Von der Aktualität der Aquarelle Ergebnis einer Recherche

Transkript

1 Von der Aktualität der Aquarelle Ergebnis einer Recherche Von John Hess Lebt die Aquarellmalerei als selbständige Gestaltungskunst immer noch? Seit drei Jahren suche ich im In- und Ausland nach dieser Kunst. Die Recherche war mit vielen Besuchen von Galerien, Ausstellungen und Kontakten mit Künstlern in der Schweiz und im benachbarten Ausland verbunden. Die Erlebnisse und Eindrücke haben mich motiviert, die Idee zu einer Ausstellung weiter zu entwickeln. Der Wunsch, ein konkretes Projekt umzusetzen, war von Anfang an vorhanden. Ich fand eine grosse Bereitschaft bei den Künstlern, mit mir zusammen zu arbeiten. Die Aquarellmalerei hat sich kontinuierlich weiter entwickelt und ist heute ein eigenständiges Medium. Wasserlösliche Farben gehören zu den ältesten Materialien in der Malerei. Die Höhlenmalerei ist unter Einsatz von einfachen Pinseln und in Wasser und Fett gelöstem Hämatit oder Holzkohle entstanden. Aus Ägypten ist bemalter Papyrus erhalten, und aus dem asiatischen Raum Bilder und Kalligraphie mit wasserlöslichen Tuschen. In der Renaissance und Barock haben Maler wie Albrecht Dürer und Rembrandt die Aquarelle vor allem zu Studienzwecken oder zur Vorbereitung von Ölgemälden verwendet. Zu einer breiten Anerkennung kam es aber erst im 18. Jahrhundert, als englische Maler wie William Turner begannen, Aquarellfarben nicht bloß zur Ausgestaltung von Zeichnungen zu verwenden, sondern Bilder direkt auf den Malgrund entwickelten. Insbesondere Turner, der bis heute als einer der bedeutendsten Aquarellisten gilt, hat die Aquarellmalerei zu technischer Meisterschaft geführt. Als im Laufe des 19. Jahrhunderts die Freiluftmalerei an Bedeutung gewann, setzte eine breite Wiederentdeckung des Malens mit wasserlöslichen Farben ein. In England förderten Water Colour Societies den Einsatz dieser Maltechnik. Zahlreiche Maler haben das Aquarell als eigenständiges Kunstwerk geschaffen. Neben Dürer und Turner sind hier vor allem Eugène Delacroix, Paul Cézanne, Emil Nolde und Christian Modersohn zu nennen. Von großer Bedeutung für die Aquarellmalerei ist die Arbeit mit den Primärfarben. Zwar gibt es sämtliche Farben fertig gemischt zu kaufen, Puristen in der Aquarellmalerei mischen aber jede benötigte Farbe gemäß den Regeln der Farblehre selbst. Wegweisend in der Anwendung waren Paul Klee und Johannes Itten. Aquarell und Zeichnung sind bereits historisch eng miteinander verwandt. Bei der monochromen Pinselzeichnung kommen bereits zahlreiche Aquarelltechniken zum Einsatz oder werden Zeichnungen und Aquarell miteinander kombiniert, zum Beispiel indem die Bleistift- oder Kohleskizze bewusst durch das Aquarell hindurch scheint. Nach Abschluss der Aquarellarbeiten kann die Zeichnung mit Tusche ergänzt werden. Eine klassische Form ist das Übermalen einer monochromen Pinselskizze mit Aquarellfarben. Die Erfolgsgeschichte dieses Mediums dauerte bis in die 60 Jahre. Aquarell im 21 Jahrhundert gibt es immer noch, doch Ausstellungen in der Schweiz sind rar. In den Galerien dominieren grossformatige Bilder mit vorgefertigten Farben, meist expressionistisch, dominant und oft abstrakt. Ein Aquarellbild hat man mir gesagt, hat nicht die gleiche Wirkung beim Publikum wie ein Acrylbild. Zuerst ist das Format eher mittel bis klein, das Glas spiegelt und kaschiert die Inhalte und die Galeristen verdienen zu wenig. Oberflächlich betrachtet sind diese Klischees weit verbreitet und man wird sie nicht los.

2 Meine Erfahrungen und Diskussionen mit Künstlern und Sachverständigen zeigen ein anderes Bild. Das Aquarell lebt immer noch aber die Künstler haben sich an die Galeristen- und Kundenwünsche angepasst und bieten andere Techniken wie Mixed-Media und Formate an. In Belgien und Frankreich erlebte ich Künstler mit grosser Affinität zu diesem Medium. Das hat mit der Förderung und Ausstellungsmöglichkeiten zu tun. Ich habe hoch professionelle Ausstellungen ja sogar Festivals der Aquarelle besucht. Namur in Belgien und Brioude in Zentralfrankreich. Das Festival in dieser Kleinstadt in der Auvergne, das alle zwei Jahre durchgeführt wird, ist ein Treffen besonderer Art. Die Künstler stellen in der ganzen Stadt aus (Schulhäuser, Kirchen, Privatgalerien, Bürgerhäuser, etc.). Die Besucher strömen einen Monat lang in Scharen herbei, um die hohe Kunst von Spitzenaquarellisten aus Frankreich zu bewundern. In der Zeitschrift Art de l Aquarelle erhält man Einblicke in diese Kunst, die mehr ist als eine Technik. Weltweit wecken die Aquarelle aus Frankreich, England, USA, China, etc. grosse Aufmerksamkeit bei den Liebhabern. Es fehlt nicht an Besuchern und Auszeichnungen. In der Schweiz ist es ruhiger auf diesem Gebiet. Der englische Begriff watercolour ist noch aussagekräftiger als Aquarell. Er steht für eine grosse Bewegung im angelsächsischen Bereich und ebenso weltweit. Hier wird die Tradition in Akademien und sehr alten Gesellschaften gepflegt, die meisten sind über 100 Jahre alt. The American Watercolour Society beispielsweise entstand 1866 als nonprofit Organisation, welche die Kunst des Aquarellierens in den USA fördert. Wir finden solche Gesellschaften auch in England, wie die Royal Watercolour Society in London. Diese veranstaltet Wettbewerbe und nimmt nur Mitglieder auf, welche von einer Jury nach strengen Massstäben beurteilt wurden. In der Schweiz gibt es dafür gute Malschulen und Künstler, welche Kurse und Malreisen anbieten. Für Fortgeschrittene sind Akademien wie Bad Reichenhall, Trier und Namur etc. geeignet für eine Weiterentwicklung in dieser Malerei. Sie sind bekannt als Kaderschmieden für ambitionierte Künstler. Museen widmen sich auch der Aquarellmalerei, vorwiegend werden bekannte Künstler ausgestellt. Paul Klee und Johannes Itten waren für die Weiterentwicklung der Techniken des Malens wegweisend und sind für Museen historisch besonders interessant. Itten hat die Kunst der Farbe durch seine Farbenlehre geprägt. Für das umfangreiche Werk von Klee, bestehend aus Zeichnungen, Aquarelle und Radierungen wurde ein Museum Paul Klee in Bern gebaut. Ein Teil des Werkes von Emil Nolde wurde im Museum Frieder Burda in Baden-Baden ausgestellt. Er ist einer der grossen Aquarellisten des 20. Jahrhunderts. Malen mit Wasserfarbe erinnert uns an die Schulzeit. Eine spätere Wiederaufnahme ist jedoch sehr anspruchsvoll. Will man mit dem Begriff Aquarell, der etwas nobler klingt, Konkretes gestalten, so braucht man dazu viel Ausdauer, Zeichnungskenntnisse aber auch Neugier für eigenes Gestalten. Aquarell ist nicht wie andere Techniken voll kontrollierbar. Das Geheimnis liegt in der Mischung aus Gestalten und laufen lassen. Das Resultat muss überraschen und es kann nicht mehr korrigiert werden. Finden wir heute noch zeitgenössischer Künstler, die ausschließlich oder neben anderen Techniken und dies mit Leidenschaft und Professionalität mit Wasserfarben malen? Wer sind sie? Ich wollte eine konkrete Antwort auf diese Frage erhalten. Ich ging einfach auf Kunstreisen und recherchierte vor Ort. Der Wunsch, etwas zu tun, entstand nach und nach aus den vielen Treffen und Gesprächen mit diesen Künstlern. Ich beschloss, dass eine Ausschreibung für die Durchführung eines "Salon de l Aquarelle 17" das Beste war. Mehr als 100 zeitgenössische Amateur- und Profimaler wurden angeschrieben. Es tauchten Namen auf, wie VOKA, der Gründer des Spontanrealismus in Österreich, Isabelle Corcket aus Paris,

3 Roland Palmerts, Belgien, William Fikisc, Schweiz. Sie und andere kompetente Künstler aus Frankreich, Luxembourg, Österreich, Deutschland und der Schweiz haben mich inspiriert, das Projekt weiter zu konkretisieren. Ich nahm mir die Zeit, diese Kunst näher kennen zu lernen und meine Recherchen wurden zu einer Herzensangelegenheit. Die Qualität und die Präsentation der Werke haben mich beeindruckt. Vorwiegend werden Motive, wie Portraits, Landschaften und Architektur gemalt. Aber es gibt auch Kleinode im Bereich des Stilllebens und der abstrakten Bilder. Modern wirken vor allem die verschiedenen Einrahmungen vom klassischen Passepartout unter Glas über Antireflexglas und auch Bilder ohne Glas. Ferner variiert die Unterlage von einfachen Papieren zu behandelten Papieren bis zur Baumwollunterlage, Karton und Leinwand. Die Aquarellmalerei hat sich der modernen Entwicklung angepasst und weiterentwickelt. Sie ist frisch, bunt und auch großformatig. Durch diese Vielzahl von Aquarell nach Themen und Formaten war ich fasziniert und beeindruckt. Ich habe beschlossen, Bilder für eine Ausstellung zu suchen. Die Auswahl der Künstler und Werke war natürlich viel zu groß für eine Ausstellung in einer Galerie. Eine kleine Jury legte eine optimale Mischung von Künstlern aus der Schweiz und den Nachbarländern mit verschiedenen Motiven fest. Ich zögerte nicht, dieses Projekt umzusetzen. Sollte die erste Ausgabe erfolgreich sein, schliesse ich eine Aquarell Biennale in Wabern nicht aus. Die erste internationale zeitgenössische Ausstellung Salon de l Aquarelle 17 wird als Resultat dieser Recherche im Juni 2017 in Wabern b. Bern am Fusse des Hausbergs Gurten durchgeführt. Die Ausstellung dauert einen ganzen Monat und wir hoffen, dass wir ein breites Publikum und viele Liebhaber der Aquarelle begeistern können. John Hess Ist 1946 in Zürich geboren und hat in Bern studiert. Seine Promotion in Betriebswirtschaft und Politischen Wissenschaften bildete den Ausgangspunkt zu einer langen Karriere im Finanzwesen. Heute betreibt der selbständige Berater eine Galerie für zeitgenössische Kunst in Wabern.

4 Aquarell, Anne Christophe, Frankreich, Plakat Salon de l Aquarelle 17

5 Aquarell 50 x 70 cm, VOKA, Österreich, Motiv Bad Reichenhall