SchiedsamtsZeitung 47. Jahrgang 1976, Heft 07 Online-Archiv Seite 106a-110 -Organ des BDS
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- Gudrun Adler
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1 Die Bedeutung der Altersstufen im Leben des Menschen Von Justizoberamtmann a. D. Karl Drischler, Lüneburg Das Lebensalter hat für den Menschen in mancherlei Hinsicht eine nicht unerhebliche Bedeutung. Viele Rechtsfolgen sind an bestimmte Altersstufen geknüpft, die nachstehend, soweit sie direkt oder indirekt auch für den Schm. Bedeutung haben, dargestellt werden sollen. 1. Geburt Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt (51 BGB). Von diesem Augenblick an kann der Mensch Träger von Rechten und Pflichten sein. Er ist damit auch parteifähig und kann z. B. im gerichtlichen Verfahren als Kläger auftreten allerdings muss er dabei vertreten werden durch den (die) gesetzlichen Vertreter. So klagt z. B. das eben geborene nichteheliche Kind und nicht die Mutter gegen den Erzeuger auf Feststellung der Vaterschaft und Zahlung von Unterhalt. Nur der lebend geborene Mensch dagegen nicht eine Totgeburt erlangt Rechtsfähigkeit. Einige, bestimmte Rechtsansprüche stehen auch schon dem noch nicht geborenen, aber bereits erzeugten Menschen, also der Leibesfrucht, zu. So hat z. B. nach der ausdrücklichen Regelung in Abs. 2 letzter Satz BGB im Falle der Tötung des Vaters ein Kind, das z. Z. der Tötung noch nicht geboren, aber bereits gezeugt war, Schadensersatzansprüche gegen den Täter, wenn es demnächst lebend geboren wird. Weiter "gilt" im Falle des Eintritts eines Erbfalls abweichend von dem gesetzlichen Grundsatz, dass Erbe nur werden kann, wer z. Z. des Erbfalls lebt ein zwar noch nicht geborenes, aber bereits erzeugtes Kind nach der ausdrücklichen Regelung in Abs. 2 BGB' als vor dem Erbfall geboren. Stirbt also z. B. ein Ehemann bei einem Verkehrsunfall unter Hinterlassung einer schwangeren Ehefrau, so beerbt das demnächst lebend geborene Kind den Vater zu 314 (bei bestehender Zugewinngemeinschaft zu '12) neben der Mutter. Zur Geltendmachung dieser durch das Gesetz ausdrücklich geschützten Rechte ist der Leibesfrucht, soweit nötig, ein Pfleger zu bestellen. Sein Wirkungskreis ist allerdings auf die zur Sicherung der Ansprüche notwendigen Maßnahmen beschränkt. Für die Frage, ob das Kind zur Zeit des Eintritts des Ereignisses bereits erzeugt war, gilt grundsätzlich die in BGB geregelte Vermutung der Empfängniszeit, d. i. der 181. bis 302. Tag vor der Geburt des Kindes (bei der Fristberechnung zählen beide Tage mit). Nachdruck und Vervielfältigung Seite 1/6
2 Bei nichtehelichen Kindern kann schon vor der Geburt durch einstweilige Verfügung angeordnet werden, dass der Unterhalt des Kindes für die ersten drei Monate bereits vor der Geburt vom Erzeuger zu hinterlegen ist (g 1615 o BGB). 2. Die Vollendung des 7. Lebensjahres Geschäftsunfähig ist, wer nicht das 7. Lebensjahr vollendet hat (g 104 Nr. 1 BGB). Es muss unterschieden werden zwischen Rechtsfähigkeit im materiellrechtlichem Sinne (die im prozessualem Sinne der Parteifähigkeit entspricht) und der Geschäftsfähigkeit im prozessualem Sinne (Prozessfähigkeit). Wer rechtsfähig ist, ist auch parteifähig, er kann also im gerichtlichen Verfahren, aber auch im Sühneverfahren, Partei sein. Das besagt aber noch nicht, dass er seine Rechte selbständig geltend machen kann. Der Minder-jährige' muss vielmehr durch seinen gesetzlichen Vertreter handeln. Die volle Geschäftsfähigkeit, also die Fähigkeit Rechtsgeschäfte selbständig und im eigenen Namen zu schließen, erlangt der Mensch ohne Rücksicht auf das Geschlecht erst mit der Volljährigkeit.2 Aber das vollendete 7. Lebensjahr ist dennoch ein wichtiger Zeitpunkt im Leben des Menschen, weil er dann beschränkt geschäftsfähig wird. Während Willenserklärungen eines Geschäftsunfähigen (= unter 7 Jahre alt) unheilbar nichtig sind (5 105 Abs. 1 BGB), sind sie bei Minderjährigen, die das 7. Lebensjahr vollendet haben, unter bestimmten Umständen verbindlich. Minderjährige dieser Altersgruppe sind hinsichtlich ihrer Willenserklärungen nämlich nur nach Maßgabe der bis 113 BGB beschränkt (g 106 Abs. 1 BGB). Auf Einzelheiten kann im Rahmen dieser Abhandlung leider nicht eingegangen werden. Bedeutungsvoll für das Alter ab 7 Jahre ist aber die Regelung aus dem Recht der unerlaubten Handlungen, wo 828 Abs. 2 BGB bestimmt: Wer das siebente, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, dem er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Nach Abs. 1 aao ist jemand, der das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet hat, für einen Schaden, den er einem Dritten zufügt, überhaupt nicht verantwortlich. C 828 BGB stellt also eine alters-bedingte Ausnahmeregelung zu dem Grundsatz dar, dass unerlaubte Handlungen Voll-jähriger zum Schadensersatz verpflichten. Es handelt sich bei dieser Regelung nicht etwa um die Strafbarkeit und strafrechtliche Verfolgung3 einer Handlung, sondern um zivil Die Bedeutung der Altersstufen im Leben des Menschen rechtliche Ansprüche aus der sog. Deliktshaftung.4 Bei 7- bis 18-jährigen ist selbstverständlich nach bei Bejahung der Einsicht des Minderjährigen diesem auch ein Verschulden nachzuweisen (wobei die Frage des mitwirkenden Verschuldens des Geschädigten Nachdruck und Vervielfältigung Seite 2/6
3 5 254 BGB eine Rolle spielen kann). 3. Die Vollendung des 10. Lebensjahres Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern über Fragen, die das Vermögen oder die Person des minderjährigen Kindes betreffen, hat das Vormundschaftsgericht zu entscheiden ( BGB). Zu Fragen der Personensorge gehört u. a. die religiöse Erziehung des Kindes. Besteht insoweit Einigkeit, ist für ein Einschreiten des Vormundschaftsgerichts kein Raum, anders bei unterschiedlichen Auffassungen. Die religiöse Erziehung der Kinder ist im Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 RGBI I 939 geregelt. Soweit das Vormundschaftsgericht zur Entscheidung berufen ist, muss es einen Minderjährigen, der das 10. Lebensjahr vollendet hat, hören. 4. Die Vollendung des 12. Lebensjahres Nach 5 des vorgenannten Ges. dürfen Kinder, die das 12. Lebensjahr vollendet haben, nicht gegen ihren Willen in einem anderen religiösen Bekenntnis erzogen werden. 5. Die Vollendung des 14. Lebensjahres Dieses Lebensalter stellt einen besonders bedeutsamen Lebensabschnitt dar. a) Der Minderjährige wird strafmündig und unterliegt als Jugendlicher den Strafbestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes (JGG). Eine Privatklage gegen Jugendliche und damit auch ein vorgeschaltetes Sühneverfahren vor dem Schm. ist unzulässig (5 80 JGG). Als Jugendlicher gilt, wer das 14., aber noch nicht das 18. Lebensjahr im Zeitpunkt der Tat vollendet hat. b) Ein nichteheliches Kind führt den Familiennamen der Mutter z. Z. der Geburt des Kindes ( 1617 Abs. 1 BGB5). Der Ehemann der Mutter oder der Vater des Kindes kann einem Kinde, das nach 1617 BGB den Namen der Mutter führt, durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten mit Einwilligung des Kindes und der Mutter seinen Namen erteilen (g 1618 Abs. 1 BGB). Ein minderjähriges Kind, welches das 14. Lebensjahr vollendet hat, kann seine Einwilligung nur selbst erteilen, allerdings bedarf es hierzu der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (Abs. 2 aao). c) Von der unter b) genannten Namenserteilung, die auf den Status des Kindes als eines nichtehelichen Kindes ohne Einfluss ist, ist zu unterscheiden die diesen Status verändernde Ehelicherklärung des Kindes. 1. Ein nichteheliches Kind ist auf Antrag seines Vaters vom Vormundschaftsgericht für ehelich zu erklären, wenn die Ehelicherklärung dem Wohle des Kindes entspricht und ihr keine schwerwiegenden Gründe entgegenstehen (g 1723 BGB). Dazu bedarf es außerdem der Einwilligung des Kindes, der Mutter und auch der etwaigen Ehefrau Nachdruck und Vervielfältigung Seite 3/6
4 des Vaters (g 1726 BGB). Werden die Einwilligungen der Mutter oder der Frau verweigert, so können sie auf Antrag des Kindes gem BGB vom Gericht ersetzt werden. Wesentlich ist im Rahmen dieser Abhandlung BGB, wonach ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, die Einwilligung nur selbst erteilen kann. Es bedarf aber, weil es noch minderjährig ist, der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. 2. Ein nichteheliches Kind ist auf seinen Antrag hin vom Vormundschaftsgericht für ehelich zu erklären, wenn die Eltern des Kindes verlobt waren und das Verlöbnis durch Tod eines Elternteils aufgelöst worden ist (g 1740 a Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch in diesen Fällen gilt u. a BGB (vgl. unter 1), deshalb ist auch in diesem Falle die Vollendung des 14. Lebensjahres von Bedeutung. d) Schließlich besteht noch die Möglichkeit, ein Kind zu adoptieren, also an Kindes Statt anzunehmen ( ff BGB), eine Möglichkeit, die nicht auf nicht ehelich geborene Kinder beschränkt ist. Dabei erlangt der Angenommene, je nachdem, ob er von einer Person oder von Eheleuten gemeinsam adoptiert wird, die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des (der) Annehmenden. Er erhält auch den Familiennamen des (der) Annehmenden (g 1758 Abs. 1 BGB). Hat eine Ehefrau ein Kind adoptiert und erhält sie nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe aufgrund der eherechtlichen Vorschriften6 ihren Mädchennamen wieder, so erstreckt sich die Namenänderung auf das Kind, das den Ehenamen der Frau erhalten hatte, wenn es das 5. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Hat das Kind das 5., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet, so kann es durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten den Mädchennamen der Frau annehmen. Im Rahmen dieses Aufsatzes ist von Interesse, dass ein minderjähriges Kind, welches das 14. Lebensjahr vollendet hat, diese Erklärung nur selbst abgeben kann, dazu allerdings der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedarf (g 1758 a Abs. 5 vorletzter Satz BGB). e) Ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, kann selbständig sein religiöses Bekenntnis bestimmen (g 5 des Ges. über die religiöse Kindererziehung, vgl. unter 3). f) Wichtig ist eine Regelung im Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit"', dessen 5 59 lautet: Ein unter elterlicher Gewalt stehendes Kind oder ein unter Vormundschaft stehendes Mündel kann in allen seine Person betreffenden Angelegenheiten ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters das Beschwerderecht ausüben. Das gleiche gilt in Angelegenheiten, in denen der Mündel vor einer Entscheidung des Vormundschaftsgerichts gehört werden soll. Diese Vorschriften finden auf Personen, die geschäftsunfähig sind oder nicht das vier-zehnte Lebensjahr vollendet haben, keine Anwendung. Auch hier spielt also das 14. Lebensjahr eine wesentliche Rolle. Das Recht des Vierzehnjährigen geht soweit, Nachdruck und Vervielfältigung Seite 4/6
5 dass er für eine Beschwerde nicht die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters benötigt. g) Hinzuweisen ist noch auf das Wahlrecht des Minderjährigen zur betrieblichen Jugendvertretung, das ebenfalls mit Vollendung des 14. Lebensjahres beginnt (55 90, 61 BetrVerfGes; 5 2 JugArbSchutzGes). 6. Die Vollendung des 15. Lebensjahres Wer das fünfzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist berechtigt zum Führen erlaubnisfreier Kraftfahrzeuge (z. B. Moped): 7 der StrVerkZulOrdg. 7. Die Vollendung des 16. Lebensjahres Die Vollendung des 16. Lebensjahres ist mit einigen wichtigen Rechten des Minderjährigen verbunden. a) Ein Minderjähriger kann ein Testament erst errichten, wenn er das 16. Lebensjahr vollendet hat, und zwar ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, aber nur in öffentlicher Form vor einem Notar entweder zu dessen Protokoll oder durch Übergabe einer offenen Schrift ( 2229 Abs. 1 u. 2 und 2223 (BGB). b) Eine Ehe soll nicht vor Eintritt der Volljährigkeit8 eingegangen werden. Das Vormundschaftsgericht kann auf Antrag von dieser Vorschrift Befreiung erteilen, wenn der Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und sein künftiger Ehegatte volljährig ist ( 1 des Eheges. i. d. F. des Ges. vom 31. Juli 1974, BGBl I 1713). Diese Regelung gilt ohne Unterschied des Geschlechts. Damit ist auch das Recht des verheirateten Minder-jährigen verbunden, einen eigenen Wohnsitz zu begründen ( 8 Abs. 2 BGB). c) Eine Beschäftigung über mehr als 40 Stunden in der Woche ist nicht zulässig (5 8 Abs. 1 JugArbSchutzGes). d) Wer das 16. Lebensjahr vollendet hat, kann die Führerscheine der Klassen IV und V erwerben (5 7 StrVerkZulOrdg). 1 und ihm gleichstehende Personen, z. B. Entmündigte ( 6, 114 BGB) 2 Ab = 18 Jahre, sgl. Drischler in SchsZtg S. 185 ff. 3 Die Strafmündigkeit beginnt erst mit dem 14. Lebensjahr, vgl. unten. 4 Dazu eingehend Serwe in SchsZtg. 1973, S. 118, 135 und Diese und die folgenden Bestimmungen i. d. F. des Ges. vom , vgl. Drischler in SchsZtg. 1970, S Vgl. 54 ff des Ehegesetzes. Danach behält die geschiedene Ehefrau grundsätzlich den Familiennamen des Mannes. Sie kann aber auch durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten ihren Mädchennamen oder den einer früheren Ehe annehmen. Ist die Frau allein oder überwiegend für schuldig an der Scheidung erklärt worden, kann ihr der geschiedene Ehemann durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten die Weiterführung seines Namens untersagen. Macht sich die Frau nach der Scheidung einer schweren Verfehlung gegen den Mann schuldig oder führt Nachdruck und Vervielfältigung Seite 5/6
6 sie gegen seinen Willen einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel, kann auf Antrag des Mannes das Vormundschaftsgericht der Frau die Weiterführung des Namens des Mannes untersagen. 7 Gegensatz zur streitigen Gerichtsbarkeit. Hierher gehören z. B. Grundbuch-, Handelsregister-, Vormundschafts- und Nachlaßsachen. 8 Vgl. Fußnote 2 9 vom 12. April 1976 (BGBl 1 S. 965) Nachdruck und Vervielfältigung Seite 6/6
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