FREESKI: DIE STARS IN PIPE UND PARK

Transkript

1 [reportage] 16

2 FREESKI: DIE STARS IN PIPE UND PARK Sie sind jung, sie sind anders, sie leben ein Leben ohne Regeln. In der Slopestyle- Szene ist das die Regel. Die Topstars auf Twin-Tips regieren Pipes, Parks und Contests. Die Weltbesten sind kaum volljährig und doch schon Legenden.

3 »Die Leute sollen sich an mich als einen großartigen Athleten erinnern, und als einen der besten Skifahrer der Welt.«Jon Olsson, Team Head JON OLSSON Der Perfektionist ALTER 22 Jahre HERKUNFT Möra, Schweden WOHNORT Are, Schweden SPONSOREN Head, Oakley, Red Bull, VW, Sequence HOBBIES Motocross, Mountainbike, Skidoo CONTEST-HISTORY 1. Platz X-Games 2002, Aspen, Superpipe; 3. Platz X-Games 2003, Aspen, Slopestyle & Superpipe; 2. Platz U.S. Open 2003, Vail, Slopestyle; 1. Platz World Skiing Invitational 2003, Whistler, Big Air; 2. Platz Freestyle.ch 2003, Zürich, Big Air; 1. Platz Rip Curl Freeski Pro 2003, Saas Fee, Gesamtwertung; 2. Platz Nokia Totally Board 2003, Kapstadt, Big Air; 1. Platz Red Bull Big Air 2001, 2002, 2003, Are, Big Air; 3. Platz X- Games 2004, Aspen, Slopestyle; 2. Platz X-Games 2004, Aspen, Superpipe; 2. Platz Rip Curl Freeski Pro 2004, Les Diablerets, Slopestyle Jon Olsson zieht sich den Kragen seiner dicken Daunenjacke tief ins Gesicht und schüttelt den Schnee von seinen Skispitzen. Er rückt seinen Helm zurecht und wartet auf das Zeichen zum Start. Da - der Kicker ist frei! Jon stößt sich ab, duckt sich, nimmt Geschwindigkeit auf. Plötzlich dreht er sich während der Fahrt um 180 Grad und brettert rückwärts auf die monströse Schanze zu. Immer schneller und schneller. Dann hebt er ab. Er wirbelt hoch durch die Luft, greift an die Ski, rotiert dabei um die Achse und landet souverän. Ein Jon Olsson stürzt eben nicht, heißt es in der Szene. Und die wächst kontinuierlich. Freeskier sind eine eingeschworene Gemeinde, sie tragen ihre weiten Hosen mit Nietengürtel auf Halbmast zusammengehalten und verstecken sich gern in weiten Jacken mit großen Kapuzen. Und sie zaubern auf ihren Twin-Tips die verrücktesten Tricks in den Schnee. Freeski ist schwer im Kommen, die Elite des Sports kaum älter als 20. Jon Olsson ist ein Meister seines Fachs. Der 22-jährige Schwede mit dem Kindergesicht ist einer der absoluten Superstars und bekannt für seine stylischen Jumps, sauberen Rotationen und perfekten Landungen. Jon lebt ein Leben unterwegs auf Foto-Shoots, Video-Drehs und internationalen Contests. Wenn er bei einem Wettkampf antritt, will er auch gewinnen. Immer.»Mein Kampfgeist und Siegeswille«, erklärt Olsson,»kommen wahrscheinlich aus meiner Rennfahrerzeit. Zweiter zu sein, war noch nie mein Ding«. Jons Eltern fuhren beide in der schwedischen Ski-Nationalmannschaft, und auch ihr Sohn avancierte bald zu den begabtesten Nachwuchstalenten im Skirennlauf. Jon zieht als Schüler mit Sack und Pack ins schwedische Skiinternat in Are und trainiert. Aber als er die X-Games im Fernsehen sieht, packt ihn das Freestyle-Fieber. Der ehemalige Juniorenmeister im Riesenslalom verkohlt die Enden seiner Ski und bastelt sich seine ersten Twin-Tips. Mit seinem Kumpel Hendrik Windstedt übt er Tricks aus amerikanischen Videos. Seine Trainer komplimentieren ihn aus dem Team, weil er seine Sache als Racer nicht mehr ernst genug nimmt. Also überlässt Jon seinem jüngeren Bruder Hans, dem schwedischen Super G-Juniorenmeister, das Thema Skirennen und schmeißt die Schule, um Freeski-Pro zu werden. Er schafft es noch als Teenager, prestigeträchtige Sponsoren an Land zu ziehen und gewinnt einen großen Contest nach dem anderen. Seine Tricks spielt er viele Male im Kopf durch, bevor er sie im Schnee ausprobiert. Oft fährt er sogar im Sommer Ski, um zu trainieren. Seine Freunde und Kollegen bezeichnen ihn als Phänomen, als Idol. Olsson weiß, was er will und verfolgt seine Ziele unbeirrt und professionell.»die Leute sollen sich an mich als einen großartigen Athleten erinnern«, wünscht sich Jon,»und an einen der besten Skifahrer der Welt«. Auch Tanner Hall aus den USA ist mit seinen 21 Jahren schon fast eine Legende. Kein Wunder, seine Karriere hat früh angefangen. Als er zarte zwei Jahre alt ist, sucht seine Mutter nach einer Sportart, in der sich ihr energiegeladener Sprössling voll und ganz austoben kann und stellt ihn auf Ski. Mit sechs Jahren nimmt er am Big Mountain Race Programme in Montana teil, mit zehn wechselt er in die Buckelpiste. Mit 14 zieht er nach Park City und besucht dort die Winter Sports Academy. Bald bricht er das Training und die High School ab, um bei den U.S. Open und den X-Games mitzumischen. In Big Air und Slopestyle ist der Blondschopf mit den blauen Augen kaum zu schlagen. Seine überragenden Siege und Platzierungen bei den weltweit wichtigsten Contests machen Tanner Hall zum Star. Er ist der Inbegriff von Style und Individualität und wird verehrt und respektiert. Meistens reist Tanner mit seiner Videokamera im Gepäck durch die Weltgeschichte, nur um Skifahren zu gehen: Libanon, USA, Kanada, Alaska, Neuseeland und Europa. Und in einem Alter, in dem viele seiner Kollegen noch von einem Sponsorenvertrag träumen, kündigt Tanner sein äußerst lukratives Engagement bei Rossignol und gründet zusammen mit fünf anderen Freeskiern seine eigene Skifirma Armada.»Wir Fahrer wollten selbst bestimmen, wie unser Bizz funktioniert, egal ob in Marketing, Technologie oder Design«, erklärt Tanner,»Armada soll frischen Wind in die Skiindustrie bringen und sich voll etablieren«. Sprach s und war erfolgreich. Binnen kürzester Zeit hat es Tanner Hall geschafft, seinen Namen unwiederbringlich mit der Geburtsstunde des Freeskiing in Verbindung zu bringen. So auch Candide Thovex. Doch der unscheinbare Franzose ist mehr Mysterium als Superstar. Seit Jahren tritt er bei großen Contests an, räumt ab und holt sich gerade noch seine Medaille ab, bevor er wieder einige

4 SHOOTING-STARS Die Herausforderer Noch haben die»großen«die wichtigsten Contests und ihre Konkurrenten am Kicker und im Park im Griff. Doch die nächste Generation Freestyler steht schon in den Startlöchern. Laurent Favre aus La Clusaz konnte sich beim Rip Curl Freeski Pro 2002 den 1. Platz in der Halfpipe und den 3. Platz im Slopestyle sichern gewann er den Slopestyle-Contest und 2004 wurde er 4. bei den X-Games. Der Münchner Nico Zacek möchte kompromisslos an seine bisherigen Erfolge anknüpfen machte er den 1. Platz beim Engadin Snow und den 4. Platz beim Rip Curl Freeski Pro im Slopestyle. Er war 2004 bei den X-Games dabei und gewann das Völkl Stimorol Superpipe Open in Leysin. Als absoluter Shooting-Star betritt der 18-jährige Charles Gagnier aus Quebec diesen Winter die Bühne des internationalen Freeskiing erreichte er den 3. Platz im Vermont Freeskiing Open und wurde 2004 glatt 8. beim Slopestyle-Bewerb der X-Games. Beim Rip Curl Freeski Pro 2004 gewann er den Slopestyle-Contest vor seinen Kollegen Jon Olsson und Laurent Favre. Laurent Favre Nico Zacek Charles Gagnier Wochen lang in der Versenkung verschwindet. Oder er springt nach einer langen Verletzungspause vor den Augen seiner staunenden Freeskier-Freunde absolut undenkbare Tricks wie den 810 Cork to Rail. Candide ist zurückhaltend, bescheiden, versteckt sich gern. Er liebt seinen Sport und möchte ihn ungern kaputt reden.»ich komme nicht dahinter, was in Candide vorgeht, aber ich weiß, dass er ein großer Denker ist«, meint Jon Olsson,»und er fährt Ski, als hätte er immer den perfekten Plan im Kopf.«Mit zwei Jahren steht Thovex das erste Mal auf Ski, mit fünf ist er Mitglied des Skiclubs La Clusaz und begeistert seine Trainer mit seinem überragenden Bewegungstalent. Mit acht ist er Teil des Artistic Skiing-Teams und trainiert in der Buckelpiste. Mit 14 Jahren wird er französischer Meister und steht bald vor der Entscheidung zwischen einer Karriere in der Buckelpiste oder in Park und Pipe. Candide wählt letztere. Als 16-Jähriger wird er sensationell Vierter bei den X-Games, seither zählt er zu den prägenden Charakteren der New-School-Generation. Dabei ist er selbst sein größter Kritiker:»Ich will immer den perfekten Sprung abliefern. Wenn nur die kleinste Kleinigkeit schief läuft, rege ich mich tierisch auf. Ich denke dann immer, dass ich nicht mehr fahren kann«. Aber er kann. Gerade hat Candide den Sponsor gewechselt und einen hoch dotierten Vertrag mit Rossignol abgeschlossen. Er veranstaltet das Candide Invitational, ein Freeski-Contest in seiner Heimat La Clusaz. Er produziert ein hochkarätiges Freeski-Video nach dem anderen TANNER HALL Der Botschafter ALTER 21 Jahre HERKUNFT Kalispell, Montana, USA WOHNORT Park City, Utah, USA SPONSOREN Armada, Oakley, Red Bull, Park City, Grenade HOBBIES Hip Hop, Reggae, Skateboarden, Filmen CONTEST-HISTORY 1. Platz X-Games 2001, Aspen, Big Air; 1. Platz X-Games 2002, Aspen, Slopestyle; 1. Platz World Superpipe Championship 2003, Park City, Halfpipe; 1. Platz U.S. Open 2003, Vail, Slopestyle; 2. Platz U.S. Open 2003, Vail, Big Air; 2. Platz World Skiing Invitational 2003, Whistler, Big Air; 1. Platz Orage Masters 2003, Mammoth, Slopestyle; 1. Platz X-Games 2003, Aspen, Slopestyle; 2. Platz X-Games 2003, Aspen, Superpipe; 1. Platz X-Games 2004, Aspen, Slopestyle 19

5 und arbeitet bei seinen Sponsoren in der Ski-Entwicklung mit. Und wenn Candide mal frei hat, spurt er zu Hause mit seinen Kumpels den frischen Powder. Skifahren bedeutet für ihn grenzenlose Freiheit, seine Kreativität im Schnee auszuleben, ist sein Lebenselixier. Frei zu sein, das ist auch Mickael Deschenaux oberstes Gebot. Seine Baggy-Pants hängen ihm in den Kniekehlen, das T-Shirt ist einige Nummern zu groß und die losen Schnürsenkel quellen aus den dicken Sneakers. Mic ist berühmt berüchtigt für sein Rebellentum, seine Partywut, aber vor allem für seinen einzigartigen Gangster-Style, mit dem er durch die Halfpipe schleudert und sich über die Kicker katapultiert. Sein Hund Rookie ist immer an seiner Seite. Er flitzt den Berg rauf und runter, bellt und empfängt sein Herrchen dann schwanzwedelnd am Fuß der Pipe, als wolle er ihm zum gelungenen Run gratulieren. Und wenn Mic keine Lust auf Contest hat, bleibt er im Hotel, raucht und hört Hip Hop.»Um in der Branche eine Rolle zu spielen brauchst du zwar Poster, Anzeigen und Platzierungen«, meint Mic achzelzuckend,»aber ich möchte den Spaß an der Sache nicht verlieren. Was die Leute reden, ist mir egal.«als Schüler glänzt Mic mit unterirdischen Leistungen, nicht gemachten Hausaufgaben und aufmüpfigem Verhalten. Er fliegt hochkant von der Schule und kehrt nicht zurück. Er will nur Ski fahren. Mit 16 wechselt Mic nach einigen erfolgreichen Europa-Cup-Rennen in die Buckelpiste und trifft dort auf Candide Thovex und das Teammanagement von Dynastar. Er hinterlässt Eindruck und unterschreibt kurz darauf seinen ersten Sponsorvertrag. Zwei Monate später freundet er sich bei großen Contests in den USA mit Tanner Hall, Pep Fujas und C.R Johnson an. Sie nehmen den kleinen Schweizer auf, zeigen ihm die besten Parks und bringen ihm anständiges Englisch bei. Mic ist mittlerweile Profi-Freeskier, hat zwei Mal hintereinander die U.S. Open gewonnen und verbringt die meiste Zeit des Winters mit seiner Crew in den Pipes und Parks der USA. Seine Mutter passt daheim auf Rookie auf, wenn ihr Sohn auf Reisen ist. Von diesen Reisen möchte Mic einen Film produzieren:»für meine Mum. Ich möchte, dass sie stolz auf mich ist und sieht, was für ein unglaubliches Leben ich führe.«mickael DESCHENAUX Wild-Style ALTER 21 Jahre HERKUNFT Saint Maurice, Schweiz WOHNORT Champery, Schweiz SPONSOREN Dynastar, Oakley, Neff, Chronic Crew, O.Z. Wheels, Trojan, Ford HOBBIES Hip Hop, DJing, Skateboard, Downhill-Mountainbike, Motorrad CONTEST-HISTORY 3. Platz Gravity Games 2000, Mammoth, Quarterpipe; 2. Platz Yoz Games 2000, Sölden, Big Air; 1. Platz Yoz Games 2001, Sölden, Halfpipe; 3. Platz Paul Mitchel Huck and Roll 2003, Mammoth, Slopestyle; 1. Platz U.S. Open 2002 und 2003, Vail, Big Air; 3. Platz Rip Curl Freeski Pro 2003, Saas Fee, Big Air»Ich möchte ein Video produzieren für meine Mum. Ich möchte, dass sie stolz auf mich ist und sieht, was für ein unglaubliches Leben ich führe.«mickael Deschenaux, Team Dynastar TEXT FOTOS STEPHANIE KRANZ DOM DAHER, HERSTELLER CANDIDE THOVEX Mystery Man ALTER 22 Jahre HERKUNFT La Clusaz, Frankreich WOHNORT La Clusaz, Frankreich SPONSOREN Rossignol, Quicksilver, Quickeyewear, Giro, Samsung, Xbox, DaKine, La Clusaz HOBBIES Skateboarden, Surfen, Reisen CONTEST-HISTORY 1. Platz X-Games 2000, Aspen, Big Air, 1. Platz Gravity Games 2000, Copper Mountain, Big Air, 3. Platz Core Games 2001, Japan, Quarterpipe, 1. Platz X-Games Australia 2001, Big Air und Halfpipe, 2. Platz World Skiing Invitational 2002, Whistler, Halfpipe, 3. Platz Red Bull Big Air 2001, Are, Big Air, 2. Platz U.S. Open 2002, Vail, Halfpipe, 4. Platz Slopestyle, 2. Platz World Superpipe Championships 2003, Park City, 1. Platz X-Games 2003, Aspen, Superpipe, 1. Platz Orage Masters 2004, Mammoth, Gesamtwertung 20