Brandenburgisches Oberlandesgericht. Beschluss
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- Hinrich Beyer
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1 2 Ss (OWi) 191 B/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht 3 Ss (OWi) 390/00 Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg 16 OWi 122/00 Amtsgericht Schwedt/Oder 200 Js (OWi) 9680/99 Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder (Zweigstelle Eberswalde) 004 Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss In dem Bußgeldverfahren g e g e n D B..., geboren am... in..., wohnhaft:..., w e g e n fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hat der 2. Strafsenat als Senat für Bußgeldsachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht..., den Richter am Oberlandesgericht... und den Richter am Landgericht... am 19. Oktober 2000 b e s c h l o s s e n : Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Schwedt/Oder vom 24. Mai 2000 im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Schwedt/Oder zurückverwiesen.
2 - 2 - G r ü n d e : Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 41 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften gemäß 49 Abs. 1 Nr. 3 (richtig: 49 Abs. 3 Nr. 4), 41 Abs. 2 Nr. 7 (VZ 274) StVO in Verbindung mit 24 StVG zu einer Geldbuße von 250,00 DM verurteilt, von der Verhängung eines nach dem Bußgeldkatalog vorgesehenen einmonatigen Fahrverbots jedoch abgesehen. Nach den dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Feststellungen befuhr der Betroffene am 4. Juli 1999 um 12:14 Uhr als Führer eines Personenkraftwagens die Bundesautobahn... (BAB...) in Fahrtrichtung P... Bei Kilometer 56,5 wurde das von dem Betroffenen gelenkte Fahrzeug unter Berücksichtigung eines dem Ausgleich eventueller Messungenauigkeiten dienenden Toleranzwertes von 4 km/h mit einer Geschwindigkeit von 121 km/h gemessen, so dass die Geschwindigkeitsüberschreitung - bei höchstzulässigen 80 km/h - 41 km/h betrug. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat der Amtsrichter mit folgender Begründung Abstand genommen: Der Betroffene ist als Schweißer bei einer Leiharbeitsfirma, der Firma D... in H..., tätig. Er wird von dieser Firma auf häufig wechselnden Baustellen eingesetzt, überwiegend zu Reparaturarbeiten auf Zechen, häufig auch an Wochenenden. Das Einsatzgebiet umfaßt das gesamte Bundesland Nordrhein-Westfalen. Der Betroffene steht bislang nur in einem Probe-Arbeitsverhältnis und erhält keinen Urlaub. Ein Fahrverbot würde zum Verlust seines Arbeitsplatzes führen, da zahlreiche Baustellen mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen sind. Insbesondere an den Wochenenden besteht zu den Zechen kein Busverkehr.... Das Gericht hat bei seiner Entscheidung zudem berücksichtigt, daß der Betroffene bereits bei einer um 1 km/h geringeren Geschwindigkeit nach dem Regelsatz des Bußgeldkataloges kein Fahrverbot zu erwarten gehabt hätte. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die trotz der irreführenden Wendung: Es wird Aufklärungsrüge erhoben... in Wirklichkeit die Verletzung materiellen Rechts rügt. Wie dem Gesamtzusammenhang der Rechtsbeschwerdebegründung zu entnehmen ist, beanstandet sie, dass von der Regelahndung nach der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) abgesehen worden ist.
3 - 3 - Das wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsmittel hat (vorläufig) Erfolg. Es führt wegen der Wechselwirkung von Geldbuße und Fahrverbot zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Nach den für den Senat auf Grund der Rechtsmittelbeschränkung bindenden Feststellungen kommt nach 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) die Anordnung eines Fahrverbots gemäß 25 Abs. 1 S. 1 StVG wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers regelmäßig in Betracht. Denn die Überschreitung der außerhalb geschlossener Ortschaften zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 41 km/h ist ein von Nr der Tabelle 1a Buchst. c des Anhangs zur BKatV erfasster Tatbestand, für den eine Geldbuße von 200,00 DM und ein Fahrverbot von einem Monat vorgesehen ist. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert das Vorliegen eines groben Pflichtverstoßes im Sinne von 25 Abs. 1 S. 1 StVG, der ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes bedarf (BGHSt 38, 125, 134). Von dieser Regelahndung kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn für den Fall der Verhängung eines Fahrverbots eine außergewöhnliche Härte gegeben, beispielsweise die wirtschaftliche Existenz eines Selbständigen bedroht oder der Verlust eines Arbeitsplatzes bei einem Arbeitnehmers zu befürchten wäre oder wenn das Tatgeschehen nicht ohne weiteres ein entsprechend hohes Maß an verantwortungslosem Handeln erkennen lässt, sich die Tat also von den in 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKatV genannten Regelfällen zu Gunsten des Betroffenen unterscheidet (BGH a.a.o.). Dabei bedarf ein Abweichen von der regelmäßig nach dem Bußgeldkatalog vorgesehenen Ahndung in jedem Fall einer eingehenden, auf Tatsachen beruhenden Begründung (vgl. BbgOLG JMBl. 1996, 159; 1999, 106; Senatsbeschl. v Ss (OWi) 13 B/97, v Ss (OWi) 21 B/97, v Ss (OWi) 25 B/97 -). Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht: Die Mitteilung, der Betroffene würde im Falle eines Fahrverbotes seinen Arbeitsplatz verlieren, da zahlreiche Baustellen mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen sind, betrifft nicht Tatsachen, sondern beinhaltet ein Wahrscheinlichkeitsurteil darüber, was sich unter bestimmten tatsächlichen Voraussetzungen voraussichtlich ereignen würde. Zu diesem vom
4 - 4 - Tatrichter zu treffenden Wahrscheinlichkeitsurteil gelangt er auf Grund festgestellter Tatsachen, die er im Urteil dokumentieren muss, damit das Rechtsbeschwerdegericht in der Lage ist zu prüfen, ob die aus ihnen gezogenen Schlüsse rechtsfehlerfrei sind (BbgOLG JMBl. 1999, 107). Solche Feststellungen enthält das angefochtene Urteil nicht. Die Darlegungen des Amtsrichters hierzu sind vielmehr so summarisch und oberflächlich, dass sie eine Beurteilung der Frage, ob dem Betroffenen im Falle der Verhängung eines Fahrverbotes tatsächlich der Arbeitsplatzverlust droht, nicht erlauben. Wie die Generalstaatsanwaltschaft mit Recht hervorgehoben hat, fehlen insbesondere Angaben dazu, wie häufig der Betroffene die Baustellen in welchen Zeiträumen wechseln muss, wie häufig und an welchen mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichenden Arbeitsorten er wechseln muss, wie lange das Probe- Arbeitsverhältnis schon dauert, wann mit einer Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu rechnen ist und ab wann ein Urlaubsanspruch besteht. Ob der Betroffene stets allein oder mit mehreren Arbeitskollegen zu Reparaturarbeiten auf Zechen eingesetzt wird, so dass er im letzteren Fall von Arbeitskollegen zu den entsprechenden Arbeitseinsätzen unter Umständen mitgenommen werden könnte, wird ebenfalls nicht mitgeteilt. Ebenso rechtsfehlerhaft und deshalb zu beanstanden ist auch die weitere Erwägung des Amtsrichters, dass der Betroffene bereits bei einer um 1 km/h geringeren Geschwindigkeit nach dem Regelsatz des Bußgeldkataloges kein Fahrverbot zu erwarten gehabt hätte (UA S. 4). Der Tatrichter verkennt insoweit, dass die Regelahndung nach dem Bußgeldkatalog auch dann zum Zuge kommt, wenn die Grenze der das Fahrverbot indizierenden Geschwindigkeit nur knapp - hier um 1 km/h - überschritten wurde. Das ergibt sich aus 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BKatV. In dieser Bestimmung hat der Verordnungsgeber eine Vorbewertung vorgenommen und die Erfüllung des von Nr der Tabelle 1a, Buchst. c des Anhanges erfassten Tatbestands als grobe Pflichtverletzung im Sinne von 25 Abs. 1 S. 1 StVG eingestuft, so dass die Verhängung eines Fahrverbots regelmäßig auch dann in Betracht kommt, wenn der Geschwindigkeitsverstoß die Schnittstelle, ab der in der Regel auch ein Fahrverbot in Betracht kommt, nur geringfügig überschritten hat. Unter diesen Umständen war hiernach das angefochtene Urteil in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang aufzuheben. Die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Eine abschließende Entscheidung durch den Senat nach 79 Abs. 6 OWiG kam nicht in Betracht, weil nicht ausgeschlossen werden kann,
5 - 5 - dass in einer neuen Hauptverhandlung ergänzende Feststellungen getroffen werden, die die Annahme eines Härtefalles und damit unter Umständen den Wegfall des Fahrverbots rechtfertigen könnten
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