Referat über die Untersuchung von A. Bychowsky zur Entwicklungsgeschichte, insbesondere der Nephridien von Clepsine sexoculata Bergmann.
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- Wilfried Engel
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1 Aus dem zoologisch-vergleichend anatomischen Laboratorium der Universität Zürich. Referat über die Untersuchung von A. Bychowsky zur Entwicklungsgeschichte, insbesondere der Nephridien von Clepsine sexoculata Bergmann. Von JOII. JAKOB MENZ1 (Zürich). (AIs Manuskript eingegangen am 16. Januar 1922.) Die ansführlichen Ergebnisse dieser Untersnchung sind in der Revue Snisse de Zoologie, Vol. 29, pnbliziert. Das Material, das lebend beobachtet oder zu Totalpräparaten und Schnittserien verarbeitet wurde, stammt aus der Umgebung von Zürich, hauptsächlich vom Katzensee und vom Ufer des Zürichsees bei Tiefenbrnnnen. A. Biologisches. Die untersnchten einheimischen Vertreter der H i r u d i n e e n (Spezies von Nephelis, Clepsine, Hemiclepsis) sind protandrische Formen. 1/2-1 1/2 Monate vor der Eiablage füllt das reife Sperma die Testes und die Vasa deferentia vollständig, so dass sie ein milchigweisses Aussehen erhalten. Bei den Clepsinen wird der Samen in Spermatophoren eingeschlossen nnd diese an dem andern in die Begattung eintretenden Tiere befestigt. Ein Individuum kann von verschiedenen andern nacheinander mit Spermatophoren versehen werden; so liess sich z. B. beobachten, dass einige Clepsine sexoculata mit 4-6 Spermatophoren im Verlaufe einer Woche versehen wurden. Nach ein bis drei Tagen wird der Inhalt der Samenpatronen ins Körperinnere entleert. Die Eiablage findet bei den meisten Formen im April statt; die Eier werden nach der Befrnchtung nicht einzeln, sondern zu mehreren in Kokons eingeschlossen. Clepsine sexoculata legt in knrzen Zwischenräumen 3-4 Kokons ab, wovon jeder 8-12 Eier enthält, so dass die Gesamtzahl der Eier betragen kann. Mit Hilfe der klebrigen Kokonmembran werden diese Eibehälter an verschiedenen Gegenständen befestigt,
2 10 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Zürich überdies bedecken die Muttertiere ihre abgelegte Brut mit ihrem Körper. Eine interessante Ausnahme macht C l e p si ne b i o c u l a t a, bei der der abgesonderte Kokon an der Banchseite des Elters befestigt wird. Die jungen sich entwickelnden Embryonen verwachsen bei fast allen Glossosiphoniden in der Folge mittelst eines Befestigungshöckers mit der BaUchseite des Muttertieres. Anatomisch stellt sich diese primitive Plazenta als eine Bildung von grossen Epidermiszellen dar, welche von noch grössern des alten Tieres umfasst werden. Man ist berechtigt, hier von einer passiven Brutpflege zu reden, bei der der Zusammenhang zwischen dem Elter nnd dem Embryo ohne bewusste Sorge znstande kommt. Ohne Zweifel ist diese innige Verbindung von Muttertier und Sprössling auf physikalisch-chemische Reize zurückzuführen. Bei einer. afrikanischen Form, M a r s u pi o b - d e l l a a f r i c a n a entwickeln sich die Eier im Innern des mütterlichen Körpers, nnd die jungen Tiere verlassen denselben durch eine, nnr um diese Zeit auf der Bauchseite auftretende Öffnung. B. Äusserlich feststellbare Entwicklungsvorgänge. Alle Glossosiphoniden besitzen grosse, dotterreiche Eier und zeigen eine direkte Entwicklung. Die äussere Gestalt des zu Grunde gelegten Ausgangsstadiums ist einfach, kugelig, der Embryo ist ganz von Ektoderm umwachsen. Das im Zentrum liegende Entoderm besteht aus wenigen dotterreichen Zellen; an welche sich das kompakte Mesoderm an der Ventralseite anschliesst. Der Embryo beginnt in die Länge zu wachsen, das Entoderm schreitet zur Bildung des Darmepithels, und im Mesoderm treten allmählich von vorn nach hinten die segmental angcordneten Coelomräume anf, durch die Dissepimente voneinander getrennt. Die Bauchganglienkette hebt sich deutlich ab, Ober- und Unterschlundganglion werden sichtbar, anfänglich sind 33 Ganglien voneinander getrennt; diese Stadien verraten den charakteristischen A n n e l i d e n e m b r yo. Ist anfänglich der Darm homonom segmentiert, so verliert er bcim Wachstum zum ausgcwachsenen Tier die gleichmässige Gliederung. Die 6 mittleren Darmsegmente heben sich schärfer vom Vorder- und Enddarm ab, sie werden von den Dissepimenten stark eingeschnürt, so dass die 6 Paar Blindsacke entstehen. C. Über die Entwicklung der Nephridien von Clepsine sexoculata-- Bergmann. Die Kenntnisse ven der ontogenetischen. Entwicklung des Anneliden-Nephridiums sind durchaus noch nicht ausreichend. Eine!'erste
3 Jahrg. 67. Jon. JAKOB MENzI. Nephridien von Clepsine sexoculata Bergmann. 11 Hauptfrage bildet die Erörterung der Abstammung der Segmentalorgane. Einerseits kommen Forscher, wie WILSON und VEJDOVSKY anf Grund ihrer Untersnchungen zum Schluss, dass das Ektoderm als Mutterboden für diese exkretorischen Organe in Betracht fällt. Diese Feststellung ist von grösster Wichtigkeit namentlich im Hinblick auf die aufgestellte Homologie zwischen den Anneliden-Nephridien und dem ebenfa lls sehr wahrscheinlich ektodermalen Wassergefäßsystem der Platoden. Anderseits treten andere Antoren, wie BERGH nnd BÜRGER für mesodermale Abstammnng der SegmeHtalorgane ein, wodurch die eben erwähnte Hemologie in Frage gestellt würde. Ein zweites Problem harrt ebenfalls noch der Entscheidung, nämlich: Sind die Nephridienanlagen kontinuierliche, zusammenhängende Gebilde, oder erscheinen sie von ihrem ersten Anftreten an in segmentaler, getrennter Anordnung. An den jungen Clepsine-Embryonen mit noch nicht ausgehöhlten Coelomanlagen kann man Zellen erkennen, die durch ihre relativ grossen Dimensionen und dnrch ihre sehr grossen, chromatinarmen Kerne anffallen. Diese sind mit BERGH als Nephridioblasten zu bezeichnen. Sie.liegen im kempakten Mesoderm eingebettet. Da sie sieh in regelmässigen Zwischenräumen wiederholen, heissen sie auch Se g m e n t z e l l e n. Vom Ektoderm sind sie durch mesodermale Zellschichten getrennt, ebenso bildet die mesodermale syncytiale Masse zwischen je zwei Nephridioblâsten eine kompakte Wand, das Dissepiment, se dass von einer Verbindung der Nephridioblasten miteinander keine Rede sein kann. Selbstverständlich bildet ihr Auffinden ira Mesoderm durchans kein Präjndiz, dass sie Derivat des mittleren Keimblattes sein müssen, denn zur endgültigen Entscheidung dieser Frage müssen noch wesentlich jüngere Entwicklungstadien herbeigezogen werden; als es in dieser Arbeit geschehen ist. Hier treten die Angaben von BÜRGER in die Lücke, der diese Segmentzellen im 1VtesOderrn entstehen lässt. In dieser Form durchlaufen die Anlagen noch. einige Stadien der Entwicklung. Die Zahl der Nephridioblasten ist namentlich bei jüngeren Entwicklungstadien schwer festzustellen. Bei den Embryonen mit den maxima l' ausgebildeten Coelomhöhlen konnten Nephridioblastenpaare gefunden werden, was der definitiven Zahl vorhandener Nephridien entspricht. Bald fängt das kempakte Mesoderm an, sich zn differenzieren. Zuerst kommt über der Nervensystemanla.ge die Spalte der kontinnierlichen Bauchhöhle zum Vorschein. Knrz nachher sehen wir nene mesodermale Räume rechts nnd links von der Bauchhöhle auftauchen, die mit ihr verbunden sind. Diese symmetrisch zur Mediane anftretenden Spalten sind von-
4 12 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Züric einander dnrch mesodermale Wände getrennt (D i s s e p i m e n t e). So kommt eine metamere Gliederung znstande. Ihre sukzessive Bildung geht von vorn nach hinten vor sich. Wenn vorn schon einige Ausbnchtnngen zu konstatieren sind, so ist hinten das Mesoderm noch kompakt. Diese Coelomhöhlen sind gegen das Entoderm von der platten S p l a n c h n o p l e u r a begrenzt, während ihr ventralwärts liegender Boden von der dickern Somatoplenra gebildet wird. Wichtig und typisch ist die Beobachtung, dass die N e p h r i d i o blast en nnter die Dissepimente zu liegen kommen. Mit der znnehmenden Vergrösserung der Leibeshöhlen werden die Dissepimente membranârtig, auch die Somatopleura wird dünner. Das zunehmende Volumen der Seitenhöhlen übt einen Druck auf die Nephridioblasten aus, infolgedessen sie bis zur Epidermis rücken. Sie kommen also an die Basis der D i s s e p i m e n t e zu liegen. Weil sie daher auf diesem Entwicklungsstadium zwischen den beiden Segmenten liegen, ist ihre Zugehörigkeit zu einem Somiten schwer zn bestimmen. Nicht nur 'an Sagittalschnitten, sondern auch an Qnerschnitten ist diese typische topographische Lage festzustellen. Infolge des Druckes dcr Seitenhöhlen werden die Nephridioblasten anch in ihrer Form beeinflusst, in dem sie mehr ovoide Gestalt annehmen. Neben diesen passiven Umwandlungen der Nephridioblasten sehen wir in ihnen anch aktive Umänderungen vor sich gehen, da Teilungsmerkmale in der Ebene des Dissepimentes zum Vorschein kommen. Die erste wichtige Teilung, die anch BÜRGER beschreibt, liefert die Trichter - z e 11 e, die dann im Dissepiment liegt. Die folgenden Teilungen verlaufen nun nicht mehr in dieser Qnerebene, sondern in der Richtung der Längsachse des Tieres. Auch bei diesen Vorgängen lässt sich wieder die Tatsache konstatieren, dass die Entwicklung allmählig von vorn nach hinten schreitet, denn in den vordern Somiten ist die Trichterzelle schon deutlich wahrzunehmen, während in den hintern Segmenten erst die Nephridioblastenteilung stattfindet. Der N e p h r o -b l a s t (so wird der nach Abgabe der Trichterzelle übrig gebliebene Teil des Nephridioblasten genannt), hat seine Lage beibehalten. Die abgeschnürte Trichterzelle befindet sich im dorsalen Winkel des Dissepimentes, wo man sie an ihrem grossen Kerne erkennen kann. Somit haben wir die Anlagen der zwei wichtigsten Nephridienteile vor uns : 1. den N e p h r ob 1 a s t en, welcher bestimmt ist, in die Bildung des Schleifenkanals überzugehen und 2. die Trichterzelle, welche den Trichterapparat nebst einem Teil des Schleifenkanals zn liefern hat.
5 Jahrg. 67. JOH. JAKOB MENZI. Nephridien von Clepsine sexoculata Bergmann. 13 a) Die Schleifenkanalentwicklung: Kurze Zeit nach der Teilung des Nephridioblasten fängt der Nephroblast an, kleine Zellen nach hinten abzuschnüren. Er kommt jetzt auch mehr an die Vorderwand des Dissepimentes zu liegen, gerade in den Winkel, welchen das Dissepiment mit der Somatopleura bildet. Die vom Nephroblast abgeschnürten kleinen Zellen teilen sich auch ihrerseits und bilden ein s y n c y t i a l e s Hügelchen, die Schleifenkanalanlage, die vom ersten Stadium an in die Leibeshöhle vordringt. In der Folge beobachtet man, dass der Zellhaufen in eine epitheliale Anordnung übergeht, da die Kerne sich an der Peripherie sammeln. Es tritt auch die erste Krümmung des Schleifenkanals auf. Er steigt mehr und mehr dorsalwärts, die Anlage wird etwas schlanker und dünner und legt sich in Windungen und Krümmungen. Das Protoplasma wird heller und fein granuliert, in der Mitte der Schläuche werden zwei feine, scharf abgegrenzte Kanäle sichtbar. Das sind die intrazellulären Lumina der Nephridienschläuche. Mit dem Auftreten dieser intrazellulären Gänge ist der Trichterapparat nnd der ihm anliegende Teil des Schleifenkanals noch nicht entwickelt. Wenden wir nns noch kurz der Genese des distalen Endabschnittes zu. Dieser kann deutlich von der übrigen Schleifenkanalanlage nnterschieden werden, da er einreihig angeordnete Kerne hat, während der Schlcifenkanal zweischichtig ist. Er stösst mit seinem Ende an die Somatopleura ; ziemlich spät sieht man anch in diesem Strang einen intrazellulären Kanal in Erscheinung treten. Anf diesem Stadium verharrt der Endabschnitt ziemlich lang, bis die ektodermale Einstülpung vorwächst. Es kommt zu einer Verschmelzung beider Gebilde, und damit ist die Kommunikation des Nephridiums mit der Anssenwelt hergestellt. b) Die Bildung des Trichterapparates: Die von dem Nephridioblasten abgeschnürte Trichterzelle nimmt anfänglich eine charakteristische und ursprüngliche Lage in dem dorsalen Winkel des Dissepimentes ein, wie die Trichteranlage aller Anneliden. Die Trichterzellenteilung führt zur Bildung eines Stranges. Allmählig wandert die Trichterzelle samt dem Zellstrang aus dem Dissepimente horizontal nach hinten, ungefähr in die Mitte des Somites, oft der Splanchnopleura angeschmiegt, oft aber auch mitten im Coelom endigend. Wahrscheinlich hat hier die Kontraktion bei der Fixierung einen Einflnss anf die Lage ausgeübt. Der Strang zeigt gegen die Bauchhöhle eine deutliche Anschwellung, welche die künftige Kapsel bildet. Er verschmilzt endlich mit dem übrigen, von dem
6 14 Vierteljahrsschrift der Naturf. Gesellschaft in Züric Nephroblasten gebildeten Teil des Schleifenkanals; auch in ihm wird ein intrazelluläres Lnmen gebildet. Die übrig bleibende Anschwellung und die Trichterzelle stellen die Matrix dar für die Bildung der Stiel- nnd Kronenzellen und für die Kapsel, deren Entwicklung BÜRGER in seiner Arbeit genauer verfolgt hat. Das wichtigste von dieser Untersuchung ist die Feststellung einer segmentalen, einheitlichen Anlage für Trichter und Schleifenkanal. In nenerer Zeit sind ja die Trichter (Wimperorgane) der Hirudineen morphologisch unabhängig vom Nephridinm (Schleifenkanal) erklärt worden, funktionell sind sie es tatsächlich. Über die erste Anlage des Nephridinms (ektodermal oder mesodermal) kann die Untersuchung keinen Entscheid geben; sie stellt nur auf die Befunde ven BÜRGER ab.
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