Monatspredigt: 5. Oktober Sonntag nach Trinitatis: Auferweckung des Lazarus
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- Robert Koch
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1 Monatspredigt: 5. Oktober Sonntag nach Trinitatis: Auferweckung des Lazarus Monika Götte Wochenspruch: Jesus Christus hat den Tod besiegt und hat aufleuchten lassen Leben und Unsterblichkeit, durch das Evangelium (2 Tim 1,10b) Rainer Maria Rilke: Herbst Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten; sie fallen mit verneinender Gebärde. Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit. Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: es ist in allen. Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält. Lesung: Joh 11, Marta nun, als sie hörte, dass Jesus komme, ging ihm entgegen. Maria aber sass zu Hause. 21 Da sagte Marta zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, so wäre mein Bruder nicht gestorben. 22 Aber auch jetzt weiss ich: Alles, was du von Gott erbitten wirst, wird Gott dir geben. 23 Jesus sagt zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. 24 Marta sagt zu ihm: Ich weiss, dass er auferstehen wird in der Auferstehung am Jüngsten Tag. 25 Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, 26 und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. Glaubst du das? 27 Sie sagt zu ihm: Ja, Herr, jetzt glaube ich, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommt. 28 Und als sie dies gesagt hatte, ging sie fort und rief Maria, ihre Schwester, und sagte heimlich zu ihr: Der Meister ist da 1
2 und ruft dich. 32 Maria nun, als sie dorthin kam, wo Jesus war, und ihn sah, warf sich ihm zu Füssen und sagte zu ihm: Herr, wärst du hier gewesen, so wäre mein Bruder nicht gestorben. 33 Als Jesus nun sah, wie sie weinte und wie auch die Juden, die mit ihr gekommen waren, weinten, war er im Innersten empört und erschüttert 34 und sprach: Wo habt ihr ihn hingelegt? Sie sagen zu ihm: Herr, komm und sieh! 35 Jesus weinte. 36 Da sagten die Juden: Seht, wie lieb er ihn gehabt hat! 37 Einige von ihnen aber sagten: Konnte er, der dem Blinden die Augen aufgetan hat, nicht auch machen, dass dieser nicht stirbt? 38 Jesus nun, von neuem zutiefst empört, kommt zum Grab. Es war eine Höhle, und davor lag ein Stein. 39 Jesus spricht: Nehmt den Stein weg! Marta, die Schwester des Verstorbenen, sagt zu ihm: Herr, er stinkt schon, denn er ist vier Tage tot. 40 Jesus sagt zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen? 41 Da nahmen sie den Stein weg. Jesus aber hob seine Augen auf und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. 42 Ich wusste, dass du mich allezeit erhörst, jedoch um des Volkes willen, das da ringsum steht, habe ich es gesagt, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast. 43 Und als er dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! 44 Der Tote kam heraus; seine Füsse und Hände waren mit Binden umwickelt, und sein Gesicht war mit einem Schweisstuch bedeckt. Jesus sagt zu ihnen: Befreit ihn und lasst ihn gehen! Predigt Lazarus ist gestorben Man muss gar nichts, ausser sterben, so redet man manchmal etwas flapsig daher, zumeist in heiteren Stunden. Denken wir aber näher darüber nach, beispielsweise, wenn wir von einem lieben Menschen Abschied nehmen müssen, wenn wir selbst den Tod vor Augen haben, oder wenn wir über unseren Friedhof gehen, bekannte Namen sehen und uns vorstellen, dass da eines Tages auch unser Grab sein wird, dann wird uns die Unumgänglichkeit des Todes bewusst. Unsere Tage zu zählen, lehre uns, damit wir ein weises Herz gewinnen, so der 90. Psalm (Ps 90,12). Die Zukunft schwindet, je älter wir werden eigentlich von unserem ersten Tag an. Und irgendwann, wenn keine Zukunft mehr da ist, dann sind wir tot. Keine Zukunft : Das passiert uns oft nicht erst am Ende des Lebens, sondern schon mittendrin: Kein Weg aus der Sackgasse. Wir fühlen uns gefesselt, gelähmt, im Dunkeln, allein wie in einer Grabhöhle. 2
3 Keine Ahnung, wie es weitergehen soll oder kann. Vier Tag liegt Lazarus im Grab; er stinkt schon, sagt seine Schwester. Keine Zukunft. Auch sie sind, gleichsam anders, in einer Grabhöhle. Der Grabhöhle ihrer Fassungslosigkeit und ihres Schmerzes. Dann kommt Jesus. Lazarus lebt wieder und stirbt wieder Und Lazarus lebt wieder. Herausgerufen aus seinem Grab. Herausgerufen aus der Höhle des Todes. Gerufen in ein neues Leben nach dem Tod. Und: in ein Leben vor dem Tod. Denn ebenso gewiss ist: Lazarus wird wieder sterben. Denn Lazarus ist nicht auferstanden von den Toten. Lazarus ist wiederbelebt worden, gleichsam reanimiert, zurück ins Leben geholt. Er lebt wieder und wird wieder sterben. Was das für ihn bedeuten mochte, wie das Leben nach dem Tod und dann wieder vor dem Tod sich für ihn gestaltete das ist nicht das vorgängige Interesse des Evangelisten. Dieser hat eine andere Absicht. Es heisst zu Beginn des Kapitels, dass das Ereignis der Verherrlichung Gottes dient: 11,1 Es war aber einer krank, Lazarus aus Betanien, aus dem Dorf der Maria und ihrer Schwester Marta. 3 Da sandten die Schwestern zu ihm und liessen sagen: Herr, der, den du lieb hast, ist krank. 4 Als Jesus das hörte, sprach er: Diese Krankheit führt nicht zum Tod, sondern dient der Verherrlichung Gottes; durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden. Das klingt wenig sensibel und man mag sich fragen, was denn daran gerecht sein soll, da wird einer instrumentalisiert, damit ein anderer verherrlicht werden kann? Verständliche Einwände. Für den Evangelisten allerdings keiner Rede wert. Er will der geneigten Leserschaft nichts über Lazarus sagen, dieser ist letztlich als Person gar nicht von Interesse wichtig ist hier einzig und allein Jesus, der Christus. Inmitten dieser Erzählung kommt nämlich das Wort der Auferstehung zur Sprache: Ich bin die Auferstehung und das Leben, das Jesus als Herr über Leben und Tod ausweist. 3
4 Die sieben Ich-bin Worte Jesu Dieses Wort steht in einer ganzen Reihe von Ich-bin-Worten, die Jesus spricht. Siebenmal im Johannesevangelium spricht Jesus eine Ich-bin-Formel dieser Art aus. Die ich-bin-worte Jesu durchziehen das Evangelium von Anfang bis Ende. Mittels dieser Worte verkündet Jesus sich selbst und sagt damit, wer er für uns ist: 1) Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt wird nie mehr Hunger haben, und wer an mich glaubt, wird niemals mehr Durst haben. (6,35) Christus ist das Lebensnotwendige. Was notwendig ist. Was Not wendet. Bei ihm werden wir satt. 2) Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt wird nie wieder in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben. (8,12) Christus ist Orientierung. Licht im Dunkel. Licht der Welt. Der uns anleuchtet, selbst Licht der Welt zu sein. 3) Ich bin die Tür der Schafe. Wenn jemand durch mich hineingeht, wird er gerettet werden und wird ein- und ausgehen und eine Weide finden. (10,9) Wer durch diese Tür geht, findet Weide: einen Ort zum Sein, zum Durchatmen. Heimat. Er weidet mich auf grünen Auen (Ps 23,2) 4) Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte gibt sein Leben hin für die Schafe. (10,11) Christus führt mich, schützt mich, setzt sein Leben für mich ein, bleibt bei mir, auch, wenn ich durch das dunkle Todestal gehen muss. Der Herr ist mein Hirte, mir mangelt nichts. (Ps 23,1) 5) Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. (11,25f) - 6) Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, es sei denn durch mich. (14,16) Christus ist der Weg, auf dem wir zum Vater gehen, die Wahrheit, die uns dahin leitet. Er ist mein Leben. 4
5 7) Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun. (15,1.5) Wie die Reben nur durch den Weinstock Leben haben und Frucht bringen können, so sind auch wir in unserem Tun von Ihm getragen. Jesus nimmt für sich in Anspruch, alles in allem zu sein. Alpha und Omega. Anfang und Ende. Sine qua non. Der Anspruch ist absolut. Der Evangelist schert sich einen Deut um political correctness, die uns heute fast heilig zu gelten hat. Intoleranz, werden einige heute sagen. Gotteslästerung, werden andere damals gesagt haben. Jesus stellt die adäquate Frage: Glaubst du das?, fragt Jeersus Marta. Die Frage muss jeder selbst beantworten. Die Auferstehung und das Leben Ich bin die Auferstehung und das Leben. Ein Wort inmitten vieler Worte mit höchstem Anspruch. Und doch eines, das mit besonderer Hoffnung verbunden ist, lässt uns doch gerade der Tod mehr als vieles andere sprach- und hilflos zurück. Selbst Jesus weint angesichts des Todes seines Freundes Lazarus, den er lieb hatte. Jesus nimmt den Tod als das wahr, was er ist: einschneidend, anstössig gar, mitunter qualvoll, ein Bruch im Leben derer, die zurückbleiben. Jesus ruft Lazarus heraus aus dem Grab und erweist sich so als Herr über Leben und Tod. Jesu Macht wird offenbar, sein Sieg über den Tod, dessen wir an Ostern gedenken, wird hier schon vor Ostern sichtbar. Die Tat an Lazarus und das Osterereignis sind sodann auch eigentümlich verbunden: Auf die Wiederbelebung des Lazarus folgt im Johannesevangelium nämlich der Todesbeschluss des Hohen Rates, dem zu Ohren kommt, was Jesus tat. Da versammelten die Hohen Priester und die Pharisäer den Hohen Rat und sagten: Was sollen wir unternehmen? Dieser Mensch tut viele Zeichen. Von jenem Tag an hielten sie es für beschlossen, dass sie ihn töten wollten. (11,47.53) So geht Lazarus vom Tod ins Leben zurück, während Jesus von da an den Weg in den Tod geht. Wie eine vorausgehende Andeutung wird hier Lazarus aus dem Tod zurückgeholt. So wird Jesus aus seinem Tod am dritten Tag herausgehen aber nicht, um erneut zu 5
6 sterben, sondern was in Lazarus nur angedeutet bleibt, wird in der Auferstehung am Ostermorgen vollkommen. Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wie die anderen Ich-bin-Worte ist auch dieses mit einer Einladung verbunden: Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. Diese Aussage kann man sowohl in Bezug auf die Gegenwart als auch im Horizont der Zukunft deuten. Schon jetzt zugleich noch nicht. Das eine auf das andere verweisend, das Zukünftige schon in die Gegenwart hineinreichend. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt Glaubst du das? Wer diese Frage mit Ja beantwortet, der weiss, dass auch der Tod nicht das letzte Wort über das Leben hat. Wer das weiss und wer darauf vertraut, der braucht nicht mehr selbst Herr über Leben und Tod zu sein. Wer Jesus Christus als Herrn über Leben und Sterben anerkennt, der ist frei. Frei im hier und jetzt zu leben. Frei davon, das Leben krampfhaft festhalten zu müssen. Und gleichwohl wissend, dass man das Leben nicht leichtfertig fortwirft (Dietrich Bonhoeffer). Wer frei ist, der kann das Leben mit allen Vorläufigkeiten nehmen. Der kann aufbrechen und aufstehen, immer wieder Aufstehen wagen, schon in der Gegenwart. Für ein echtes Leben vor dem Tod. So ruft Jesus auch uns beim Namen: Komm heraus! Kommt heraus! Heraus aus deiner Grabhöle, aus der du dich nicht selbst befreien kannst. Aus deinen Fesseln, die du nicht selbst lösen wirst. Heraus aus der Dunkelheit, die dich umgibt. Komm heraus! und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. Im Horizont der Zukunft gesehen heisst das aber auch, dass da etwas ist, auch wenn dies jenseits unserer Vorstellungskraft liegt, die Ewigkeit. Davon sehen wir nichts, wenn wir am Grab eines geliebten Menschen stehen. Davon fühlen wir nichts, wenn wir in den Grabhöhlen unseres Lebens dahinfristen. Keine Zukunft Doch: Da ist zunächst nur so etwas wie ein Samenkorn der Hoffnung, verborgen im grossen Weltgeschehen. Wir sehen noch viel, das dieser Hoffnung widersprechen will. Aber diese Hoffnung lässt sich nicht mehr aus der Welt schaffen. Da ist Zukunft. Obwohl wir sterben und obwohl der Tod den Anschein erwecken mag, als sei mit ihm jede Aussicht auf Zukunft dahin. 6
7 Ewigkeit das liegt jenseits dessen, was wir uns vorstellen können. Ewiges Leben vielleicht ist das Ende von Rilkes Herbstgedicht ein hilfreiches Bild: Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält. Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben. Wir stehen im Spannungsfeld von Leben und Tod. Das Leben bleibt zerrissen von Sünde, von Bruchhaftigkeit, von Schuld und Leid, Krankheit, Leid, Tod. Das schafft Jesus nicht aus der Welt. Darüber mag man sich so manchmal den Kopf zerbrechen. Wie man es auch dreht und wendet es gibt keine genügende Antwort auf diese Frage. Aber: Der Tod hat nicht mehr das letzte Wort. Dazu wurde das Wort Gottes gesprochen: Jesus Christus. Jesus Christus hat den Tod besiegt und hat aufleuchten lassen Leben und Unsterblichkeit, durch das Evangelium (2 Tim 1,10b), so das Eingangswort. Und das ist das Entscheidende. Da ist ein Aber in meinem Leben: Jesus Christus, der spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Das folgende Gedicht mag uns dies zum Abschluss zusammenfassen: Feiert mit mir das Fest aller Feste. Schmückt trauernde Häuser. Kehrt den Schmutz von den Strassen. Kommt aus den Kellern der Angst. Öffnet verriegelte Türen. Reisst dumpfe Fenster auf. Springt in die Freiheit. Lacht mit mir voll der Freude aller Freuden. Das Grab der Gräber wurde gesprengt. Der Stein der Verzweiflung ist weggerollt. Die neue Welt hat ihren ersten Tag. Singt vom Sieg aller Siege. Fegt die Angst aus den Herzen. 7
8 Lacht dunklen Mächten ins Gesicht. Widersteht den Herren von gestern. Wagt schon heute das Leben von morgen. 1 Amen. 1 Nachdichtung von Ps Autor unbekannt. 8
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