Veroneser Grüne Erde. Materialbeschrieb. Veroneser Grün, Grüne Erde aus Verona

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1 Veroneser Grün, Grüne Erde aus Verona Materialgruppen: Farb > Pigmente > Anorganische Pigmente > Natürliche anorganische Pigmente Materialbeschrieb Unter dem Begriff Grüne Erde werden verschiedene grüne Erdpigmente zusammengefasst. Der spezifische Name bezog sich häufig auf die Herkunft des jeweiligen Pigments, beispielsweise Veroneser Grün, Böhmisch Grün oder Kaadener Grün. Heute sind diese Bezeichnungen meist nur noch Farbtonbezeichnungen. Hierbei werden die kühlen, blausitchigen Sorten Veroneser grüne Erde und die bedeutend wärmeren, olivgrünen Sorten Böhmische grüne Erde genannt. Hauptbestandteile der Grünen Erden sind Seladonit und Glaukonit. Da es sich um ein Naturprodukt handelt sind farbliche und andere qualitative Unterschiede die Regel und seit der Antike bekannt. Heute werden ihres niedrigen Verkaufspreises wegen kaum noch farbschöne, natürliche grüne Erden abgebaut. Die Fundstellen in den Bergen nördlich von Verona sind seit dem Altertum bekannt. Die blaustichige, beste Qualität von Veroneser Grüner Erde ist seit einem Erdrutsch im Jahre 1922 nicht mehr erhältlich. Die heute zugänglichen Erden haben nicht mehr den speziellen kühlen Blaustich der früheren Pigmente. Grüne Erden waren bereits im alten Ägypten bekannt. In den Malschulen des Trecento hat man damit Hautpartien untermalt, um einen kühlen Kontrast zu den warmen Hauttönen zu erhalten. Untermalungen mit Grüner Erde werden als Verdaccio bezeichnet. Auf weissem Kreidegrund wird Grüne Erde mit Bleiweiss gemischt angelegt, darüber wird mit den für die Darstellung von Hauttönen klassischen Pigmenten lasiert: Ocker, Zinnober und Bleiweiss. ( Stefan Muntwyler / Georg Kremer, 2010) Das Pigment kann in fast allen Techniken eingesetzt werden. Einzig in Acrylbinden oder Wasserglas ist es ungeeignet. Zudem ist es völlig ungiftig. In wässrigen Binden entstehen deckende Malschichten, in öligen hingegen lasierende. Bereits die Ägypter verwendeten das grüne Erdpigment für ihre Wandmalereien. Auch im antiken Byzanz konnte der Gebrauch nachgewiesen werden. Meist wurde die Grüne Erde als Untermalung der Inkarnate auf alterlichen MATERIAL ARCHIV / 7

2 Tafelmalereien sowie in der Ikonenmalerei eingesetzt, wie dies bereits bei Cennino Cennini und dem Malerhandbuch vom Berge Athos empfohlen wird. Grüne Erde wurde ebenfalls als grüner Bolus für Vergoldungen in der alterlichen Malerei verwendet. Vor allem im Barock fanden Grüne Erden fast ausschliesslich in wässrigen Binden als Fassadenanstrich Verwendung, daher auch die Bezeichnung Fassadengrün. Im Gegensatz zu anderen historischen Grünpigmenten sind die Grünen Erden alkali. Sie wurden deshalb häufig für Frescotechniken eingesetzt. Um verlackte grüne Pigmente herstellen zu können wurde Grüne Erde als Substrat verwendet. Andere Bezeichnungen/Synonyme: Chemische Formel: Veronesergrün, Grüne Erde aus Verona, Veroneser grüne Erde, Bergrün, Erdgrün, Seladonit, Steingrün Glaukonit: (K,Na)(Fe 3+,Al,Mg) 2 [(OH) 2 /Si,Al) 4 O 10 )] Seladonit: K(Mg,Fe 2+ )(Fe 3+,Al)[(OH) 2 /(Si,Al) 4 O 10 )] (Gerzer, 102). Chemische Bezeichnung: Als für Grüne Erde spezifische Minerale gelten Glaukonit und Seladonit. Grüne Erden können aber auch Montmorillonit, Nontronit oder Chlorit enthalten. Obwohl die kristallographischen Unterschiede von Glaukonit und Seladonit und ihre Klassifikationen umstritten sind, wird Seladonit als magnesiumreiches, Glaukonit als eisenreiches dioktaedrisches Tonmineral angesehen. Die Grüne Farbe der beiden Tonminerale resultiert aus dem in der Struktur enthaltenen zweiwertigen Eisen. Daneben tritt auch dreiwertiges Eisen auf, dessen Anteil für die Farbnuancen verantwortlich ist (Gerzer, 101, 119). Colour Index Number: C. I. Pigment Green 23 Constitution Number: Lateinische Bezeichnung: creta viridis, prasinus Italienische Bezeichnung: celadonita, celedonita, glauconita, seladonita, terre verde minerale, verdeterra, veronita Französische Bezeichnung: celedonite, glauconie, terre de Verone, terre verte, terre verte commune, veronite, vert d Italie Englische Bezeichnung: Verona green, Verone earth, celadonite, celadonit, celedonit, glauconit, green earth, green ocre, seladonite Gleiche Familie: Kaaner grüne Erde, gebrannte grüne Erde, Böhmische grüne Erde, Russische grüne Erde, Cyprische grüne Erde, Bayerische grüne Erde Hintergrund Etymologie: Die Griechen sollen dieses Pigment Theodotion genannt haben, weil sie es auf dem Grundstück eines Mannes namens Theodotus gefunden hatten. Der Begriff MATERIAL ARCHIV / 7

3 Glaukonit, wie die Grüne Erde ebenfalls genannt wird, kann vom griechischen Wort glaucos abgeleitet werden, was blaugrün oder grau bedeutet. Im Wortstamm Celadonite hingegen steckt céladon, was mit meeresgrün übersetzt werden kann (Gerzer, 95). Geschichte: Grüne Erde hat eine lange Geschichte als Künstlerpigment. Bereits Vitruv erwähnt es in seinen Schriften im 1. Jahrhundert vor Christus. Grüne Erde konnte zudem auf pompeijanischen Wandmalereien nachgewiesen werden. Beim vermutlich bekanntesten Einsatz des Pigments handelt es sich um die grüne Untermalung der Inkarnate in der alterlichen Tafelmalerei. Diese wird bereits im Malerhandbuch des Berges Athos erwähnt. Dabei soll das Grün mit einem Schwarz gemischt werden. Die Mischung wurde Proplasmus genannt und für Schatten im Bereich der Inkarnate eingesetzt. Nach der Renaissance und der mit ihr aufkommenden Ölmalerei ging der Gebrauch von Grüner Erde zurück. Ab dem 17. Jahrhundert wird das Pigment jedoch wieder häufig in Malerhandbüchern wie beispielsweise von de Mayerne erwähnt. Auch heute kommt Grüne Erde als Künstlerpigment zum Einsatz. Herstellung Herkunft, geografische Region: Die bekanntesten Lagerstätten von Grüner Erde in Italien befinden sich auf dem Monte Baldo bei Verona, im Val di Fassa im Trentino und im Alto Adige. Entstehung: Seladonit und Glaukonit, die Hauptbestandteile der Grünen Erde, werden in unterschiedlichen geologischen Milieus gebildet. Seladoit kommt in geringer Qualität als relativ pure Substanz in Hohlräumen oder Klüften in vulkanischen Gesteinen vor, verbunden mit Zeolith. Glaukonit, weniger rein aber weiter verbreitet, wird oft in Form von kleinen grünen Kügelchen in Sedimentgesteinen marinen Ursprungs gefunden (Gerzer, 101). Gewinnung: Die Grüne Erde wurde sowohl im Tag- als auch im Untertagbau abgebaut (Gerzer, 114). Fertigung: Im sogenannten Putzhäuschen wurde die abgebaute Erde s Beilen grob zerkleinert und gereinigt, im Pochwerk feinmehlig zerstampft und gesiebt (Gerzer, 114). Eigenschaften Beimischungen, Grösse in mm: Grüne Erden wurden zu früheren Zeiten wie auch heute noch mit Chrom- oder Kupfergrünpigmenten geschönt (Gerzer, 127). MATERIAL ARCHIV / 7

4 Erscheinung Farbe: Grüntöne Bläuliches Grün Beständigkeit Das Pigment gilt als licht- und wetter in allen Techniken (Gerzer, 127). Biologische Schadensfaktoren: keine bekannt Feuchtekeit: Frostkeit: Laugenkeit: bedingt In der Freskomalerei einsetzbar. Säurenkeit: bedingt Teilweise löslich (Grissom, 146) Temperaturkeit: bedingt Ausreichende Temperaturkeit für die Malerei, durch Brennen entsteht eine braunrötliche Farbe. UV-Beständigkeit: Witterungskeit: Mechanische Eigenschaften Bindebedarf: Da es sich um ein tonhaltiges Pigment handelt ist der Ölverbrauch mässig bis sehr hoch und kann zwischen % liegen (Grissom, 147). Hygrische Eigenschaften Wasserbenetzung: hydrophil Optische Eigenschaften Brechungsindex: 1.59 bis 1.64 n Um 1.62, α= 1,592 1,610 β = γ = 1,614 1,641 Lichtechtheit: MATERIAL ARCHIV / 7

5 Farbechtheit: Firnis oder ölige Binde können das Pigment vollkommen durchtränken, so dass die Grüne Erde mit der Zeit schwarz erscheinen kann. Dieses Phänomen hat jedoch nichts mit einer Instabilität des Pigmentkorns selbst zu tun (Grissom, 146). Maltechnische Eigenschaften Bindeechtheit: Deckvermögen: In Öl gering, in wässrigen Medien. Dispergierbarkeit: Färbevermögen: In Öl gering, in wässrigen Medien. Lasurfähigkeit: In Öl gering, in wässrigen Medien. Migrationsechtheit: Trockenwirkung: Koch meint, dass wie bei allen tonhaltigen Erden auch die Grüne Erde in Öl sehr schlecht trocknet (Koch, 182), laut Kremer soll Grüne Erde hingegen trocknungsbeschleunigende Wirkung haben. Da es sich bei diesem Pigment um ein Naturprodukt handelt, hängt diese Eigenschaft stark von der Zusammensetzung der Erde selbst ab. Verträglichkeit Bioverträglichkeit: ungiftig Kompatibilität: Gissom schreibt, das Pigment ist mit allen anderen Pigmenten und mit den meisten Binden kompatibel. Wehlte hingegen meint, Grüne Erde könne entweder verblassen oder in ein Braun umschlagen, wenn es mit Gips zusammen eingesetzt wird. Laut Kremer ist Grüne Erde weder für Acryl noch Wasserglas geeignet. Mit Acryldispersion angerieben flockt es aus oder es entsteht eine schmierige Masse, die beim Trocknen reisst. Gefahr und Sicherheitshinweise H-Sätze: entfällt P-Sätze: MATERIAL ARCHIV / 7

6 entfällt S-Sätze: entfällt Quellen der Kennwerte Wehlte, Gissom, Wülfert, Dörner Bearbeitung Lieferformen: Pulver Lieferbare Materialqualitäten: geschönt und ungeschönte Qualitäten Arbeitsschutz: für Mensch und Umwelt ungiftig Lagerung und Aufbewahrung: trocken lagern Anwendung Anwendungsgebiete: In allen künstlerischen Maltechniken, Fassadenanstriche, Substrat Anwendungsbeispiele: Malerei des Trecento, Ikonenmalerei, pompejianische Wandmalerei Sammlungen Muster in folgenden Sammlungen: Gewerbemuseum Winterthur, HSLU D+K Luzern Sentimatt Standort in der Sammlung Gewerbemuseum Winterthur: Farb > Schublade 1 Spezialmuster Gewerbemuseum Winterthur: HSLU D+K Luzern Sentimatt: Pigmente, Anstrichmuster Pigmente und Musterplatten gestrichen mit Öl, Eitempera, Acryl, Gummi arabicum, Reisstärke, Alkydharz, a fresco MATERIAL ARCHIV / 7

7 Bezugsquelle Bezugsquelle Sammlungsmuster: Kremer Pigmente GmbH & Co. KG, Aichstetten / D Musterherstellung: Hochschule Luzern Design&Kunst Quellennachweis Verwendete Quellen: Gerzer, Stefanie ( 2006). Kaadener Grün Lagerstätte, Gewinnung und Verwendung der böhmischen grünen Erde. München: Siegl. (Definition: S. 95, 97, Allgemeines, S. 98, Anwendung, S. 98, 99). Gewerbemuseum Winterthur & Muntwyler, S. (Hrsg.) (2010). Farbpigmente Farbstoffe Farbgeschichten. Winterthur: alataverlag. Grissom, Carol A., Autorin, Feller, Robert L. Editor (1986). Green Earth. In: Artists Pigments. A Handbook of Their History and Characteristics, Volume 1. New York, Oxford: Oxford University Press. (Anwendung, S. 146; Geschichte S. 143, 144). Koch, Carl. Grosses Malerhandbuch, ein Lehr- und Nachschlagebuch. Zürich: Fachbücher AG. (Anwendung, S. 149). Wehlte, Kurt (1996). Werkstoffe und Techniken der Malerei. Ravensburg: Otto Maier Verlag. Weitere Quellen: (Stand, ) Expertin / Experte: Dr. Stefan Wülfert, HKB Bern Material-Archiv-Signatur: FAR_PIG_ANO_NAT_80 Text verfasst von: HSLU D&K, WA, 2013 Stand: (Online-Schaltung: ) Permalink: materialarchiv.ch/detail/869 MATERIAL ARCHIV / 7