Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen.
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- Adam Meissner
- vor 6 Jahren
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1 Predigt zum 3. Advent - Röm- 15, 4-13 Alles, was die Schrift sagt und was doch schon vor langer Zeit niedergeschrieben wurde, sagt sie unseretwegen. Wir sind es, die daraus lernen sollen; wir sollen durch ihre Aussagen ermutigt werden, damit wir unbeirrbar durchhalten, bis sich unsere Hoffnung erfüllt. Denn von Gott kommt alle Ermutigung und alle Kraft, um durchzuhalten. Er helfe euch, Jesus Christus zum Maßstab für euren Umgang miteinander zu nehmen und euch vom gemeinsamen Ziel bestimmen zu lassen. Gott möchte, dass ihr ihn alle einmütig und mit voller Übereinstimmung preist, ihn, den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Darum ehrt Gott, indem ihr einander annehmt, wie Christus euch angenommen hat. Ich spreche davon, dass Christus sowohl für das jüdische Volk als auch für die anderen Völker gekommen ist`. Er ist ein Diener derer geworden, die beschnitten sind, ein Diener der Juden,` um die Zusagen, die Gott ihren Stammvätern gegeben hatte, einzulösen und damit die Treue Gottes und die Wahrheit seines Wortes unter Beweis zu stellen. Aber auch die anderen Völker preisen Gott, weil sie durch Christus` sein Erbarmen erfahren haben. Das bestätigt die Schrift. Es heißt an einer Stelle:»Darum will ich mich vor den Völkern zu dir bekennen; zum Ruhm deines Namens will ich dir Loblieder singen.«an einer anderen Stelle heißt es:»stimmt mit ein, ihr Völker, in den Jubel seines Volkes!«Wieder an einer anderen Stelle heißt es:»lobt den Herrn, all ihr Völker! Alle Nationen sollen ihn preisen.«und Jesaja sagt:» Bald` wird er da sein, der Spross, der aus der Wurzel des Isai hervorwächst; er wird sich erheben, um die Herrschaft über die Völker auszuüben. Auf ihn werden die Völker hoffen.«darum ist es mein Wunsch, dass Gott, die Quelle aller Hoffnung, euch in eurem Glauben volle Freude und vollen Frieden schenkt, damit eure Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes immer unerschütterlicher wird. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder, schauen Sie doch einmal nach links und rechts. Wer sitzt neben Ihnen? Direkt neben Ihnen sitzt vielleicht jemand, den Sie gut kennen oder den sie gar mögen, der Ihnen lange vertraut ist, vielleicht sogar ja auch lange schon angetraut ist. Sollte ihr Nachbar oder Ihre Nachbarin Ihr Mann oder Ihre Frau sein, dann hoffe ich, dass Sie ihn oder sie mögen. Falls nicht, empfehle ich die Beratungsstelle für Paare im Haus der Kirche und Diakonie. Nein, im Ernst. Wer sitzt neben Ihnen? Vielleicht jemand mit dem oder mit der sie heute morgen die Kirche betreten haben. Jetzt schauen Sie mal auf die andere Seite. Wer sitzt da? Sitzt da überhaupt jemand, oder ist der Platz leer? Vielleicht ein bisschen weiter in der Kirchenbank? Sitzt da auch jemand, den sie mögen? Oder ist die Frage schon zu hoch gestellt. Kennen Sie die Person(en), die mit ihnen in der Kirchbank sitzen überhaupt? 1
2 Und jetzt wird's spannend! Schauen sie sich mal in der Kirche um. Sitzen da vielleicht Menschen, die sie nicht mögen! Die sollten sie zumindest kennen! Um jemanden nicht zu mögen, muss man ja schließlich schon seine Erfahrungen gemacht haben. Sie dürfen jetzt gerne auch aus dem Augenwinkel schauen und bitte nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen. - pause - Keine Angst, ich frage nicht ab! Liebe Gemeinde, das kommt doch in den besten Familien vor. Wo Gemeinschaft ist, da ist auch Zwist. Den Anderen wahrnehmen, heißt ihn für wahr zu nehmen, ihn so zu sehen, wie er ist. Mit Stärken und Schwächen. Die wir vermutlich alle haben. Warum sollte das in der Evangelischen Kirchengemeinde Herborn anders sein als in der ersten Christengemeinde in Rom, an die Paulus unseren Predigttext schrieb. Die Themen, die uns auseinander bringen sind vielleicht andere als damals, aber es gibt sie doch und wir tun gut daran, nicht so zu tun, als wäre das nicht so. Damals waren es Judenchristen, als Christen, die sich aus dem Judentum haben taufen lassen und Heidenchristen, Christen aus den anderen Völkern, die sich stritten. Der Streit entzündet sich an der Frage, was man essen darf und was nicht. Während die einen weiterhin streng die biblischen Gesetze befolgen, nehmen es die anderen mit den Speisevorschriften nicht so genau. Dies führt schließlich dazu, dass man nicht mehr gemeinsam essen und bald auch nicht mehr zusammen beten kann. Wir lachen heute eher darüber. Aber doch auch bei uns, in unserer Gemeinde, kommen Menschen zusammen, die unterschiedliche Vorstellungen darüber haben, was im Leben wichtig ist und wie Leben erfülltes Leben wird. Menschen, die sich uneins darüber sind, wie christliches Leben zu gestalten ist. Darf ich an einem sonnigen Sonntag die Wäsche zum Trocknen raushängen oder nicht? Das ist ja noch eine banale Frage. Es gibt aber doch auch die ernsteren Themen: In welcher Form feiern wir gemeinsam Gottesdienst? Sollte moderne Musik im Gottesdienst gespielt werden, oder die schönen alten Lieder? Sollte man nicht die Gottesdienstbesucher mehr einbeziehen, zum "Mitmachen" animieren, oder hat das Bedürfnis der Menschen, einfach nur da zu sein, zu hören, zu beten, nicht auch seinen Wert. Sollte die Gemeinde näher zusammenrücken oder darf sie die Weite haben, in der viele Menschen Platz finden. Nähe und Distanz - Enge und Weite - Wer gehört dazu, wer nicht! Und wer bestimmt das eigentlich!? Getaufte oder Ungetaufte? Homo- oder Heterosexuell? Kirchgänger oder Kirchenferne? Fromme oder Weihnachtschristen? Sünder oder Gerechte? "Lieber Gott, ich danke dir, dass ich nicht so bin wie die anderen!" 2
3 Sie merken, welch Explosionskraft in den Spannungen unserer Zeit liegt. Genügen Zündstoff einander in die Haare zu bekommen. Und wir tun es ja auch kräftig. Und mitten drin wird - Gott sei Dank - wieder Weihnachten. Aber noch nicht! Noch ist Advent. Die Zeit der Sehnsucht und der Erwartungen. Und die Erwartungen sind hoch - nicht nur an die eigene Gemeinde. "Straßen, Markt und Wohnzimmer versuchen, das Idyll vergangener Tage nachzuzeichnen, eine Erinnerung aus einem fernen Land zu erzeugen, ein altes Suchen nach vielleicht schon Verlorenem. Wir finden Bilder und Geschichten von früher und erinnern uns an die, die dieses Jahr fehlen werden, die wir ganz besonders an Weihnachten vermissen: den Vater, auf den Verlass war; die Mutter, bei der wir immer zuhause waren; und ein Kind in der Krippe." Die Erwartung an Weihnachten ist hoch. Und wir setzen uns unter Druck. "Die Zeit der vielen Taten, der Feiern, nicht immer glücklich, aber immer geboren aus reichlich gutem Willen, oder Einsamkeit, oder Familienchaos und Verhältnissen, die ins Leere laufen eigentlich schon das ganze Jahr, aber an Weihnachten besonders. Auch wenn es an Weihnachten eigentlich darum geht, wie Gott seine Beziehung zu den Menschen neu bestimmt, dreht sich die Weihnachtserfahrung der allermeisten eher um die Frage, ob und wie Familien oder Freunde wieder zusammenkommen können. Insofern ist Weihnachten ein Fest, das an der Beziehungsfront, gefeiert oder eben oft eher ausgefochten wird." (Benedikt Hänsel, Vikar Marktkirchengemeinde Wiesbaden) "Haltet durch", ruft uns da Paulus entgegen. Wir sollen an unseren Erwartungen nicht scheitern. "Denn von Gott kommt alle Ermutigung und alle Kraft, um durchzuhalten. Durchhalten, bis unsere Hoffnung erfüllt wird". Ihr Lieben, das ist nicht der Glaube, dass sich unsere Erwartungen erfüllen, sondern unsere Hoffnung. Wir erwarten zu viel und hoffen zu wenig! "Gott kommt nicht in die Welt um alle unsere Erwartungen zu erfüllen, sondern alle seine Verheißung!" (Dietrich Bonhoeffer). Und seine Verheißung erfüllt sich. Wie haben wir es in der Lesung gehört: " Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert." (Mt. 11, 5-6) Sich nicht an Christus ärgern heißt auch, seine eigenen Erwartungen revidieren: Einander annehmen, heißt nicht, den Menschen so haben zu wollen, wie er sein sollte. Denn das Leben ist nicht so! Die Menschen sind nicht so! "Die Verhältnisse sind nicht so!" (Berthold Brecht). Den Traumprinzen gibt es eben nur im Traum! Wer die Schablone der zu hohen Erwartung an einen Menschen legt, der wird einsam werden.. 3
4 Und mitten in die harte Wirklichkeit hinein dann das Wort unserer Predigttextes: Nehmet einander an. Der Satz scheint gerade in der Adventszeit unserem Bedürfnis nach Frieden in unseren Familien und auch nach einer heilen Welt entgegenzukommen. Wir sehnen uns nach Wärme, nach Liebe und Geborgenheit. Da rücken wir gerne näher zueinander. - Und scheitern oft an den zu hohen Erwartungen an uns und andere. Wir sehnen uns nach enger Gemeinschaft, nach Familie in der Gemeinde, nach einer Gemeinschaft unter Freunden, und scheitern auch hier an der Realität. Weil wir, wie bei allen überhöhten Erwartungen, nicht auf das sehen, was ist, sondern was wir gerne hätten. Dabei geschieht das Wunder doch gerade hier vor unseren Augen - das Wunder der Gemeinschaft uns damit das Wunder von Weihnachten. Gerade jetzt und hier hat sich Gemeinschaft im hören der Predigt, im gemeinsamen Singen, im gemeinsame Gotteslob realisiert. Wenn es so ist, dass wir mit Menschen in einem Raum sitzen, mit denen wir ansonsten nicht unbedingt Pferde stehlen würden, dann ist es ein Wunder vor unseren Augen, dass wir gemeinsam singen, essen, trinken und beten. Weil Gottesdienst von der wechselseitigen vertikalen Beziehung Gottes zu uns gespeist wird, ist Gemeinschaft zwischen uns in der horizontalen Wechselwirkung überhaupt erst möglich. Wo gibt es das denn sonst noch, dass ich freiwillig mit Menschen zusammenkommen, die ich unter Umständen nicht mag. Das ich mit ihnen zusammen an einen Tisch zum Essen und Trinken gehe, so wie wir es gleich tun werden. Das wir uns sogar untereinander die Hände reichen werden - obwohl es zwischen uns Spannungen gibt. Das ist allein das Versöhnungswerk Christi. Weil er in die Welt gekommen ist, weil er uns durch die Sakramente Taufe und Abendmahl unsere Gemeinschaft gestiftet hat, geschieht das Wunder der Gemeinde. "Nehmt einander an, wie Christus Euch angenommen hat", heißt die Fehler des Anderen zu sehen und ihn dennoch Wert zu schätzen, weil er ebenso geliebtes Kind Gottes ist, wie ich eines bin. Und das macht uns zu Schwestern und Brüdern. So wie Jesus den blinden fragt: "Was willst du, das ich dir tue?" oder zu dem Lahmen "Nimm dein Bett und geh!" oder zu dem Gehörlosen, dass der Himmel sich öffnen solle und er in seinem Leid angesehen werde oder zu dem Aussätzigen "Ich will, dass du gesund wirst!", so sind wir dazu berufen, unsern Blickwinkel nicht auf die Fehler des Nächsten zu legen, sondern zu erkenne, dass gerade die mit Fehlern Behafteten - und das sind wir doch alle - von Gott geliebte Kinder sind. Der Wert eines Menschen ergibt sich nämlich nicht aus seinem Sein abzüglich der Summe seiner Fehler, sondern die Würde des Menschen konkretisiert sich im Angenommen Sein durch Christus - trotz unserer Fehler. 4
5 Und somit vollzieht sich unsere Hoffnung im Akt des Lobens. Im Gottesdienst geschieht ein Stück Himmel auf Erden. Daher singen wir in jedem Gottesdienst die Weihnachtsbotschaft der Engel: "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden", weil Gott durch Christus die Beziehung zu uns sucht. So sind wir mit unseren Fehlern Kinder seins Wohlgefallens. Das ist der Grund, warum Paulus in unserem Predigttext das lob hervorhebt. Vier alttestamentliche Zitate sollen belegen, dass im gemeinsamen Lob, von Heiden und Juden, von allen die zum Gottesdienst zusammenkommen, das Angenommen-Sein Wirklichkeit wird. Einträchtige Gesinnung realisiert sich im einmütigen Lobe (V. 5) Wenn wir also nachher gemeinsam zum Abendmahl gehen, dann müssen wir uns nicht alle lieben - wahrlich nicht. Alles andere wäre Heuchelei, die man Christen oft genug vorwirft und auch vorwerfen kann! Aber wir dürfen uns als geliebte Kinder in einer Gemeinschaft sehen, die sich nicht auf unsere Erwartungen gründet, sondern auf unsere Hoffnung, trotz aller Differenzen und Unterschiede, trotz Streit und Unfriede, geliebte und angenommene Kinder Gottes zu sein. Und so schließe ich mit Paulus: Darum ist es mein Wunsch, dass Gott, die Quelle aller Hoffnung, euch in eurem Glauben volle Freude und vollen Frieden schenkt, damit eure Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes immer unerschütterlicher wird. Amen. 5
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