Filmskript zur Sendung Arm und Reich Sendereihe: China DVD-Signatur Medienzentren:
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- Samuel Lenz
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1 00:48 01:06 Frau mit Regenschirm, Shanghai Wenn es stark regnet, tropft Wasser ins Haus. Wir fordern, dass die Regierung mehr Toiletten baut. Wir benutzen immer noch Nachttöpfe. In meiner Familie behelfen wir uns seit mehr als dreißig Jahren mit diesen Nachttöpfen! 01:09-01:22 Rentnerin, rotes Regencape Um den Nachttopf zu leeren, muss ich ziemlich weit laufen. Dabei bin ich gestürzt. Ich habe mich am Handgelenk verletzt und am Bein. 01:26 01:37 Rentnerin, rotes Regencape Wir müssen diese Nachttöpfe jeden Tag leeren. Aber dafür bin ich zu alt. Für mich ist es gefährlich, wenn ich falle. 01:38-01:53 Zhou Dunren, Professor, Fudan Universität, Shanghai Alles kostet heutzutage Geld, wenn man so will. Auch die Reformen und die Liberalisierung der chinesischen Wirtschaft haben einen hohen Preis. 01:57-02:22 Kommentar Noch vor dreißig Jahren galt China als Entwicklungsland. Heute ist es die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Dieser rasante Wandel ist einmalig in der Geschichte. Mehrere hundert Millionen Chinesen haben die Armut hinter sich gelassen. Aber während China insgesamt reicher wird, wächst die Kluft zwischen Arm und Reich auf alarmierende Weise. 02:23 03:01 Xie Chuntao, Professor, Zentrale Parteihochschule der chinesischen KP In China gibt es ein enorm großes Einkommensgefälle - es ist größer als in vielen europäischen Ländern. Die Ursachen dafür sind vielfältig und komplex. 1978, vor den Reformen, waren die Einkommensunterschiede ziemlich gering; damals waren einfach alle arm. Als Deng Xiaoping die Reformen einführte, sagte er, dass es zunächst nur Einigen vorbehalten sei, reich zu werden, weil China so groß sei. Es sei unmöglich, dass alle gleichzeitig zu Wohlstand gelangten. 03:05-03:22 Kommentar Heute ist China eine Klassengesellschaft mit einer wachsenden Mittelklasse: Etwa 150 Millionen wohl situierte und gut ausgebildete Chinesen verdienen viel Geld, besitzen Häuser und reisen häufig ins Ausland. 03:23-03:28 Kommentar In Shanghai findet man viele von ihnen bei IKEA.
2 03:28 04:00 Zhuang Biaowei, Techniker Es ist schwierig, den wirtschaftlichen Status eines Haushalts einzuschätzen. Ein mittleres Einkommen bedeutet nicht automatisch, dass man zur Mittelklasse gehört. Man könnte eher sagen, wer ein mittleres Einkommen hat oder einen durchschnittlichen Lebensstandard, befindet sich irgendwo in der Mitte der Gesellschaft. Der Begriff Mittelklasse hat eine andere Bedeutung, er trifft das nicht richtig. 04:18-04:29 Zhuang Biaowei, Techniker für Online-Spiele Wenn ein Haushalt über ein Vermögen von mehr als einer Million Euro verfügt, gilt er in Shanghai als Mittelklasse-Haushalt. Aber so reich sind wir nicht. 04:43 05:04 Gu Chen, Staatliche Wasser-Inspektorin Unsere alte Wohnung war größer und besser. Wir hatten ein Zimmer mehr und eine extra Toilette. Die Wohngegend war grüner und für Kinder besser geeignet. Wir haben uns für diese Wohnung entschieden, weil wir hier näher bei unseren Eltern sind und weil es eine gute Schule für unseren Sohn gibt. 05:04-05:37 Zhuang Biaowei In Shanghai hängt die Zuweisung zu einer Schule vom Wohnort des Schülers ab. Wir kennen einige Leute, die sehr schöne Wohnungen aufgegeben haben, nur um näher an einer guten Schule zu wohnen. Die Menschen nehmen schlechtere Wohnungen in Kauf, wenn dafür eine gute Schule in der Nähe ist. Manchmal verlassen sie eine 100 Quadratmeter große Wohnung und ziehen in eine mit 40 Quadratmetern - Hauptsache, sie ist in der Nähe einer guten Schule. 05:55-05:59 Zhuang Biaowei Die Ein-Kind-Politik ist ein großes Thema. 05:59-06:53 Gu Chen Die meisten Familien wollen heutzutage kein zweites Kind; die Einschränkungen und der Druck sind ihnen zu groß. Im internationalen Vergleich sind chinesische Eltern überdurchschnittlich auf ihre Kinder fixiert. Sie verwenden unglaublich viel Energie darauf, sie groß zu ziehen. Wir tun alles für unsere Kinder, und die Großeltern auch. Abgesehen davon ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt in China, und besonders in Shanghai, sehr angespannt. Es ist schwer, sich ein eigenes Haus zu kaufen. Eltern müssen ihren Kindern unter die Arme greifen. Da ist es besser, nur ein Kind zu haben. Als Eltern müssen wir in der Lage sein, jedes Kind, das wir haben, auch zu finanzieren. 06:57 06:59 Zhuang Biaowei Das ist unser Arbeitszimmer.
3 07:00-07:15 Gu Chen Wir haben nicht genug Zimmer. Deshalb haben wir diesen Teil des Raums zu einem Arbeitszimmer gemacht. Der kleine Tisch gehört Diandian; und der große uns. 07:13 Sag Hallo, Diandian! 07:18 07:49 Gu Chen Wir haben eine ganze Menge Bücher und Fotos, und ein paar Andenken. Normalerweise sitzen wir zu fünft an diesem Tisch. Hier essen wir. Manchmal essen die Großeltern mit uns; wenn nicht, sind wir zu dritt. Wir leben so wie die meisten Menschen in Shanghai. Wir arbeiten beide Vollzeit. 07:49 08:07 Zhuang Biaowei Normalerweise holen meine Eltern unseren Sohn von der Schule ab. Sie bringen ihn her und bleiben dann noch ein bisschen. Meine Frau kommt vor mir nach Hause. Wenn sie da ist, gehen meine Eltern. Ich komme normalerweise erst nach 19 Uhr nach Hause, ziemlich spät also. 08:23-08:39 Gu Chen Wir hoffen, dass wir im Alter noch gesund sind und etwas Geld haben. Und wir hoffen, dass unser Sohn dann gesund ist und sein eigenes, glückliches Leben führt, damit wir tun können, was wir möchten. Das wäre eine gute Aussicht! 08:40-08:46 Zhuang Biaowei Wir sprechen oft über all die Orte, die wir besuchen wollen, wenn wir alt sind. 08:47 09:01 Gu Chen Wir möchten etwas von der Welt sehen. Dafür brauchen wir eine gute Gesundheit und Geld. Wir hoffen, dass wir beides haben werden, wenn wir pensioniert sind. 09:02-09:09 Zhuang Biaowei Und noch etwas! Es wäre toll, wenn ich mit 45 in Rente gehen könnte. Aber ich bin nicht sicher, dass es klappt... 09:10-09:11 Gu Chen Das könnte schwierig werden. 09:34 Kommentar In der 18-Millionenstadt Shanghai ist ein Großteil der Finanzelite ansässig, die in den letzten zwanzig Jahren Vermögen im Wert von Hunderten Millionen Euro angehäuft hat.
4 09:45 09:59 Kommentar Rupert Hoogewerf ist der Begründer und Herausgeber des Hurun Report, einer Rangliste der eintausend Chinesen, die ein Jahreseinkommen von mehr als 240 Millionen Euro haben. 10:00-10:28 Rupert Hoogewerf, Herausgeber des Hurun Report Während der letzten zwanzig Jahre waren Immobilien die Hauptquelle für Reichtum in China. Man könnte sogar sagen: Es war die Verstädterung. In dieser Zeit sind 300 bis 400 Millionen Menschen vom Land in die Städte gezogen. Dort brauchten sie Raum zum Wohnen, Arbeiten und Einkaufen. Die Projektentwickler, die diese Infrastruktur bereit gestellt haben, sind heute die Reichsten. 10:30-10:44 Kommentar In China sind Millionäre und Milliardäre wesentlich jünger als im Westen. Ihr Vermögen haben sie zwar in China gemacht, aber mehr als die Hälfte von ihnen will ins Ausland gehen. 10:44 11:22 Rupert Hoogewerf, Herausgeber des Hurun Report 60 Prozent der Millionäre, die wir befragt haben, sind bereits ausgewandert oder denken daran, es zu tun. Das sorgt für viel Aufregung. Die Menschen fragen sich, warum die Reichen gehen wollen. Machen sie sich Sorgen um Chinas politische Zukunft? Befürchten sie, dass es Unruhen geben wird? Außerdem schicken etwa 85 bis 90 Prozent dieser Reichen ihre Kinder zum Studieren ins Ausland. Sie halten das Bildungssystem im Ausland für besser. Das war und ist immer noch ein viel diskutiertes Thema. 11:26-11:36 Kommentar Unter den Reichen Chinas kommt es immer mehr in Mode, sich bei Wohltätigkeitsveranstaltungen zu engagieren. Bereitwillig spenden sie für Katastrophenhilfe oder Bildung. 11:53-12:04 Kommentar Der Unternehmer Wei Ran leistet gemeinnützige Arbeit auf dem Land - dort, wo die 130 Millionen ärmsten Chinesen leben. Heute besucht er Dörfer in der Provinz Guizhou. 12:08-12:20 Frau im Off Als er das erste Mal hierher kam, dachten alle, er sei ein Betrüger. Wer hilft schon anderen, ohne Geld zu verlangen? Wir konnten das nicht glauben. 12:21-12:30 Kommentar Wei Rans Ziel ist, Dörfer zu besuchen. Er will Hilfe zur Selbsthilfe leisten und den Familien in diesen Dörfern helfen, ein besseres Leben zu führen.
5 12:31-12:45 Wei Ran, Unternehmer Ich spreche in den Dörfern und Haushalten ausführlich mit den Betroffenen. Ich schaue mir die geographischen Gegebenheiten an. Wenn ich mir ein Bild von den Bedingungen gemacht habe, gründe ich Projekte zur Beseitigung der Armut. 12:58-13:14 Herr Song, Bürgermeister Wir können hier nur beten, dass wir genügend zu essen haben. Viel mehr können wir nicht tun die geographischen Bedingungen sind so schlecht, mit den steilen Bergen. 13:17-13:25 Wei Ran, Unternehmer Die Projekte, für die ich mich engagiere, gehen immer von der Familie und ihrer finanziellen Situation aus. 13:25 13:30 Wei Ran Wo ist die Küche? Wie viele Leute leben hier? 13:31 13:32 Bauer 1 Wir sind zu zweit. 13:33 13:35 Wei Ran Wer lebt mit Ihnen zusammen? 13:36 13:37 Bauer 1 Meine Frau. 13:37 13:39 Wei Ran Und Ihre Kinder? 13:39 13:40 Bauer 1 Die sind in Guiyang. 13:41 13:43 Wei Ran Arbeiten oder studieren sie? 13:43 13:45 Bauer 1 Sie arbeiten. 13:46 13:48 Wei Ran
6 Wie viele Kinder haben Sie? 13:48 Bauer 1 Drei. 13:49 51 Wei Ran Wie alt ist ihr jüngstes? 13:52-13:54 Bauer 1 Mitte zwanzig. 13:58-14:52 Wei Ran, Unternehmer Als ich zum ersten Mal die Obdachlosen und Bettler in den Städten sah, vor allem die vielen Bauern, die keine Arbeit finden konnten, habe ich mir gewünscht, ich könnte etwas für sie tun oder ihnen einen Job verschaffen. Ich fühle mich diesen verarmten Menschen verbunden und so habe ich angefangen, mich um sie zu kümmern. Die Meisten kommen vom Land. Um ihnen zu helfen, muss man ihre Probleme bei der Wurzel packen. Sie brauchen berufliche Beratung und Hilfe bei der Suche nach einer Verdienstmöglichkeit zu Hause. Denn wenn sie in ihrem Dorf bleiben können, werden sie nicht obdachlos und brauchen nicht zu betteln. Wie kann man Armut unter so schlechten Bedingungen beseitigen? 14:53 14:57 Yang Changqing, Bauer In einem guten Jahr wäre die Wurzel so groß geworden. 14:58 Wei Ran Das stimmt. 15:01 15:05 Yang Changqing, Bauer Wenn sie nicht so groß wird, gibt es keinen Mais. 15:06 Wei Ran Oh je, das ist schlimm. 15:07-15:10 Yang Changqing Nicht einmal Unkraut kann hier wachsen. 15:11-15:15 Wei Ran Wie lange dauert diese Dürre schon?
7 15:16-15:19 Bauer 2, Wasserträger Sieben Monate! 15:22-15:34 Bauer 2, Wasserträger Schon sieben Monate! Seit dem letzten Frühling gab es keinen Regen. Das ist sieben Monate her. Was sollen wir machen? Die Behörden haben heute ein Feuerwehrauto geschickt, aber es gibt kein Wasser. 15:36-15:39 Wei Ran Wie oft bekommen Sie Wasser am Tag? 15:39-15:50 Bauer 2, Wasserträger Wir müssen es jetzt selbst herschleppen. Die Feuerwehr kommt nur, wenn sie Zeit hat. Ansonsten sind wir auf uns alleine gestellt. 16:07-16:11 Kind Mama, ich will Wasser trinken! 16:12-16:53 Yang Changqing, Bauer Dass wir finanzielle Probleme haben, liegt vor allem an den hohen Schulgebühren. Es ist nicht einfach, genug Geld zu verdienen. Die Gebühren müssen einmal pro Schuljahr bezahlt werden. Sie betragen etwa 740 Euro. Wir verdienen aber nur etwa bis Euro im Jahr. Wir machen Aushilfsjobs. Wir können nur Grundnahrungsmittel selbst anbauen. Das reicht gerade zum Überleben. 16:53-16:58 Yang Changqing Essen Sie mit uns. Essen Sie, essen Sie! 16:59-17:43 Sheng Shangxue, Bauer Die meisten von uns haben keine größeren Probleme. Aber wenn jemand krank wird, ist es sehr schwierig für die Familie. Man muss dann Tausende von Euro für die medizinische Versorgung bezahlen. Das ist einfach so. Abgesehen davon, haben wir keine besonders großen Probleme. Wenn es eine Dürre gibt, schicken uns die Behörden mehrmals am Tag Trinkwasser. In der Vergangenheit hätte sich niemand darum gekümmert. Es hätte keinen interessiert, ob wir verhungert wären. 17:54-18:09 Wei Ran, Unternehmer
8 China hat sich sehr verändert; es gibt mehr Offenheit und Freiheit. Die Menschen haben viel mehr Freiheit als das früher der Fall war, während meiner Kindheit. 18:26-18:56 Xie Chuntao, Professor, Zentrale Parteihochschule der chinesischen KP In den Städten ist der Lebensstandard hoch, aber auf dem Land ist er sehr niedrig. Das liegt daran, dass die Ackerfläche, die jedem Bauer zur Verfügung steht, im internationalen Vergleich klein ist. Wer Landwirtschaft betreibt, wird niemals reich werden; deshalb fördert die Regierung den Umzug in die Städte. Die Menschen sollen in der Industrie oder im Dienstleistungssektor in den Städten arbeiten. So wird sich ihr Lebensstandard verbessern. 19:03-19:40 Kommentar Seit Ende der 1980er Jahre haben mehr als 250 Millionen arme Bauern ihre Heimatdörfer verlassen um Arbeit zu finden und ihren Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen zu können. Als Wanderarbeiter arbeiten sie häufig weit entfernt von ihren Kindern, die sie bei den Großeltern oder anderen Verwandten zurücklassen müssen. Das chinesische Meldesystem macht ihre Lage besonders schwierig. Wer nicht in der Stadt gemeldet ist, hat dort kein Anrecht auf Sozialleistungen. Frau Zhang und ihr Mann verkaufen in Peking Lebensmittel; auch sie hoffen auf ein besseres Leben. 19:41 20:44 Frau Zhang, Lebensmittelhändlerin Wir haben unseren Laden vor dreizehn Jahren eröffnet. Ich habe meinen Mann kennengelernt, als ich ungefähr zwanzig war. Wir sind zusammen nach Peking gezogen. Nach einiger Zeit sind wir nach Hause zurück gekehrt, aber nachdem wir unsere Kinder bekommen hatten, sind wir endgültig hierher gezogen. Seitdem leben wir in Peking, seit mehr als zehn Jahren. Aber wir sind in Peking nicht gemeldet. Wir sind in einer anderen Stadt gemeldet. Wir können uns hier nicht anmelden. Wenn man nicht aus Peking stammt, darf man das nicht, denn Peking ist so schon riesig; es ist unmöglich. Wenn sich jeder in Peking anmelden könnte, würde die Stadt aus allen Nähten platzen. 20:52 22:15 Frau Zhang Wir haben nicht vor, eine Versicherung abzuschließen. Das ist zu teuer. Wir müssten jedes Jahr Geld einbezahlen. Das können wir uns nicht leisten. Man bekommt nur Geld für Sozialleistungen, wenn man einen bestimmten Betrag einbezahlt hat. Wir haben keine Versicherung. Wir planen, im Alter nach Hause zurückzukehren. Dort haben wir Anspruch auf Sozialleistungen. Hier haben wir nichts. Wir fahren nur selten zu Besuch nach Hause. So alle zwei oder drei Jahre. Wir fahren wirklich sehr selten. Nur einer kann fahren. Wir können nicht zusammen fahren. Unsere Tochter lebte früher bei meiner Mutter, ihrer Großmutter. Als sie zwei Jahre alt war, musste sie zu meinen Eltern. Meine Tochter ist also dort aufgewachsen. Nicht bei uns in Peking.
9 22:17-22:19 Frau Zhang Bierflaschen? Wie viele? 22:19 22:20 Kunde Sechs. 22:25 23:35 Frau Zhang Wir haben sie so sehr vermisst! Aber wir hatten keine Wahl. Wir mussten Geld verdienen. Wir hatten kein Telefon. Wir mussten darauf warten, dass wir uns einmal im Jahr sehen konnten. Mit der Zeit wurde es einfacher als am Anfang. Wir haben sie nicht mehr so vermisst. Jetzt haben wir Telefon. Früher haben wir uns nur unterhalten, wenn wir uns einmal im Jahr getroffen haben. Jetzt sprechen wir fast jeden Tag miteinander, manchmal auch über den Computer, so dass wir sie sehen können. Das ist toll. Das gab es früher nicht. Da konnten wir nur warten. Ich hoffe, dass meine Tochter zur Universität geht, wenn sie älter ist. Wenn nicht, soll sie zur Armee gehen. Für meinen Sohn gilt dasselbe. Ich möchte, dass er an der Universität studiert, aber wenn er das nicht kann, soll er zur Armee. Ich möchte nicht, dass sie einen Laden haben. Das ist viel zu anstrengend. 23:38-23:55 Kommentar Man schätzt, dass es in China fast einhundert Millionen Kinder gibt, die ihre Eltern nur wenige Male im Jahr sehen. Lehrer berichten von Kindern, denen es schlecht geht, die schulische Probleme haben, und sich nichts mehr wünschen, als dass ihre Eltern nach Hause zurück kommen. 23:57-24:38 Herr Zhang, Lebensmittelhändler Wir arbeiten zu viel. Wir hätten keine Zeit, uns um die Kinder zu kümmern. Sie sind beide in einem Internat. Für unseren Sohn kostet das ungefähr Euro im Jahr. Für unsere Tochter ist es nicht ganz so teuer. Etwa Euro im Jahr. Die Schulgebühren für beide zusammen betragen also etwa Euro. Aber wir geben natürlich mehr als Euro aus. Sie brauchen ja auch Taschengeld, für Kleider und andere Dinge. Wir verdienen etwa 10 bis Euro im Jahr. 24:42 25:02 Frau Zhang Wir nehmen nie auch nur einen einzigen Tag frei. Wir arbeiten immer. Wir haben keine freien Wochenenden. Das hatten wir noch nie. Wir arbeiten jeden Tag. Wir arbeiten sogar, wenn wir krank sind. Wir haben unseren Laden noch nie geschlossen. Noch gar nie. 25:03-25:09 Herr Zhang Wir streiten nicht; jeder kümmert sich um seinen eigenen Kram. Wir haben uns noch nie gestritten.
10 25:09 25:32 Frau Zhang Natürlich haben wir uns schon gestritten! Wir streiten, wenn wir sonst nichts zu tun haben. Nur dann. Ansonsten arbeiten wir. Wir sind nicht wie diese Paare, die die ganze Zeit zanken. Meistens sind wir nett zueinander. 25:47 26:02 Frau Zhang Auf dem Land ist das Leben angenehmer. Dort kann man Karten spielen, Gemüse anbauen, Blumen züchten und spazieren gehen. In Peking ist der Druck größer. 26:13-26:37 Kommentar In China gibt es mehr als 250 Millionen Wanderarbeiter; das ist etwa die Hälfte der erwerbstätigen Bevölkerung. Sie stellen eine enorme gesellschaftliche Kraft dar und fangen an, Sozialleistungen und höhere Löhne einzufordern. Und das ist erst der Anfang, meint Professor Wang, ein Vertreter der Neuen Linken Chinas. 26:38 27:14 Wang Hui, Professor, Tsinghua Universität Peking Die so genannte Neue Arbeiterklasse der bäuerlichen Wanderarbeiter macht sich lautstark bemerkbar. Letztes Jahr ist so etwas geschehen: Es gab diesen Streik bei Honda. Sie haben erreicht, dass die Gewerkschaften neu organisiert wurden, sodass die Arbeiter sich zusammen tun konnten, um eigenverantwortlich zu verhandeln. Solche Aktionen könnten sich meiner Ansicht nach auch auf andere Unternehmen oder Bereiche auswirken auf öffentliche, private, internationale... 27:14-27:37 Kommentar In den vergangenen Jahren haben Proteste und Streiks zu Veränderungen geführt. Die Löhne sind gestiegen und das Sozialversicherungssystem ist erneuert worden. Die Kommunistische Partei weiß, dass sich die Lage der Arbeiter verbessern muss; andernfalls wird es schwer sein, eine harmonische Gesellschaft zu verwirklichen, wie es der aktuelle Fünf-Jahres-Plan vorsieht. 27:37-27:58 Zhou Dunren, Professor, Universität Fudan, Shanghai Wie jeder weiß, führt ein großes Einkommensgefälle zu sozialer Unzufriedenheit. Das ist nicht gut für eine gesunde Gesellschaft. Wenn man jemanden sieht, der reich ist, furchtbar reich, unanständig reich, dann wird man wütend. Und wenn man wütend ist, tut man vielleicht Dinge, die man gar nicht tun will. 27:59 Abspann
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