Gesetzliche Erbfolge. A. Erbrecht der Abkömmlinge
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- Jörg Keller
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1 Gesetzliche Erbfolge A. 1 3 A. Erbrecht der Abkömmlinge Eine gewillkürte Erbfolge, die der Erblasser in formgültiger Weise selbst angeordnet hat, geht der gesetzlichen Erbfolge vor. Daher greift die gesetzliche Erbfolge nach den 194 ff. BGB nur ein, wenn der Erblasser keine abweichenden Anordnungen getroffen hat. Dies ist der Fall, wenn er entweder keine letztwillige Verfügung getroffen hat, eine formell oder materiell unwirksame Verfügung getroffen hat, in einer letztwilligen Verfügung ausdrücklich die gesetzliche Erbfolge angeordnet hat, oder wenn er eine letztwillige Verfügung ohne Erbfolgeregelung getroffen hat, indem er z. B. lediglich Teilungsanordnungen oder Vermächtnisse testamentarisch angeordnet hat. Gesetzlicher Erbe wird nach dem Prinzip des Blutsverwandtenerbrechts nur, wer mit dem Erblasser i. S. d BGB verwandt ist, sei es in gerader Linie ( 1589 S. 1 BGB), sei es in der Seitenlinie ( 1589 S. BGB). Der Verwandtschaftsgrad, der sich gem S. 3 BGB nach der Anzahl der sie vermittelnden Geburten richtet, wirkt sich im Recht der gesetzlichen Erbfolge nicht unmittelbar aus. Entscheidend ist für das gesetzliche Erbrecht nicht der Grad der Verwandtschaft, sondern die Ordnung in welcher sich der Verwandte im Verhältnis zu dem Erblasser befindet. Die Ordnung wiederum richtet sich nach den verschiedenen Generationen, die dem Erblasser folgen oder ihm vorangehen: Gesetzliche Erben der Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers Gesetzliche Erben der I Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge Gesetzliche Erben der II Ordnung sind die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge usw. Die Zahl der Erbordnungen ist gem. 199 BGB unbegrenzt. Erben einer früheren Ordnung schließen Erben einer späteren Ordnung generell von der Erbfolge aus ( 1930 BGB). Innerhalb einer Ordnung gelten das Prinzip der Erbfolge nach Stämmen sowie das Repräsentationsprinzip. Nach diesen Prinzipien geht einerseits ein für einen Familienstamm einmal entstandenes Erbrecht auf die Abkömmlinge dieses Stammes über ( 194 Abs. 3 BGB) und schließen andererseits Eltern jeweils ihre Kinder von der Erbfolge aus (vgl. 194 Abs., 195 Abs., 196 Abs. BGB). Verstirbt der kinderlose, unverheiratete Einzelhändler E und hinterlässt er neben seiner Mutter noch drei Brüder mit jeweils zwei Kindern, so erben die Mutter zu 1/ und die drei Brüder zu je 1/6. Die drei Brüder werden nach dem Repräsentationsprinzip hinsichtlich einer Hälfte des Erbrechts von ihrer noch lebenden Mutter vom Erbe ausgeschlossen, hinsichtlich der anderen Hälfte erben sie selbst, denn der Vater, der sie vom Erbe ausschlösse, lebt nicht mehr. Die drei Brüder wiederum schließen ebenfalls nach dem Repräsentationsprinzip ihre eigenen Kinder vom Erbrecht aus. 8
2 B. Erbrecht von nichtehelichen Kindern 1.Ordnung.Ordnung 3.Ordnung Ehepartner 3. Großeltern und deren. Eltern und deren Tanten/Onkel Erblasser 1. Geschwister Cousinen/ Vettern Kinder und deren Nichten/Neffen Großcousinen/ -vetter Enkel Großnichten/ -neffen Urenkel Schaubild: Erbordnungen und Repräsentationsprinzip B. Erbrecht von nichtehelichen Kindern Durch das Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder ErbGleichG vom , BGBl. I, S. 968, wurde die bis dahin bestehende erbrechtliche Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern aufgehoben. Bisheriges Recht (Rechtslage bis ) Nichtehelichengesetz von 1969 Nach dem bis zum geltenden Recht gab es in den alten und neuen Bundesländern unterschiedliche Rechtslagen. 1. Alte Bundesländer Unter Geltung des Nichtehelichengesetzes von 1969 war das nichteheliche Kind nach der Mutter voll erbberechtigt, hatte aber nach dem Vater nur einen sog. Erbersatzanspruch. Dieser Erbersatzanspruch entsprach zwar der Höhe nach dem Wert des gesetzlichen Erbrechts, das nichteheliche Kind war aber nicht Mitglied der Erbengemeinschaft, also auch nicht Mitberechtigter an B
3 Gesetzliche Erbfolge dem Nachlassvermögen. Es hatte lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben auf Auszahlung des Wertausgleichs. Zwischen dem 1. und 7. Lebensjahr bestand für das Kind die Möglichkeit, einen vorzeitigen Erbausgleich zu verlangen. Vor dem nichtehelich geborene Kinder hatten gegenüber ihren väterlichen Verwandten überhaupt keine erbrechtlichen Ansprüche. Für sie galt das Recht vor Einführung des Nichtehelichengesetzes und danach galten nichteheliche Kinder mit ihrem Vater gemäß 1589 Abs. BGB a.f. als nicht verwandt, sie hatten also kein Erbrecht.. Neue Bundesländer 7 Nach dem ehemaligen Recht der DDR waren nichteheliche Kinder den ehelichen gleichgestellt, auch sie hatten daher volles Erbrecht. Nach dem Beitritt der neuen Bundesländer am blieb diese Rechtslage bestehen, wenn der Erbfall vor dem Beitritt, d. h. vor dem , eingetreten war (Art Abs. 1 EGBGB). Für Erbfälle nach diesem Zeitpunkt wurde differenziert: War das nichteheliche Kind vor dem Beitritt geboren, galt es als ehelich und die Regelungen des ehemaligen Rechts der DDR galten faktisch fort. War das Kind nach dem Beitritt geboren, galt das Recht der neuen Bundesländer, die nichtehelichen Kinder hatten also nach ihrem Vater lediglich den Erbersatzanspruch (Art Abs. EGBGB). I Neue Rechtslage 8 C. Durch das Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder ErbGleichG vom , BGBl. I, S. 968, wurde die erbrechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder mit Wirkung ab dem der der ehelichen Kinder angeglichen. Nichteheliche Kinder sind ab diesem Zeitpunkt den ehelichen gleichgestellt, haben also ein gleiches Erbrecht und zwar sowohl nach dem Tod der Mutter als auch nach dem Tod des Vaters. Nach der Übergangsvorschrift in Art. 7 EGBGB gilt das alte Recht indes fort, wenn der Erbfall vor dem eingetreten ist oder über den Erbausgleich eine wirksame Vereinbarung getroffen oder der Erbausgleich durch rechtskräftiges Urteil zugesprochen worden ist. C. Erbrecht von angenommenen Kindern Erbrecht nach den Adoptiveltern und deren Verwandten 9 Angenommene Kinder haben gegenüber dem annehmenden Ehepaar oder anderen Annehmenden die rechtliche Stellung eines Kindes (vgl BGB). Sie sind damit voll erbberechtigt und zwar sowohl unmittelbar nach dem Tod der sie Annehmenden als auch nach anderen, ihnen durch die Annehmenden vermittelten, Verwandten. Verstirbt nach dem Tod des Adoptivvaters auch dessen Vater, so erbt das Adoptivkind nach seinem Großvater in gleicher Weise, als sei es sein leiblicher Großvater gewesen. 30
4 D. Ehegattenerbrecht I Erbrecht nach den bisherigen Verwandten Mit der Annahme eines Kindes erlischt regelmäßig das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Verwandten (vgl BGB); damit erlöschen auch die Erbrechte. Das gilt dann nicht, wenn der oder die Annehmende(n) bereits mit dem Kind im zweiten oder dritten Grad verwandt oder verschwägert waren oder wenn ein leibliches Elternteil, das die Personensorge innehatte, verstorben ist und der neue Ehegatte des überlebenden Elternteils das Kind adoptiert ( 1756 BGB). Stirbt der mit F verheiratete Ehemann E, und adoptiert der neue Ehemann N die drei Kinder des E aus seiner Ehe mit F, so bleiben die Kinder zu den Verwandten des E in einem Verwandtschaftsverhältnis. Sie verlieren daher nicht ihre Erbrechte. 10 D. Ehegattenerbrecht Im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge nimmt der Ehegatte eine Sonderstellung ein, da es sich nicht um einen Verwandten im Sinne des Gesetzes handelt. Das Ehegattenerbrecht ist in 1931 BGB gesondert normiert. Folgende Merkmale sind zu beachten: Rechtskräftige Ehe Der überlebende Ehegatte muss mit dem Erblasser im Zeitpunkt des Todes rechtskräftig verheiratet gewesen sein, 1310 ff. BGB. Bis zum galten insoweit noch die besonderen Regeln des Ehegesetzes. Das Eherecht wurde durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom unter Aufhebung des EheG reformiert. Ausgeschlossen ist das Erbrecht des Ehegatten daher, wenn im Zeitpunkt des Erbfalls die Ehe nicht wirksam geschlossen war, 1. die Ehe wegen Nichtigkeit oder aus anderen Gründen rechtskräftig aufgehoben wurde, 1313, 1314 BGB, die Ehe durch Urteil rechtskräftig geschieden wurde, 1564 BGB. Scheidung Wie vorerwähnt, lässt ein rechtskräftiges Ehescheidungsurteil das Erbrecht des Ehegatten entfallen. Daneben regelt 1933 BGB, dass der Ehegatte ebenfalls kein Erbe wird, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers alle Voraussetzungen für eine Scheidung vorlagen und der Erblasser bereits die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. In diesem Fall muss der Antragsschriftsatz dem anderen Ehegatten bereits zugestellt worden sein. D
5 Gesetzliche Erbfolge Durch Rücknahme des Scheidungsantrags oder Widerruf der Zustimmung zur Scheidung lebt das Ehegattenerbrecht wieder auf. Der Widerruf ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich ( 630 Abs. S.1 BGB). Die gleiche Folge tritt ein, wenn der Erblasser im Zeitpunkt des Todes berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen und den entsprechenden Antrag gestellt hatte.. Der irrtümlich für tot erklärte Ehegatte 14 Eine besondere Konstellation stellt die irrtümliche Todeserklärung eines Ehegatten dar. Eine Auflösung der Ehe wird hierdurch jedoch nicht herbeigeführt, so dass es zum Erbrecht des für tot Erklärten kommt. Bei Wiederheirat des für tot Erklärten findet jedoch eine Auflösung der bisherigen Ehe statt, wenn nicht die Heirat in beiderseitiger Kenntnis des Irrtums über den Tod des alten Ehegatten erfolgt. 3. Doppelehe War der Erblasser mit mehr als einer Person rechtskräftig verheiratet, tritt für alle Ehegatten außer in den Fällen des 1318 Abs. 5 BGB das gesetzliche Erbrecht ein. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der gesetzliche Erbteil mehrfach entsteht. I Der Umfang des Ehegattenerbrechts 15 Die Bemessung der Erbquote des überlebenden Ehegatten richtet sich zunächst ohne Berücksichtigung des Güterstandes danach, welche Verwandten des Erblassers daneben als Erben berufen sind. Sind dies Erben der ersten Ordnung, also Abkömmlinge, beträgt der Ehegattenerbteil 1/4. Neben Erben der zweiten und dritten Ordnung, Eltern und deren Abkömmlinge sowie Großeltern, beträgt der Erbteil 1/. Sind nur noch Erben der vierten Ordnung vorhanden, wird der Ehegatte Alleinerbe, 1931 Abs. BGB. Ehegatten haben drei Kinder. Verstirbt der Ehemann, ist die Ehefrau neben den Kindern zu ¼ am Nachlass beteiligt. Treffen als Erben Abkömmlinge vorverstorbener Großeltern mit Großeltern zusammen, gilt gemäß 1931 Abs. 1 S. BGB, dass der Ehegatte auch den Anteil der Abkömmlinge erhält. Ist der überlebende Ehegatte gleichzeitig ein erbberechtigter Verwandter des Erblassers, tritt neben den Ehegattenerbteil auch der gesetzliche Erbteil als Verwandter, 1934 S. 1 BGB. Der Ehegattenerbteil steht rechtlich selbständig neben dem Verwandtenerbteil. Dies hat zur Folge, dass eine Ausschlagung des einen Teils den Bestand des anderen nicht berührt, 1934 S. BGB. 3
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