification in CCS power plants. 4 th International Conference on Clean Coal Technologies, Dresden, CZYPEREK, M., ZAPP, P., BOUWMEESTER, H. J. M., MODIGELL, M., PEINE- MANN, K.-V., VOIGT, I., MEULENBERG, W. A., SINGHEISER, L. & STÖVER, D. (2009) MEM-BRAIN gas separation membranes for zero-emission fossil power plants. In: Energy Procedia, Nr. 1/1, Greenhouse Gas Control Technologies 9, Proceedings of the 9 th International Conference on Greenhouse Gas Control Technologies (GHGT-9), , Washington DC, USA, Februar 2009, S COORETEC (2003) Forschungs- und Entwicklungskonzept für emissionsarme fossil befeuerte Kraftwerke Bericht der COORETEC Arbeitsgruppen. BMWi Dokumentation Nr. 527, Berlin COORETEC (2007) Leuchtturm COORETEC Der Weg zum zukunftsfähigen Kraftwerk mit fossilen Brennstoffen. Forschungsbericht Nr. 566, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Berlin 2007, ERP, B., FAHLENKAMP, H., PIEPER, B., STANKEWITZ, C., ERICH, E., VOGT, M. (2007) Tail-end CO2 Capture as convincing Opportunity for Retrofitting of Coal-fired Power Plants and related R&D objectives. VGB PowerTech (87), Heft 5, S FERON, P. H. M., ABU-ZAHRA, M. R. M., ALIX, P., BIEDE, O.,BROUTIN, P., DE JONG, H., KITTEL, J., KNUDSEN, J. N., RAYNAL, L. & VILHELMSEN, P. J. (2007) Development of post combustion capture of CO2 within CASTOR Integrated project: Results from the power plant operation using MEA. Third international Conference on Clean Coal Technologies for our Future, Cacliari, Sardinia, FERON, P. (2009) Status and prospects of Post combustion capture. Presentation on International RWE-Symposium on Post combustion capture. Neuss, FISCHEDICK, M., GÜNSTER, W., FAHLENKAMP, H., MEIER, H-J. & NEUMANN, F. (2006) CO 2 -Abtrennung im Kraftwerk Ist eine Nachrüstung für bestehende Anlagen sinnvoll? In: VGB PowerTech 86, Heft 4, S

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169 163 VI CO 2 -Transport und -Speicherung VI.1 Beschreibung des Technologiefeldes Der Einsatz von Kraftwerken mit CO 2 -Abscheidetechnik erfordert den Transport und die Speicherung von Kohlendioxid. Seit Anfang der 70er-Jahre wurde in den USA ein CO 2 -Pipelinenetz mit einer Transportkapazität von ca. 45 Mio. t/a aufgebaut, das heute eine Länge von ca km besitzt. Hintergrund ist die Nutzung von CO 2 zur Erdölförderung zur Steigerung der Entleerungsraten. CO 2 -Pipelines sind somit Stand der Technik. Weltweit sind derzeit über km CO 2 -Pipelinenetz installiert [Thambimuthu, 2008]. Als mögliche CO 2 -Lagerstätten kommen in Deutschland hauptsächlich tiefe saline Aquifere in Frage. Eine wesentlich kleinere Speicherkapazität haben erschöpfte Erdgasfelder. Darüber hinaus stellt die Offshore-CO 2 -Speicherung eine weitere Möglichkeit dar. Potenzialangaben zur Speicherkapazität sind derzeit mit großen Unsicherheiten behaftet. Geht man von der CO 2 -Emissionsmenge heutiger Kraftwerke in Deutschland aus, dürfte die statische Reichweite der Onshore-Speicher maximal zwei Kraftwerksgenerationen (ca. 80 Jahre) betragen. Die derzeit weltweit größten Speicherprojekte befinden sich in Norwegen (Sleipner, 1 Mio. t CO 2 /a, salinarer Aquifer), in Algerien (In Salah, 1,2 Mio. t CO 2 /a, salinarer Aquifer) sowie Kanada (Weyburn, 1 Mio. t CO 2 /a, Erdöllagerstätte). Daneben läuft weltweit eine Vielzahl kleinerer Projekte, mit denen unterschiedlichste Probleme der CO 2 -Speicherung untersucht werden. Im Rahmen des EU-Forschungsprogramms CO2SINK wurde im Jahr 2004 ein Speicherprojekt in Deutschland (Ketzin, 0,06 Mio. t CO 2 ) gestartet. Weitere Forschungsprojekte (z. B. Altmark, Birkholz/Beeskow) sind geplant. Mit dem Gesetzentwurf zur Regelung von Abscheidung, Transport und dauerhafter Speicherung von Kohlendioxid, der am 1. April 2009 vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, sind erste Vorstellungen für einen zukünftigen Rechtsrahmen konkretisiert worden. VI.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf VI.2.1 CO 2 -Transport Für einen wirtschaftlichen Transport des im Kraftwerk abgeschiedenen CO 2 kommt aus logistischen und wirtschaftlichen Gründen nur der Transport bei hoher Dichte in Frage. Abbildung VI-1 zeigt das Phasendiagramm von reinem Kohlendioxid. Da Transportpipelines in der Regel nicht aktiv gekühlt werden, ist neben dem Pipelinedruck auch die Umgebungstemperatur für den Aggregatzustand des Kohlendioxids während des Transports entscheidend. Oberhalb der kritischen Temperatur von

170 ,2 K (31,2 C) liegt das CO 2 im überkritischen Zustand vor und ähnelt in Dichte und Fließverhalten einer Flüssigkeit. CO 2 sublimiert (Übergang gasförmig/fest) unter Umgebungsdruck bei einer Temperatur von 194,5 K ( 78,5 C). Im überkritischen Zustand weist CO 2 ein hohes Lösevermögen für viele wasserabweisende (hydrophobe) Stoffe auf und wird technisch als Lösungsmittel z. B. bereits in der Lebensmittelindustrie oder in der Petrochemie eingesetzt. Unter Normdruck und -temperatur lösen sich ca. 0,9 l gasförmiges CO 2 in einem Liter Wasser in Form von Kohlensäure. Abbildung VI-1: Phasendiagramm von CO 2 als Reinstoff 1 Quelle: nach [IPCC, 2005] IEF-STE 2010 Derzeit technisch realisiert im großskaligen Bereich ist der Transport per Pipeline und per Schiff. Für kleine Transportmengen (bis einige 10 kt CO 2 pro Jahr) und kurze Transportentfernungen ist auch der Transport in Druckkessel-Lkw denkbar. Kriterien für die Auswahl geeigneter Transporttechnik sind nicht nur Kosten und Kapazitäten, sondern auch geografische Gegebenheiten, Fragen der Sicherheit und die Art der Lagerung. Derzeit wird der Transport großer CO 2 -Mengen im Wesentlichen mit Hilfe von Pipelines durchgeführt. Mit Blick auf die Quellen und Senken von CO 2 und deren langfristige Verfügbarkeit bleibt anzumerken, dass der ortsgebundene Pipelinetransport in puncto Flexibilität den Schiffs-/Lkw-Transportsystemen unterlegen ist. Jedoch muss für den diskontinuierlichen Schiffs-/Lkw-Transport von CO 2 und die kontinuierliche Abscheidung von CO 2 aus dem Kraftwerk die Option einer Zwischenspeicherung vorgesehen werden, die sich negativ in den Kosten bemerkbar macht.

171 165 Derzeit existieren weltweit CO 2 -Pipelinenetze von über km Länge (vornehmlich in den USA und in Kanada), die jedoch von ihrer Flächendeckung und Vernetzung nicht vergleichbar sind mit Erdgas- oder Erdöl-Pipelinenetzen. Die CO 2 -Pipelines, von denen eine Vielzahl Anfang der 80er-Jahre gebaut wurden, werden überwiegend zur Erdölexploration (Enhanced Oil Recovery, EOR) genutzt. Der sichere Pipelinebetrieb, der in einigen Fällen seit über zwei Dekaden erfolgt, hat sich technisch bewährt und ist somit Stand der Technik. Aus den bereits gewonnenen Erkenntnissen der existierenden Pipelines lassen sich Kostenrechnungen auf neu zu bauende Pipelines übertragen. Auf Basis der Arbeiten von Odenberger & Svensson [2003] und IEA [2008] wurde eine Transportkostenfunktion für unterschiedliche Transportkapazitäten und Umgebungsbedingungen (On-/Offshore) abgeleitet. Eine Abschätzung der Bandbreiten der längenspezifischen Pipeline-Investitionen nach [IEA, 2008] zeigt Abbildung VI-2. Abbildung VI-2: Investitionen für CO 2 -Pipelines 1,6 Investitionen [M /km] 1,4 1,2 1,0 0,8 0,6 0,4 Onshore High Onshore Low Offshore High Offshore Low 0,2 0,0 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 1,1 1,2 1,3 Pipeline-Durchmesser [m] Anmerkung: Umrechnung 1 = 1,25$ Quelle: [IEA, 2008] IEF-STE 2010 Den Kostenrechnungen liegt ein Zinssatz von 5 % bei einer Abschreibungsdauer von 20 Jahren zugrunde. Der finanzielle Aufwand für Zwischenverdichtung und Wartung ist hierin berücksichtigt, nicht jedoch die Kosten für die Verflüssigung/Kompression im Kraftwerk. Unter den getroffenen Annahmen liegt der Onshore-Transport zwischen ca. 0,1 und 7 pro Tonne CO 2 und 100 km bzw. der Offshore-Transport zwischen ca. 0,2 und knapp 11 pro Tonne CO 2 und 100 km (Abbildung VI-3). Die Kosten werden jedoch entscheidend durch die Auslastung beeinflusst, so dass ein möglichst hoher Durchsatz nahe der Kapazitätsgrenze angestrebt werden sollte.

172 166 Potenziale zur Kostensenkung bestehen auf der Materialseite und bei der Anwendung neuer Verlegungstechniken insbesondere im Offshore-Bereich. Da ein signifikanter Teil der Kosten auf planerische Maßnahmen entfällt, kann durch die Wahl von optimierten Pipelinerouten (z. B. entlang von bereits vorhandenen Infrastrukturtrassen) ein zusätzliches Potenzial zur Kostensenkung erschlossen werden. Abbildung VI-3: Berechnung von CO 2 -Transportkosten über Transportentfernung und Kapazität CO 2 Pipelinekosten [Eurocent/(t km] CO 2 Pipeline Transportkapazität 1Mio. t p.a. 10 Mio. t p.a. Onshore 100 Mio. t p.a. 1Mio. t p.a. 10 Mio. t p.a. Offshore 100 Mio. t p.a Transportentfernung [km] Quelle: [Odenberger & Svensson, 2003, IEA, 2008, eigene Berechnungen] IEF-STE 2010 Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle die Langfristigkeit von Pipelinebauten, deren Bauzeit im Wesentlichen durch planerische und genehmigungsrechtliche Verfahren bestimmt wird. Beim Aufbau eines CO 2 -Transportnetzes müssen daher lange Vorlaufzeiten eingeplant werden, um zeitliche Hemmnisse für den Aufbau einer komplementären CCS-Kraftwerksgeneration zu vermeiden. Zur Sicherheit von Pipelines wurde von Gale & Davison [2004] eine vergleichende Analyse für amerikanische CO 2 -, Erdgas- und Flüssigkeitspipelines auf der Basis von Schadensstatistiken durchgeführt (Tabelle VI-1). Im Gegensatz zu Erdgaspipelines hat es keine schweren Unfälle beim CO 2 -Pipelinebetrieb gegeben. Auch die monetären Schäden der insgesamt 10 Störungen sind vergleichsweise sehr gering. Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass die CO 2 -Pipelines weit entfernt von Städten entfernt liegen und die Bilanz vielleicht auch deswegen sehr positiv ausfällt. Insgesamt ist die Störungsrate vergleichbar mit den anderen Pipelinetypen. Die Ursachen der CO 2 -Pipelineschäden sind defekte Überdruckventile, Dichtungsprobleme/fehler-

173 167 hafte Schweißnähte sowie Korrosion. Ursachen der Schäden an Erdgaspipelines sind hauptsächlich Korrosion (32 %) sowie externe Ursachen wie z. B. Baggerarbeiten (35 %). Tabelle VI-1: Statistik von Pipelineschäden in den USA Quelle: [Gale & Davison, 2004] IEF-STE 2010 Reinheitsgrad und CO 2 -Transport Die Zusammensetzung des gereinigten Rauchgases hängt vom eigentlichen Kraftwerksprozess, dem jeweiligen CO 2 -Abscheideverfahren und der CO 2 -Aufbereitung ab. Tabelle VI-2 nennt typische Verunreinigungen für die jeweiligen Technologierouten unterschieden nach Energieträgern. Die Unterschiede der einzelnen Verfahren sind signifikant: Während bei Oxyfuel-Verfahren aufgrund von Lufteinbrüchen der Anteil von Argon und Stickstoff dominiert, resultieren die Verunreinigungen (z. B. CH 4, H 2 ) beim Pre-Combustion-Verfahren aus dem eigentlichen Vergasungsprozess. Tabelle VI-2: Typische Verunreinigungen von Gaszusammensetzungen Kraftwerkstyp Komponente Kohle (Vol.-%) Erdgas (Vol.-%) Post- Combustion Pre- Combustion Oxyfuel SO 2 NO x N 2 /Ar/O 2 H 2 S H 2 CO CH 4 SO 2 NO x N 2 /Ar/O 2 <0,01 <0,01 0,01 0,01 0,6 0,8 2,0 0,03 0,4 0,01 0,5 0,01 3,7 <0,01 <0,01 0,01 <0,01 1 0,04 2 <0,01 <0,01 4,1 Quelle: [Seevam et al., 2008, IEAGHG, 2004] IEF-STE 2010

174 168 Tabelle VI-3: Gaszusammensetzungen existierender CO 2 -Pipelines Canyon Reef Central Basin Sheep Mountain Bravo Dome CO 2 CH 4 N 2 H 2 S C 2 H n CO O 2 Quelle 95 % 5 % <0,5 % 100 ppm Anthr. 98,5 % 0,2 % 1,3 % Natürl. 96,8 % 1,7 % 0,9 % 0,6 % Natürl. 99,7 % 0,3 % Natürl. Weyburn 96 % 0,7 % <300 ppm 0,9 % 2,3 % 0,1 % <50 ppm Anthr. Quelle: [Seevam et al., 2008] IEF-STE 2010 Tabelle VI-3 enthält für eine Auswahl amerikanischer CO 2 -Pipelines die Zusammensetzung der transportierten Gase. Maßgeblichen Einfluss auf die Verunreinigungsbestandteile haben die Herkunft sowie die Verwendung des Gases. Bei den anthropogenen Quellen handelt es sich um Synthesegasproduktionsanlagen, was insbesondere den H 2 S-Gehalt sowie den Anteil leichter Kohlenwasserstoffe erklärt. Ein Vergleich zwischen Tabelle VI-2 und Tabelle VI-3 verdeutlicht, dass sich die Zusammensetzungen der Verunreinigungen deutlich unterscheiden. Im Gegensatz zu den Gasgemischen, die für die Erdölexploration genutzt werden, findet sich in den Kraftwerksrauchgasen SO 2, NO x, Ar und O 2 wieder, was einen Einfluss auf das Pipelinedesign sowie die Materialauswahl besitzen kann. Generell gilt, dass die Verunreinigungen je nach Zusammensetzung einen höheren Transportdruckverlust verursachen, als dies bei einem Transport mit reinem CO 2 der Fall ist. Abbildung VI-4 verdeutlicht diese Abhängigkeit, indem für verschiedene Gaszusammensetzungen der Druckverlust über die Transportlänge dargestellt ist. Aufgrund der verschiedenen Eigenschaften der unterschiedlichen Verunreinigungsbestandteile fällt der Druckverlust sehr unterschiedlich aus. In der Praxis bedeutet dies, dass der Druck zu Beginn des Transports sehr viel höher liegen muss, als dies für die eigentliche CO 2 -Einlagerung nötig ist. Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Anfangsdruck niedriger zu wählen und zusätzlich CO 2 -Pumpen entlang der Pipeline zu installieren.

175 Abbildung VI-4: Druckverluste beim Pipelinetransport für typische CO 2 - Gemische 169 Quelle: [Seevam et al., 2008] IEF-STE 2010 Qualitätskriterien für den Pipelinetransport Der Pipelinetransport von CO 2 -Gemischen wird in den USA seit Jahrzehnten praktiziert. Das transportierte CO 2 wird dabei vorwiegend für die Erdölförderung eingesetzt. Das US-Unternehmen Kinder Morgan, das Pipelines baut und betreibt, hat für die zu transportierenden CO 2 -Gemische Standards gesetzt und Bandbreiten für Verunreinigungen vorgegeben (siehe Tabelle VI-4). Die Gründe für die Festlegung der Kriterien sind sehr unterschiedlich. So wird eine Mindestreinheit von 95 % CO 2 gefordert, um die Löslichkeit mit Erdöl und damit ausreichende Viskosität zu gewährleisten. Der Löslichkeitsdruck wird auch durch Verunreinigungen beeinflusst. So wirken sich Substanzen wie Schwefel, Stickstoff und Stickoxide negativ auf den Löslichkeitsdruck auf, während sich H 2 S und leichte Kohlenwasserstoffe positiv auswirken. Dies erklärt auch den relativ hohen Grenzwert für Kohlenwasserstoffe. Weitere Gründe für die Begrenzung der Verunreinigungsbestandteile sind material-, korrosions- oder sicherheitstechnischer Natur.

176 170 Tabelle VI-4: CO 2 -Pipeline-Qualitätskriterien in den USA Komponente Konzentration Minimum/Maximum Kriterium CO 2 95 % Minimum Löslichkeitsdruck N 2 4 % Maximum Löslichkeitsdruck C m H n 5 % Maximum Löslichkeitsdruck H 2 O 30 lbs/mmcf Maximum Korrosion O 2 10 ppm Maximum Korrosion H 2 S ppm Maximum Sicherheit Glykol 0,3 gal/mmcf Maximum Betrieb Temperatur 50 C Maximum Material Quelle: [Visser et al., 2007] IEF-STE 2010 Diese Standards sind nur mit Einschränkungen auf den Transport von CO 2 - Gemischen zu übertragen, die aus Kraftwerksprozessen stammen. Im Rahmen des EU-Projekts DYNAMIS 7 wurde versucht, Standards für CO 2 -Pipelines zu definieren, die mit Kraftwerks-CO 2 -Gemischen (aus Pre-Combustion- oder Post-Combustion- Anlagen) betrieben werden. Hierbei wurden technische, sicherheitsspezifische und gesundheitsrelevante Kriterien in den Blick genommen. Tabelle VI-5 enthält die vorgeschlagenen Richtwerte für den Pipelinebetrieb und die Gründe für die Begrenzung der einzelnen Substanzen. Ein zu hoher Wassergehalt im CO 2 -Gemisch führt demnach zu Korrosionen und Hydratbildung. Bei der Akkumulation fester Hydrate besteht die Gefahr von Verstopfungen und Beschädigung der Pipelineperipherie (z. B. Ventile). Korrosionsgefahr besteht zum einen durch die Bildung von Kohlensäure und in Verbindung mit anderen Bestandteilen (z. B. SO 2, H 2 S). Besonders nachteilig ist die Bildung von (freiem) Wasser, da hierdurch die Korrosionsgefahr extrem steigt. Ein zu hoher Wasserstoffanteil ist generell unerwünscht, da er die Energieeffizienz des Gesamtprozesses reduziert. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Eigenschaften des Pipelinematerials (Kohlenstoffstähle) z. B. durch Versprödung negativ beeinflusst werden. Ebenso unerwünscht ist Sauerstoff als Verunreinigungssubstanz, da es in Verbindung mit Wasser oxidierende Reaktionen beschleunigen kann, wodurch die Injektionskomponenten durch Korrosion (vor allem in Verbindung mit H 2 S) beschädigt werden können. Die beschriebenen Effekte können je nach Druck, Temperatur und Verunreinigungszusammensetzung in unterschiedlichem Ausmaß auftreten [Doctor, 2000, Gale & Davison, 2004, Visser et al., 2007]. 7

177 171 Tabelle VI-5: Empfohlene Qualität und Reinheitsanforderungen für Kraftwerks-CO 2 -Gemische Komponente Konzentration Grund für Begrenzung H 2 O 500 ppm Unterhalb der Löslichkeitsgrenze in CO 2. Keine Wechselwirkungen mit H 2 S, geringe Wechselwirkungen mit CH 4 H 2 S 200 ppm Gesundheit, Sicherheit CO ppm Gesundheit, Sicherheit O 2 Aquifer <4 Vol.-%, EOR 100 bis ppm Aquifer: zu wenig Kenntnisse über Wechselwirkung mit Speicherumgebung CH 4 Aquifer <4 Vol.-%, EOR <2 Vol.-% Vorschlag ENCAP-Projekt N 2 Ar H 2 <4 Vol.-% (alle Gase ohne Mehrphasenmischung) 4 Vol.-% (alle Gase ohne Mehrphasenmischung) 4 Vol.-% (alle Gase ohne Mehrphasenmischung) Vorschlag ENCAP-Projekt Vorschlag ENCAP-Projekt Vorschlag ENCAP-Projekt. Möglichst gering wg. zu hoher Energieverluste SOx 100 ppm Gesundheit, Sicherheit NOx 100 ppm Gesundheit, Sicherheit CO 2 >95,5 % Resultierend aus den Reinheitsanforderungen der obigen Komponenten Quelle: [Visser et al., 2007, Visser et al., 2008] IEF-STE 2010 VI.2.2 CO 2 -Speicherung Um langfristig das abgeschiedene Kohlendioxid sicher der Atmosphäre zu entziehen, müssen Speicheroptionen bzw. Umwandlungsverfahren identifiziert werden. Derzeit werden die Optionen der geologischen Speicherung intensiv diskutiert. Die ozeanische Speicherung wirkt sich in noch ungeklärter Weise auf die Meeresflora und - fauna aus und wird daher international derzeit weniger intensiv beforscht. Bei der geologischen Speicherung wird CO 2 durch gasdichte Bodenformationen oder Adsorbtionsvorgänge eingeschlossen. Diskutiert werden zurzeit im nationalen/europäischen Raum folgende geologische Speicheroptionen: Eintrag in tiefgelegene ungenutzte wasserführende Schichten (Aquifere) sowohl an Land als auch unter dem Meeresgrund Eintrag von CO 2 zur verbesserten Exploration von Erdgas/Erdöl Eintrag in entleerte Erdgas- und Erdölfelder sowie in Kohleflöze. Weiterhin kann Kohlendioxid in Form von Karbonaten mineralisch gebunden werden.

178 172 CO 2 -Speicherung in tiefliegenden wasserführenden Gesteinsschichten National und international wird das größte Potenzial zur CO 2 -Speicherung den Aquiferen zugeschrieben. Hierbei handelt es sich um tief gelegene, wasserführende, poröse Gesteinsschichten, die aufgrund ihres hohen Mineralien- und Salzgehaltes nicht wirtschaftlich für die Trinkwassergewinnung nutzbar sind und sich durch eine sehr geringe Austauschrate des Wassers mit anderen Schichten auszeichnen. Derzeit werden drei Mechanismen zur CO 2 -Speicherung diskutiert. Der erste Mechanismus ist der Einschluss unterhalb eines gasdichten Deckgebirges (z. B. Tonstein) mit konvexer Struktur (struktureller Einschluss) oder auch ohne zusätzliches Deckgebirge. Bei dem dort vorherrschenden Druck und Temperatur ist die Dichte des CO 2 kleiner als die des umgebenden Wassers. Aufgrund der Auftriebskraft erfolgt der Einschluss in der konkaven, gasdichten Gesteinsschicht als Reinstoff oder das CO 2 kann unterhalb der Abdichtformation entlang wandern. Nach Jahren bis Jahrzehnten erfolgt die Lösung des Kohlendioxids in Wasser (zweiter Mechanismus). Ein noch langfristigerer Speichermechanismus (Jahrtausende) erfolgt über die Umwandlung von Kohlendioxid in Karbonate (dritter Mechanismus). Aufgrund geologischer Druck- und Temperaturverhältnisse im mitteleuropäischen Bereich und der Kostenaufwendungen für die Erschließung der Lagerstätte ergibt sich eine nutzbare Speichertiefe im Bereich von ca m. Derzeit ist der Informationsstand zu tiefgelegenen Aquiferen noch nicht ausreichend. Auch sind die Prozesse, die nach Einspeisung des Kohlendioxids im Wasser und in den Gesteinsschichten stattfinden, noch nicht hinreichend bekannt und untersucht. Das Fehlen belastbarer Informationen lässt sich auf die Tatsache zurückführen, dass wasserführende Gesteinsschichten bis dato nicht oder nur kaum wirtschaftlich interessant waren. Aufgrund der komplexen Struktur der geologischen Formationen ist eine Methode zur Identifikation geeigneter Speicher mit hohem Aufwand verbunden. Weiterhin ist der strukturelle Einschluss von reinem CO 2 in wasserführenden Gesteinsschichten mit einem gewissen Risiko behaftet. Durch Störungen im Deckgebirge kann das eingepresste CO 2 unter Umständen teilweise freigesetzt werden. Eine geologische Prüfung und Risikoabschätzung für die Speicherstätte ist somit unabdingbar. Die mittelund langfristigen Speichermechanismen Dissoziation und Mineralisation erhöhen die Sicherheit des CO 2 -Einschlusses über die Einlagerzeit. Neue computergestützte Methoden zur Identifikation geeigneter Aquiferen zur Einspeicherung von CO 2, wie z. B. Verfahren der 3-D-Seismik, können in Zukunft eine schnellere Identifikation und langfristige Überwachung von Speicherstätten unterstützen. Bezüglich möglicher Überwachungsverfahren gibt es eine Reihe von Projekten, die sich einerseits mit möglichen Messverfahren und andererseits mit der CO 2 -Ausbrei-

179 tung in den geologischen Formationen und deren langfristiger Prognose befassen. Hierbei ist im nationalen Bereich insbesondere das Projekt CO2SINK zu nennen. 173 Bei der Umsetzung von CO 2 -Speicherprojekten ist auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Technik und Speicher von Bedeutung. Untersuchungen zu diesem Thema laufen national und international. Die technische Abdichtung der Erschließungsbohrungen geologischer Speicherstätten durch herkömmliche Zemente ist nicht möglich, da das Kohlendioxid den ausgehärteten Zement zersetzt. Derzeit wird eine Reihe von neuen CO 2 -resistenten Zementen getestet. Ergebnisse bezüglich langfristiger Haltbarkeit dieser Zemente stehen noch aus. Die Nutzung geologischer Formationen zur Zwischenspeicherung von Erdgas oder anderen Gasen entspricht dem Stand der Technik und wird seit vielen Jahren in großem Maßstab praktiziert. In der Erdgaswirtschaft sind sie ein wichtiges Mittel zum Ausgleich saisonaler Bedarfsschwankungen und ein strategisches Mittel zur Bevorratung. Die CO 2 -Speicherung als neues denkbares Element der Kraftwerkswirtschaft könnte unter Umständen in Nutzungskonkurrenz zur Zwischenspeicherung von Gasen, insbesondere Erdgas treten. Dieser Aspekt trifft insbesondere auf Porenspeicher, aber auch auf entleerte Erdgas-/Erdölfelder zu. Da es im Vergleich zu entleerten Erdöl- und Erdgasfeldern keine Entnahmebohrung gibt, baut sich durch das eingespeiste CO 2 ein Druck auf, der das umgebende Porenwasser verdrängt. Dadurch kann die Integrität von Deckgesteinen und wasserführenden Schichten gestört werden. Ebenfalls ist denkbar, dass durch Undichtigkeit CO 2 in trinkwasserführende Schichten gelangen und dort die Grundwasserqualität beeinträchtigen kann (z. B. Absenkung des ph-wertes) [Radgen et al., 2006]. Die Grundwasserkontamination durch CO 2 kann durch die Wahl von Lagerstätten mit einer Abfolge von mehreren gering permeablen Schichten mit hinreichender Sicherheit vermieden werden. Zum besseren Verständnis der geochemischen Prozesse im Untergrund, die nach Einspeisung des CO 2 in die Lagerstätte stattfinden, und zur Erstellung von Langzeitprognosen zur Abschätzung der Speichersicherheit ist noch weitere Grundlagenforschung notwendig. Der derzeit größte zur CO 2 -Speicherung genutzte Aquifer befindet sich unterhalb der Nordsee. Im Rahmen des Sleipner-Projekts in Norwegen werden pro Jahr ca. 1 Mio. t CO 2 in das m tief liegende Utsira-Aquifer gepresst. Neben der technischen Demonstration und der Wirtschaftlichkeit stehen auch Methoden zur Überwachung des eingespeisten CO 2 im Fokus der Untersuchungen. Das CO 2 wird bei diesem Projekt als unerwünschter Fremdgasbestandteil des geförderten Erdgases abgetrennt (Natural Gas Sweetening) und danach dem unterseeischen Speicher zugeführt.

180 174 CO 2 -Nutzung zur EOR/EGR Seit den 80er-Jahren wird CO 2 zur verbesserten Förderung von Erdöl (EOR: Enhanced Oil Recovery) eingesetzt. Primäres Ziel dieser Technik war bis dato, die Ausbeute bestehender Lagerstätten zu erhöhen. Durch das Einpressen von Kohlendioxid in Erdöl-/Erdgasfelder kann der Förderdruck der Lagerstätte durch ein inertes Medium erhöht und die Ausbeute an Kohlenwasserstoffen durch das hohe Lösevermögen des überkritischen Kohlendioxids für hydrophobe Stoffe wie Erdöl, einhergehend mit einer Steigerung der Viskosität des CO 2 -Öl-Gemisches, gesteigert werden. Ein Teil des gelösten CO 2 wird zusammen mit dem Erdöl wieder an die Oberfläche gefördert und muss aus dem Erdöl/Erdgas-CO 2 -Gemisch abgetrennt werden. Durch die Einpressung von CO 2 in Erdölfelder kann bis zu 15 % mehr Erdöl gewonnen werden, was die Nutzung von CO 2 wirtschaftlich attraktiv gestalten kann [Davison et al., 2001]. Auf dem Gebiet des Enhanced Gas Recovery (EGR) liegen bislang nur wenige Erfahrungen vor. So gibt es beispielsweise erst wenige praktische Erkenntnisse über die Vermischungsprozesse in der Gaslagerstätte von injiziertem CO 2 /Erdgas und damit auch über die Auswirkungen und das Ausmaß der Erdgasaufbereitung bzw. der erneuten CO 2 -Abtrennung [Radgen et al., 2006]. Theoretische Laborversuche lassen aber derzeit den Schluss zu, dass durch geeignete Injektionsvorgänge (z. B. unterschiedlich tiefe Injektions- und Förderbohrung) eine Vermischung von Erdgas und CO 2 vermieden werden kann. Bis jetzt lag der Fokus bei der EOR/EGR auf der Maximierung der Menge an geförderten Kohlenwasserstoffen. Der sichere Verbleib des CO 2 in der Lagerstätte stand bislang nicht im Mittelpunkt. Eine Anpassung der Verfahren an die neuen Rahmenbedingungen ist somit zwingend notwendig. Derzeit ist nicht hinreichend geklärt, ob das CO 2 langfristig nicht wieder an die Oberfläche und damit in die Atmosphäre gelangt. Über geeignete Mess- und Überwachungsverfahren muss geklärt werden, ob ein sicherer Einschluss gewährleistet werden kann. Diese Nachweise und Überwachungsoptionen werden sich individuell für jedes Speicherprojekt unterscheiden. Das derzeit größte Projekt zur EOR wird im kanadischen Weyburn durchgeführt. Bei der derzeit laufenden zweiten Projektphase werden pro Tag über t CO 2 über eine 320 km lange Pipeline von einer Synthesegasanlage in Dakota (USA) zum Ölfeld Weyburn transportiert und kommerziell zur EOR genutzt. Geologische Untersuchungen bezüglich des unterirdischen Verbleibs des CO 2 bilden einen wichtigen Schwerpunkt der dort laufenden Forschungsprojekte [IEAGHG, 2007]. Entleerte Erdgas- und Erdölfelder Weltweit wird neben den bereits beschriebenen Aquiferen auch den entleerten Erdgas-/Erdölfeldern ein großes Potenzial zur Speicherung des abgeschiedenen Koh-

181 175 lendioxids zugeschrieben. Das CO 2 wird bei dieser Speicheroption als Reinstoff in die Lagerstätte eingepresst. Die theoretische Speicherkapazität kann hierbei unter Umständen nur teilweise genutzt werden. So führt beispielsweise ein Wassereinbruch in die Lagerstätte zu einer Verminderung der Speicherkapazität, da ein Anteil des CO 2 in Wasser gelöst wird und die Menge an gelöstem CO 2 im Wasser im Vergleich zur Speicherung der freien Gasphase deutlich kleiner ist. Darüber hinaus erfolgt durch das Einleiten von überkritischem CO 2 eine Mobilisierung der verbliebenen Kohlenwasserstoffe in der Lagerstätte (siehe vorheriger Abschnitt). Die geologischen Eigenschaften des Speichers und Deckgebirges sind durch die Exploration der Kohlenwasserstoffe hinreichend bekannt, was von Vorteil für eine umfassende Speicherevaluierung ist. Ferner gibt es technische Betriebsmittel wie Bohrlöcher, Bauplätze etc. Da bei Erdgaslagerstätten von einer höheren Fördereffizienz der Lagerstätte, d. h. stärkeren Entleerung der geologischen Formation im Vergleich zu Erdöl ausgegangen werden kann, ist das nutzbare Speichervolumen einer Gaslagerstätte höher einzuschätzen als das einer Erdöllagerstätte. Die Einlagerung von Gasen in dichten geologischen Formationen (z. B. ausgebeuteten Erdgas- oder Erdölfeldern) entspricht dem Stand der Technik. Hier kann auf langjährige Erfahrung bei der unterirdischen Erdgaszwischenspeicherung zurückgegriffen werden. Ebenfalls ist die Geologie von entleerten Erdgas/Erdöl-Lagerstätten hinreichend bekannt und eine wichtige Grundlage für die Bewertung und Auslegung der CO 2 -Speicher. Kohlenwasserstofflagerstätten haben ihre Dichtigkeit und Fallenstruktur bewiesen, da sonst keine Ansammlung von Kohlenwasserstoffen über geologisch lange Zeiträume möglich gewesen wäre. Derzeit wird daher davon ausgegangen, dass die Dichtigkeit für CO 2 damit vorausgesetzt werden kann [Hendriks et al., 2004]. Um den vorhandenen Porenraum des Speichers effektiv nutzen zu können, muss das CO 2 in dichter Phase gespeichert werden. Jenseits des kritischen Druckes, der im Reservoir durch den hydrostatischen Druck beeinflusst wird, werden günstige Speicherbedingungen ab einer Tiefe von knapp 900 m erreicht. Um einen stabilen Zustand innerhalb des Speichers über einen langen Zeitraum zu erhalten, sollte eine plötzliche Volumenvergrößerung beim Phasenübergang vermieden werden. Verunreinigungen, z. B. durch Stickstoff, beeinflussen die Lage des kritischen Punktes von CO 2 und können die Integrität des Speichers durch Dichtesprünge beeinflussen [Radgen et al., 2006]. Bei entleerten Kohlenwasserstofflagerstätten existieren meist viele alte Bohrlöcher, die die Dichtigkeit des Speichers und somit auch die Speichersicherheit beeinflussen können. Bei der Nutzung der Speicher für die Einlagerung von CO 2 müssen diese potenziellen Schwachstellen über langfristige Zeiträume abgedichtet und überwacht werden. Auch hierfür sind neue CO 2 -resistente Zemente zu entwickeln und zu erproben.

182 176 CO 2 -Speicherung in Kohleflözen Bei der Suche nach Speichermöglichkeiten in der Nähe von Emittenten, die den Transportaufwand für das abgeschiedene CO 2 minimieren würden, rücken auch Kohlelagerstätten in den Blick. Seit einigen Jahren wird daher auch diese Speicheroption diskutiert. Die Einlagerung von CO 2 in Kohleflözen kann in die zwei Kategorien abgebaute Kohleflöze und tief gelegene, derzeit wirtschaftlich nicht abbaubare Kohleflöze unterschieden werden [Radgen et al., 2006]. Der Speichermechanismus von CO 2 in Kohleflözen kann in drei Einlagerungsprozesse unterteilt werden: die Einspeicherung von CO 2 als eigene Phase, die Lösung von CO 2 im Porenwasser und die Adsorption an der Kohlenoberfläche. Letzterer Effekt wird für die Einspeicherung von CO 2 in Kohleflöze als wichtigster angesehen. Da Kohle eine größere Affinität zur Einlagerung von CO 2 besitzt als zu Methan (maßgeblicher Bestandteil des Grubengases), wird das vorher an den Kohlestrukturen angelagerte Methan freigesetzt. Die Nutzung des so freigesetzten Grubengases (Coal Bed Methane, CBM) kann zu einem Mehrwert der CO 2 -Einlagerung führen, indem es aufgefangen und genutzt wird. Große Unsicherheiten bestehen derzeit jedoch bei der Sicherstellung der Methannutzung und hinsichtlich der Vermeidung unkontrollierter Methan- und CO 2 -Freisetzung durch Strukturbrüche in den geologischen Formationen. Das flächendeckende Auffangen ist aufgrund von Strukturbrüchen und sonstigen Verwerfungen in den Deckgebirgen extrem problematisch. Eine unkontrollierte Freisetzung von Methan würde den klimawirksamen Effekt der Einlagerung von CO 2 konterkarieren, da Methan um ein Vielfaches klimawirksamer ist. Bei der Nutzung stillgelegter Kohlegruben ergeben sich Probleme aufgrund der teilweise weiten Stollenverzweigung und der daraus resultierenden Schwierigkeiten bei der Abdichtung alter Schachtsysteme. Weiterhin kann der geringere Druck in der Lagerstätte zu Problemen bei der Injektion und zu strukturellen Problemen bei Überschreitung eines maximalen Druckes führen. Im Rahmen des von der EU geförderten Projektes RECOPOL (Reduction of CO 2 Emissions by means of CO 2 Storage in Coal Seams in the Silesian Coal Basin of Poland) wurde die sorptive Speicherung von CO 2 in Kohleflözen unter gleichzeitiger Gewinnung von Flözgas (Methan) untersucht. Im Rahmen des Projekts wurden in einem Feldversuch im oberschlesischen Kohlerevier ca. 700 t CO 2 in ein m tiefes Kohleflöz injiziert und seine Ausbreitung über eine benachbarte Förderbohrung verfolgt [Koss, 2005]. Die Ergebnisse des mittlerweile abgeschlossenen Projektes lassen darauf schließen, dass die Option einer CO 2 -Speicherung in Kohleflözen deutlich pessimistischer eingeschätzt werden muss.

183 177 Vergleich der Speicheroptionen Tabelle VI-6 fasst die Abschätzungen verschiedener Literaturstellen bezüglich nationaler, europäischer und globaler CO 2 -Speicherpotenziale zusammen. Die Bandbreite der Speicherpotenziale ist sehr hoch und spiegelt die Unsicherheit bei der Abschätzung von Speicherpotenzialen wider. Eine konsistente Quantifizierung von Potenzialen der einzelnen Regionen liegt nur in Ansätzen vor. Tabelle VI-6: Vergleich regionaler Schätzungen der CO 2 -Speicherkapazitäten Lagerstätte Global [IEA, 2008] Europa [McKinsey, 2008] Deutschland [May, 2005] Kapazität (Gt CO2) Kapazität (Gt CO2) Kapazität (Gt CO2) Erdöl- / Ergasfelder Tiefe saline Aquifere Nichterschließbare Kohleflöze/CBM Keine Angabe 0,4 1,7 Quelle: [IEA, 2008, McKinsey, 2008, May, 2005] IEF-STE 2010 Die derzeit genannten Speicherkapazitäten sind nur bei flächendeckender Nutzung erreichbar, und es wird erwartet, dass die wirtschaftlich nutzbaren Kapazitäten aufgrund z. B. von Transportfragen oder aufwendiger Erschließung geringer ausfallen. Die aus unterschiedlichen Quellen in Tabelle VI-6 zusammengestellten Speicherkapazitäten für Deutschland, Europa und global machen deutlich, dass in Deutschland nur die Speicherung in tiefliegenden wasserführenden Schichten eine Option mit ausreichenden Kapazitäten für eine großtechnische Abscheidung und Speicherung von CO 2 darstellt. Legt man die heutigen CO 2 -Emissionen der deutschen Kraftwerke zugrunde, reicht das Speicherpotenzial in Deutschland unter der Annahme einer Anlagenlebensdauer von ca. 40 Jahren für maximal zwei Kraftwerksgenerationen aus. Weltweit gesehen stellen auch erschöpfte Erdgas-/Erdölfelder ein erhebliches Potenzial dar. Die nachfolgende Tabelle enthält eine Auswahl derzeit weltweit laufender CO 2 - Speicherprojekte. Die jährlich eingelagerten CO 2 -Mengen reichen von einigen Tausend bis über eine Million Tonnen CO 2 pro Jahr (zum Vergleich: Ein 500-MW-Steinkohleblock neuer Bauart emittiert ca. 2,4 Mio. t CO 2 pro Jahr). Die Kosten der CO 2 -Speicherung lassen sich nur in großen Bandbreiten angeben. Hauptursache ist die Vielfalt der örtlichen geologischen Gegebenheiten und der daraus resultierende Investitionsaufwand zur Erschließung der Speicherstätte. Wesentlichen Einfluss auf die Kosten haben die Speichertiefe und die Beschaffenheit des Deckgesteins, da die Bohrkosten maßgeblich durch diese Parameter beeinflusst werden. Die Speicherkosten steigen näherungsweise linear mit zunehmender Spei-

184 178 chertiefe an (vgl. [Hendriks et al., 2004]). Generell gilt, dass die Onshore- Speicherung kostengünstiger als die Offshore-Variante ist. Da bei der EOR/EGR durch die Einspeisung des CO 2 eine höhere Erdöl-/Erdgasausbeute erreicht werden kann, kann dem CO 2 auch ein Produktpreis zugeordnet werden. Dieser Produktpreis schwankt jedoch in Abhängigkeit von der zusätzlich erwarteten Fördermenge. Tabelle VI-7: Einordnung durchgeführter und geplanter Speicherprojekte Projekt/ Speicherort CO 2 Quelle Speicherart Jährliche CO 2 -Menge Sleipner (Norwegische Unterseeischer Erdgas-Abtrennung Nordsee) salinarer Aquifer kt (seit 1996) Erdgaslager/Salinarer Aquifer In Salah (Algerien) Erdgas-Abtrennung kt (seit 2004) K12b (Niederlande) Erdgas-Abtrennung Erdgaslager/EGR 100 kt (seit 2004) Snohvit (Norwegische Erdgaslager/Salinarer Aquifer Erdgas-Abtrennung Nordsee) 0,75 kt (seit 2007) Gorgon (Australia kt (2008 Erdgas-Abtrennung Salinarer Aquifer offshore) 2010) Weyburn (Kanada/USA) Kohle Erdöllager/EOR kt seit 2000 Natürliches Vorkommen, Industrie Permian Basin (USA) EOR kt (seit 1972) Frio Brine (USA) k. A. Salinarer Aquifer 3 kt ( ) Nagaoka (Japan) k. A. Salinarer Aquifer 10 kt ( ) 60 kt gesamt (Start Ketzin (Deutschland) Externe Anlieferung Salinarer Aquifer 2007) Entleertes Erdgasfeld Otway (Australia) Erdgas-Abtrennung 50 kt (Start 2007) >30 kt gesamt (Start Callide (Australia) Kohle 2010) Lacq (Frankreich) Oxyfuel-Kraftwerk Entleertes Erdgasfeld 150 kt in zwei Jahren (2008) Altmark (Deutschland) Erdgaslager/EGR 100 kt ( ) Quinshu (China) CBM, Pilotprojekt 200 t Hazelwood (Australien) Kohle 50 t/tag (Start 2008) Quelle: [IEA, 2008] IEF-STE 2010 Gegenüber den eigentlichen Kosten der Speicherung liegen die Kosten für die notwendige Überwachung deutlich niedriger. Myer et al. [2002] geben die Kosten für das Monitoring in einer Bandbreite von 0,03 bis 0,05 /tco 2 an. Die Bandbreite ist auf die verschiedenen Speicheroptionen und die daraus für die Überwachung resultierenden Anforderungen zurückzuführen. Die Hauptkosten werden durch den Einsatz seismischer Überwachungsverfahren verursacht. Ausgegangen wird von einer Überwachungsdauer von 30 bis 50 Jahren. Abbildung VI-5 zeigt einen Vergleich von Speicherkosten für geologische Speicheroptionen. Die minimalen und maximalen Werte werden im Wesentlichen durch die Speichertiefe und die geologischen Gegebenheiten festgelegt.

185 179 Abbildung VI-5: Kostenvergleich für verschiedene geologische Speicheroptionen Kosten CO 2 Speicherung [EUR/t CO2 ] [Hendriks 2004] [Wildenborg 2008] [McKinsey 2008] Aquifere (Onshore) Aquifere (Offshore) Leeres Erdgas/ Erdölfeld (Onshore) Leeres Erdgas/ Erdölfeld (Offshore) EOR Onshore EOR Offshore Quelle: [Hendriks et al., 2004, Wildenborg et al., 2008, McKinsey, 2008] IEF-STE 2010 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Kosten für Speicherung und Überwachung deutlich niedriger ausfallen als für die eigentliche CO 2 -Abscheidung. Sie sind in etwa vergleichbar mit denen der Transportkosten. Die Bandbreiten verdeutlichen jedoch auch, dass die Kosten standortspezifisch gesehen werden müssen und mitunter deutlich höher ausfallen können. VI.3 Bewertung des Technologiefeldes Sowohl international als auch national wird der CO 2 -Abscheidung in Kraftwerken mit anschließender Speicherung als mögliches Element einer Klimaschutzstrategie große Bedeutung zugemessen. CCS spielt insbesondere eine große Rolle vor dem Hintergrund ambitionierter Klimaminderungsziele. Insofern fällt die Bewertung der wirtschaftlichen Forschungs- und Entwicklungsrisiken für die jeweiligen Szenarienwelten sehr unterschiedlich aus (Tabelle VI-8).

186 180 Tabelle VI-8: Bewertung der technischen und wirtschaftlichen Forschungsund Entwicklungsrisiken von CO 2 -Transport und -Speicherung Szenario 1: Moderat Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 2: Klimaschutz Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 3: Ressourcen Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist sehr gering gering eher gering eher hoch hoch Sehr hoch Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Ob und in welchem Ausmaß diese Maßnahme zum Tragen kommt, hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingt, Kohlendioxid über einen langen Zeitraum zu speichern. Der CO 2 -Speicherung kommt somit eine Schlüsselrolle zu. Eine unverzichtbare Voraussetzung für eine CO 2 -Speicherung ist die Dichtigkeit und Stabilität des Speichers, um den langfristigen Verbleib des Kohlendioxids zu gewährleisten. So ist sicherzustellen, dass die Deckschichten auch unter physikalisch-chemischer CO 2 - Einwirkung intakt bleiben. Ein weiteres wichtiges Feld ist die Erkundung und Abschätzung der Speicherkapazitäten. Darüber hinaus gilt es, entsprechende Instrumente für ein Langzeitmonitoring zu entwickeln. Für die Lösung dieser Probleme ist eine Vielzahl von F&E-Aktivitäten erforderlich. Außerdem gilt es, die technische Machbarkeit der CO 2 -Speicherung in salinen Aquiferen zu demonstrieren.

187 181 Tabelle VI-9: Aktuelles Entwicklungsstadium CO 2 -Speicherung in salinen Aquiferen CO 2 -Speicherung (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Tabelle VI-10: Aktuelles Entwicklungsstadium CO 2 -Transport CO 2 -Transport (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Der Pipelinetransport von CO 2 wird seit vielen Jahren in den USA kommerziell praktiziert und ist somit Stand der Technik. Die dort transportierten Gasgemische unterscheiden sich von den CO 2 -Gemischen aus Kraftwerken hinsichtlich der verunreinigenden Bestandteile. Derzeitige nationale Planungen von Pipelines zeigen jedoch, dass die Auswirkungen der Verunreinigungen als relativ gering eingeschätzt werden. Zwar werfen Bau und Planung von Pipelines viele Fragen auf (Finanzmodelle, Zugang zu Pipelines, Genehmigungsverfahren, Akzeptanz etc.), jedoch sind sie kaum F&E-relevant (Tabelle VI-10).

188 182 VI.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand Die für eine CO 2 -Speicherung notwendigen F&E-Forschungsfelder und -themen sind im Rahmen der COORETEC-F&E-Initiative (Programmthema CO 2 -Speicherung) identifiziert worden und sollten forciert weitergeführt werden. Hervorzuheben ist das vom BMBF in Kooperation mit der DFG initiierte Forschungsprogramm Geotechnologien, das die nationale Plattform für F&E-Aktivitäten zur CO 2 -Speicherung (Technologien für eine sichere dauerhafte Speicherung des Treibhausgases CO 2 ) darstellt [BMBF, 2009]. Schwerpunkte der laufenden und zukünftigen Forschung und Entwicklung sind damit folgende drei Felder: Einfluss der CO 2 -Abgasqualitäten auf Transport, Injektion und Speicherung Dies umfasst Untersuchungen zum thermodynamischen und technischen Verhalten von CO 2 und CO 2 -Gasgemischen, Qualitätsanforderungen an Abgas-CO 2 für den Transport und die Injektion, experimentelle Untersuchungen der Korrosionsraten von Bohrlochmaterialien, Untersuchungen zur langfristigen Korrosionsfestigkeit der Bohrlochverrohrung, experimentelle und analytische Untersuchungen der geochemischen Eigenschaften von Gesteinen unter Einwirkung von CO 2 und CO 2 -Gasgemischen sowie Einfluss von Begleitstoffen des CO 2 auf Speicher und Deckgebirge. Diese Arbeiten bedürfen forcierter F&E-Anstrengungen, da die Reinheitsanforderung die vorgeschaltete Abscheide- und CO 2 - Aufbereitungstechnik (Kompression, Destillation/Flash) unmittelbar beeinflusst. Je höher die Anforderungen, umso höher der technische sowie kostenseitige Aufwand der vorgelagerten Techniken. Hohe Reinheitsanforderungen können mitunter auch die Wahl einer CCS-Technikroute bestimmen. Informationssystem für CO 2 -Speicher und Deckgesteine Hierunter fallen die systematische Erfassung, Klassifizierung und Quantifizierung von Speicherstandorten in Deutschland (ein Speicherkataster befindet sich derzeit in der Entwicklung), spezifische Erkundungs- und Erschließungstechnologien für geologische Speicher, die Charakterisierung ausgewählter Speicher- und Deckschichten, die Untersuchung von Leckage- und Reaktionsverhalten natürlicher CO 2 -Vorkommen sowie die Erstellung einer Datenbank von Parametern und Modellen für die Bewertung der Speichereignung. Methodenentwicklung zur Erhöhung von Speichereffizienz und -sicherheit Hierunter fallen numerische Simulationen der Geoprozesse, die Optimierung des thermodynamischen Regimes für CO 2 und CO 2 -Gemische bei der Injektion, die Verbesserung geowissenschaftlicher Monitoring-Technologien hinsichtlich zeitlicher und räumlicher Auflösung, Eindringtiefe, Sensitivität, Zuverlässigkeit und Kosten. Darüber hinaus sind Technologien für einen sicheren Verschluss von CO 2 - Speicherbohrungen nach Projektende sowie Methoden zur Verifikation der planmäßigen Ausbreitung im Untergrund (Betriebs- und Nachbetriebsphase) und Methoden zur quantitativen/qualitativen Risikobewertung zu entwickeln.

189 183 VI.5 Anhang: Datenblatt CO 2 -Speicherung Technologiefeld CO 2 Speicherung Technik Technische Beschreibung Installierte Leistung Physikalisches Prinzip Speicherung von CO 2 im Untergrund als Reinstoff/ im Wasser gelöst/ langfristig mineralisch gebunden und somit der Atmosphäre entzogen. Wichtige Komponenten Transport des CO 2 per Pipeline vom Kraftwerk zur Speicherstätte Injektionsbohrung Verschluss der Speicherstätte Überwachung Speicherstätte/ Nachsorge Wirkungsgrad/Nutzungsgrad Keine Zuschreibung von Wirkungsgraden möglich; integrierter Bestandteil der CO 2 Abscheidung in Kraftwerken; Berücksichtigung von Kosten und Energieaufwand in CO 2 - Abscheidung Kraftwerke. Lagerkapazität in Europa / Deutschland [Gt CO 2 ]: Erdöl- / Ergasfelder: / 3 Tiefe saline Aquifere: 1 47 / [IEA 2008], [Wildenborg 2008], [McKinsey, 2008] Demonstrationsprojekt Speicherung CO2SINK in Ketzin (Brandenburg), 700 m tief gelegenes salinares Aquifer; Untersuchung der Mobilität und Überwachung des eingespeicherten CO 2. Weltweit über 3100 km CO 2 -Pipelines (vornehmlich in den USA und Kanada) mit einer Transportkapazität von knapp 45 Mio. t CO2 /a in Betrieb. Entwicklungsstand Kommerziell Demonstration F&E Ideenfindung Kosten (heute) X (Pipeline) Investitionen: X (Speicherung) Transportkosten: Onshore Pipeline: 1-7 Euro/(t CO2 100 km) Offshore Pipeline 1-11 Euro/(t CO2 100 km) Speicherkosten: Aquifer Onshore: 1 6 Euro/t CO2 Aquifer Offshore: 5 12 Euro/t CO2 Entleertes Öl/gasfeld: 1 8 Euro/t CO2 [IEA 2008], [Wildenborg 2008], [McKinsey, 2008] Ökonomie Betriebskosten: Wartung: Monitoringkosten 0,05 0,1 Euro/t CO2 k.a. Große Bandbreiten der Kosten der CO 2 -Speicherung, welche stark durch geologische Gegebenheiten und resultierendem Investitionsaufwand zur Erschließung der Speicherstätte bestimmt wird. Potenziale in Abhängigkeit der Szenarien Installierte Leistung (GW) Primärenergieeinsparung (PJ/a) CO 2 -Einsparung (Mio. t/a) Investitionsvolumen (Mrd /a) keine Angaben möglich (Verweis auf Datenblatt CO 2 -Abscheidung Kraftwerke)

190 184 Ökologie Emissionen Ressourcen CO 2 -Senke der Abscheidung in Kraftwerken (Verweis Datenblatt CO 2 -Abscheidung); Auswirkungen von Fremdgasbestandteilen wie SO 2 und NO X unklar; Beachtung der Mindestreinheit von CO 2 unter Umständen Interessenskonflikten zwischen Nutzung von geologischen Formationen z.b. Erdgasspeicherung Sonstige Umweltrisiken Firmen Gefahr der Versauerung des Grundwassers, mögliches Entweichen von CO 2 kann Gefährdungen für Umwelt und Mensch verursachen Explorationsfirmen mit Erfahrung in der Erkundung und Exploration z.b. RWE-DEA, Schlumberger Umfeld Hemmnisse Forschungseinrichtungen Besondere Anmerkungen Technisch Wirtschaftlich Forschungseinrichtungen der Geologie/ Hydrologie z.b. Geoforschungszentrum Potsdam, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Akzeptanzfrage von CO 2 -Pipelines und CO 2 -Speicherstätten als zentrales Thema für die Umsetzbarkeit von CCS CO 2 -Speicherung großtechnisch nicht erprobt; aufwendige Erkundung der geologischen Verhältnisse im Untergrund notwendig; Entwicklung langzeitstabiler Verschlüsse von Injektionsbohrungen Zusatzkosten für Transport und Speicherung additiv zu Abscheidkosten im Kraftwerk Sonstige Derzeit fehlender Langzeitnachweis der Dichtheit und Sicherheit des Speichers;

191 185 VI.6 Literatur BMBF (2009) DAVISON, J., FREUND, P. & SMITH, A. (2001) Putting Carbon back into the ground. IEA GHG R&D Programme, DOCTOR, R. D. (2000) Transporting Carbon Dioxide Recovered from Fossil-Energy Cycles. Fifth International Conference on Greenhouse Gas Control Technologies, Cairns, Australia, GALE, J. & DAVISON, J. (2004) Transmission of CO 2 safety and economic considerations. In: Energy, Bd. 29, S HENDRIKS, C., GRAUS, W. & BERGEN, F. V. (2004) Global Carbon Dioxide Storage Potential and Costs. Rijksinstituut voor Volksgezondheit en Milieu, TNO/ECOFYS. IEAGHG (2004) Impact of Impurities on CO 2 Capture, Transport and Storage. Report Number PH4/32, August 2004, IEAGHG (2007) R, D & D Project Database. IEA Greenhouse Gas R&D Programme, project_id=70, IEA (2008) Energy Technology Perspectives Scenarios & Strategies to Paris, OECD/IEA. IPCC (2005) Special Report on Carbon dioxide Capture and storage. IPCC, KOSS, U. (2005) Kraftwerkslinien und Abscheideoptionen. Eine Diskussion der grundlegenden Strategien zur CO 2 -Abscheidung in CCS-Kraftwerken. In: Kuckshinrichs, W.; Markewitz, P.; Hake, J.-Fr. (Hrsg.): CO 2 -Abscheidung und -Speicherung: Eine Zukunftsoption für die deutsche Klimaschutzstrategie? Dokumentation CCS-Tagung 10./ , Jülich. MAY, F. (2005) How much CO 2 can be stored in deep saline aquifers in Germany? In: VGB PowerTech 85, Nr. 6, S MCKINSEY (2008) Carbon Capture & Storage: Assessing the Economics. CCS_Assessing_the_Economics.pdf, MYER, L. R., HOVERSTEN, G. & GASPERIKOVA, E. (2002) Sensitivity and cost of monitoring geologic sequestration using geophysics. 6th International Conference on Greenhouse Gas Control Technologies, Kyoto Japan, ODENBERGER, M. & SVENSSON, R. (2003) Transportation Systems for CO 2 Application to Carbon Sequestration. Chalmers University of Technology RADGEN, P., CREMER, C., WARENTIN, S., GERLING, P., MAY, F. & KNOPF, S. (2006) Verfahren zur CO 2 -Abscheidung und -Speicherung; Abschlussbericht. Climate Change 07/06; Forschungsbericht UBA-FB SEEVAM, P., RACE, J. M. & DOWNIE, M. J. (2007) Carbon Dioxide for Sequestration in the UK Engineering Gap analysis. Global pipeline monthly (GPM), Bd. 3, Issue 6, Juli 2007.

192 186 SEEVAM, P., DOWNIE, M. J. & RACE, J. M. (2008) The next generation of CO 2 - pipelines. Presentation at the International Interdisciplinary CCS Summer School 2008, IEA-GHG Programme, Vancouver Island 2008, THAMBIMUTHU, K. (2008) What is the status of CCS? GHG9 Conference Summary 9 th International Conference on Greenhouse Gas Control Technologies, Washington, , VISSER, E., HENDRIKS, C., BARRIO, M., MOLNVIK, M., KOEIJER, G., LILJEMARK, S., AUSTEGARD, A. & BROWN, A. (2007) Dynamis CO 2 quality recommendations. Final report D 3.1.3, Project No , VISSER, E., HENDRIKS, C., BARRIO, M., MOLNVIK, M., KOEIJER, G., LILJEMARK, S. & GALLO, Y. (2008) Dynamis CO 2 quality recommendations. In: International Journal of Greenhouse Gas Control 2 (2008), S WILDENBORG, T., COUSSY, P., DOUKELIS, A., EKSTRÖM, C., GEORGIOU, G., GKOUNTANIS, S., KRAMERS, L., VAN DER KUIP, M., LINDEBERG, E., NORDBØ, Ø., SERBUTOVIEZ, S. & SIMONSSON, D. (2008) Scenario for large-scale implementation of CCS in Europe. Ninth International Conference on Greenhouse Gas Control Technologies, Washington, USA, In: Energy Procedia 1 (2009), S

193 187 VII CO 2 -Nutzung und -Verwertung VII.1 Beschreibung des Technologiefeldes Tabelle VII-1: Beispiele für Anwendungen von CO 2 Physikalisch Physikalisch/chemisch Chemisch Kältemittel Feuerlöscher Getränkeindustrie Rohstoff Kühlmittel Enhanced oil and gas recovery Oberflächenreinigung (z. B. Schneestrahlverfahren) CO 2 -Laser Waferreinigung Bereits heute wird CO 2 aufgrund seiner positiven Eigenschaften (nicht toxisch, nicht ökotoxisch, farb- und geruchlos etc.) für eine Vielzahl von technischen Prozessen genutzt. Prinzipiell ist zwischen der physikalischen, physikalisch/chemischen sowie chemischen Nutzung zu unterscheiden. Tabelle VII-1 enthält einige Anwendungsbeispiele für die CO 2 -Nutzung. Prominente Beispiele derzeitiger CO 2 -Nutzung sind die Extraktion von Naturstoffen (z. B. Entkoffeinierung), die Extraktion von Pflanzenschutzmitteln aus Reis, die Textilreinigung (Vorteil: keine Grundwasserbelastung, keine Abfallstoffe) oder die Holzimprägnierung (Substitution flüchtiger Kohlenwasserstoffe). Lebensmittelkonservierung Schutzgas Polymer-Verarbeitung und Herstellung Lösungsmittel für Extraktionsprozesse Quelle: [Leitner, 2005] IEF-STE 2010 Die stoffliche Nutzung von Kohlendioxid beträgt derzeit weltweit etwa 100 Mio. t pro Jahr. Etwa 80 Mio. t entfallen auf die Verwendung von CO 2 als Rohstoff und 20 Mio. t auf die Nutzung als Industriegas. Der Anteil des stofflich genutzten Kohlendioxids an der insgesamt weltweit emittierten Kohlendioxidmenge liegt bei gut 0,3 %. Der Großteil des als Rohstoff genutzten CO 2 wird derzeit für die Herstellung von Harnstoff (ca. 70 Mio. t CO 2 ) und Methanol (2 Mio. t CO 2 ) eingesetzt. Kleinere Anteile entfallen auf die Herstellung cyclischer Carbonate (0,04 Mio. t CO 2 ) und Salicylsäure (ein Baustein des Aspirins, ca. 0,025 Mio. t CO 2 ). Das derzeit eingesetzte CO 2 stammt zum größten Teil aus chemischen Syntheseprozessen (z. B. Ammoniaksynthese, Ethylenoxidsynthese, Synthesegaserzeugung). Weitere CO 2 -Quellen sind Raffinerieprozesse sowie die Erdgasaufbereitung. [Ausfelder & Bazzanella, 2009, Leitner, 2005]

194 188 Der Anteil von technisch genutztem CO 2 in Deutschland wird derzeit auf etwa 0,75 Mio. t/a geschätzt. Gemessen an den derzeitigen nationalen CO 2 -Emissionen beträgt der Anteil weniger als 0,1 %. VII.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf Unterstellt man eine Nachfragezunahme auf der Basis heutiger Nutzungsmöglichkeiten, wird die CO 2 -Nutzung nur einen marginalen Beitrag zur CO 2 -Reduktion leisten können. Insofern ist nach neuen Einsatzmöglichkeiten für CO 2 zu suchen, um den Nutzungsanteil zu steigern. Ein aus Klimagesichtspunkten wesentliches Kriterium für die CO 2 -Nutzung ist der Zeitraum, über den das genutzte CO 2 gebunden bleibt und nicht in die Atmosphäre entweicht (Fixierungsdauer). Darüber hinaus sollten möglichst große CO 2 -Mengen gebunden werden (Fixierungsmenge). Die hohe Stabilität des CO 2 erfordert hohe Aktivierungsenergien sowie den Einsatz von Energie für die chemische Umsetzung. Insofern ist bei der Analyse jeder neuen Einsatzmöglichkeit ein besonderer Fokus auf die Energie- und CO 2 -Bilanz unter Berücksichtigung der Vorketten zu legen, die den gesamten Lebenszyklus in den Blick nimmt. Es ist aber auch darauf hinzuweisen, dass CO 2 positive Eigenschaften besitzt, die neben den negativen klimaspezifischen Merkmalen zu beachten sind und einen CO 2 - Einsatz mitunter rechtfertigen könnten. So werden beispielsweise in der Lackmittelindustrie derzeit CO 2 -basierte Lösungsmittelverfahren entwickelt, die eine Substitution flüchtiger organischer Verbindungen (Volatile Organic Compounds, VOC) ermöglichen. Ein anderes Beispiel ist die Substitution von Olefinen mit Hilfe CO 2 -basierter Verfahren, die unter dem Kriterium der Ressourcenschonung (Reduktion des Erdölverbrauchs) durchaus sinnvoll sein könnte. Ein weiteres Beispiel ist die Herstellung flüssiger Kraftstoffe (Gas to Liquid, Methanol), die ebenfalls eine Substitution von z. B. Erdöl ermöglichen würde. Aus klimaspezifischer Sicht ist die physikalische Nutzung von CO 2 am wenigsten attraktiv, da sie in fast allen Fällen mit einer Freisetzung des CO 2 in relativ kurzen Zeiträumen verbunden ist. Dies gilt auch für das größte Nutzungsfeld, die Harnstoffproduktion zur Düngemittelerzeugung, bei der nach der Düngemittelausbringung das CO 2 wieder freigesetzt wird. Attraktiv dürfte der Einsatz von CO 2 für Polymeranwendungen sein, da der Fixierungszeitraum hier am höchsten ist. Zudem besteht ein großer Nachfragemarkt, der auch eine angemessene mengenmäßige CO 2 -Einbindung ermöglicht. Von den bereits etablierten Polymeren sind Aminoplasten die Substanzen mit dem höchsten Potenzial für CO 2 -Fixierung, da sie vollständig aus fixiertem CO 2 aufgebaut werden können. Mit ihnen wäre eine Substitution der Thermoplaste möglich, die in den letzten Dekaden Duromere in großen Mengen ersetzt haben. Mit Aminoplasten könnten neue Materialien (Holz-Aminoplast-Werkstoffe) und neue Anwendungsgebiete (z. B. Wärmeisolierung von Gebäuden) erschlossen werden. Die Herstellung von Polycar-

195 189 bonaten stellt aus klimaspezifischer Sicht eine besonders gute Option für die Einbindung von CO 2 dar, da ein hoher Anteil von CO 2 über einen langen Zeitraum fixiert wird [Kuckshinrichs et al., 2009]. Die wirtschaftliche Nutzung des Rohstoffs CO 2 erfordert noch intensive Forschungsaktivitäten, die teilweise den Charakter von Grundlagenforschung aufweisen. Darüber hinaus sind eingehende Marktanalysen der herzustellenden Produkte entlang der Wertschöpfungskette erforderlich, die Aussagen zu einem möglichen Wertschöpfungspotenzial ermöglichen. Grundlagenforschungsbedarf besteht hinsichtlich der photokatalytischen Umwandlung von CO 2 in Chemikalien oder Kraftstoffe. Die Herstellung vieler der oben skizzierten Produkte erfordert energieeffiziente Verfahren sowie insbesondere geeignete Katalysatoren, deren Entwicklung Gegenstand öffentlicher F&E sein sollte. Sowohl der Transport als auch die Speicherung setzen die Randbedingungen für die CO 2 -Reinheit des zu speichernden Gasgemisches sowie für die Zusammensetzung der verunreinigenden Komponenten. So ist bekannt, dass Verunreinigungen je nach stofflicher Komponente einen zusätzlichen Transportdruckverlust verursachen, der sich energetisch nachteilig auswirkt. Aus speicherspezifischer Sicht ist anzumerken, dass Verunreinigungen sich nachteilig auf die technischen Komponenten des Speichers auswirken können (z. B. Korrosion). Über mögliche Wechselwirkungen von Verunreinigungen mit dem Speichermedium liegen kaum Informationen vor. Eine höhere Reinheitsanforderung erfordert prinzipiell einen höheren technischen Aufwand bei der CO 2 -Abscheidung bzw. -Aufbereitung, der sich nachteilig auf Effizienz und Kosten auswirkt (siehe Technologiefelder CO 2 -Abscheidung, Transport und Speicherung). Bei einer Nutzung von CO 2 entfallen die Speicherung und ggf. der Transport, sofern die Nutzung in der Nähe des Kraftwerks erfolgt. Dies könnte unter Umständen ein Vorteil für die stoffliche Nutzung von CO 2 sein. Derzeit ist nicht bekannt, welchen Reinheitsgrad das für die Nutzung vorgesehene CO 2 aufweisen muss. Allerdings werden für eine Vielzahl der oben beschriebenen Prozesse Katalysatoren benötigt. Um einer möglichen Katalysatorvergiftung vorzubeugen, ist daher eher von einem hohen Reinheitsgrad auszugehen. Die Nutzung von CO 2 als Rohstoff für biotechnologische Synthesen stellt eine weitere Möglichkeit zur Fixierung von CO 2 dar. Mit Hilfe von Mikroalgen ist es möglich, über Photosynthese CO 2 zu binden und diese in Biomasse umzuwandeln. Verglichen mit herkömmlichen Landpflanzen zeichnen sich Mikroalgen durch ein Wachstum aus, das etwa 8- bis 10-mal höher als das herkömmlicher Landpflanzen ist und die Bindung größerer CO 2 -Mengen ermöglicht. Aus der CO 2 -Bindung mit Mikroalgen resultieren in hiesigen Breiten t/ha a Trockensubstanz, wobei t CO 2 /ha a gebunden werden. Zum Vergleich: Schnell nachwachsende Energiepflanzen wie Weiden oder Pappeln weisen eine Wachstumsrate von 12 t/ha a bzw. 15 t/ha a Trockensubstanz auf. Gegenüber anderen Verfahren der CO 2 -Bindung und

196 190 -Nutzung hat der Einsatz von Mikroalgen einen zusätzlichen Vorteil, da die Reinheit des CO 2 -Gemisches nicht relevant ist. Allerdings sind vor einem großtechnischen Einsatz noch viele Fragen zu beantworten. Dies betrifft insbesondere den Nachweis, ob die Gesamtenergiebilanz der Algenproduktion bis zur Konversion positiv ist und eine Netto-CO 2 -Minderung erzielt wird. Derzeit wird der Mikroalgeneinsatz im Rahmen von zwei nationalen Forschungsprojekten untersucht. Im Rahmen des Forschungsprojekts TERM (Technologien zur Erschließung der Ressource Mikroalgen) steht die Entwicklung von Verfahren zur großtechnischen Produktion von Mikroalgen im Vordergrund. Auf einer Fläche von einem Hektar ist im Jahr 2008 eine Versuchsanlage in Betrieb gegangen, die von der E.ON Hanse AG sowie mit Fördermitteln des BMBF finanziert wird. Das CO 2 stammt aus einem Blockheizkraftwerk. Die zweite von der RWE AG finanzierte Versuchsanlage wurde im Jahr 2008 in unmittelbarer Nähe des Braunkohlekraftwerks Niederaussem errichtet. Eingebunden sind das Forschungszentrum Jülich und die Jacobs University Bremen. Zur Optimierung der Kulturbedingungen befinden sich die Bioreaktoren in einem Gewächshaus, in dem konstante Temperaturbedingungen sowie optimale Nährstoffbedingungen und Lichtverhältnisse eingestellt werden, um eine hohe Algenwachstumsrate zu ermöglichen. Die Photobioreaktoren sind derzeit auf einer Grundfläche von 600 m² errichtet. Eine Erweiterung auf m² ist geplant. Mit der Anlage können pro Jahr bis zu kg Algen (Trockensubstanz) produziert werden bei Einbindung von etwa kg CO 2. Das für die Anlage benötigte Kohlendioxid stammt aus dem Kraftwerk Niederaussem und wird nach der Rauchgasentschwefelung und einer Trockenkühlung über eine 750 m lange Pipeline den Bioreaktoren zugeführt. Inhalt der ersten Projektphase ist im Wesentlichen die Optimierung der Rahmenbedingungen (Lichtverhältnisse, Durchmischung, Nährstoffbedingungen etc.), um ein hohes Algenwachstum zu ermöglichen. In einer zweiten Projektphase sollen verschiedene Konversionspfade für Trockenbiomasse untersucht werden. Hierzu gehören die Umwandlung zu Biodiesel, BtL, Butanol etc. Darüber hinaus ist geplant, weitere Algenproduktionstechnologien (Mischpopulationen, Nährstoffe, Artenselektion etc.) zu untersuchen. Der großtechnischen CO 2 -Bindung durch Mikroalgen wird große Bedeutung zugemessen. Voraussetzung ist allerdings die Beantwortung einer Vielzahl von Fragen, die hohen F&E-Charakter aufweisen [RWE, 2008, Ausfelder & Bazzanella 2009, E.ON, 2008]. In einer aktuellen Studie der Dechema [Ausfelder & Bazzanella 2009] wurden die einzelnen Nutzungsmöglichkeiten von CO 2 analysiert. Für die wichtigsten Möglichkeiten chemischer Synthese von CO 2 wurde der aktuelle Stand der Technik skizziert sowie möglicher F&E-Bedarf aufgezeigt (Tabelle VII-2).

197 191 Tabelle VII-2: Übersicht über wichtige CO 2 -Verwertungsoptionen Option Synthese von Polymeren Synthese von Kraftstoffen Synthese von Chemikalien Mikroalgen Künstliche Photosynthese Mengenpotenzial Polycarbonate 50 kt CO 2 /a Max. 2,05 Gt CO 2 /a Max. 178 Mt CO 2 /a Begrenzt durch Flächenbedarf Unbekannt Beispiele Polycarbonate z. B. Methanolproduktion z. B. Harnstoffsynthese Unbekannt Energetischer Aufwand Prozessabhängig Hoch Prozessabhängig Solarer Energieeintrag u. Prozessenergie Solarer Energieeintrag u. Prozessenergie Gesamte Kohlendioxidbilanz Abhängig vom Verfahren im Vergleich zum Referenzprozess Nettoemission, falls kein H 2 aus regenerativen Quellen Abhängig vom Verfahren im Vergleich zum Referenzprozess Nettoemission Unbekannt Kosten Referenz: Existierender techn. Prozess Konventionelle Kraftstoffe Referenz: Existierender Prozess 0,4 2,50 /t Algenbiomasse Unbekannt Stand der Technik Technisch realisierte Beispiele Teilschritte großtechnisch im Einsatz Technisch realisierte Beispiele Raceway, Ponds, Algen Photobioreaktoren Grundlagenforschung Wertschöpfung Polymere Kraftstoffe Chemikalien Wertstoffe, Kraftstoffe, Biogas Chemikalien Zeithorizont Entwicklung Teilschritte in Anwendung Vereinzelte Anwendungen Vereinzelte Anwendungen Unbekannt Forschungsbedarf Reaktionsrouten entwickeln, intelligente Synthese hochenergetischer Reaktionspartner, Katalyse, LCA Marktfähigkeit von Produkten, LCA Dream Reactions, Katalyse, mögliche Reaktionsrouten, LCA Taxometrisches Screening, Down- stream- Verfahren, Bioraffinerie, LCA Photokatalytische Aktivierung von CO 2, Wasserspaltung, LCA Quelle: Nach [Ausfelder & Bazzanella, 2009] IEF-STE 2010 VII.3 Bewertung des Technologiefeldes Die stoffliche Nutzung von CO 2 als Baustein zur Herstellung neuer Produkte stellt prinzipiell im Vergleich zur Speicherung eine Option dar, ist allerdings rein mengenmäßig keine konkurrierende Alternative. Nach überschlägigen Schätzungen beträgt

198 192 das weltweite Potenzial der stofflichen Nutzung etwa 1 % der heute weltweit emittierten Kohledioxidmenge. Das Potenzial für die Herstellung von Kraftstoffen wird mit etwa 10 % der heutigen globalen Kohlendioxidemissionen angegeben [Ausfelder & Bazzanella, 2009]. Allerdings gibt es noch viele ungeklärte Fragen, die erhebliche F&E-Aktivitäten erfordern. Die Klimarelevanz der CO 2 -Nutzung hängt maßgeblich von der Fixierungsdauer sowie der Fixierungsmenge ab. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die CO 2 -Bilanz der hergestellten Produkte über alle Vorketten hinweg günstiger ist als die der herkömmlichen Herstellungsverfahren. Hinzuweisen ist auch auf sonstige positive Umwelteigenschaften, die zwar nicht klimarelevant sind, jedoch die Substitution anderer umweltschädlicher Substanzen ermöglichen (z. B. Substitution herkömmlicher Lösungsmittel und damit Vermeidung von Emissionen flüchtiger Kohlenwasserstoffe). Eine weitere Möglichkeit der CO 2 -Nutzung ist die Herstellung von Kraftstoffen, die ebenfalls nicht klimarelevant ist, jedoch zur Schonung von Ressourcen beitragen kann. Hier ist sicherzustellen, dass der Nettoenergieaufwand gegenüber herkömmlichen Verfahren und Energieträgern (z. B. Erdöl, Erdgas) deutlich geringer ist. Die stoffliche CO 2 -Nutzung ermöglicht Produktinnovation sowie das Erschließen neuer Wertschöpfung. Vor diesem Hintergrund besitzt die CO 2 -Nutzung mit ihren Vorteilen (Klima, Ressourcen, Umwelt, Wertschöpfung) Relevanz für die öffentlich geförderte Forschung und Entwicklung. VII.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand Vor dem Hintergrund der Klimarelevanz ist bei der CO 2 -Nutzung eine hohe Fixierungsdauer sowie Fixierungsmenge anzustreben. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die CO 2 -Bilanz über alle Vorketten deutlich günstiger im Vergleich mit den heute gebräuchlichen Herstellungsverfahren ist. Für die attraktivsten CO 2 -Nutzungsmöglichkeiten sind die Produkte hinsichtlich ihrer Energie- und CO 2 -Bilanz unter Berücksichtigung der möglichen Wertschöpfung systematisch zu analysieren, um somit eine vergleichende Bewertung vornehmen zu können. Darüber hinaus sind Kriterien wie Ressourcenschonung sowie die sonstige Umweltrelevanz in den Blick zu nehmen. Öffentliche geförderte Forschung und Entwicklung sollte sich auf folgende Felder konzentrieren: Identifizieren möglicher Wege von CO 2 -Aktivierung (Energiebilanz) unter Berücksichtigung vor- und nachgelagerter Prozessschritte (z. B. Herstellung von hochenergetischen Reaktionspartnern) und deren systematische Erfassung Bewertung möglicher Produkte hinsichtlich Materialeigenschaften und Marktfähigkeit Lebenszyklusanalyse für die jeweiligen Produkte

199 Entwicklung robuster Katalysatoren insbesondere vor dem Hintergrund von CO 2 - Reinheit und möglicher Katalysatorvergiftung Identifizieren neuer Synthesestrategien (CO 2 als C1-Baustein) wie z. B. atomeffiziente Synthesen (Dream Reactions), Entwicklung geeigneter Katalysatoren Photokatalytische Aktivierung von CO 2 Identifizieren von Möglichkeiten biotechnologischer CO 2 -Verwertung (z. B. Mikroalgen) Optimieren von Wachstumsbedingungen für Mikroalgen Identifizieren geeigneter Algenstämme 193 Nachweis einer positiven Gesamtenergiebilanz von der Algenproduktion bis hin zur Konversion (Netto-CO 2 -Bilanz) Eignung der gewonnenen Biomasse für unterschiedliche Konversionspfade (energetische und stoffliche Nutzung) Auswahl geeigneter Mikroalgen-Produktionsverfahren (offene, geschlossene Verfahren) Verfahrenstechnische Auslegungskonzepte. VII.5 Literatur AUSFELDER, F. & BAZZANELLA, A. (2009): Verwertung und Speicherung von CO 2 Diskussionspapier. Dechema, Oktober 2009, E.ON (2008): Pressemitteilung der E.ON AG: Wir haben die Entwicklung neuer Technologien fest im Visier. KUCKSHINRICHS, W., LINSSEN, J., MARKEWITZ, P., ZAPP, P., LEITNER, W., MÜLLER, T. E., PETERS, M. & KÖHLER, B. (2009): Weltweite Innovationen bei der Entwicklung von CCS-Technologien und Möglichkeiten der Nutzung und des Recyclings von CO 2. Vorläufiger Endbericht des BMWi-Projekts Nr. 25/08 (unveröffentlicht). LEITNER (2005): Technische und chemische Nutzung von Kohlendioxid Ein Beitrag zur Nachhaltigkeit in der Chemie. In: Kuckshinrichs, W.; Markewitz, P.; Hake, J.-Fr. (Hrsg.): CO 2 -Abscheidung und -Speicherung: Eine Zukunftsoption für die deutsche Klimaschutzstrategie? Dokumentation STE/gste-Tagung, Forschungszentrum Jülich, RWE (2006): Das RWE-Algenprojekt in Bergheim-Niederaussem.

200 194 VIII Wärmetransport und -verteilung VIII.1 Beschreibung des Technologiefeldes Etwa 14 % aller deutschen Wohngebäude werden mit Fern- oder Nahwärme beheizt. Nach Öl (32 %) und Erdgas (48 %) liegt die Fern- bzw. Nahwärme an dritter Stelle der für die Raumwärme-Erzeugung eingesetzten Energieträger. Der Fernwärmeanteil am gesamten deutschen Endenergieverbrauch beträgt derzeit etwa 3 %. Die erzeugte Wärme stammt dabei zu 84 % aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, zu 15 % aus Heizwerken und zu 1 % aus industrieller Abwärme. Rund Heizwasser- und 77 Dampfnetze versorgen rund Hausübergabestationen. Die derzeitige Trassenlänge für die Fernwärmeversorgung beträgt km. Im Bereich der Fernkälteversorgung werden derzeit Anlagen mit einer Kälteleistung von rund 185 MW betrieben. 28 Kältenetze mit einer Trassenlänge von 54 km versorgen rund 300 Kälteübergabestationen [ARBEITSGEMEINSCHAFT FERNWÄRME, AGFW, 2009a]. Der Fernwärmeanschlusswert liegt bei etwa 57 GW und nahm in den letzten Jahren trotz sinkender spezifischer Wärmebedarfswerte der Gebäude leicht zu. Verantwortlich hierfür waren der Neubau von Nahwärmenetzen sowie die Verdichtung vorhandener Netze in Ballungsgebieten [ARBEITSGEMEINSCHAFT FERNWÄRME, AGFW, 2009a]. Der Fernwärmeausbau erfolgte innerhalb der letzten drei Dekaden und wurde im Rahmen verschiedener Programme, z. B. der Zukunftsinvestitionsprogramme (ZIP) I und II, mit erheblichen Subventionen gefördert. VIII.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den KWK-Verstromungsanteil an der heutigen Stromerzeugung von etwa 13 auf 25 % bis zum Jahr 2020 zu verdoppeln. Dies bedeutet einen Ausbau (Verdichtung und Neubau) der heutigen Nah- und Fernwärmeversorgung. Das neue EEWärme- sowie das KWKMod-Gesetz stellen heute die wichtigsten Instrumente zur Förderung der Fern- und Nahwärmeversorgung dar. Hierin sind auch Subventionen für den Neubau und die Erweiterung neuer Fern- und Nahwärmenetze enthalten. Die hohen Investitionen der Wärmeverteilungsnetze bedeuten einen hohen Fixkostenanteil am Fernwärmepreis, was die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Optionen insbesondere in Zeiten niedriger Energiepreise deutlich erschwerte. Zudem wirkten sich die hohen Anlaufverluste in der Anfangsphase ebenfalls nachteilig aus. Von erheblicher Bedeutung für die hohen Investitionen sind die Verlegekosten, die gegenüber anderen Ländern deutlich höher liegen. Die Gründe hierfür sind jedoch weniger technischer Natur, sondern eher administrativer Art. So lassen die geltenden Vorschriften bestimmte kostengünstige

201 195 Verlegeverfahren, wie sie im Ausland gängig sind, nicht zu. Die Reduzierung der Verlegekosten sollte daher weiter vorangetrieben werden, besitzt jedoch weniger forschungspolitische Relevanz. Forschungsaktivitäten der jüngeren Vergangenheit konzentrierten sich auf die Kälteerzeugung mit Fernwärme, auf Maßnahmen zur Strukturoptimierung sowie die Verteilung von Fernwärme. Zukünftig werden der sinkende spezifische Wärmeverbrauch der Wohngebäude sowie der Ersatz von Altbauten wichtige Randbedingungen für den weiteren Ausbau von Fernwärme- und Nahwärmesystemen, aber auch für den Betrieb bestehender Netze darstellen. Die Senkung von Vor- und Rücklauftemperaturen besitzt dabei besondere Bedeutung. Darüber hinaus gewinnt der Einsatz von erneuerbaren Energien in kleinen und mittleren Nahwärmenetzen zunehmend an Bedeutung. Ausgehend von diesen Randbedingungen sollten zukünftige F&E- Aktivitäten insbesondere die Möglichkeit der Integration dezentraler Wärmeeinspeisung in bestehende Netze, den Aufbau und die Optimierung neuer Netze unter Berücksichtigung innovativer Techniken (z. B. Speicher) sowie die energie- und kostenseitige Effizienzsteigerung bestehender Netze zum Inhalt haben. Hierbei gilt es, im Sinne einer Systemoptimierung die gesamte Wärmeversorgungskette (Erzeuger Transport/Verteilung Übergabe Gebäude) in den Blick zu nehmen. Eine Umsetzung der geforderten Ziele erfordert einen Aus- bzw. Neubau leitungsgebundener Wärmeversorgung. Jüngere Untersuchungen [ARBEITSGEMEINSCHAFT FERNWÄRME, AGFW, 2009b, Eikmeier et al., 2006] gelangen zu dem Ergebnis, dass noch ein erhebliches Fern- und Nahwärmepotenzial vorhanden ist, das ausgeschöpft werden kann. Zukünftiger Nah- und Fernwärmebedarf und Potenzialanalysen Abbildung VIII-1 enthält Ergebnisse einer Potenzialanalyse, die im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Fernwärme (AGFW) von der Universität Stuttgart durchgeführt wurde. Demnach wird davon ausgegangen, dass der Fernwärmeabsatz des Bestandes zukünftig rückläufig sein wird. Ursache ist die energetische Sanierung des Altbaubestandes, die durch verschiedene gesetzliche Regelungen und Förderprogramme forciert wird. Mit der Erschließung des Potenzials der Verdichtung bestehender Netze kann bis zum Jahr 2030 allenfalls der Wärmebedarf des heutigen Bestands erreicht werden. Potenziale werden vor allem im Ausbau bestehender Fernwärmeversorgungssysteme sowie bei der Versorgung von Neubausiedlungen gesehen und darüber hinaus in den Sektoren Industrie und GHD.

202 Abbildung VIII-1: Technisches Entwicklungspotenzial der Fernwärmeversorgung in Deutschland Nutzenergiebedarf an Fernwärme [PJ/a] Bestand Verdichtung Erweiterung Neubausiedlung GHD GHD-Potenzial Industrie Industriepotenzial Quelle: [Arbeitsgemeinschaft Fernwärme, AGFW, 2009b] IEF-STE 2010 Seit den 1970er Jahren sind kontinuierlich Fernwärmepotenzialstudien für Deutschland durchgeführt worden, die auf siedlungs- und gebäudetypischen Analysen beruhen. In fast allen Fällen sind die dort ausgewiesenen Potenziale weit hinter der realen Entwicklung zurückgeblieben. Zukünftige Potenzialstudien sollten daher reale Versorgungsgebiete umfassen, in denen die örtlichen Gegebenheiten und Charakteristika im Detail berücksichtigt werden. Darüber hinaus sind neue Randbedingungen und technische Möglichkeiten (Speichertechniken, dezentrale Einspeisung) einzubeziehen. Für die bestehenden großen Fernwärmeschienen sind im Detail mögliche Verdichtungs- und Ausbaupotenziale auf der Basis belastbarer Wärmebedarfsanalysen zu ermitteln. Neue Wärmeversorgungsgebiete eröffnen die Chance, die komplette Wärmeversorgungskette optimal zu planen und zu betreiben. Hierfür sollten existierende Planungsmethoden und -modelle verfeinert und weiterentwickelt werden. LowEx-Konzepte Sogenannte Low-Exergy(LowEx)-Konzepte verfolgen die Idee, den Exergieanteil der Wärmebereitstellung möglichst zu verringern und somit zur Einsparung hochwertiger Energie beizutragen. Hierbei geht es darum, die Energiequalität auf der Angebotsseite mit der auf der Nachfrageseite in Einklang zu bringen. Für die Umsetzung solcher

203 197 zukunftsweisenden Konzepte ist die Einbeziehung des gesamten Wärmeversorgungssystems (Erzeugung Verteilung Übergabestation Nachfrage) notwendig, das nach exergetischen Gesichtspunkten zu optimieren ist. Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl der LowEx-Verbraucher (niedrige Vorlauftemperatur) künftig zunimmt. Daher stellt sich die Frage, wie diese Verbraucher in bestehende Fernwärmeversorgungssysteme integriert werden können. Eine Einbindung setzt eine Modifikation bestehender Wärmenetze voraus, da sie für niedrige Temperaturen nicht optimiert sind. Lösungsansätze könnten z. B. eigene Sekundärnetze für niedrige Vor- und Rücklauftemperaturen sein. Derartige Konzepte müssen eine angemessene Brauchwassererwärmung (z. B. Durchflussprinzip wegen Legionellengefahr) berücksichtigen, die in der Regel bei höheren Temperaturen geschieht. Bei Einspeisung von Niedertemperaturabwärme von LowEx-Verbrauchern ist eine entsprechende thermohydraulische Auslegung und eine optimale Regelungsstrategie notwendig. Für LowEx-Analysen sind entsprechende Exergie-Bewertungsmodelle notwendig, die eine systematische Untersuchung der gesamten Wärmekette ermöglichen. LowEx- Konzepte eröffnen auch die Möglichkeit, zukunftsweisende Wege zu gehen (z. B. Einbindung solarer Fernwärme und Geothermie, Nutzung von Brennstoffzelleabwärme). Neue Wärmeversorgungsnetze bieten gegenüber den bestehenden Netzen die Möglichkeit einer exergetisch optimalen Auslegung (Strom, Kälte, Wärme) aller Komponenten und die Auswahl geeigneter Techniken (z. B. Speichertechniken). Dies würde auch einen unter exergetischen Gesichtspunkten optimalen Wärmenetzbetrieb ermöglichen. Veränderte Randbedingungen für den Aufbau neuer Wärmenetze Die heutige Auslegung von Nahwärmeleitungen und -netzen richtet sich nach den für die Fernwärme geltenden Auslegungsbestimmungen. Dies gilt auch für die Fertigung von Leitungen. Allerdings sind die Randbedingungen für die Fernwärme schon aufgrund höherer Temperaturen anders, und es stellt sich die Frage nach der optimalen Auslegung der Nahwärmenetze. Nach Meinung der befragten Experten sollte das Fernwärme-Regelwerk zukünftig hinsichtlich der Auslegung von Nahwärmenetzen erweitert und angepasst werden. Zwar besitzt dieser Aspekt weniger forschungspolitische Relevanz, würde aber eine bessere Auslegung von Nahwärmenetzen ermöglichen. Maßnahmen für bestehende Fernwärmenetze Ziel ist die Verringerung der Wärmeversorgungskosten sowie die Steigerung der Energieeffizienz. Eine Vielzahl von Wärmeversorgungsnetzen weist ein Alter von 20 bis 30 Jahren auf. Über die Alterung der Netze und speziell der eingesetzten Rohrmaterialien (in aller Regel Kunststoffmantelrohre) ist nur wenig bekannt, so dass über

204 198 die Restlebensdauer weitestgehend Unklarheit herrscht und die Umsetzung möglicher gezielter Lebensdauer verlängernder Maßnahmen kaum möglich ist. Ist der Zustand des Wärmenetzes bekannt, sind optimale Wartungsstrategien möglich, die zu mehr Energieeffizienz und Kostenreduktionen führen würden. Die erreichten Fortschritte bei der Gebäudehülle und -ausrüstung führen dazu, dass sich die notwendigen Vorlauftemperaturen beim Heizen (und auch Kühlen) sehr stark den Raumtemperaturen angenähert haben. Für die Fernwärme bedeutet dies, dass an der Gebäudeübergabestelle eine Vorlauftemperatur von ca. 40 C ausreichend wäre. Mit heutigen Systemen werden je nach Außentemperatur Vorlauftemperaturen in einem Bereich von 70 bis 120 C gefahren. Eine weitere Senkung der Vorlauftemperatur erhöht die Exergieausnutzung bei der KWK und führt zu mehr Energieeffizienz. Sie eröffnet aber auch Möglichkeiten, Abwärme mit niedrigeren Temperaturen oder die Wärmeeinspeisung auf Basis erneuerbarer Energien zu nutzen. Allerdings sind der Senkung von Vorlauf- und Rücklauftemperaturen technische und konzeptionelle Grenzen (z. B. Brauchwassererwärmung) gesetzt. Vor diesem Hintergrund gilt es, entsprechende Konzepte zu entwickeln. Diese sind ggf. in Form von Demonstrationsprojekten umzusetzen, mit Messprogrammen zu begleiten und hinsichtlich Übertragbarkeit auszuwerten. VIII.3 Bewertung des Technologiefeldes Bedingt durch die beiden Ölpreiskrisen in den 1970er und 80er Jahren war aus Gründen der Energieeinsparung die Nutzung leitungsgebundener Wärme möglichst aus KWK-Anlagen ein energiepolitisches Ziel. Die hierfür notwendigen Transportund Verteilungstechniken sowie -konzepte stehen daher seit einigen Dekaden im Fokus öffentlicher F&E-Förderung. Auch für das Erreichen der gesetzten Ziele zur Klimagasreduktion erwartet man durch die Nutzung leitungsgebundener KWK- Wärme einen signifikanten Minderungsbeitrag. Aufgrund der veränderten Randbedingungen (Wärmeschutzverordnungen, EnEV etc.) konnte der spezifische Raumwärmebedarf deutlich verringert werden. Durch staatliche Förderprogramme (z. B. KfW-Programme) werden derzeit starke Anreize gesetzt, energieeffiziente Maßnahmen im Gebäudesektor umzusetzen. Somit ist davon auszugehen, dass der Raumwärmebedarf von Gebäuden weiter abnehmen wird. Hieraus folgt für die leitungsgebundene Wärmeversorgung die Notwendigkeit der Erschließung neuer Nachfragepotenziale (Netzverdichtung, neue Wärmenetze). Eine weitere große Herausforderung besteht darin, die bestehenden Wärmetransport- und Verteilungssysteme an die neuen Randbedingungen anzupassen (z. B. niedrigere Vorlauftemperaturen, Einbindung dezentraler erneuerbarer Wärmequellen) sowie neue Wärmenetze unter Einbindung von Wärmeerzeugung, Transport/Verteilung sowie Wärmenutzung optimal zu konzipieren und auszulegen.

205 199 Die heute eingesetzten Techniken des Wärmetransports und der -verteilung sind Stand der Technik. Dies gilt auch weitestgehend für Leitungsverlegeverfahren, die die Kosten leitungsgebundener Wärme insgesamt dominieren. Eine Änderung der derzeit in Deutschland geltenden Bauvorschriften könnte nach Expertenansicht eine weitere wünschenswerte Reduzierung der Verlegekosten bewirken. Die Lösung dieses Problems ist jedoch nicht F&E-relevant. Hinsichtlich der Einordnung in die verschiedenen Szenariowelten ist das wirtschaftliche Forschungs- und Entwicklungsrisiko deutlich höher einzuschätzen als das technische Risiko. Dies ist vor allem mit den langen Anlaufzeiten bzw. -verlusten zu begründen, was letztendlich auch den Einsatz öffentlicher F&E-Fördermittel rechtfertigt. Tabelle VIII-1: Bewertung des technischen und wirtschaftlichen Forschungsund Entwicklungsrisikos von Wärmetransport und -verteilung Szenario 1: Moderat Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 2: Klimaschutz Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 3: Ressourcen Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist sehr gering gering eher gering eher hoch hoch Sehr hoch Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Tabelle VIII-2: Begründung der Relevanz öffentlicher Forschungsförderung (Wärmetransport und -verteilung) Rechtfertigung öffentlicher Forschungsförderung gegeben aufgrund technologischer Forschungs- und Entwicklungsrisiken Ja Nein wirtschaftlicher Forschungs- und Entwicklungsrisiken Ja Nein gravierender Preisrisiken Ja Nein langer Vorlaufzeiten Ja Nein Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

206 200 LowEx-Konzepte zielen auf die Einsparung hochwertiger Energie und tragen den neuen Randbedingungen der Wärmeversorgung (niedrigere Vorlauftemperaturen) Rechnung. Für die Auslegung neuer Wärmenetze und die Einbindung neuer Wärmequellen in bestehende Netze sind entsprechende Modelle zu entwickeln. Darüber hinaus sind die Konzepte in Form von Demonstrationsprojekten zu realisieren, um entsprechende Erfahrungen für zukünftige Netzplanungen zu gewinnen. Tabelle VIII-3: Aktuelles Entwicklungsstadium von LowEx-Konzepten LowEx-Konzepte (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 VIII.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand Während das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko für einzelne Komponenten der Wärmeversorgung als eher gering zu einzuordnen ist, ist die eigentliche Systemoptimierung mit einem höheren technischen Risiko behaftet. Dies gilt sowohl für neue Wärmenetze als auch für die Optimierung und Erweiterung bestehender Wärmenetze. Die Systemoptimierung stellt daher bei den nachfolgenden F&E- Empfehlungen einen wichtigen Schwerpunkt dar. F&E-Bedarf für bestehende Fern- und Nahwärmenetze Zustandsermittlung bestehender Fernwärmenetze Untersuchungen zur Alterung von Kunstmantelrohren und zum Aufbau entsprechender Schadensdatenbanken mit Erfahrungswerten, Ermittlung von Restlebensdauern auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse, Ermittlung von Anwendungsgrenzen, Konzepte zur Lebensdauerverlängerung (z. B. Nutzen der Rücklaufleitung als Vorlaufleitung und umgekehrt), Entwicklung von Methoden und Verfahren zur Leitungszustandsanalyse (z. B. Roboter) Anpassung an neue Strukturen und Anforderungen Einbindung großer zentraler/dezentraler Wärmespeicher, Einbindung von LowEx- Verbrauchern, Möglichkeiten zur Senkung der Vorlauf- und der Rücklauftempe-

207 201 ratur (Übergabestationen) zur Integration von Niedertemperaturwärme, Aufbau und Integration von Sekundärenergienetzen, Entwicklung neuer Berechnungsund Planungsmodelle Maßnahmen zur Effizienzerhöhung und Kostenreduktion Einsparung von Pumpstrom, Entwicklung neuer Betriebskonzepte (z. B. Morgenspitze flexibler versorgen), Senkung des Temperaturniveaus des Verteilersystems im Sommer (hier sind die Verluste am höchsten) durch Einbindung dezentraler Komponenten, höhere Temperaturspreizung durch niedrigere Rücklauftemperaturen (modifizierte Übergabestationen und gesteuerte Rezirkulation in Gebäuden), Bündelung unterschiedlicher Versorgungsaufgaben (z. B. Dreileitersysteme). F&E-Bedarf für neue Wärmenetze Erstellung von Wärmekatastern für Abwärme, regenerative dezentrale Wärmeerzeugung sowie die Einbindung von Kälteanlagen (sowohl für den Betrieb als auch als Abwärmequelle) Entwicklung von LowEx-Konzepten Konzepte für den Aufbau bzw. Ausbau modularer Wärmenetze Kostensenkungsmaßnahmen im Wärmenetzbau (z. B. betriebliche Selbstvorspannung zum Ausgleich temperaturbedingter Materialausdehnungen und damit Einsparung von Kompensatoren) Hybride Mehrleitersysteme Entwicklung neuer technischer Wärmeversorgungskonzepte (Erzeugung, Netze, Systemkomponenten, Hausstationen) für Gebiete mit niedriger Wärmedichte. VIII.5 Literatur ARBEITSGEMEINSCHAFT FERNWÄRME, AGFW (2009a) AGFW-Branchenreport ARBEITSGEMEINSCHAFT FERNWÄRME, AGFW (2009b) Persönliche Mitteilung Februar EIKMEIER, B., GABRIEL, J., SCHULZ, W., KREWITT, W. & NAST, M. (2006) Analyse des nationalen Potenzials für den Einsatz hocheffizienter Kraft-Wärme- Kopplung. Studie im Auftrag des BMWi, Energie&Management Oktober 2008.

208 202 IX Brennstoffzellen /Brennstoffzellen-Hybridkraftwerke IX.1 Beschreibung des Technologiefeldes Brennstoffzellen wandeln die chemische Energie des eingesetzten Brennstoffs direkt in elektrische Energie um und erreichen bei niedrigen Temperaturen höhere elektrische Wirkungsgrade als Wärmekraftmaschinen, die nicht über den Carnot- Wirkungsgrad ansteigen und erst bei hohen Temperaturen sehr gute Werte erreichen (Abbildung IX-1). Die höchsten Wirkungsgrade der H 2 /O 2 -Brennstoffzelle werden bei niedrigen Temperaturen erreicht. Bedingt durch zellinterne Überspannungen und ohmsche Verluste sowie den Eigenbedarf und Verluste der zu einer Brennstoffzellenanlage gehörigen Komponenten (Reformer, Kompressor, Wärmetauscher, Wechselrichter etc.) bleiben die Wirkungsgrade der Brennstoffzellenanlagen in der Praxis allerdings deutlich unter den theoretisch möglichen Werten. Abbildung IX-1: Theoretischer Brennstoffzellenwirkungsgrad Maximalwirkungsgrad der H 2 / O 2 - Brennstoffzelle Wirkungsgrad [%] η therm = Δ G Δ H Carnot Wirkungsgrad unteres Temperaturniveau: T K = 300 K η Carnot = T W T K T W Temperatur [ K] Quelle: [FZJ 1, 2009] IEF-STE 2010 Brennstoffzellentypen Nachfolgend werden einige Brennstoffzellentypen (Polymerelektrolyt-Brennstoffzelle, PEFC; Schmelzkarbonat-Brennstoffzelle, MCFC; Festoxid-Brennstoffzelle, SOFC) diskutiert, die für den stationären Einsatz vorgesehen und Bestandteil deutscher F&E-Programme sind. Als zentrale Komponente von Brennstoffzellen kann die Elektroden-Elektrolyt-Einheit angesehen werden, da in ihr die elektrochemischen Reaktionen ablaufen. Die zum Einsatz kommenden Elektrolyte gelten als unverwechselbare Unterscheidungsmerkmale und bestimmen auch die jeweilige Betriebstemperatur und damit die Kategorie, in der ein Brennstoffzellentyp eingeordnet wird (Nieder-, Mittel- und Hochtem-

209 peratur-brennstoffzelle). Wichtige Merkmale einiger Brennstoffzellentypen sind in der nachfolgenden Tabelle IX-1 aufgeführt. 203 Tabelle IX-1: Charakteristika einiger Brennstoffzellen Kategorie Kurzzeichen Typ Elektrolyt Niedertemperatur < 100 C NT-PEFC DMFC Polymerelektrolytmembran Brennstoffzelle Direkt-Methanol Brennstoffzelle Protonenleitende (Nafion) Membran Protonenleitende Membran Brenngas Oxidationsmittel reinster Wasserstoff Sauerstoff (Luft) Methanol Sauerstoff oder Luft Brenngas Anode Elektrolyt Kathode Oxidationsgas H 2 H + O 2 (Luft) H 2 O CH 3 OH CO 2 H + O 2 H 2 O 160 C C HT-PEFC Hochtemperatur > 600 C MCFC SOFC Polymerelektrolytmembran Brennstoffzelle Schmelzkarbonat Brennstoffzelle Oxidkeramische Brennstoffzelle Protonenleitende (Polybenzimidazol) Membran Alkalikarbonatschmelzen Sauerstoffionenleitfähige Keramik reinster Wasserstoff Sauerstoff (Luft) Erdgas, Biogas, Kohlegas Sauerstoff (Luft) Erdgas, Wasserstoff, Biogas, Kohlegas Sauerstoff (Luft) H 2 H + O 2 (Luft) H 2 O H 2, CO - CO 3 H 2 O, CO 2 H 2, CO - O 2 H 2 O, CO 2 O 2 (Luft), CO 2 O 2 (Luft) Quelle: [IEF-STE nach Blum et al., 2007] IEF-STE 2010 Niedertemperatur-Brennstoffzellen (NT-PEFC und HT-PEFC) Bei der Niedertemperatur-Polymerelektrolytmembran-Brennstoffzelle (NT-PEFC) besteht der Elektrolyt aus einer sulfonierten und perfluorierten Polymermembran, die die beiden Reaktionsräume Anode und Kathode gasdicht voneinander trennt. Die Membran muss für Wasserstoffionen durchlässig sein, damit die Funktionalität der Brennstoffzelle gewährleistet ist. Die Elektrolytmembran könnte ab etwa 60 C partiell austrocknen und funktionsuntüchtig werden; daher wird die permanente Befeuchtung durch mit deionisiertem Wasser angefeuchtetes Brenngas und Oxidationsgas sichergestellt. Dazu ist ein geeignetes Wassermanagement erforderlich, über das auch der Abtransport des sich auf der Kathodenseite ansammelnden Reaktionswassers gesteuert wird. Da ein Verdampfen des Wassers innerhalb der Membran die Protonenleitfähigkeit beeinträchtigen würde, ist die Betriebstemperatur der NT-PEFC auf etwa 80 C begrenzt. Als Brenngas wird Wasserstoff benötigt, der bislang wegen fehlender Infrastrukturen vor Ort in separat beheizten, der Brennstoffzelle vorgelagerten Reformern aus wasserstoffhaltigen Energieträgern gewonnen wird, z. B. aus Erdgas oder biogenen Gasen, aber auch aus flüssigen Mineralölprodukten wie Kerosin oder Diesel. Da die PEFC wegen der niedrigen Betriebstemperaturen empfindlich auf Brenngasverunreinigungen (CO etc.) reagiert, muss das Reformatgas intensiv gereinigt werden. Das Temperaturniveau der auskoppelbaren Wärme erreicht etwa 70 C und kann in der Regel nicht prozessintern (z. B. für die Reformierung) genutzt werden. Insgesamt ist die Brenngasbereitstellung relativ aufwendig, was mit dazu beiträgt, dass derzeit als elektrischer Systemwirkungsgrad nur 35 % als realisierbar angesehen werden. Der hohe apparative Aufwand zählt mit zu den Gründen, weshalb die Bemühungen um eine deutliche Kostenreduktion noch nicht so erfolgreich sind wie erhofft.

210 204 Mit der Entwicklung der Hochtemperatur(HT)-PEFC wird u. a. das Ziel verfolgt, die Betriebstemperatur auf C anzuheben, um die Einsatzmöglichkeiten der PEFC zu vergrößern, die Effizienz zu steigern und die Kosten zu senken. So ermöglichen die höheren Temperaturen eine einfachere Wärmeabfuhr bei verringerten Kühlflächen, das Temperaturniveau der ausgekoppelten Wärme ist höher und damit gut nutzbar, z. B. für Nahwärmeversorgung. Des Weiteren verträgt die HT-PEFC höhere Kohlenmonoxid- und H 2 S-Anteile im Brenngas, so dass die Gasreinigung einfacher und kostengünstiger wird. Durch den Einsatz anderer, preiswerterer Membranmaterialien (als Nafion ), die nicht befeuchtet werden müssen, kann auf ein aufwendiges Wassermanagement verzichtet werden. Außerdem steht zu erwarten, dass statt Erdgas die in der Brennstoffzelle entstehende Wärme für das Beheizen der Komponenten und die Reformierung genutzt werden kann, so dass sich der Eigenbedarf verringert und der elektrische Wirkungsgrad der HT-PEFC auf etwa 40 % steigt [Blum et al., 2007, Kundler & Henschel, 2005, Scholta et al., 2009, Cheng et al., 2006, FZJ 2, 2009]. Hochtemperatur-Brennstoffzellen (MCFC, SOFC) In der Schmelzkarbonat-Brennstoffzelle (MCFC) kommt als Elektrolyt ein Karbonat, zumeist ein Alkalikarbonat wie Kaliumkarbonat (K 2 CO 3 ) oder Lithiumkarbonat (Li 2 O 3 ), zum Einsatz, das bei der Betriebstemperatur der MCFC (650 C) flüssig ist und in einer porösen keramischen Matrix fixiert wird, z. B. in Lithiumaluminat. Der Ladungstransport erfolgt über Karbonationen (CO 3 2- ), die an der Kathode durch die Reaktion von Kohlendioxid mit Sauerstoff erzeugt werden. Beim Betrieb einer MCFC muss daher auf der Kathodenseite CO 2 zugeführt werden. Deshalb wird die MCFC optimalerweise mit kohlenstoffhaltigen Brennstoffen betrieben, bei deren Umwandlung CO 2 entsteht, wie etwa bei Erdgas, biogenen Gase oder auch bei Kohlegas. Der Wärmehaushalt der internen Reformierung wird über die in der Zelle produzierte elektrochemische Abwärme sichergestellt. Dadurch reduziert sich der Kühlaufwand für den restlichen Abwärme-Anteil merklich [Blum et al., 2007, WBzU, 2009]. Die Betriebstemperatur der MCFC ist mit ~650 C einerseits so niedrig, dass im Prinzip herkömmliche Werkstoffe verwendet werden können; andererseits ist sie aber so hoch, dass die Zellreaktionen ohne Edelmetallkatalysatoren ablaufen, unterstützt durch die elektrochemische Aktivität der Elektrodenwerkstoffe Nickel und Nickeloxid. Trotzdem gilt die Werkstoffwahl für die Elektroden und die Matrix nach wie vor als große Herausforderung, da die Karbonatschmelze außerordentlich korrosiv ist und die Lebensdauer der Komponenten und damit des Systems entscheidend beeinflusst. Die Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC) ist der zweite Hochtemperatur- Brennstoffzellentyp. Die Namensgebung weist auf den festen Elektrolyt (Oxidkeramik) hin, der sich durch eine hohe Sauerstoffionen-Leitfähigkeit auszeichnen muss,

211 205 da Sauerstoffionen (O 2- ) in der SOFC Ladungsträger sind. Die Betriebstemperatur erreicht mit bis zu C ein Niveau, das zum einen eine gute Ionenleitfähigkeit im Elektrolyt sichert, zum anderen aber sehr hohe Anforderungen an die verwendeten Werkstoffe für Komponenten und Dichtungen stellt. Ähnlich wie bei der MCFC ermöglicht die hohe Betriebstemperatur die interne Reformierung bei Einbindung von Reaktionswärme mit einem positiven Effekt für die Anlageneffizienz. International werden in der SOFC-Entwicklung verschiedene Konzepte verfolgt, von denen das Röhren-(tubular) und das Flachzellen-(planar)Konzept als fortgeschritten anzusehen sind. Beim Röhrenkonzept sind Elektrolyt und Anode schichtweise auf die röhrenförmige Kathode (Luftelektrode) aufgebracht. Eine Röhre ist also eine Zelle, wobei mehrere Zellen (Röhren) bzw. Rohrbündel zu größeren Leistungen zusammengeschaltet werden können. Als Vorteil dieser Technik gilt, dass sie mechanisch sehr robust ist, eine gute Langzeitstabilität aufweist und dass keine Probleme mit Hochtemperaturdichtungen auftreten, da die Gasräume mit einfachen Mitteln voneinander getrennt sind. Als Nachteil gilt allerdings, dass die ohmschen Verluste wegen der weiten Wege für die Elektronen relativ groß sind und die Leistungsdichte beeinträchtigt ist, dass die Fertigung aufwendiger als bei anderen Konzepten ist und die Betriebstemperatur nicht gesenkt werden kann. Die bekannteste tubulare Konzeption stammt von Westinghouse bzw. Siemens- Westinghouse und wurde in verschiedenen Kraftwerkskonzepten praxisnah erprobt, z. B. in einer 100 kw el Kraft-Wärme-Kopplungsanlage von 1998 bis 2000 an einem Kraftwerksstandort in Westervoort in den Niederlanden. Nach Betriebsstunden wurde sie demontiert und nach Essen an einen RWE-Standort versetzt, wo sie Betriebsstunden in Betrieb war. In Westervoort konnte ein elektrischer Wirkungsgrad von 46 % erreicht werden; die Wärmeleistung von 64 kw th wurde in das örtliche Fernwärmenetz eingespeist [Siemens Energy, 2007]. Durch konstruktive Modifikation der Röhrenform zu einer Deltaform konnte Siemens- Westinghouse zwar die ohmschen Verluste reduzieren und damit die Leistungsdichte verbessern, aber trotz dieser Erfolge wurden die Aktivitäten inzwischen zumindest bei Siemens in Deutschland eingestellt. International wird das Röhrenkonzept weiter verfolgt, von Mitsubishi Heavy Industries, TOTO, Kyocera und Acumentrics, wobei Kyocera und Acumentrics nach diesem Konzept kleine Brennstoffzellensysteme für die Hausenergieversorgung entwickeln und erproben. Bei dem Flachzellenkonzept (planar) werden Anode, Elektrolyt, Kathode und die Elektronen sammelnde Bipolarplatte schichtweise zu einer Einzelzelle zusammengefügt, von denen mehrere zu leistungsstärkeren Zellstapeln (Stack) aufgebaut werden. Der schichtweise Aufbau bedeutet, dass die Wege für die Elektronen kürzer werden

212 206 und die ohmschen Verluste zurückgehen, so dass die Effizienz der Umwandlung steigt. Bei einem planaren Konzept können größere Zellflächen und hohe Leistungsdichten realisiert werden. Es wird erwartet, dass der Fertigungsaufwand geringer ausfällt als beim Röhrenkonzept. Das planare Konzept eröffnet außerdem die Option, die hohen und materialstrapazierenden Betriebstemperaturen zu senken, so dass die Verwendung einfacher und damit preiswerter Materialien (z. B. ferritische Stähle) möglich wird. Bei niedrigeren Temperaturen verschlechtert sich zwar die Ionenleitfähigkeit des Elektrolyten, was aber durch eine Reduktion seiner Schichtdicke kompensiert werden kann, z. B. von ~150 auf ~5 µm. Um in diesem Fall die mechanische Stabilität der Zellen zu gewährleisten, müssen Kathode oder Anode in einer stärkeren Schichtdicke ausgeführt werden. Da die Zellkomponenten aus verschiedenen Werkstoffen hergestellt sind, mit unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten, erweist sich bislang die dauerhafte Abdichtung der Zelle bzw. eines Stacks als problematisch. Wegen der vielversprechenden Möglichkeiten des planaren Konzepts konzentrieren sich mehrere nationale und auch internationale Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen auf diesen SOFC-Typ. IX.2 Aktueller Entwicklungsstand und künftiger Entwicklungsbedarf In Abbildung IX-2 sind elektrische Wirkungsgrade und Wirkungsgrad-Ziele von Energiewandlungstechniken mit Leistungen von wenigen kw el bis MW el dargestellt. Danach übertreffen Niedertemperatur- und Hochtemperatur-Brennstoffzellen in der unteren Leistungsklasse deutlich die Werte von als Mikro-Kraft-Wärme- Kopplungsanlagen zu nutzenden Strom erzeugenden Heizungen (SeH) oder auch von Mikro-Gasturbinen (η el = % mit Rekuperator), an deren Entwicklung intensiv gearbeitet wird. Zu den SeH zählen Motor-BHKW, Stirling-BHKW, Dampfmotor- BHKW und andere Systeme, die bereits am Markt eingeführt sind, wie etwa der Dachs von Senertec [Senertec, 2009] oder das Ecopower von Vaillant [Ecopower, 2009], bzw. in Kürze eingeführt werden sollen, wie das Stirling-BHKW von Whisper Gen [Whisper Gen, 2009] oder der Lion-Powerblock von OTAG [OTAG, 2009]. Die Hochtemperatur-Brennstoffzellen können im Prinzip je nach Ausführung einen Leistungsbereich von einem Kilowatt el bis einigen hundert Kilowatt el und durch modulare Verschaltung mehrerer Anlagen bis zu einigen Megawatt el abdecken. Auch in diesem Segment übertreffen erste Demonstrationsanlagen bezüglich des elektrischen Wirkungsgrades konventionelle Techniken wie Motoren oder auch Turbinen, wobei weitere Anlagenverbesserungen eine Wirkungsgradsteigerung bis auf 60 % erreichbar erscheinen lassen.

213 207 Abbildung IX-2: Elektrische Wirkungsgrade und Potenziale HT-BZ *) GuD-Kraftwerk Dampfturbinenkraftwerk BZ-Hybridkraftwerk *) η el [%] NT-BZ *) SeH Mikro-Turbine Gasmotor Mikro-Gasturbine ORC-Turbine Gasturbine 0,005 0,01 0,015 0,020 0,025 *) Brennstoff: Erdgas oder Biogas mit hohem CH 4 -Anteil HT-BZ: Hochtemperatur-Brennstoffzelle NT-BZ: Niedertemperatur-Brennstoffzelle SeH: Stromerzeugende Heizungen 0,03 0, Leistung [MW el ) Quelle: [Siemens, 2007, FZJ 3, 2009, Brouwer, 2009, Bohn, 2005, Micro Turbine Technology, 2009, Priebe, 2008, ASUE, 2001] IEF-STE 2010 Für Brennstoffzellen-Hybridkraftwerke ist ein elektrischer Wirkungsgrad von bis zu 60 % keine Utopie mehr. Dieses Niveau wird durch die energetische Kopplung einer Brennstoffzelle mit einer weiteren thermodynamischen Energiewandlungstechnik z. B. einer Mikro-Gasturbine oder einem Organic-Rankine-Cycle-Prozess (ORC) möglich. Für diese Anlagenkombinationen eignen sich die beiden Hochtemperatur- Brennstoffzellentypen MCFC und SOFC, da ihre heißen Abgase in einem nachgeschalteten Prozess zur Stromerzeugung genutzt werden können. Die realisierten 60 % bzw. die angestrebten 70 % entsprechen dem Niveau, das von modernen bzw. im Bau befindlichen Gas- und Dampf-Kombikraftwerken (GuD) erreicht/erwartet wird (siehe rechten Teil in Abbildung IX-2). Die Attraktivität der Brennstoffzellentechnik wird aber nicht nur durch den hohen elektrischen Wirkungsgrad mitbestimmt, sondern auch durch ihr niedriges spezifisches Emissionsniveau. Das Beispiel limitierte Schadstoffe in Abbildung IX-3 zeigt, dass die Brennstoffzellenanlage niedrigere Emissionswerte aufweist als andere Energiewandlungsanlagen, so dass sie sehr gut die Anforderungen an Energiewandlungstechniken für ein zukünftiges, nachhaltiges Energieversorgungssystem erfüllt: hohe Effizienz und geringe Schadstoffemission. Die Höhe der spezifischen Kohlendioxidemissionen von mit Erdgas gefeuerten Brennstoffzellensystemen hängt wesentlich vom erreichten elektrischen Wirkungsgrad ab. FuelCell Energy gibt für ein System mit einem elektrischen Wirkungsgrad von 47 % spezifische CO 2 -Emissionen von 980 lb/mwh (~450 kg/mwh) an [FCE DFC300].

214 Abbildung IX-3: Spezifische Emissionswerte kleiner Energiewandlungsanlagen Mikro- Gasturbine Brennstoffzelle Mini BHKW (Motor) Stirling BHKW Gasmotor ( Erdgas / 1 MW ) 100 Magermotor Emissionen [mg/mj] , , ,5-7 Sonstige Motoren NMHC NO X CO NMHC NO X CO NMHC NO X CO NO X CO NO X CO Brennstoff: Erdgas Grenzwerte nach TA Luft Quelle: [Hagstotz, 2008, Frei, 2009, Hooft, 2003, Görner, 2006, Peche, 2006] IEF-STE 2010 Da die Leistung von Brennstoffzellensystemen durch Modulbauweise vergrößert werden kann [Heinzmann, 2007], eröffnet sich für ihren Einsatz nahezu die gesamte Breite energietechnischer Anwendungen. Für den Sektor Haushalt werden Systeme entwickelt, die einen Leistungsbereich von 1 5 kw el abdecken, bei thermischen Leistungen bis 10 kw th. Es ist vorgesehen, diese Systeme mit einem gasbefeuerten Warmwasserkessel zu kombinieren, um auch Bedarfsspitzen der Wärmenachfrage in Haushalten abdecken zu können. Für Anwendungen in Gewerbe, Handel, Dienstleistung sowie Industrie werden Anlagen mit größeren Leistungen gefordert und entwickelt, die Bandbreite reicht von wenigen hundert Kilowatt bis in den Megawatt-Bereich. Abbildung IX-4 gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Aktivitäten bzw. Entwicklungen im Themenfeld Brennstoffzellen, die hier drei Kategorien zugeordnet werden: F&E, Demonstration und Verfügbar. F&E steht für Ideenfindung sowie Konzeptentwicklung, Demonstration für Labor- bzw. Feldtests und Verfügbar bedeutet in diesem Zusammenhang, dass funktionstüchtige Anlagen hergestellt und angeboten werden. Sie können in der Regel aber noch nicht im ökonomischen Wettbewerb mit Konkurrenztechniken bestehen.

215 209 Abbildung IX-4: Entwicklungsstand von Brennstoffzellensystemen, 2009 F&E Demonstration Verfügbar 1 5 kw kw 250 kw 10 MW Large SOFC VTT; FZJ; Topsoe Wärtsilä; et.al. Konzepte, Komponenten (EU-Projekt) Hybrid MCFC/ORC/GM/T Hybrid MTU Onsite Energy SOFC/GT biogene Gase, Erdgas DLR-VT Gewerbe Handel CH4, biogene Gase Dienstleistung Industrie/Versorger SOFC CH 4, Biogas etc. FZ-Jülich, IKTS Staxera, DLR H 2 PEFC Baxi Innotech, Vaillant, APU Viessmann, Inhouse Engineering GmbH PEFC und SOFC BMW/Ebersbächer, FEV CH 4 SOFC Hexis, Ceramic Fuel Cell, Vaillant, Webasto (HCStark, Enerday, Staxera) MCFC MTU Onsite Energy (FuelCell Energy) CH 4, biogene Gase, Methanol Gewerbe Handel Dienstleist Lebensmittelindustrie, Krankenhaus, Versorger H 2 PEFC Mobilität Daimler, VW, Opel DMFC Smart Fuel Cell Freizeit, Mobilität, Überwachung, Militär SOFC = Solid Oxide Fuel Cell MCFC = Molten Carbonate Fuel Cell PEFC = Polymer Electrolyte Fuel Cell DMFC = Direct Methanol Fuel Cell APU = Auxiliary Power Unit ORC = Organic Rankine Cycle T = Mikro-Turbine Quelle: [STE, 2009, LARGE-SOFC, Aigner, 2009, Widenhorn, 2008, MTU, 2009, Wind, 2009, Status Seminar, 2009, Smart Fuel Cell, 2009] IEF-STE 2010 Verfügbar ist ein Schmelzkarbonat-Brennstoffzellensystem (HotModule genannt) von MTU Onsite Energy GmbH aus Ottobrunn, das mit Erdgas, Methanol sowie biogenen Gasen betrieben wird und inzwischen je nach Baureihe einen Leistungsbereich von kw el abdeckt. Bisher wurden/werden rund 20 Anlagen im gewerblichen wie industriellen Bereich und in der kommunalen Versorgung als Kraft-Wärme- Kopplungsanlagen genutzt. Direkt-Methanol-Brennstoffzellen (DMFC) von Smart Fuel Cell AG aus Brunnthal sind ebenfalls verfügbar und werden für mobile wie netzferne Energieversorgungsaufgaben eingesetzt. Smart Fuel Cell gilt als Marktführer für kleine Direkt-Methanol- Brennstoffzellensysteme. In der Kategorie F&E sind mit Large SOFC und SOFC/GT-Hybrid zwei Aktivitäten ausgewiesen, in denen es um die Entwicklung neuer Konzepte mit größeren Leistungen geht. Das EU-Projekt Large SOFC verfolgt das Ziel, Werkstoffe, Komponenten und Systeme zu konzipieren und zu entwickeln, die für ein großes SOFC- Kraftwerk erforderlich sind. Die Arbeiten zu dem SOFC/Gasturbinenhybrid beim DLR konzentrieren sich auf die Kombination einer Mikrogasturbine mit einer Hochtemperatur-Brennstoffzelle, mit den Schwerpunkten Modifikation der Mikroturbine und Entwicklung von Betriebskonzepten, die zwei Techniken mit unterschiedlichen Eigenschaften optimal miteinander kombinieren sollen.

216 210 Zahlreiche Projekte sind der Kategorie Demonstration zugeordnet. Auch darunter befinden sich noch wichtige Entwicklungsarbeiten im Grundlagenbereich, in denen es u. a. darum geht, über alternative Membranmaterialien Beiträge zur Verbesserung mechanischer Eigenschaften, der Alterung/Degradation, der Langzeitstabilität und auch bezüglich der Kosten zu leisten. Große Bedeutung hat das Thema Hausenergieversorgung, dokumentiert durch Projekte im Leistungsbereich von 1 5 kw el (stark umrandete Ellipse in Abbildung IX-4), in denen Polymerelektrolytmembran- Brennstoffzellen (PEFC) und Festoxid-Brennstoffzellen (SOFC) zu kompakten Hausenergieversorgungsanlagen entwickelt werden. Akteure mit einem großen Erfahrungsschatz sind Baxi Innotech GmbH, Vaillant GmbH sowie Hexis AG; sie befassen sich bereits seit einigen Jahren mit der Brennstoffzellentechnik und haben Anlagen in mehreren Demonstrations- wie Feldtestprogrammen erprobt. Im Zusammenhang mit dem Thema Elektromobilität stoßen die Arbeiten zur Entwicklung von Brennstoffzellen-APU (Auxiliary Power Unit) auf zunehmendes Interesse, da sie als (kleine) Hilfsaggregate zur netzunabhängigen Batterienachladung im Fahrzeug eingesetzt werden können, so dass sich die Reichweite von Elektrofahrzeugen vergrößert (Range Extender). Im mobilen Bereich (auch in Bussen und Nutzfahrzeugen) können sie einen emissionsarmen, effizienten Beitrag zur Bordstromversorgung leisten, da sie stets im optimalen Betriebszustand gehalten werden können. Unter Beteiligung der Automobilindustrie wurden mehrere Entwicklungsprojekte erfolgreich durchgeführt, wobei aber noch kein marktreifes Produkt entwickelt ist. Nach Wetzel [2009] werden derzeit sehr effiziente Systeme (Wirkungsgrad von 40 % bei Verwendung von Benzin oder Diesel) entwickelt, die sehr kompakt auszuführen sind und dadurch auch in kleineren Fahrzeugen verbaut werden können. Als Risiko werden die Herstellungskosten adressiert, die noch deutlich über den Zielwerten liegen. Unzureichend ist bislang die Anzahl der in Komponententests erreichten thermischen Zyklen und damit auch die Lebensdauer, so dass im Hinblick auf die Fragestellung, ob und wann die Brennstoffzellen-APU die notwendige technische Reife erlangt, eine gewisse Unsicherheit besteht. Ein Brennstoffzellen-Hybridsystem ist ebenfalls in der Kategorie Demonstration eingeordnet. Es handelt sich um die Kombination einer Schmelzkarbonat- Brennstoffzelle mit einem Organic-Rankine-Cycle-Modul (ORC), die im Sommer 2009 von den Pfalzwerken in Betrieb genommen werden soll. In diesem Konzept wird das ORC-Modul die gesamte ausgekoppelte Wärmeleistung der Brennstoffzelle zur Stromerzeugung nutzen (Abbildung IX-5) [Szablinski, 2009, Krebs, 2009].

217 211 Abbildung IX-5: Brennstoffzellen-Hybridsystem Grünstadt Thermoölkreislauf 270 C 380 C Kamin 40 C ORC-Anlage 30 kw Verdampfer Vorwärmer Dampfturbine G Turbinenkreislauf T max = 200 C P max = 10 bar Enthitzer HotModule HM 300 Verflüssiger Quelle: Szabliniski, Pfalzwerke MTU Onsite Energy LTi ADATURB Quelle: [Szablinski, 2009, Bednarz, 2009, LTi-Adaturb, 2009] IEF-STE 2010 Die Anlagenkomponenten, ein HotModule HM 300 von MTU Onsite Energy und eine Dampfturbine TG-30 von Lti-ADATURB, wurden im März 2009 in der Energiezentrale des Kreiskrankenhauses Grünstadt in Rheinland Pfalz eingebaut. Die elektrische Leistung der Gesamtanlage wird rund 280 kw betragen und man rechnet damit, dass ein elektrischer Wirkungsgrad von etwa 54 % erreicht wird. Gegenüber einer konventionellen Stromerzeugung sollen mit dieser Anlagenkombination rund 150 t CO 2 pro Jahr vermieden werden. Die Ressourcenschonung betrifft auch den Wasserhaushalt, da die im ORC-Kreislauf durch das Abkühlen der Brennstoffzellenabgase abgeschiedenen ca m³ Reinstwasser dem Brennstoffzellenprozess wieder zugeführt werden können.

218 212 Tabelle IX-2: Aktuelles Entwicklungsstadium des Technologiefeldes Brennstoffzelle Brennstoffzellenkraftwerk (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Tabelle IX-3: Aktuelles Entwicklungsstadium des Technologiefeldes Brennstoffzellen-Hybridkraftwerk Brennstoffzellen-Hybridkraftwerk (vor Ideenfindung) Ideenfindung (zwischen Ideenfindung und F&E) F&E (zwischen F&E und Demonstration) Demonstration (zwischen Demonstration und kommerzieller Nutzung) Kommerziell Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

219 213 Tabelle IX-4: Bewertung technischer und wirtschaftlicher Forschungs- und Entwicklungsrisiken von Brennstoffzellenkraftwerken Szenario 1: Moderat Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 2: Klimaschutz Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 3: Ressourcen Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist sehr gering gering eher gering eher hoch hoch Sehr hoch Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Tabelle IX-5: Bewertung technischer und wirtschaftlicher Forschungs- und Entwicklungsrisiken von Brennstoffzellen-Hybridkraftwerken Szenario 1: Moderat Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 2: Klimaschutz Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist Szenario 3: Ressourcen Das technische Forschungs- und Entwicklungsrisiko ist Das wirtschaftliche Forschungsund Entwicklungsrisiko ist sehr gering gering eher gering eher hoch hoch Sehr hoch Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010

220 214 Tabelle IX-6: Detailangaben zum Entwicklungsstadium der Brennstoffzellenkraftwerke Kommerziell Demonstration F&E Ideenfindung DMFC Marktvolumen groß, wenn sie Batterien verdrängen kann MCFC Marktvolumen: Einige 100 Anlagen europaweit mit biogenen Brenngasen PEFC mobil Leistung: <100 kw el PEFC, SOFC Stationär Sektor Haushalt Leistung: <5 kw el PEFC, SOFC als Auxiliary Power Unit (APU) oder als Range Extender im Elektrofahrzeug Leistung: <100 kw e l SOFC Leistung: bis MW- Bereich SOFC/Mikro Turbinen-Hybrid Leistung: wenige kw el biogenes Brenngas Marktvolumen: gegebenenfalls sehr groß Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 IX.3 Bewertung des Technologiefeldes Entwicklungen zu Brennstoffzellenanlagen für die Hausenergieversorgung werden im Programm CALLUX des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) gefördert und koordiniert. Dabei handelt es sich um den bislang größten bundesweiten Praxistest von Brennstoffzellen-Heizgeräten für Haushalte. Bis 2015 sollen etwa 800 Anlagen, im Wesentlichen von den Unternehmen BAXI INNOTECH, Hexis und Vaillant unter Beteiligung von Energieversorgern, in Haushalten getestet und erprobt werden, um nach 2015 in großem Stil in den Markt eingeführt zu werden [CALLUX, 2009]. Brennstoffzellensysteme im ein- bis dreistelligen Kilowatt- Leistungsbereich sollen und können dann im Sektor Haushalt einen Beitrag zum nationalen wie europäischen Klimaschutzziel leisten. Die gekoppelte Strom- und Wärmeerzeugung kann einen Gesamtnutzungsgrad von mehr als 80 % erreichen und ist dann wesentlich effizienter und emissionsärmer als die getrennte Erzeugung von Strom und Wärme aus kohlenstoffhaltigen Energieträgern. Eine zusätzliche Effizienzsteigerung des Elektrizitätsversorgungssystems kann sich aus der Dezentralisierung der Erzeugung ergeben, weil sich dadurch die Übertragungswege verkürzen und die Verteilungsverluste geringer ausfallen [Goldbach, 2004, VDE, 2008a, VDE, 2008b]. In 2006 betrug der Energiebedarf im Sektor Haushalt in der Bundesrepublik Deutschland PJ und wurde zu 74 % vom Verwendungszweck Raumwärmeerzeugung bestimmt, siehe Abbildung IX-6. Mit einem Anteil von rund 45 % ist Erdgas wichtigster Endenergieträger in diesem Segment und hat auch bei der Prozesswärmeerzeu-

221 Abbildung IX-6: Endenergieverwendung im Sektor Haushalt, Endenergieträgerverwendung im Sektor Haushalt PJ Mechanische Energie 6% Licht 2% gung (Warmwasserbereitung, Kochen, Backen) mit 37 % eine hohe Akzeptanz erreicht. Information/Kommunikation 2% 442 PJ, davon 42% Elektrizität 37% Erdgas Prozeßwärme 1) 16% Raumwärme 74% PJ, davon 45% Erdgas 34% Öl 1) Kochen, Backen, Warmwasser Quelle: [Tzscheutschler, 2008] IEF-STE 2010 Die Tatsache, dass viele Wohngebäude an das Erdgasnetz angeschlossen sind, bedeutet, dass mit Erdgas betriebene Brennstoffzellensysteme auf eine gut ausgebaute Infrastruktur treffen und sie als Ausgangssituation für den Markteintritt nutzen können. Bei gewerblichen und industriellen Anwendungen sind leistungsstärkere Energiewandlungssysteme (mehrere hundert Kilowatt Leistung) erforderlich, wie sie in Bezug auf Brennstoffzellen in Deutschland bisher nur von MTU Onsite Energy entwickelt und angeboten werden. In Anbetracht der umfassenderen Anforderungen potenzieller Nutzer sollen die Anlagen aber nicht nur elektrische Energie und Wärme bereitstellen können, sondern auch Kälte. Das hohe Temperaturniveau der Abgase von MCFC und SOFC bietet gute Möglichkeiten der Integration von Absorptionskältemaschinen, mit denen die notwendige Kühlleistung erbracht werden kann. Da Wärme- und Kühlleistung in der Regel nicht gleichzeitig nachgefragt werden, kann die Kälteerzeugung zu einer höheren Anlagenauslastung beitragen. Das Erreichen der Marktreife entsprechender Systeme hängt von Fortschritten in der Entwicklung ab, die zweifellos der weiteren Unterstützung durch die öffentliche Hand bedarf (zu F&E-Schwerpunktthemen siehe Kapitel IX.4). Hochtemperatur-Brennstoffzellen eröffnen durch die guten Aussichten, effizient und emissionsarm Brenngase aus Biomasse sowie Reststoffen nutzen zu können, auch die Option, diese bislang kaum genutzten heimischen Energiequellen verstärkt zur Energieversorgung heranzuziehen. Arbeiten zum Thema standardisierte Brennstoff-

222 216 zellenanlagen in Kombination mit Biomasseverwertungsanlagen (Biogas, Klärgas, Pyrolyse, Synthese) sind Bestandteil des Leuchtturmprojekts NEEDS im Nationalen Innovationsprogramm für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Tabelle IX-7: Abhängigkeit der Brennstoffzellenkraftwerke von Infrastrukturen (Gasnetz) Die Nutzung der Technologie(n) ist unabhängig von Infrastrukturen möglich Ja Nein Die Nutzung und Verbreitung der Technologie(n) ist von bestehenden Infrastrukturen abhängig 1) Ja Nein Zur Verbreitung und Nutzung der Technologie(n)müssen bestehende Infrastrukturen ausgebaut werden 1) Ja Nein Zur Verbreitung und Nutzung der Technologie(n) müssen neue Infrastrukturen gebaut werden 1) Ja Nein 1) Für alle eingesetzten Brennstoffe müssen Verteilungsinfrastrukturen verfügbar sein. Die existierende Wasserstoffinfrastruktur müsste deutlich ausgeweitet werden, wenn Wasserstoff in großem Stil für Brennstoffzellenkraftwerke genutzt werden soll. Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Die Leistungsgröße von Brennstoffzellen-Hybridkraftwerken wird von der Größe der verfügbaren Brennstoffzelle bestimmt. MTU Onsite Energy hat mit der Baureihe HM 300 einen Großteil seiner Brennstoffzellendemonstrationen durchgeführt. Sie erreicht eine elektrische Leistung von 280 kw eldc und eine Wärmeleistung von 180 ~55 C. Diese Anlage wird der 300- kw-klasse zugeordnet, kann mit Erdgas, Methanol und biogenem Brenngas betrieben werden, hat Standzeiten bis etwa Stunden erreicht [MTU, 2009] und ist auch das Herzstück des Brennstoffzellen/ORC-Hybridkraftwerks in Grünstadt. In dem aus Brennstoffzelle und Gasmotor bestehenden Hybridkraftwerk für Barth (siehe Kapitel IX.5) wird die neue HotModule-Baureihe HM 320 zum Einsatz kommen. Die elektrische Leistung konnte auf 363 kw el DC (= 345 kw el AC ) angehoben werden, die Wärmeleistung auf 250 kw th. Dieser Typ wird Basiskomponente für das zukünftige leistungsstärkere Produktportfolio von MTU Onsite Energy sein. Schrittweise wird man die Anlagenleistung des HotModule bis in den Megawattbereich weiterentwickeln [Bednarz, 2008]. Eine vergleichbare Entwicklung hat FuelCell Energy vollzogen und sein erstes Brennstoffzellen-Hybridkraftwerk (DirectFuelCell/Turbine in Billings) mit seiner kleinsten Anlage (250 kw el AC ) ausgestattet. In der Weiterentwicklung ist vorgesehen, die inzwischen leistungsstärkeren DFC-Systeme zu verwenden, um in den Markt für Anlagen des Megawattbereichs eintreten zu können. Ein erstes Beispiel für den erfolgreichen Weg ist eine Hybridanlage in Toronto (siehe Kapitel IX.5), die zusammen mit dem kanadischen Energieversorger Enbridge konzipiert wurde [Pogorski, 2008]. Bei

223 217 ihr kommt als Brennstoffzelle die 1,4 MW el DC große DFC zum Einsatz. Die leistungsstärkste Neuentwicklung von FuelCell Energy ist die DFC mit 2,8 MW el, von der drei Einheiten zusammen mit einem 1,8 MW el leistenden Turboexpander in dem geplanten Brennstoffzellen-Hybridkraftwerk Milford, USA, zum Einsatz kommen werden [Milford, 2008]. Mit dieser Leistungsbreite eröffnen sich für Brennstoffzellen-Hybridsysteme zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten im Endenergiesektor Gewerbe Handel Dienstleistung, in der Industrie wie auch im Umwandlungssektor, wobei es um die Bereitstellung von Strom, Wärme und Kälte geht. Der Markteinstieg für Brennstoffzellen-Hybridkraftwerke könnte wegen der Übereinstimmung der Leistungen von realisierten Demonstrationsanlagen und den typischen Leistungsanforderungen von mehreren hundert Kilowatt im Dienstleistungssektor (Krankenhäuser, Rechenzentren, Verwaltungs- wie Schulzentren, Universitäten, Kläranlagen etc.) gelingen. Erste Demonstrationsanlagen wurden und werden in solchen Anwendungen erfolgreich getestet. Das Marktvolumen für Deutschland wird auch wegen der Novellierung des Kraft- Wärme-Kopplungsgesetzes als relativ hoch erachtet. In Klärwerken, etwa scheinen geeignet, und in Kliniken (>1.000) können vielleicht mehr als Anlagen installiert werden. Die Eignung der Brennstoffzellen-Hybridkraftwerke zur dezentralen Energieversorgung sowie die Möglichkeit, biogene und schwachkalorige Gase aus gewerblichen/industriellen Prozessen zu nutzen, ist als weitere attraktive Eigenschaft dieser Technikkombination zu sehen, zumal auf diesem Weg im Einzelfall die Abhängigkeit von Erdgas reduziert wird. Inwieweit Brennstoffzellensysteme von den günstigen Marktzutrittsmöglichkeiten letztlich profitieren und die Marktdurchdringung zum Selbstläufer wird, hängt davon ab, ob die Ziele in Bezug auf Zuverlässigkeit, Effizienz und Wirtschaftlichkeit erreicht werden, so dass sie im Wettbewerb mit konventionellen und anderen neuen Techniken bestehen können. IX.4 F&E-Empfehlung für die öffentliche Hand Trotz intensiver und erfolgreicher F&E-Arbeiten konnten wichtige Ziele auf dem Weg zur Marktreife von Brennstoffzellen und Brennstoffzellenanlagen noch nicht erreicht werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Zuverlässigkeit noch nicht ausreicht, die Komplexität der Systeme zu hoch ist und die Material- sowie Fertigungskosten deutlich gesenkt werden müssen, um einen erfolgreichen Markteinstieg zu ermöglichen. Es lassen sich Bereiche identifizieren, in denen noch grundlagenorientierte Entwicklungsarbeiten anstehen. Sie betreffen die Brenngaserzeugung, die Stacks sowie die Gesamtsysteme mit den unter dem englischen Begriff Balance

224 218 of Plant (BoP) zusammengefassten Komponenten wie Pumpen, Verdichter, Armaturen, Ventile, Regelgeräte, Wärmetauscher und andere. Zwar gilt die MCFC als weiter entwickelt als die SOFC [MAIP, 2009], aber auch bei ihr ist die Wettbewerbsfähigkeit wegen der vorgenannten Gründe noch nicht erreicht. Der Schwerpunkt Brenngaserzeugung umfasst die Reformierung, die in der Regel bei Temperaturen >700 C abläuft, und die Brenngasreinigung, die je nach Brennstoffzellentyp mehr oder weniger aufwendig sein muss. Ziel ist es, eine hohe Brenngasausbeute zu erreichen, also ein effizientes, zuverlässiges und langlebiges System zu entwickeln, das preiswert ist, um die Gesamtsystemkosten nicht zu belasten. Dazu ist es notwendig, das Thema langzeit- und temperaturbeständige sowie kostengünstige Reformermaterialien weiter zu bearbeiten, wobei verbesserte Katalysatoren dazugehören. Verbessert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Katalysator eine hohe Redox-Stabilität aufweisen soll, eine hohe Selektivität und eine hohe Toleranz gegen Verunreinigungen, um nur einige Stichworte zu nennen. Als thematische Schwerpunkte der weiteren Arbeiten zur Verbesserung von NT- und HT-PEFC sowie SOFC können genannt werden: Steigerung der Leistung sowie der Unempfindlichkeit gegen Brenngasbegleitstoffe, Verbesserung der Thermozyklierbarkeit, Reduktion von Alterung/Degradation, Weiterentwicklung von Fügetechniken und Dichtungen. Diese Zusammenstellung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sie zeigt aber, dass zahlreiche Themen im Bereich der Material- und Werkstoffentwicklung angesiedelt sind und auch in anderen Themenfeldern eine große Rolle spielen, z. B. die Membrantechnik im Themenfeld CCS oder keramische Werkstoffe in der Kraftwerkstechnik, weshalb themenfeldübergreifende F&E-Kooperationen anzustreben sind. Für Gesamtsysteme gilt, dass bestehende Konzepte möglicherweise modifiziert werden sollten, um die Systemkomplexität zu reduzieren und um gleichzeitig Diagnosesysteme wie auch verbesserte und effiziente Sensorik zu implementieren. Von zentraler Bedeutung sind die Balance of Plant, die sich als sehr störanfällig erwiesen haben und zu einem erheblichen Teil für Ausfälle in den bisherigen Demonstrationen verantwortlich sind. Es ist deshalb dringend notwendig, sie entsprechend den Anforderungen von Brennstoffzellenanlagen zu modifizieren oder neu zu entwickeln. Es geht um die Steigerung ihrer Zuverlässigkeit, die Entwicklung medienbeständiger und auch standardisierter Komponenten, die kostengünstig sind und die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit des Gesamtsystems befördern. Eine Zusammenstellung wichtiger Themen enthält Tabelle IX-8.

225 219 Tabelle IX-8: Schlüsselthemen der weiteren Brennstoffzellenentwicklung Bereich BZ-Gaserzeugung BZ-Stack BZ-System Schlüsselthemen Reformermaterialien (z. B. Legierungen) Katalysatoren (z.b. edelmetallfrei) Verbesserte Komponenten(werkstoffe) z.b. Membranen Reduktion der Alterung / Degradation Verbesserung der Thermozyklierbarkeit Verbesserte Fügetechnik / Dichtungswerkstoffe Peripheriekomponenten (BoP) Sensorik (Smart Sensor) Reduktion der Komplexität Sicherheitstechnik Diagnosemethoden im System Quelle: eigene Darstellung IEF-STE 2010 Die erfolgreiche Bearbeitung dieser und weiterer Schlüsselthemen wird zur Kostenreduktion beitragen, die aber auch maßgeblich von einer Massenfertigung beeinflusst wird. Nach jüngsten Untersuchungen zu Brennstoffzellen-Hausenergieversorgungssystemen [Staffel & Green, 2009] steht zu erwarten, dass erst sehr große Stückzahlen zu Kosten führen werden, die den Einsatz von kleinen Brennstoffzellensystemen in Privathaushalten attraktiv und wettbewerbsfähig machen. Es ist deshalb dringend angeraten, dass die öffentliche Hand auch weiterhin die Entwicklung und Markteinführung unterstützt.

226 220 IX.5 Anhang: Internationale Brennstoffzellenhybrid-Demonstrationen Da verschiedene Brennstoffzellenentwickler ganz unterschiedliche Anlagenkombinationen als Brennstoffzellen-Hybridsystem bezeichnen, werden im Folgenden die bekanntesten und fortgeschrittensten Kombinationen vorgestellt. Hauptkomponente ist immer eine Hochtemperatur-Brennstoffzelle, also eine Solid Oxide Fuel Cell (SOFC) oder eine Molten Carbonate Fuel Cell (MCFC), da ihre mehrere hundert Grad heißen Abgase geradezu prädestiniert sind, in einer weiteren, angekoppelten Energieerzeugungsanlage wirkungsgradsteigernd genutzt zu werden. Fortgeschritten sind die Entwicklungsarbeiten bzw. Demonstrationsanlagen der Unternehmen Mitsubishi Heavy Industries Limited in Japan, Rolls Royce Fuel Cell Systems Limited in Großbritannien, FuelCell Energy Incorporation in den USA und MTU Onsite Energy in Deutschland. Die Hybridsysteme dieser Unternehmen sind Kombinationen aus - SOFC und befeuerter Mikro-Gasturbine, - MCFC und unbefeuerter Mikro-Gasturbine, - MCFC und Turboexpander, - MCFC und Gasmotor. Außerdem befasst sich das Italienische Unternehmen Ansaldo Fuel Cells seit langem mit der Thematik, so dass man sehr bald eine Demonstrationsanlage erwarteten kann. Das Gleiche gilt für Unternehmen in Südkorea, die eigene Komponenten mit von FuelCell Energy gelieferten Schmelzkarbonat-Brennstoffzellen kombinieren werden. SOFC/Gasturbinen-Hybridsystem Mitsubishi Heavy Industries und Rolls Royce konzentrieren sich unabhängig voneinander auf die Kombination der von ihnen selbst entwickelten SOFC-Techniken mit Mikro-Gasturbinen. Ihre Hybridsysteme werden unter Druck betrieben. Nachdem Mitsubishi Heavy Industries Ltd. (MHI) eine Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC nach tubularem Konzept) entwickelt hatte, erhielt MHI 2004 von der New Energy and Industrial Technology Development Organization (NEDO) den Auftrag, eine SOFC-Mikrogasturbinen-Hybridanlage zu entwickeln. Die 190-kW el -SOFC und die ~40-kW el -Mikrogasturbine sind die Hauptkomponenten des bei etwa 3 bar Überdruck betriebenen Konzeptes. Eine weitere neu entwickelte Komponente ist der der Gasturbine vorgelagerte Schwachgasbrenner, in dem die noch Brennstoff enthaltenen SOFC-Abgase (Anoden- und Kathodenabgas werden gemischt) nachverbrannt werden (Abbildung IX-7). Die im Kompressor der Gasturbine komprimierte Luft wird im Rekuperator aufgeheizt und anschließend der SOFC als Oxidationsmittel zugeführt. Mit der Demonstrationsanlage konnte ein elektrischer Wirkungsgrad von

227 221 52,1 % realisiert werden [MHI, 2008]. Nach den Planungen von MHI sollen bis 2020 weitere Anlagen mit mehreren 100 kw el Leistung entwickelt werden, wobei bis 2030 elektrische Wirkungsgrade von 60 % erreicht sein sollen und eine großtechnische Demonstration geplant ist. Bis zur Markteinführung können dann noch weitere 10 Jahre vergehen, die auch dazu genutzt werden sollen, die Systeme auf den Einsatz von Kohlegas vorzubereiten [Gengo et al., 2008]. Abbildung IX-7: Mitsubishi Heavy Industries 229-kW-Brennstoffzellen- Hybridkraftwerk Quelle: [MHI, 2008] IEF-STE 2010 Rolls Royce entwickelt ein serielles Brennstoffzellen-Gasturbinen-Hybridkraftwerk auf der Grundlage von eigenen Komponenten (Abbildung IX-8) [Agnew, 2008]. Die Brennstoffzellenreaktionsluft wird im Gasturbinen-Verdichter auf 7 bar komprimiert und durch Mischen mit Abgasen aus dem Brennstoffzellenabgasbrenner auf 850 C aufgeheizt. In der Turbine, die einen Turbogenerator antreibt, werden die Brennstoffzellenabgase schließlich entspannt und auf 530 C abgekühlt. Rolls Royce erwartet, mit der für 2009 geplanten 250-kW el -Demonstrationsanlage einen Wirkungsgrad von >60 % erreichen zu können. Bis 2020 soll eine 1 MW el große Anlage entwickelt sein und bis 2030 sollen 10 MW el realisiert werden, mit einem elektrischen Wirkungsgrad von ~70 %, wobei auch Brenngas aus Biomassse und der Kohlevergasung eingesetzt werden soll.

228 222 Abbildung IX-8: Konzept des Brennstoffzellen-Hybridkraftwerks von Rolls- Royce Quelle: [Agnew, 2008] IEF-STE 2010 MCFC-Hybridsysteme Das amerikanische Unternehmen FuelCel Energy und MTU Onsite Energy aus Ottobrunn bei München gelten als Weltmarktführer auf dem Gebiet der Entwicklung und Fertigung des Schmelzkarbonat-Brennstoffzellentyps (MCFC). Insgesamt wurden und werden rund 60 bis 70 Systeme weltweit erprobt und demonstriert. Die beiden Unternehmen entwickeln Hybridversionen und kombinieren Ihre Brennstoffzellen mit Techniken ihrer Heimatmärkte, FuelCell Energy mit einer Turbine von Capstone sowie einem Turboexpander von Cryostar und MTU Onsite Energy mit einem Gasmotor aus dem eigenen Haus und einem Organic Rankine Cycle Modul von LTi-Adaturb aus Dortmund, wie in Kapitel IX.2 beschrieben. MCFC/Mikro-Gasturbine (DFC/T) FuelCell Energy aus den USA befasst sich seit etwa 30 Jahren mit der Entwicklung von Schmelzkarbonat-Brennstoffzellen und nennt seine aktuell mit Leistungen von 300 kw el, 1,4 MW el und 2,4 MW el angebotene Entwicklung Direct Fuel Cell (DFC). Das erste Hybridsystem hat FuelCell Energy in 2006 installiert und über mehrere tausend Stunden in Billings, Montana unter Praxisbedingungen betrieben [Ghezel- Ayagh, 2008]. Eine 250-kW el -DFC wurde mit einer modifizierten unbefeuerten Mikro- Gasturbine von Capstone kombiniert, um die Stromerzeugung der Brennstoffzelle ohne zusätzlichen Brennstoffeinsatz zu verbessern. Die Gasturbine beliefert die Brennstoffzelle mit Reaktionsluft, während die Brennstoffzellenabgase die Gasturbinenzuluft über einen Niedertemperatur- und einen Hochtemperaturrekuperator aufheizen (Abbildung IX-9). Als erreichten Wirkungsgrad gibt FuelCell Energy 58 % an. Das System wurde bei Umgebungsdruck betrieben und erreichte Betriebsstunden [Ghezel-Ayagh, 2007].

229 223 Zu den Kosten eines Hybridsystems macht FuelCell Energy keine Angaben, wohl aber zu den Kosten seiner DFC-Systeme. Die spezifischen Preise für Systeme im Leistungsbereich von einigen hundert Kilowatt werden mit knapp US$/kW angegeben und für die Megawatt-Systeme knapp US$/kW [Heinzmann, 2007]. Den Europa-Preis für eine Capstone-Gasturbine vom Typ C30, wie in dem Hybridsystem eingesetzt, gibt E-Quad mit /kw el an [E-Quad, 2009], so dass sich für die Kosten eines Hybridsystems vom Typ wie in Billings mit etwa US$/kW el abschätzen lassen. Im Testbetrieb wurden für die Alphaanlage (Billings) Emissionswerte ermittelt, die die CARB-2007-Grenzwerte (California Air Resources Board) einhalten: NOx: 1,8 gr/mwh; VOC: 0,9 gr/mwh; CO: 34 gr/mwh [Ghezel-Ayagh]. Als CO 2 -Emission gibt FuelCell Energy für das Hybridsystem 980 lb/mwh (~440 kg/mwh) bei Erdgasbetrieb an [FCE DFC300]. Da FuelCell Energy gute Marktchancen für Hybridsysteme in der Leistungsklasse >3 MW sieht, sollen entsprechende Entwicklungen vorangetrieben und bis 2020/2030 in der MW-Leistungsklasse einige hundert Anlagen errichtet werden. Die Brennstoffbandbreite soll um Synthesegas aus der Biomasse- sowie Kohlevergasung erweitert werden. Abbildung IX-9: FuelCell Energy Brennstoffzellen-Turbinen-Hybridsystem (LTR = low temperature recuperator, HTR = high temperatur recuperator, AGO = anode gas oxidizer) Quelle: [Ghezel-Ayagh] IEF-STE 2010 MCFC/Energy Recovery Generation (DFC/ERG) In Kooperation haben FuelCell Energy und der kanadische Energieversorger Enbridge Incorporation das Hybridsystem DFC/ERG (Direct Fuel-Cell Energy Recovery GenerationTM) entwickelt, bei dem ein Turboexpander mit einer Schmelzkarbonat- Brennstoffzelle kombiniert wird. Der Turboexpander verfügt über eine Leistung von 1 MW el und die Brennstoffzelle über 1,2 MW el wurde in Toronto (Kanada) die erste Demonstrationsanlage in Betrieb genommen. Das System soll anstelle konventioneller Gasdruckminderungstechniken an Gasübergabestationen zum Einsatz kommen, um verbrauchernah Strom bei geringer Schadstofffreisetzung zu erzeugen [Pogorski, 2008]. Die Gasentspannung vom Druckniveau der Transportleitung auf

230 224 das Druckniveau der Verteilungsleitung erfolgt in dem Turboexpander, der einen stromerzeugenden Generator antreibt. Die Brennstoffzelle wird mit dem entspannten Gas betrieben. Der Strom wird ins Netz eingespeist und die Abwärme zur Vorwärmung des Hochdruckgases eingesetzt, um eine zu starke Abkühlung des Gases bei der Entspannung (Joule-Thomson-Effekt) und damit das Einfrieren von Anlageteilen zu verhindern (Abbildung IX-10). Die Brennstoffzelle ersetzt somit den Gasbrenner, der die Vorwärmung des Hochdruckgases sicherstellt. Die Kosten für die Demonstrationsanlage sind mit 10 Mio. C$ (~3.500 C$/kW) angegeben. Die Emissionen der Brennstoffzelle entsprechen denen, die FuelCell Energy für die Anlage in Billings angegeben hat, und sind deutlich niedriger als die Emissionen des substituierten Gasbrenners. Nach den Erwartungen von Enbridge sollte das Potenzial des nordamerikanischen Marktes für diese Anlagenart bei etwa MW liegen. Für Deutschland wurde das Potenzial für stromerzeugende Gasentspannungsanlagen vor einigen Jahren auf einige hundert Megawatt geschätzt [Dehli, 2009, Möller et al., 2004]. Abbildung IX-10: FuelCell Energy/Enbridge Hybrid System DFC/ERG Quelle: [FCE, 2008, Pogorski, 2008, Path Webinar, 2008] IEF-STE 2010 Hinweise auf spezifische Anlagekosten der verschiedenen DFC-Hybridvarianten ergeben sich aus Firmenpräsentationen, aber auch aus Anträgen zum Projekt 150 im Clean-Energy-Programm des Department of Public Utility Control (DPUC), Connecticut (Tabelle IX-9). Danach liegen die spezifischen Kosten für Brennstoffzellen- Hybridsysteme im Bereich von US$ und damit innerhalb der Zielkosten für das DFC-System von FuelCell Energy [Heinzmann, 2007].

231 225 Tabelle IX-9: Kostendaten zu Hybridkraftwerken nach Projekt 150 im Clean- Energy-Programm des US-Staates Connecticut Quelle: [Connecticut, 2008] IEF-STE 2010 MCFC/Gasmotor Die Realisierung der im Leuchtturmprojekt NEEDS des Nationalen Innovationsprogramms für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie geförderten MCFC/Gasmotor-Hybridversion von MTU Onsite Energy wird für Herbst 2009 erwartet [Stadtwerke Barth, 2009]. Dieses System wird am Standort der Biogasanlage der Stadt Barth in Mecklenburg-Vorpommern zum Einsatz kommen. In der Biogasanlage werden derzeit pro Jahr rund t Rindergülle und t organische Abfälle verwertet [Dalkia, 2009]. Die Leistung des HotModule beträgt 345 kw el / 205 kw th und die des Gasmotors 192 kw el / 214 kw th. Die Stromerzeugungsleistung des Standortes soll mit Inbetriebnahme des Hybridsystems auf kw el gesteigert werden. Die aus dem Hybridsystem ausgekoppelte Wärme wird in das örtliche Wärmenetz eingespeist [Gutemann, 2007]. Das Flussbild der Anlage in Abbildung IX-11 zeigt, dass das HotModule und der Gasmotor über ein gemeinsames Steuerungssystem geregelt werden, thermisch aber nicht miteinander verknüpft sind. Es ist geplant, mit dem HotModule im Dauerbetrieb unter Volllast Biogas aus der Vergasungsanlage zur Strom- und Wärmeerzeugung und im Gasmotor die Überproduktion der Biogasanlage zu nutzen bzw. im Motorteillastbetrieb den Schwankungen der Biogasproduktion zu folgen. Das Steuerungssystem übernimmt auch die Regelung und Kontrolle der Gaserzeugung bzw. Gasaufbereitung und die Steuerung gemeinsamer Anlagenteile wie Lüftungskomponenten, Verdichter etc.

232 226 Abbildung IX-11: Brennstoffzellenhybrid-Kraftwerk Barth Quelle: [MTU, 2009] IEF-STE 2010 MTU Onsite Energy und der die Anlage betreibende Energiedienstleister Dalkia gehen davon aus, dass sich für diese Anlagenversionen sehr gute Marktperspektiven ergeben, da die Anzahl von Biogaserzeugungsanlagen, die ideale Standorte darstellen, in Deutschland und den angrenzenden Nachbarländern stark zunimmt.

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