SWR 2 Musikstunde mit Wolfgang Molkow. TEURER NAME DESSEN KLANG Namen, Chiffren und Kryptogramme in der Musik (4)

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2 SWR 2 Musikstunde mit Wolfgang Molkow TEURER NAME DESSEN KLANG Namen, Chiffren und Kryptogramme in der Musik (4) IV Von deutscher Liebe zu italienischen Namen und anderem Amerikanische Forscher behaupten, es gäbe einen Zusammenhang zwischen dem eigenen Namen und wichtigen Entscheidungen im Leben. Man bevorzuge Dinge und Menschen, deren Namen dem eigenen ähneln. Das gilt für die Partnersuche genauso wie für die Berufwahl und die Vorlieben beim Essen. Hervorgerufen werde diese Neigung durch die Tendenz des Menschen, die eigene Person und alles, was damit zusammenhängt, großartig zu finden also auch den eigenen Namen. Wer sich mit Dingen ähnlichen Namens umgebe, betone dieses positive Selbstwertgefühl. Diese Statistiken bringen keine neue Erkenntnis, sondern bestätigen eigentlich nur das chemische Lösungsprinzip: Simila in simila solvenz oder auf gut Deutsch: Gleich und gleich gesellt sich gern. Auf die Namensebene des Theaters gehoben, hieß das schon in der Antike: Wo du bist Cajus, da bin auch ich Caja. Oder auf die märchenhafte Opernebene gehoben lautet es: Tamino mein, o welch ein Glück, Pamina mein, o welch ein Glück. 1. Musik W.A. Mozart Die Zauberflöte 2. Akt Tamino mein Ileana Cotrubas/ Eric Tappy/Wiener Philh./J.levine Daten wie Nr. 2 CD 3 Take 9 ab oder ab hier ausblenden unter Text 3 36 Ileana Cotrubas und Eric Tappy als Pamina und Tamino aus Mozarts Zauberflöte mit den Wiener Philharmonikern unter James Levine. Die menschliche Tendenz, den Partner im ähnlichen oder sogar identischen Namen zu suchen besonders, wenn Dieser durchschnittlich ist wurde schon zu oft parodiert, um nicht einen Kern von Wahrheit zu besitzen. Bertold Brechts Komödie Mann ist Mann trägt die Aussage schon im Titel. Schärfer noch hinsichtlich der Namenssatire ist Eugene Ionescos grotesker Einakter Die Kahle Sängerin. Hier werden nicht nur Mr. und Mrs. Smith mit all ihren englischen Assesoirs auf die Schippe genommen oder Mr. und Mrs. Martin verulkt, die sich nicht kennen und erst allmählich als Ehepartner wieder-erkennen; die Groteske der Namensgleichheit steigert sich noch in folgendem Dialog: Mr. Smith liest Zeitung: Schau, da steht, dass Bobby Watson gestorben ist. Mrs. Smith: Die arme Bobby! Mr. Smith Du willst doch sagen: d e r arme Bobby. Mrs. Smith: Nein, ich denke an seine Frau. Sie hieß Bobby wie er: Bobby Watson. Weil sie denselben Namen trugen, konnte man sie nicht unterscheiden, wenn man sie zusammen 2

3 sah. Erst nach seinem Tode hat man wirklich gewusst, wer wer war. Und noch heute gibt es Leute, die sie mit dem Toten verwechseln und ihr kondolieren. Wie gut hat es da noch der lustige Vogelfänger Papageno, der die ganze Oper Zauberflöte über auf der Suche nach seiner Papagena ist, die partout aus gleichem Holz geschnitzt und namensgleich sein muß wie ein Ei dem anderen. Die unsterbliche Komik des Pa-pa-pa Silbengeplappers enthüllt zugleich den Zauber des Ich- im Du- Erkennens und bestätigt 220 Jahre im voraus augenzwinkernd die Richtigkeit amerikanischer Forschungsthesen, - denn Papageno findet sich in der Tat großartig. 2. Musik W. A. Mozart Die Zauberflöte Klinge Glöckchen klinge Duett Papageno/Papagena E. Kales/Chr. Boesch/Wiener Philh./J. Levine LYRICA LRC 01025(3) DDD CD 3 Track 11 ab 5 Tr. 12 CD 2 T 1 und Das Duett Papageon/Papagena mit Elizabeth Kales, Christian Boesch und den Wiener Philharmonikern unter James Levine. Pamina und Tamino, Papageno, Papagena und Sarastro diese Namen der Wiener Volkskomödie tragen ihren Silbenklang noch aus dem Italienischen hinüber. Der Sprache also, der man gemeinhin den schönsten melodischen Tonfall nachsagt und deren Namen man im Singen und Klingen der Vokale über die anderer Nationen stellt. Heute soll es daher im Rahmen der Musikstundenreihe Teurer Name, dessen Klang um unsere Vorliebe zu ausländischen, besonders aber italienischen Namen gehen. In der Tat gab es einmal in deutschen Landen die Manie, die eigenen Namen zu verleugnen, zu französisieren, lati- bzw. italianisieren. Ein Kronzeuge für diese kuriose Leidenschaft ist Johann Kuhnau, geboren 1660 in Geising, Barockkomponist und Schriftsteller. Ab 1701 bis zu seinem Tode 1722 bekleidet er das Amt des Thomaskantors in Leipzig und ist unmittelbarer Vorgänger von Johann Sebastian Bach. Uns interessiert aber Kuhnaus satirischer Roman Der musikalische Quacksalber, der 1700 in Dresden erscheint und im 18. Jahrhundert sehr bekannt war. Der Romanheld ist ein schwäbischer Abenteurer aus der Umgebung Ulms, der die damalige Vorliebe der Deutschen für alles Ausländische, besonders aber für Italien benutzt, um sich als italienischer Virtuose auszugeben. Er begibt sich direkt nach Dresden, dem Zentrum des Italienkultes und dem Mekka der Oper. Den Schimpfnamen seines Vaters Theueraffe verwandelt er in den noblen neapolitanischen Caraffa, lässt Visitenkarten drucken und Briefe aus aller Herren Länder an sich schicken mit der pompösen Anschrift: Al illustrissimo Signore, il Signor Pietro Caraffa, maestro incomparabile di musica dem wohledlen, sinnreichen und hochberühmten italienischen Musico und unvergleichlichen Virtuosen. Es reicht also, dass ein Theueraffe sich Caraffa nennt und einige italienische Brocken stottert, um bei der Dresdner Musiksozietät freudige Aufnahme zu finden. Denn so führt Kuhnau aus es gehörte zu dem Spleen jener Zeit, 3

4 deutsche Namen zu latinisieren, verwelschen oder zu französisieren. Ich zitiere Kuhnaus Roman nach Romain Rollands Musikalischer Reise in die Vergangenheit:: Wo diese lateinische Nahmen von ihren Eltern und Vorfahren auf sie gepflantzet werden, so sind sie zu entschuldigen, wenn sie dabey bleiben. Sondern wenn sie selber anfangen, ihre Nahmen zu ändern und ein sonderliches Geschlechte daraus zu machen. Manche sind solche Narren, dass sie gerne Frantzösische Nahmen führen wollen. Ich kannte einen, der Hanß Jelme hieß, dem wollte sein teutscher Nahme nicht länger anstehen er musste frantzösisch werden. Und weil er noch über dieses gerne ein Edelmann seyn wollte, dannenhero schrieb er sich: Jean de Jelme. Aber er hatte sich nicht eben eingebildet, dass die frantzösische Pronunciation denen Teutschen so lächerlich vorkommen und Schand-Schelm herausbringen würde. 3. Musik M (07985) ANTES BM-CD Johann Kuhnau ( ) aus: Die sechs [6] biblischen Historien-Sonaten für Claviorganum Der von David vermittelst der Musik kurierte Saul Nr. 2: Der von David vermittelst der Musik curirte Saul ( ) Maria Grossmann (Claviorganum) Von den sechs biblischen Historiensonaten für Claviorganum von Johann Kuhnau spielte Maria Grossmann aus der Nr. 2 Der von David mittels der Musik kurierte Saul. Nicht kuriert werden die Dresdner Musikkreise um 1700 durch Kuhnaus zweifelhaften Musikus mit der besonderen Begabung für Namenskosmetik ; er versteht es glänzend, seine Talentlosigkeit hinter italienischem Gebaren zu verstecken: denn sie waren auch aus der thörichten Zunfft derjenigen, welche meynen, ein Componist oder andrer Musicus, der nicht Italien gesehen, sey ein alberer Gritzkopf. Dass Kuhnaus Satire durchaus aus dem Leben gegriffen ist, beweist ein Seitenblick auf seine großen Vorgänger und Zeitgenossen. Das Studium in Italien war, wenn nicht unabdingbar, so doch bei etlichen Musikern karrierewichtig. So ließ sich Heinrich Schütz von der venezianischen Schule Giovanni Gabrielis anregen und akzeptierte es gerne, wenn man ihn klangvoll lateinisch oder italienisch Enrico Sagittario titulierte: der Name Heinrich Schütz war für Italiener ein Zungenbrecher. Schütz war nicht der einzige, der bei Gabrieli studierte, sondern er traf außer einigen Italienern auch den Dänen Mogens Pederson an, der sich in Italien Magno Petreo il Dano 4

5 nannte. Damit ist der Schütz-Zeitgenosse seinen Landsleuten um Jahrhunderte voraus, denn in Dänemark und anderen skandinavischen Ländern können sich seit ein paar Jahren die Menschen einfach einen neuen Nachnamen aussuchen. Der Grund dafür liegt in der Monotonie der Namen Svensen, Larsen, Hansen und Nielsen. Mogens Pederson (* um ), der Vizekapellmeister König Christians IV, ist der erste dänische Komponist mit einem überlieferten Werk und einer wenn auch lückenhaften Biographie. In Begleitung seines Lehrers Melchior Borchgrevinck begibt er sich 1599 auf einer Studienreise zu Maestro Gabrieli, die für ihn den Auftakt bildet zu weiteren Venedigaufenthalten. Während seiner zweiten Italienreise erscheint die Sammlung Madrigali a cinque voci. Libro Primo.. di Magno Petreo Dano, Musico. An einer zweiten Madrigalsammlung arbeitet Perderson offenbar während seiner Englandreise. Als sein Hauptwerk erscheint 1620 in Kopenhagen das Pratum Spirituale, das neben 21 fünfstimmigen Hymnen und einer Messe drei Motetten sowie eine Anzahl von Responsorien enthält. Wir hören aus den fünfstimmigen Madrigalen O che soave bacio und Son vivo e non son vivo. Das Ensemble Musica ficta wird geleitet von Bo Holten. 4.Musik M. Pederson Madrigals O che soave bacio/son vivo e non son vivo Musica ficta/ Bo Holten dacapo Track 5,6 CD 2 T 3 und Die Schwärmerei für italienischen Namen ist natürlich nur eine Begleiterscheinung für die dominierende Rolle, die die italienischen Maler und Musiker an deutschen, englischen, spanischen und russischen Höfen im 17. und 18. Jahrhundert ausübten. Noch 1817 muß sich Carl Maria von Weber an der Dresdner Oper gegen die Intrigen eines Francesco Morlacchi behaupten, von dessen Wirken heute nur noch das Teatro Morlacchi in Perugia kündet. Um nicht zu reden von Gasparo Spontini in Berlin, der Webers Freischütz für eine Kinderei hält. Namen, die zu verblassen beginnen. Kamen umgekehrt deutsche Komponisten wie Schütz und Samuel Scheidt nach Italien, dann italianisierte man ihre Namen. Oder man nannte den Germanen, dessen Namen man nicht aussprechen konnte, Caro Sassone lieber Sachse wie im Fall des jungen Georg Friedrich Händel. Der erobert 1708 mit seiner Oper Agrippina das venezianische Publikum im Sturm. Auch für Domenico Scarlatti und Arcangelo Corelli bleibt dieser Heißsporn und überlegene Gigant zärtlich Il 5

6 caro sassone. Ihm eifert der jüngere Johann Adolf Hasse nach, der sich ab 1726 in Neapel zu den beliebtesten Opernkomponisten Italiens zählen darf. Nachdem er 1730 die gefeierte Sängerin Faustina Bordoni geheiratet und in Venedigs Karneval mit der Oper Artaserse triumphiert hat, verdient er sich als zweiter Sachse das Attribut Divino Sassone. Doch während Händel sich nach London wendet und als künftiger englischer Staatsbürger George Frederic Handel gerufen werden wird, wandelt Hasse seine Vornamen in Giovanni Adolfo um denn schließlich gilt er in der Oper und im musikalischen Stil des Rokoko als Italiano divino. 5. Musik J.A. Hasse La Contadina Minuetto, Ballo da Villana, Ballo da Turco, Minuetto Orch. Da camera dell Associazione In Canto D. F. Maestri BONGIOVANNI GB Track 15 ab 1 24 CD 2 T Aus Johann Adolf Hasses Intermezzo La Contadina spielte das Orchestra da Camera dell Associazione In Canto unter Fabio Maestri die Schlußtänze. Noch in der Romantik bewahrt Italien nebst klangvollen Namen seine Faszination in Literatur und Musik. Winckelmann öffnet seinen Landsleuten die Augen für die antiken Schönheiten Roms und Goethe schildert Italien in seiner Italienischen Reise als ein reales Arkadien. Novalis, Tieck, Eichendorff und Hoffmann sind in ihren Dichtungen hin-und her gerissen zwischen Anbetung und Ablehnung südlicher Kultur. Wilhelm Heinse kreiert mit der Figur des Florentiner Edelmannes, der auf den Traumnamen Ardinghello Frescobaldi hört, das Wunschbild des italienischen Renaissance-menschen, das bis zu Nietzsche und Jacob Burckhardt reicht. Eichendorff erfindet in seinem Jugendroman Ahnung und Gegenwart die Figur der Gräfin Romana, eine Art Zauberin und dunkel verlockende Gegenspielerin zum blonden deutschen Frauentyp. Donna Juanita, Giulia, Fausta, Rominta und Diana heißen ähnliche Frauengestalten in anderen Erzählungen des Dichters. In Hoffmanns Erzählungen wimmelt es von italienischen Sängerinnen mit faszinierenden Namen. Und in seinem Roman Die Elixiere des Teufels tritt ein Kauz namens Peter Schönfeld auf, der es wie Kuhnaus Musiker Caraffa vorzieht, Pietro Belcampo zu heißen. Noch italienischer empfinden die Maler. Friedrich Overbeck gestaltet 1829 ein Idealbild, das die Verschmelzung der beiden Kulturnationen Deutschland und Italien zum Inhalt hat und vielleicht heute angesichts meilenweiter Entfernung von diesem Ideal nachdenklich stimmen mag. Overbeck schreibt an einen Freund: Es wird Sie wohl nicht wundern, dass aus den beiden Bräuten Sulamith und Maria ein Paar ehrbarer Frauen geworden sind, die Frauen Germania und Italia. Dass ich gerade diese Idee wählte, darüber gibt mein besonderer Standpunkt hier als Deutscher in Italien Aufschluß. Es sind die beiden Elemente gleichsam, die sich allerdings einerseits fremd gegenüber-stehen, die aber zu verschmelzen nun einmal meine Aufgabe, wenigstens 6

7 in der äußeren Form meines Schaffens, ist und bleiben soll und die ich deshalb hier in schöner inniger Befreundung mir denke. 6. Musik Franz Liszt Aus drei Sonette für Petrarca Nr. 3 Alessandro Roseletti LA MAGGIORE LM 101 Track 5 CD 2 T Alessandro Roseletti spielte aus den drei Petrarcasonetten die Nr. 3. Mendelssohn und Heine schwärmen von ihren Italieneindrücken und Overbeck ergeht sich in Verbrüderungssymbolik. Doch es gibt auch patriotische Gegen-tendenzen, die die heimischen Namen und gerade die einfachen trotzig gegen die fremden welschen setzen. Man mag diese Tendenz als eine wie immer vage Vorform betrachten, die italienischen Ausdrucks- und Satzanweisungen in der Musik einzudeutschen, wie es Beethoven vereinzelt und Schumann konsequent in seiner Rheinischen Sinfonie vornimmt. Noch erfreut sich um nur ein Beispiel zu nennen eine Oper wie Giovanni Paesiellos La bella Molinara großer Popularität - insbesondere die Arie Nel cor più non mi sento. Beethoven schreibt Klavier-variationen über sie. Nicht ohne Bezug auf Paesiello dichtet daher der junge Wilhelm Müller seinen Zyklus Die schöne Müllerin. Mit diesem Liederreigen wie auch dem der Winterreise versucht Müller, seine unglückliche Liebe zu der Dichterin Luise Hensel zu sublimieren. Natürlich ist die Namensentsprechung Müller-Müllerin biographisch beabsichtigt und von romantischer Ironie diktiert. Ironie, die durch die Vertonung Schuberts zurückgedrängt wenn nicht getilgt wird. Deutlich hörbar ist der Dichterspott Müllers vor allem im Prolog: Doch wenn ihr nach des Spiels Personen fragt, So kann ich euch, den Musen sei's geklagt, Nur eine präsentieren recht und echt, Das ist ein junger blonder Müllersknecht. Denn, ob der Bach zuletzt ein Wort auch spricht, So wird ein Bach deshalb Person noch nicht. Drum nehmt nur heut das Monodram vorlieb: Wer mehr gibt, als er hat, der heißt ein Dieb. 7. Musik Franz Schubert Die schöne Müllerin Nr. 8 Morgengruß Fritz Wunderlich/ Kurt Heinz Stolze Klavier EURODISC GD LC 0202 Track 8 CD 2 T Fritz Wunderlich, am Klavier begleitet von Kurt Heinz Stolze, sang aus dem Liederzyklus Die schöne Müllerin von Franz Schubert den Morgengruß Guten Morgen, schöne Müllerin. Dieses Lied das sein nur am Rande bemerkt - hinterlässt seiner ausdrucksvollen Melodik wegen deutliche Spuren in Opern von Gaetano Donizetti und Giuseppe Verdi. 7

8 Das Staunen vor dem schier unerschöpflichen Reichtum vergangener italienischer Kultur lässt auch heute noch die vielen Namen der Maler, Bildhauer und Musiker in uns nachklingen, als schwebten Diese ätherisch über deutscher Bodenständigkeit. Ein Name wie Luigi Cherubini klingt wie die verkörperte Musik gegenüber einem Ludwig Spohr, Hans Pfitzner oder August Bungert. Dass Cherubini und Serafini Allerweltsnamen sind wie Rossi, Bianchi, Schmidt und Huber, nimmt man erst in zweiter Instanz wahr. Ach Italia! - Deutschland entliebe sich von dem Land, in dem die Zitronen blühn, hieß es vor einiger Zeit in einem Beitrag der Süddeutschen Zeitung. Als Gründe werden die Politik Berlusconis und die wachsende Kultur-verarmung Bella Italias genannt. Da hilft dann vielleicht auch die Liebe zu den klingenden Namen nicht mehr. Den Tick des sächsischen Adels fürs Italiensche, den einst Johann Kuhnau für den Barock aufs Korn nahm, setzt Ludwig Thoma übrigens ca. 200 Jahre später auf der Baedecker Touristenebene fort. In seiner bewusst trivial gehaltenen Satire Käsebiers Italienreise verhöhnt er den Bildungshunger von Berliner kunst-undnamens-beflissenen Fabrikantengattinnen. Hören wir den Kommentar des geplagten Ehemannes: Madonna mit n Kanarienvogel, Madonna mit dem Zeisich, Madonna mit was weiß ich und Lippo Lippi und Lippino Lippi und Botticelli und noch 999 tschelli und tschello und Knaatsch und Knuddel und n steifes Jenick siehste Junge, das ist Kunst und muß jenossen werden. Un Mathilde! Sie hat n runden Flunsch gekriegt mit lauter italienische Namens, und wenn sie so n Happenpappen mit tschelli und tschello hat, denn kaut sie n paar Stunden dran, und en Augenaufschlag hat sie sich angewöhnt von wegen meinem Mangel an Kultur, mit dem kann sie sich für Jeld sehen lassen. Nee, Junge, nu hab ich genug vons Tschinquetschento. 8. Musik Antonio Vivaldi Concerto in D für Laute und Streicher RZ 93 G. Nr. 3 Allegro G. Sarkoezi/ Dall Arco Kammerorchester Ungarn/ I. Parkanyi NAXOS LC 9158 CD Track 3 CD 2 T Aus Antonio Vivaldis Concerto in D für Laute und Streicher der dritte Satz Allegro mit dem Dall Arco Kammerorchester Ungarn unter G. Sarkoezi. Menschliche Grunderkenntnisse, die heute von Forschungsinstituten in mühsamen Statistiken erarbeitet werden, wurden früher oft im Theater als längst bekannte Volksweisheit verbreitet. Das Mozartsche Paar Papageno/Papagena bildete dafür, dass Zwei sich über ihre Namensgleichheit finden, bereits ein Beispiel. Nun forscht man aber am Institute of Technology in Cambridge auch darüber, wie der Klang eines Namens auf das jeweils andere Geschlecht wirkt. Während die Frauen mit a und o-vokalen die Männerohren bezirzen, sind es umgekehrt die Vorderzungen-vokale e und i, mit denen Männernamen beim weiblichen Geschlecht angeblich gut ankommen sollen. Auch hier eilt die Kunst oder in diesem Fall: die Komödie 8

9 der Wissenschaft weit voraus. Der große Spötter Oscar Wilde schuf mit seinem brillanten Stück The Importance of being Earnest eine Farce über weibliche Wünsche hinsichtlich männlicher Namen. Die deutsche Übersetzung Bunbury oder Ernstsein ist alles trifft vor allem das Namenswortspiel earnest nicht. Wilde stützt sich in seiner Komödie auf das in diesen Musikstunden häufig erwähnte Nomen-est-Omen-Schema, das der römische Dichter Plautus als Erster ersann, und das man auch mit Name ist Programm übersetzen kann. Jack, der sich in der Stadt immer als Ernest ausgibt, verliebt sich in Algernons Kusine Gwendolen. Diese erwidert augenblicklich die Liebe, da ein Mann namens Ernest genau ihrem Ideal entspricht. Algernon seinerseits macht Jagd auf Jacks Mündel Cecily, die sich ebenfalls nur mit dem Namen Ernest zu verbinden gedenkt. Algernon will sich umtaufen lassen, während Jack, ein früheres Findelkind, herausfindet, dass sein wahrer Name tatsächlich Ernest John lautet. Wilde fügt dem Namen ein kleines a hinzu und verschiebt dadurch den Wortsinn auf earnest: ernsthaft, aufrichtig. Somit wäre der puritanischen Komödie Genüge getan aufrichtige Männer als Ziel der Frauensehnsucht. Wäre da nicht ein geheimer Doppelsinn: denn to earn heißt verdienen und earnings sind die Einkünfte. Bei vielen Komödien von Plautus bis Dürrenmatt geht es schließlich um das schöne Geld und ach darum, wie man sich einen Millionär angelt. Ist der L Art pour l Art- Künstler Oscar Wilde wirklich so weit entfernt von Bertold Brecht und seinen schnöden Geldmaximen in der satirischen Oper Mahagonny? Ist die zielstrebige Gwendolen mit ihrer verdienstvollen Earnest-Schrulle wirklich auf einem anderen Dampfer als die materialistische Hure Jenny, die sich Herrn Jakob Schmidt für 30 Dollar an den Hals werfen will? 9. Musik Kurt Weill Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny Das ist Ihr Mädchen A. Silja/ A. Schlemm/F. Mayer/Kölner Rundfunkorch./J. Latham-König CAPRICCIO /61 CD 1 Track 5 von Das ist Ihr Mädchen Ausgeschlossen oder von Anfang: Wenn man an einen fremden Strand kommt CD 2 T