Ende der Verruckelung

Transkript

1 10/2006 HOME ELECTRONIC SCHWEIZER MAGAZIN FÜR HEIMELEKTRONIK FOKUS: BILDUNG UND UNTERHALTUNG NEUE SCHALTUNGEN FÜR LCDS SPIEGELREFLEXKAMERAS FULL-HD-FERNSEHER SCHWEIZER MAGAZIN FÜR HEIMELEKTRONIK Nr. 10 Oktober Fr Ende der Verruckelung Mit neuen Schaltungen geht Toshiba die Schwächen der LCD-Technik an Erstlingswerke Die beiden neuen Spiegelreflexkameras von Sony und Panasonic treten zum Test an Seite 80 Hilft viel viel? Was bringen 1080 Zeilen fürs hochaufgelöste Bild? Fünf Full-HD-Fernseher im Test Seite 46 FOKUS Bildung + Unterhaltung Spielend lernen am PC Seite 29 Lernen und trainieren mit Konsolen Seite 36 Gehirntrainer für unterwegs Seite 40 Gesundheitsdienst Gesundheitsnetze im eigenen Haus sollen Senioren helfen, länger autonom zu leben Seite 90

2 AUDIO TEST LAUTSPRECHER PIEGA TWEN Zum Jubiläum viel Klang Der Jubiläumslautsprecher zum 20-jährigen Bestehen der Firma Piega ist kein superteures State-of-the-Art-Produkt, sondern eine elegante, kompakte Standbox für jedermann, der Musik liebt. VON HANS JÜRG BAUM Piega-Chefkonstrukteur Kurt Scheuch hält nicht viel von elitär-abgehobenen Dingen. So wollte er sich sich und seinem Kompagnon Leo Greiner zum 20-jährigen Bestehen der Firma kein Denkmal mit einem Produkt setzen, das sich nur eine sehr gut betuchte Minderheit leisten kann. So kostet ein Paar Twen denn auch gerade mal 3200 Franken. Dennoch steckt in diesen Boxen, die in einer limitierten Auflage von 2000 Stück in Horgen am Zürichsee hergestellt werden, das ganze Know-how der Firma Piega. Anders als alle anderen Etwas Extravagantes wollten die beiden Piega Gründer Scheuch und Greiner zu ihrem Firmenjubiläum aber schon präsentieren. Dieser Lautsprecher sollte nicht wie eine normale Box aussehen. Eine ungewöhnliche, vom Schweizer Designer Hannes Wettstein geschaffene Form hatte man bereits den kleinen Modellen AP 3 und AS 3 spendiert. Was lag also näher, als diese bewährte Form auch für die Twen zu benutzen? Die hier verwendete, asymmetrische Gehäusekonstruktion ist nicht nur eine Augenweide, sie macht auch akustisch Sinn und garantiert minimale Reflexionen am Gehäuse sowie geringe stehende Wellen im Innern. Zu einer schönen Form gehört auch ein Top-Finish. Und so hat man diesen Schallwandlern ein absolut hervorragend verarbeitetes Alugehäuse in attraktivem Titaniumlook spendiert. Dabei handelt es sich nicht um einen Lack, der mit der Zeit abblättert, sondern um eine extrem harte und kratzfeste Eloxierung. Mit 18 kg sind die Twens als recht schwergewichtig zu bezeichnen. Sie stehen auf relativ grossen Standflächen, welche der Eleganz dieser Skulpturen jedoch keinen Abbruch tun. FOTOS: HERSTELLER Jubiläumsboxen mit Charme und hoher Klangkultur: Piega Twen. 64 HOMEelectronic 10/2006

3 Markenzeichen Bändchen Für die Herren Scheuch und Greiner war es klar, dass ihr Jubiläumswurf mit einem Bändchenhochtöner gekrönt werden musste. Und zwar nicht mit dem legendären Ur-Bändchen von Anno dazumal, sondern mit dem allerneusten LDR-Typ. Während die Ur- Version nach dem klassischen Ribbon- Prinzip mit dem damals obligaten Übertrager und einem unbedämpften Alustreifen funktionierte, besitzt das heutige Bändchen eine auf der Membran aufgedampfte Flachspule sowie eine definierte Aufhängung. Dies sorgt nicht nur für optimale Bedämpfung, sondern verbessert nach dem Motto «de Föifer und s Weggli» sowohl Wirkungsgrad wie auch Klirrverhalten. Langhubig Wohl niemand würde aus den beiden putzigen Miniaturtieftöner der Twen einen echten, tiefreichenden Bass erwarten. Doch die Standboxen sollen auch ohne zusätzlichen Subwoofer einen durchschnittlichen Hörraum mit einem schönen, satten Bass füllen. Dass der Begriff «MDS-Technologie» (Maximum Displacement Suspension) kein leeres Schlagwort, sondern eine raffinierte Membranaufhängung ist, wird jedem klar, der diese Treiber in Aktion sieht und hört. Die Membranen dieser Chassis können satte Auslenkungen ausführen und so relativ viel Luft bewegen. Die beiden Tieftöner arbeiten bis rund 300 Hz parallel. Nur der obere der beiden läuft bis zur eigentlichen Trennfrequenz von 3,5 khz und deckt auch den Mitteltonbereich ab. Die Twen ist damit eine so genannte 2-1/2-Wege-Box. Vom Rohr zum Schacht Bei den Twens sucht man das obligate Bassreflexrohr vergeblich. Zu finden ist lediglich ein Schlitz, der die Funktion einer Bassreflexöffnung übernimmt. Diese Konstruktion arbeitet mit einem Schacht aus MDF, der laut Kurt Scheuch überlegene Eigenschaften aufweist, die man auch mit modernsten Computerprogrammen nicht simulieren und erklären kann. So liefert diese «Schlitz-Ventilation» gegenüber einem Bassreflexrohr volle 2 db mehr Effizienz, was mit andern Mitteln nur schwer zu realisieren wäre. Vorbereitungen Nach rund 8 Stunden Einlaufzeit, bei welcher die Tief-Mitteltöner zu massiven, pulsartigen Auslenkungen «verdonnert» wurden, konnten die Hörsessions beginnen. Aber erst wurde mit der Aufstellung etwas experimentiert. Dabei zeigten sich die Twens gar nicht zickig. Eine Ausrichtung mit dem Mikrometer ist hier nicht notwendig. Mit einer Distanz von rund 15 cm zur Rückwand und genügend Freiraum zu den Seiten hin ergab sich in unseren Abhörräumen ein sehr ausgewogenes Klangbild. Frei im Raum platziert resultierte wohl noch ein Quäntchen mehr Plastizität, jedoch deutlich weniger Bass. Wie immer lohnt es sich die Zeit zu nehmen, um die optimale Platzierung im jeweiligen Raum zu finden. Standfeste Eleganz: Trotz ihrer Schlankheit, steht die Twen auf einer relativ grossen Standfläche. INTERVIEW 20-JAHRE-JUBILÄUM PIEGA Kontinuierlich weiterentwickelt Während zwanzig Jahren hat sich die Firma Piega vom Zweimann-Kellerbetrieb zur mittelständischen Firma mit einer rund 20-köpfigen Crew entwickelt. Während man im ersten Jahr gerade mal 200 Boxen herstellte, sind es heute beindruckende per annum. HE besuchte die Jubilaren in Horgen am Zürichsee. Kurt Scheuch und Leo Greiner, wie und unter welchen Umständen kamen Sie vor gut 20 Jahren zusammen? Leo Greiner: Wir beide bauten unabhängig voneinander Lautsprecher. Kurt hatte exklusive Technik, ich besonders gestaltete Gehäuse. So war es eigentlich nur logisch, dass wir unsere Stärken zusammenlegten. Welche gemeinsamen Interessen verbanden Sie damals? Scheuch: Unser Interesse an der Musik und an hochwertiger High-Fidelity. Was bedeutet Piega? Scheuch: Unser erster Bändchenhochtöner hatte eine Membran aus einem gefalteten Aluminiumstreifen aus dem Italienischen «piegare = falten», «la piega = die Falte». Piega hat es vom Kleinserienhersteller zur internationalen Topmarke gebracht. Was sind die Hauptgründe dafür? Greiner: Ich denke, dass unser Bemühen um echte Grundlagenforschung und auch die Bereitschaft zu Investitionen in Entwicklung und Fertigung uns diesen Weg ermöglichten. Wie gross darf und soll Ihr Betrieb noch werden? Greiner: Wir werden immer ein mittelständisches, überschaubares Unternehmen bleiben. Mag sein, dass wir in ein paar Jahren vielleicht ein Team von dreissig oder vierzig Leuten sein werden. Sicherlich werden wir aber nie ein Betrieb mit einer Hundertschaft an Mitarbeitern sein. Weshalb produzieren Sie (noch) nicht in China? Greiner: Weil unsere Kunden Produkte wünschen, die in der Schweiz und im angrenzenden europäischen Umfeld produziert werden. (Fortsetzung nächste Seite >>>) 1986: Kurt Scheuch (links) und Leo Greiner im Mai 1986 beim Montieren des ersten LDR Bändchen-Hochtöners. Produktionsort: Keller im Hause von Leo Greiner. 10/2006 HOMEelectronic 65

4 AUDIO TEST LAUTSPRECHER PIEGA TWEN INTERVIEW STECKBRIEF Hersteller/Typ Piega Twen Preis bei Test (pro Paar) 3200 Franken Info www. piega.ch, Ausstattung Masse (BxHxT) 25 x 101 x 12 cm Wege 2 1/2 Hochtöner LDR-Bändchenhochtöner Tief-Mitteltöner 2x 10-cm-MDS-Konus Impedanz 4 Ohm Empfohlene Verstärkerleistung Watt Ausführungen Titan-Finish Testergebnisse Klang Handling Verarbeitung Urteil: K A U F T I P P (>>> Fortsetzung) Wie viele Boxen hat Piega schon gebaut? Wie viele sind es heute pro Jahr? Greiner: Wir fertigen mittlerweile gegen Lautsprecher pro Jahr. Im ersten Geschäftsjahr waren es so um die 200 Stück. Gesamthaft sind es in den letzten zwanzig Jahren wohl über Boxen gewesen. Mit welcher Preisklasse verdienen Sie am meisten Geld, und wo legt man eventuell sogar drauf? Greiner: Der Kostendeckungsgrad liegt im mittleren Segment wohl am günstigsten. Im Einsteigerbereich halten wir die Kalkulation möglichst knapp, um viele Freunde für die Marke Piega gewinnen zu können. Im obersten Segment steigt der Aufwand enorm, aber auch die Freude, solche Produkte überhaupt fertigen zu können. Was bedeutet das 20-jährige Bestehen von Piega für Sie beide? (Fortsetzung nächste Seite >>>) sehr gut hervorragend The Sound of Twens Mit faszinierend räumlicher Zeichnung brachten die Twens Mozarts Klaviertrios ab Harmonia-Mundi- SACD. Absolut beeindruckend, wie diese Boxen den Konzertsaal abbildeten, und zwar auch ohne 5.1-Surround verblüffend dreidimensional. Neben der ausgeprägten Räumlichkeit beeindruckte aber auch die Klangdefinition. Die Super-Audio- CD mit erweitertem Frequenzspektrum und verbesserter Impulswiedergabe und das LDR-Bändchen harmonieren offenbar perfekt. Einfach unglaublich, wie viele Details hier zu hören sind, ohne dass das Klangbild grell oder gar überzeichnet wirkt. Die Twens klingen ausgesprochen angenehm und ausgewogen. Keine Tonlage wirkt irgendwie gestresst oder überzüchtet. Wie die zierlichen Twens mit grossorchestralen Klängen umgehen können, konnte ebenfalls erstaunen. Die Klangbühne ist dabei breit aufgefächert. Aber auch in der räumlichen Tiefe staffeln die Twens das Klangbild sehr schön. Orgelmusik gefiel nicht nur durch die weiträumige Darstellung der Kirchenakustik, sondern auch durch die brillante und hervorragend definierte Intonation der verschiedenen Klangregister. Zudem erfreuten was gar nicht so leicht zu glauben ist tiefe und saubere Orgel-Bassregister! Unkonventionelle Chassis: LDR-Bändchenhochtöner und die kleinen, extrem langhubigen Tief-Mitteltöner in MDS- Technologie.

5 INTERVIEW (>>> Fortsetzung + Schluss) Die Piega- Firmengründer Leo Greiner und Kurt Scheuch Liebe zur Perfektion: An der Twen wirkt jedes Detail wie ein kleines Juwel. Bei jazzig-rockigen Sounds sind die Twens absolut im Element und lieferten in unserem mittelgrossen Abhörraum einen vitalen, knackigen Sound. Wie die kleinen Langhub- Bässe sogar Kontrabass-Zupfsolis meistern, grenzt schon fast an ein kleines Wunder, selbst wenn sie punkto Dynamik naturgemäss an Limiten stossen. Die Basswiedergabe wirkt erstaunlich druckvoll und sauber. Sie stösst erst bei stärkeren und sehr tiefen Bassimpulsen an ihre Grenzen. In normalen Abhörräumen und ohne den Anspruch, exzessive Bassorgien durchzuführen, benötigt der Musikliebhaber jedoch für die Twens keine Unterstützung durch einen Subwoofer. Fazit Elegant, hervorragend verarbeitet und klanglich beeindruckend: Diese Swissmade-Produkte bereiten einer breiten Hörerschaft gewiss mehr Freude, als ein superteures State-of-the-Art-Firmendenkmal. So darf man den Piega- Leuten in doppelter Hinsicht gratulieren: zum 20-Jahre-Jubiläum und zu diesem bemerkenswert gut gelungenen Lautsprecher. PLUS/MINUS Klang hervorragend verarbeitet elegante Form Swiss-made nur eine Gehäusefinish-Variante Scheuch: 20 Jahre sind eine lange Zeit. Mich persönlich freut es, dass wir uns in all den Jahren kontinuierlich weiterentwickelt haben. Greiner: Ich erachte es nicht als Selbstverständlichkeit in unserer Branche, zwanzig Jahre lang mit Erfolg zu bestehen. Umso mehr freuen mich unsere starke Position und eine tolle Perspektive für die Zukunft. Wieso haben Sie als Jubiläumsbox nicht ein teures State-of-the-Art-Produkt geschaffen? Greiner: Die Freude an der Twen sollen möglichst viele Leute erleben können. Da wäre es doch schade gewesen, ein Produkt herzustellen, das nur wenigen vorbehalten bleibt. 2006: Die inzwischen 20-köpfige Piega-Crew.