In den eigenen vier Wänden. Papiertheater - eine bürgerliche Liebhaberei. Zur Ausstellung

Transkript

1 Zur Ausstellung Das Theatermuseum widmet dem Papiertheater, einem fast schon in Vergessenheit geratenen Kapitel privater Theaterbegeisterung, ein reizvolles Ausstellungsprojekt. Zum einen handelt es sich um ein originelles Phänomen, das charakteristisch für den Kulturenthusiasmus der sich nach den verheerenden napoleonischen Kriegen neu formierenden Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ist. Zum anderen haben die Exponate einen ganz besonderen Charme, der Jung und Alt anzustecken vermag. In der Konsequenz des Wiener Kongresses von 1815 etablierte Fürst Metternich strenge Zensur und Einschränkungen jeder politischen Betätigung. Das Biedermeier steht prototypisch für den so initiierten Rückzug in die buchstäblich eigenen vier Wände. Dieser und nahezu gleichzeitige gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen, die ein auch quantitatives Erstarken des Bürgertums bewirken, führen zu neuen Formen der Freizeitgestaltung im Wechselspiel von Bildungsehrgeiz und Genusskultur. ich kann mich noch sehr gut meines ersten Besuches in jenem Papiergeschäft in der Domgasse erinnern... Ich kam mir vor wie im Märchen! die vielen, vielen verschiedenen Mandlbögen! Einer immer schöner als der andere. (Dr. v. Grünebaum, ein Wiener Papiertheater-Sammler) Dazu gehörte die Beschäftigung mit den sogenannten Mandlbögen also Ausschneidebögen mit Manderln -, deren Vorläufer, einfachste Flugblätter, bereits seit dem 15. Jahrhundert zu volkstümlichen und religiösen Themen verbreitet waren. Diese wurden in Papiergeschäften erworben, zuhause ausgeschnitten und dann in Szenen zusammengestellt. Die Weiterentwicklung drucktechnischer Verfahren machte die Mandlbögen einer immer größer werdenden Anhängerschaft zugänglich. Je nach Ausführung, ob koloriert oder nicht oder gar schon in Kästchen vorgefertigt, waren die Bögen schließlich für fast jedes Geldbörsel erschwinglich. Verlage, wie der in Österreich bis in die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts erfolgreiche Wiener Verlag Trentsensky, griffen den ursprünglich von England ausgehenden Papiertheater-Trend auf und verstanden es, das große Interesse noch zu steigern: sie nahmen die enorme Theaterbegeisterung zum Anlass, Ausschneidebögen passend zu den aktuellen Premieren der Wiener Theater zu produzieren. Die Bretter, die die Welt bedeuten zogen so im Kleinformat in die bürgerlichen Wohnzimmer ein und das soeben im Theater Erlebte konnte im Familienkreis nachgespielt werden. Zu den von talentierten jungen Malern entworfenen Figuren gesellten sich technisch effektvolle Dekorationselemente und Bühnenbauten. Das sogenannte Große Theater und die Mignon-Bühne - sie unterschieden sich vorrangig in den Abmessungen und in der Detail-Ausführung - gaben die Illusion von Tiefe und Raum einer großen Bühne perfekt wieder. Nicht nur die Bühnenbilder, auch die Figuren und ihre Kostüme waren, wie Vergleiche mit Fotografien und Handzeichnungen aus der Sammlung des Theatermuseums zeigen, den Stars der Wiener Szene nachempfunden.

2 Zur Ausstellung - Fortsetzung Papiertheaterbühnen wurden aber auch mit ganz frei erfundenen Stücken bespielt oder für diese selbst geschaffen. ich fing an, mich in eigenen Ideen zu ergehen, und nun erst gewann die Sache rechten Reiz für mich. Ich wurde ein berühmter Puppenspieler unter meinesgleichen, und da ich alles selbst machen mußte, Text, Malereien und Aufführung. Diese Erinnerungen des Porträt- und Historienmalers Wilhelm von Kügelgen ( ) lassen die hohen Anforderungen an handwerkliche Geschicklichkeit und künstlerische Kreativität der Spieler erkennen. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts schwand das Interesse am Papiertheater in Österreich die Tendenz zu spektakuläreren Unterhaltungsformen war nicht mehr aufzuhalten. Aufgrund des intensiven Gebrauchs im privaten Bereich fanden nur wenige Papiertheater unbeschadet Eingang in öffentliche Sammlungen. In der von Elisabeth Truxa gestalteten Schau zeigt Kuratorin Karin Neuwirth einen Querschnitt der Papiertheater-Bestände des Theatermuseums sowie eine Reihe hochkarätiger Leihgaben. Exemplarisch werden die Bühnenbauten und Ausschneidebögen zum romantisch-komischen Zauberspiel Der Zauberschleier, Meyerbeers Oper Der Prophet und Carlo Gozzis Turandot, Prinzessin von China präsentiert. Darüber hinaus demonstriert ein Exkurs die Besonderheiten des mechanischen Theaters oder Theatrum mundi, das Bewegung ins Spiel brachte. Die Figuren aus Holz, Karton oder Metall wurden über Kurbeln und Zahnräder auf Laufbändern in Bewegung gesetzt. Mithilfe dieser kleinen Theatermaschinerien führten Schausteller besonders spektakuläre historische oder gesellschaftliche Ereignisse vor ein Vorläufer der Kino-Wochenschau. Leider ist die Funktionalität der originalen Objekte meist nicht mehr gegeben. Aufgrund des zusätzlichen Einsatzes nicht ungefährlicher Licht- und Geräuscheffekte wurden sie häufig beschädigt oder gingen sogar in Flammen auf. Um die ursprüngliche Faszination besser vermitteln zu können, wurden kleine Szenen speziell für die Ausstellung nachgebaut. Der zweite Raum der Ausstellung ist dem Märchenspiel Prinzessin Wunderhold gewidmet. In 17 Bildern entfaltet sich eine Geschichte um ein immer wieder in missliche Lagen geratendes Adelsfräulein. Dieser einmalige Papiertheater-Schatz, vermutlich aus den 1930er Jahren, ging vor mehr als 20 Jahren in den Besitz des Theatermuseums ein. Als Vorlage dienten Motive eines alten Biedermeier-Kinderspiels, die von S. Brauchinger bearbeitet, gezeichnet und gemalt wurden. Für die aktuelle Ausstellung wurde das Märchen, das aus 356 Einzelteilen besteht, Szene für Szene animiert und kann nun in einem knapp 30 Minuten dauernden Film bestaunt werden. Zum ersten Mal in unserer Ausstellungsgeschichte wird es ein Digitorial auf der Webseite des Theatermuseums geben: eine attraktive, informative und für uns ganz neue Möglichkeit der Publikation.

3 Begleitprogramm EINE KLEINE GROSSE WELT - Kultur-Café Eine Führung durch die Ausstellung gibt Ihnen Einblick in ein fast vergessenes Kapitel privater Theaterbegeisterung. Nach einer kleinen Stärkung bei Kaffee und Gugelhupf zeigen versierte Papiertheater-Spieler Kostproben ihrer Kunst. Jeweils Uhr Eintritt 12; Studierende/Jahreskartenbesitzer 10 Mo, : Die Weihnachtskrippe Franz Vostalik, Krippenverein Vösendorf Mi, : Peter und der Wolf Kamilla und Gert Strauss, WIENERpapierTHEATER Mo, : Ulrich Chmel präsentiert seine Bauchladenbühne. Mo, : Haases Papiertheater Sieglinde und Martin Haase aus Remscheid, Deutschland, zeigen ihr Papiertheater. Anmeldung: T oder kulturvermittlung@theatermuseum.at PAPIERTHEATERVORSTELLUNGEN Reservierungen unter T Eintritt 12; Kinder/Schüler/Studierende 6 Do, , 18 Uhr: Peter und der Wolf WIENERpapierTHEATER, Kamilla und Gert Strauss Mi, , 18 Uhr: Die schaurig schöne Geschichte vom Gevatter Tod nach einem Märchen der Gebrüder Grimm und dem Berner Totentanz Ulrich Chmel s Papiertheater Do, , 18 Uhr: Imagination Schwarzes Theater mit Bildern von Spoerri, Magritte, Mondrian u.a. Ulrich Chmel s Papiertheater Sa, 11. und So, , 18 Uhr: Eine Stunde mehr Haases Papiertheater, Martin und Sieglinde Haase

4 Begleitprogramm - Fortsetzung KURATORIN KARIN NEUWIRTH FÜHRT DURCH DIE AUSSTELLUNG , 25.1., 22.2., , jeweils mittwochs, 16 Uhr Führung 3, Anmeldung empfehlenswert! T FÜHRUNGEN NACH VEREINBARUNG T oder kulturvermittlung@theatermuseum.at. Unser Programm für Schulen finden Sie unter PAPIERTHEATER-KIDS KLEINES THEATER GANZ GROSS! Die liebevoll gestalteten Bühnen und Figuren werden dich begeistern und zur Gestaltung eigener Figuren inspirieren! Als Höhepunkt kannst du eine Aufführung von Peter und der Wolf erleben. Mo, und Sa, , Uhr Eintritt 4, Anmeldung: T oder kulturvermittlung@theatermuseum.at Digitorial zur Ausstellung In den eigenen vier Wänden. Die Ausstellung wird von einem Digitorial begleitet, das die Höhepunkte der Ausstellung in attraktiver, informativer wie auch spielerischer Form aufgreift.

5 In den eigenen vier Wänden. Pressefotos Die Bilder sind für die Berichterstattung über die Ausstellung frei. Sie stehen zum Download bereit unter 1_Plakatsujet Grafik nach einer kolorierten Lithographie. Druck: Winkelmann & Söhne Berlin um 1860 Historisches Museum Frankfurt, Foto Horst Ziegenfusz 2_Papiertheatervorführung für Kinder 3. Bild auf Bilderbogen 4 Genrebilder Druck: Winkelmann & Söhne Berlin um 1860 Historisches Museum Frankfurt, Foto Horst Ziegenfusz 3_Ausgeschnittene Figuren für das Papiertheater aus verschiedenen Theaterstücken Verlag Trentsensky nach _Szene aus Der Zauberschleier von F.X. Told Mignon-Bühne im Rococo Stil Dekoration und Figuren Verlag Trentsensky nach 1830 Kamilla und Gert Strauss, Wien 5_Frau mit betrunkenem Mann Figur des mechanischen Theaters, nach _Prinzessin Wunderhold Figurengruppe aus dem 1. Bild Nach einem Biedermeiermärchen Gezeichnet, gestaltet und geschrieben für den privaten Gebrauch, um 1930 Kontakt Andreas Kugler Direktorstellvertreter, Marketing und Presse T