Genauso wie keine Bäume in den Himmel

Transkript

1 PROFI PRAKTISCH- Genauso wie keine Bäume in den Himmel wachsen, wachsen auch nicht alle Bäume kerzengrade. In jedem Bestand und vor allem in den Randzonen trifft man die ungeliebten Hänger an, also Bäume, die in irgendeiner Richtung vom lotrechten Wuchs abweichen. Die Waldarbeiter unterscheiden hier genau zwischen Rechts-, Links-, Vorund Rückhänger immer bezogen auf die gewünschte. Jeder Hängertyp erfordert nämlich seine eigene Säge- und vor allem Keiltechnik, mit der er ziemlich exakt in die gewünschte geschmissen werden kann. Die Einhaltung der optimalen ist das eine, die Sicherheit für den Sägeführer und auch für den Stamm sind zwei weitere Argumente, die für die Einhaltung der vorgeschriebenen Sägetechniken sprechen. Bei Hängern muss nämlich immer damit gerechnet werden, dass sich die Schwerkraft durchsetzt und sie im falschen Moment zur falschen Seite fallen also Lebensgefahr für den Säger! Bei Wertholz kann es darüber hinaus sehr ärgerlich sein, wenn sich der angesägte Stamm vorzeitig und vor allem zur falschen Seite neigt und dabei im Kern aufreißt. Damit das alles nicht passiert, haben wir wieder einmal mit Gerhard Briechle, dem amtierenden Deutschen Meister im Holzfällen, Kontakt aufgenommen. In den Wäldern der bayrischen Alb hat er uns an zahlreichen Beispielen demonstriert, wie man die verschiedenen Hänger zielsicher in die gewünschte legt bei minimalem Risiko für den Säger und das Holz. Dabei gilt immer wieder der Grundsatz: Keinen falschen Ehrgeiz entwickeln! Bäume in extremer Schieflage müssen mit der Winde gesichert werden. Bäume mit Schlagseite fällen: Alles hängt davon ab, wie er hängt... Schätzen Sie die Art und den Grad des Hängers richtig ein. In welche Richtung hängt er, und wie weit hängt er über? Wer beim Bäumefällen weder seine eigene Gesundheit noch den wertvollen Stamm gefährden möchte, der sollte sich an exakte Fällregeln halten. Das gilt insbesondere für Hänger. Wie man solche Bäume mit Überhang in die gewünschte wirft, zeigt Gerhard Briechle, der deutsche Meister der Waldarbeiter. profi 2/

2 Das Ansprechen eines Hängers Die entscheidende Frage lautet im ersten Moment immer: Zu welcher Seite hängt der Baum, und wie stark hängt er? Erst wenn das geklärt ist, kann entschieden werden, wie der Baum zu fällen ist. Um Rechts- oder Linkshänger ausschließlich mit der Motorsäge und einigen Keilen Den Grad des Überhangs gilt es richtig einzuschätzen. Der ungeübte Sägenführer greift hier schnell daneben. Fotos: Tovornik in die gewünschte Richtung zu fällen, dürfen sie, je nach Durchmesser, maximal 3 bis 5 Meter Überhang haben. Ist es mehr, dann müssen Seilwinden, Zugschlepper oder hydraulische Fällhilfen hinzugezogen werden. Bei Vorhängern dürfen es ca. 6 bis 8 Meter sein, und bei Rückhängern liegt das Limit schon bei 3 bis 4 Metern. Hält sich die Hangneigung innerhalb dieser Grenzen, dann benötigen Sie zum Fällen eigentlich nur eine scharfe Motorsäge, einige Kunststoff- oder Alukeile, einen Hammer und die richtige Fälltechnik. Schauen Sie beim Einschätzen des jeweiligen Hängers richtig hin, und schauen Sie vor allem wirklich auf die Baumspitze! Gerade ungeübten Personen passiert es immer wieder, dass die Neigung der zu fällenden Bäume deutlich unterschätzt wird. Noch eins: Viele Bäume hängen nicht nur in eine Richtung, sondern gleich in zwei, z.b. nach vorne rechts. Berücksichtigen Sie auch das bei der Auswahl der Säge- und Keiltechnik. Auch wenn Sie die richtige Säge- und Keiltechnik anwenden, sollten Sie vor Hängern niemals den Respekt verlieren. Die Spannungen im Baum, krankes und faules Holz oder einfach nur kleine Windstöße können immer wieder dazu führen, dass der Baum Um im entscheidenden Moment schnell weg zu kommen, muss der Fluchtweg frei sein. vorzeitig fällt, sich im Fallen dreht oder trotz aller Vorkehrungen die falsche Fallrichtung einnimmt. In Anbetracht dieser Gefahren sollten Sie den Bereich um den Baum grundsätzlich zuvor freischneiden und für eine großzügige Rückweiche ohne böse Stolperfallen sorgen. Jeder Hänger besitzt am Stammfuß eine Druck- und eine Zugseite. Die Druckseite befindet sich immer zur Hangrichtung, die Zugseite liegt genau gegenüber. Außer beim Vorhänger müssen die Hänger immer seitlich zur Zugseite gefällt werden, um die Zugseite nicht zuerst zu schwächen. Der Sägeführer soll grundsätzlich an der Druckseite beginnen, also dort, wo der Baum naturgemäß hinfallen möchte. Einen Rechtshänger fällen Auf der Druckseite (rechts) entfernen Sie zunächst etwaige Wurzelanläufe. Legen Sie dann den Fällkerb in die vorgesehene an. Das heißt, nicht genau in die Richtung, sondern etwas darüber hinaus. Bei einem Baum mit 3 bis 5 Metern Überhang sollen Sie ihn um ca. zwei Meter überrichten. Im Einzelfall müssen Sie dieses Maß Auf der Druckseite können die Wurzelanläufe bedenkenlos entfernt werden. Die Zugseite soll jedoch nicht unnötig geschwächt werden. Keile Wie die Zahlen erkennen lassen, wird von der Druckseite aus gesägt und immer wieder nachgekeilt Hängerichtung jeweils individuell einschätzen. Wenn Sie den Fällkerb zu stark überrichten, verlieren Sie allzu schnell die Kontrolle über den Baum, da die Bruchleiste dieser Belastung nicht standhält. Anschließend bringen Sie den Splintschnitt an nicht zwei auf beiden Seiten der Bruchleiste, sondern nur einen auf der Druckseite. Die Zugseite soll auch dadurch nicht unnötig geschwächt werden. Markieren Sie nun die Stärke der Bruchleiste, die laut Faustformel ca. 1/10 des Stammdurchmessers ausmachen sollte (... und bei starken Hängern gerne etwas dicker!). Achtung! Bei Hängern wird eine im Querschnitt dreieckige, konische Bruchleiste gewünscht. Auf der Druckseite sollte sie ca. 1/10 des Stammdurchmessers entsprechen, auf der Zugseite etwa das Doppelte betragen. Bringen Sie also exakte Markierungen an. profi 2/

3 PROFI PRAKTISCH- Der Ergebnis vorab: Ziel ist es, eine konisch zulaufende Bruchleiste hinzubekommen. Einseitig soll sie ca. die doppelte Stärke besitzen. ca. 1/3 ein. Und stopp bereits jetzt wird der erste Keil gesetzt, den Sie zum Fällkerb richten. Eventuell begeben Sie sich zuvor noch einmal auf die Druckseite und setzen den Schnitt exakt bis an die geplante Bruchleiste fort (mit auslaufender Kette, also mit der Schienenoberseite). Aber denken Sie daran: Die Bruchleiste soll hier nicht parallel zur Fällkerbseele verlaufen, sondern schräg! Beginnen Sie mit dem Fällschnitt auf der Druckseite in Hangrichtung. Ein Stück wird gesägt, dann wird der erste Keil eingeschlagen, dann wird wieder eine kurze Etappe gesägt, und der nächste Keil folgt. Überprüfen Sie sorgfältig die Ausrichtung des in diesem Fall überrichteten Fällkerbs. Erst jetzt begibt man sich hinter den Stamm (gegenüber der ), setzt die Motorsäge auf der Hangrichtung des Baumes an und sägt den Stamm mit einlaufender Kette, also mit der Schienenunterseite, um Wie gewohnt werden nach der Anlage des Fällkerbs die Splintschnitte gesägt. Sägen Sie nun mit einlaufender Kette ein Stück weiter und halten Sie ein, sobald Sie den nächsten Keil setzen können. Setzen Sie diesen so an, dass er in das Stammzentrum zieht und auch wirklich etwas bewirken kann. Anschließend setzen Sie den Schnitt weiter fort bis zur Bruchleistenmarkierung. Schlagen Sie die beiden Keile jetzt nach und setzen Sie noch einen dritten, etwas stärkeren Keil an. Im Wechsel werden alle Keile so lange vorgetrieben, bis der Baum fällt. Eine im Querschnitt konische Bruchleiste ist jetzt der Beweis dafür, dass alles richtig gemacht wurde. Einen Linkshänger fällen Wie sich schon fast jeder denken kann, wird hier nach dem gleichen Prinzip vorgegangen, nur eben in entgegengesetzter Richtung. Der Sägeführer hat hier das Problem, dass er überwiegend mit auslaufender Kette, also mit der Schienenoberseite sägen muss. Lediglich das erste Drittel des Fällschnitts, also bis zum ersten Keil, kann er mit einlaufender Kette schneiden. Das Schneiden mit auslaufender Kette ist nicht nur anstrengender für den Sägeführer, es macht es auch etwas schwieriger, die Parallelität zwischen Fällkerbsohle und Fällschnitt einzuhalten. Und was bei einer parallelen Bruchleiste schon nicht ganz einfach ist, wird bei einer konisch zulaufenden noch viel schwieriger. Kontrollieren Sie lieber doppelt, damit der Baum richtig fällt. Nachteil beim Linkshänger: Es muss viel mit auslaufender Kette (Schienenoberseite) gesägt werden. Hängerichtung Keile Auch beim Linkshänger wird von der Druckseite aus gesägt und gekeilt. Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. profi 2/

4 Einen Vorhänger fällen Ein Vorhänger hängt doch bereits in die gewünschte was kann da noch schief gehen?, könnte manch einer denken. Und gerade da passiert es, wissen die erfahrenen Holzfäller zu berichten. Die Spannung im Holz kann dazu führen, dass der Baum vorzeitig ausbricht und Holzstücke mit enormer Gewalt den Sägeführer treffen. Ärgerlich ist es auch, wenn ein wertvoller Stamm von der Mitte aufreißt und plötzlich Brennholzqualität erhält. Damit das alles nicht passiert, werden starke Vorhänger mit der Halteband-Technik gefällt. Hierfür benötigen Sie lediglich eine Motorsäge. Keile und Hammer sind überflüssig Bei dieser Fälltechnik wird nur gesägt und nicht gekeilt. Das Halteband wird im letzten Moment durchtrennt. Bruchleiste Halteband ein, das mindestens so dick sein soll wie die Bruchleiste. Genau mittig zwischen der Bruchleiste und dem Halteband stechen Sie das Sägeschwert nun durch den Stamm. Sollte es nicht lang genug sein, dann stechen Sie den Stamm auch von der anderen Halteband schräg durchtrennen Mit der Unterseite der Schienenspitze sägen Sie eine kleine Fuge, in die Sie die Säge zum Durchstich ansetzen. Nach dem Durchstich schneiden Sie zunächst bis zur Bruchleiste vor und danach erst bis zum Halteband. Auch diese Reihenfolge birgt eine gewisse Sicherheit. Würde man zuerst bis ans Halteband vorschneiden und würde dieses plötzlich ausreißen, dann müsste man damit rechnen, dass der Stamm bei einer zu dicken Bruchleiste vom Zentrum aufreißen würde. Also: Immer erst die Bruchleiste fertig schneiden! Noch eins: Sie müssen nicht unbedingt zuerst den Durchstich komplett von beiden Seiten fertig schneiden und danach bis zur Bruchleiste bzw. zum Halteband weiter sägen. Um Zeit und Kraft zu sparen, stechen Wenn die Schiene nicht lang genug ist, stechen Sie den Stamm auch von der anderen Seite ein. Zunächst verfahren Sie genauso wie bei einem gerade gewachsenen Baum: Legen Sie den Fällkerb an, sägen Sie dann die beiden Splintschnitte und markieren Sie danach erst die Bruchleistenstärke. Natürlich können Sie auch hier etwaige Wurzelanläufe auf der Druckseite und seitlich davon entfernen. Aber niemals auf der Zugseite hier zählt jede Faser! Planen Sie auf der Zugseite ein Halteband Seite ein. Dabei kommt es nicht darauf an, dass Sie den ersten Durchstich tatsächlich exakt treffen. Ein kleiner Höhenversatz spielt hier keine Rolle. Zum Einstechen: Drücken Sie die Schienenspitze nicht einfach in den Stamm. Die Kick back -Gefahr, also, dass die Säge zurückschlägt, ist dann zu groß. Sägen Sie stattdessen zunächst mit der unteren Schienenspitze eine kleine Fuge in das Holz. Hier können Sie die Säge anschließend gefahrlos für den Durchstich ansetzen. Wichtig ist auch, dass Sie grundsätzlich mittig zwischen dem Halteband und der Bruchleiste einstechen. Es kann Ihnen dann nicht passieren, dass Sie versehentlich in diese Bereiche hineinsägen. Zum Schluss wird das Halteband schräg von oben durchtrennt. Die Säge wird am ausgestreckten Arm geführt. Sie von einer Seite ein und sägen dann sofort bis zur Bruchleiste und zum Halteband vor. Jetzt kommt der spannende Moment: Stellen Sie sich seitlich schräg zur (niemals genau dahinter!), überprüfen Sie noch einmal den Fluchtweg, halten Sie die Säge dann am langen Arm und durchtrennen Sie das Halteband von schräg oben. Nutzen Sie dabei die komplette Schiene. profi 2/

5 PROFI PRAKTISCH- Fällen eines Rückhängers Nach der Einschätzung erfahrener Holzfäller dürfen Rückhänger maximal 3 bis 4 Meter Neigung haben, um sie noch verkeilen zu können. Als Erstes legen Sie auch hier jetzt den Fällkerb an dieses Mal ist es auf der Zugseite. Schneiden Sie ihn aber nicht ganz so tief ein. Die Bruchleiste sollte schließlich möglichst weit zur angeordnet sein. Mit einem nicht zu tiefen Fällkerb erreichen Sie, dass die Bruchleiste weit außen liegt. Nur so kann der Fällschnitt besonders tief erfolgen mit diesem Effekt: Der Keil erhält so erheblich mehr Macht. Der Hebel bis zur Bruchleiste ist schließlich länger. Sollte sich auf der Zugseite, also dort, wo der Fällkeil gesägt wird, ein Wurzelanlauf befinden, dann muss er zuvor entfernt werden. Wenn Sie nun den Fällkerb einschneiden, müssen Sie darauf achten, dass er sich auch tatsächlich im gerade gewachsenen Holz befindet. Befinden sich schräg gewachsene Fasern in der Bruchleiste, dann Sobald die Schiene tief genug im Stamm verschwunden ist, setzt man den ersten Keil. kann der Baum vorzeitig nach hinten kippen. Markieren Sie nun die Bruchleistenstärke und setzen Sie danach zum Fällschnitt an aber nicht auf der ganzen Stärke des Stammes! Stellen Bei weit außen liegender Bruchleiste können die Keile erheblich stärker drücken. Die Splintschnitte werden beim Rückhänger unmittelbar vor dem Umkeilen ausgeführt. 6 4 Keil Keil Hängerichtung Der Stamm wird einseitig eingestochen. Danach wird zuerst zur Bruchleiste vorgesägt und dann erst zum Halteband. Einige Fachausdrücke und Maße Bruchleiste: Holz zwischen Fällkerb- Sehne und Fällkerb, das nicht durchsägt wird. Deren Stärke soll etwa 1/10 des Stammdurchmessers entsprechen. Fällkerb: Die Tiefe des Fällkerbs soll etwa einfünftel bis ein Viertel des Stammdurchmessers betragen. Fällschnitt: Auf der dem Fällkerb gegenüber liegenden Seite wird der Baum eingesägt. Der Höhenversatz zur Fällkerbsohle soll ca. 1/10 des Stammdurchmessers entsprechen. Splintschnitte: Seitliche Schnitte auf der Breite der Bruchleiste, die verhindern sollen, dass das Holz seitlich ausreißt. Schräg von oben und nicht sehr tief. Sie sich in Hängerichtung hinter den Baum und markieren Sie mit einem vertikalen Ritz die Stammmitte. Setzen Sie nun rechts von dieser Markierung zum Fällschnitt an und setzen Sie möglichst schnell einen Keil an. Erst dann sägen Sie weiter bis zur Bruchleiste und schlagen anschließend auch den Keil weiter nach. Auf der anderen Seite dann das Gleiche! Keilen Sie den Baum jetzt soweit auf, bis er ungefähr senkrecht steht. Erst jetzt bringen Sie auf beiden Seiten der Bruchleiste die Splintschnitte an. Mit einem dicken Nachsetzkeil keilen Sie den Baum um. D. Renfert-Deitermann Nachdem ein Stück weiter gesägt wurde, wird auch der zweite Keil nachgesetzt. Kräftige Hammerschläge auf die Keile treiben den Baum in die gewünschte. profi 2/

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