Kreativität TERTIANUM-Stiftung Brigitte Boothe. Workshop 1 Psychoanalyse und die Chancen, im Alter kreativ zu sein
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- Siegfried Amsel
- vor 6 Jahren
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Transkript
1 TERTIANUM-Stiftung Brigitte Boothe Workshop 1 Psychoanalyse und die Chancen, im Alter kreativ zu sein 1
2 Wann hatten Sie zuletzt Kontakt mit Kreativität? 2
3 3
4 Was interessiert Sie an Kreativität? An Kreativität im Alter? Was möchten Sie im Workshop machen? Und von dort mitnehmen? 4
5 5
6 6
7 «Lust auf das eigene Leben» Biographie-Werkstatt mit Brigitte Boothe 13. bis 20. Juli 2013 im Musikdorf Ernen/Schweiz 7
8 Was war kreativ? Anregung in Ernen Ernen als persönlicher Ort Texte mit anderen teilen Texte für andere schreiben Schreiben, was bewegt: Kindheit, Alter, Tod Über Kreativität im Alter nachdenken. 8
9 Kreativität noch im Alter? Kreativität erst im Alter? 9
10 Kreativität geniesst hohes Ansehen bei bedeutenden Persönlichkeiten: Phantasie ist wichtiger denn Wissen, denn Wissen ist begrenzt! Albert Einstein Auch aus Steinen, die dir in den Weg gelegt werden, kannst du Schönes bauen. Erich Kästner 10
11 Dazu Antworten aus psychoanalytischer Sicht: Die Phantasie ist begrenzt. Not macht schöpferisch. 11
12 Weitere Antworten aus psychoanalytischer Sicht: Kreativität verbindet sich mit Offenheit für Eindrücke mit Rezeptivität mit Offenheit für unbewusste Prozesse mit flexibler Urteilsbildung. 12
13 Dazu Antworten aus psychoanalytischer Sicht: Überschätze die Sache nicht! Man spricht immer von Originalität, allein was will das sagen! Sowie wir geboren werden, fängt die Welt an, auf uns zu wirken, und das geht so fort bis ans Ende. Und überall, was können wir denn unser Eigenes nennen, als die Kraft, das Wollen. Wenn ich sagen könnte, was ich alles grossen Vorgängern und Mitlebenden schuldig geworden bin, so bliebe nicht viel übrig. Johann Wolfgang von Goethe ( ) 13
14 Seelisches Leben ist eine Bewertungsgeschichte des Erlebten: Basis des mentalen Lebens ist die Strukturierung von Leiberfahrung auf der Grundlage primitiver Bewertungen. Diese funktionieren zunächst als einfache psychophysische Reaktionen im Sinne von Ausstossungs- und Einverleibungstendenzen. Was gut tut, verleibt man ein; was Ekel, Schmerz oder Missbehagen verursacht, stösst man aus. 14
15 Was sich als angenehm qualifiziert, das evoziert man nachträglich im Sinne einer phantasierenden Vergegenwärtigung unter dem Vorzeichen der Lust (Freud 1905). Was sich als nicht-angenehm qualifiziert, verfällt primär der Ausstossung. Diese primitivste Form der Abwehr des Unlustvollen wird im Entwicklungsverlauf ausgebaut zu einem reichen Repertoire an Defensivmassnahmen, die alle dem Ziel dienen, aufsteigende Unlust nicht zu vergegenwärtigen. 15
16 Doch kommt zum Lustprinzip das Realitätsprinzip hinzu und die lebenslange Abhängigkeit von Beziehungen. 16
17 Kreativität in der Psychoanalyse, illustriert an einem Traumbeispiel Der Traum vom brennenden Kinde 17
18 Ein Vater hat tage- und nächtelang am Krankenbett seines Kindes gewacht. Nachdem das Kind gestorben, begibt er sich in einem Nebenzimmer zur Ruhe, lässt aber die Tür geöffnet, um aus seinem Schlafraum in jenen zu blicken, worin die Leiche des Kindes aufgebahrt liegt, von großen Kerzen umstellt. Ein alter Mann ist zur Wache bestellt worden und sitzt neben der Leiche, Gebete murmelnd. 18
19 Nach einigen Stunden Schlafs träumt der Vater, dass das Kind an seinem Bette steht, ihn am Arme faßt und ihm vorwurfsvoll zuraunt: Vater, siehst du denn nicht, daß ich verbrenne? Er erwacht, merkt einen hellen Lichtschein, der aus dem Leichenzimmer kommt, eilt hin, findet den greisen Wächter eingeschlummert, die Hüllen und einen Arm der teuren Leiche verbrannt durch eine Kerze, die brennend auf sie gefallen war. 19
20 Die Erklärung dieses rührenden Traumes ist einfach genug und wurde auch von dem Vortragenden, wie meine Patientin erzählt, richtig gegeben. Der helle Lichtschein drang durch die offenstehende Tür ins Auge des Schlafenden und regte denselben Schluss bei ihm an, den er als Wachender gezogen hätte, es sei durch Umfallen einer Kerze ein Brand in der Nähe der Leiche entstanden. Vielleicht hatte selbst der Vater die Besorgnis mit in den Schlaf hinübergenommen, dass der greise Wächter seiner Aufgabe nicht gewachsen sein dürfte. 20
21 Auch wir finden an dieser Deutung nichts zu verändern, es sei denn, dass wir die Forderung hinzufügten, der Inhalt des Traumes müsse überdeterminiert und die Rede des Kindes aus Reden zusammengesetzt sein, die es im Leben wirklich geführt und die an dem Vater wichtige Ereignisse anknüpfen. Etwa die Klage: Ich verbrenne, an das Fieber, in dem das Kind gestorben, und die Worte: Vater, siehst du denn nicht? an eine andere uns unbekannte, aber affektreiche Gelegenheit. 21
22 Nachdem wir aber den Traum als einen sinnvollen, in den Zusammenhang des psychischen Geschehens einfügbaren Vorgang erkannt haben, werden wir uns verwundern dürfen, dass unter solchen Verhältnissen überhaupt ein Traum zustande kam, wo das rascheste Erwachen geboten war. 22
23 Wir werden dann aufmerksam, dass auch dieser Traum einer Wunscherfüllung nicht entbehrt. Im Traum benimmt sich das tote Kind wie ein lebendes, es mahnt selbst den Vater, kommt an sein Bett und zieht ihn am Arm, wie es wahrscheinlich in jener Erinnerung tat, aus welcher der Traum das erste Stück der Rede des Kindes geholt hat. 23
24 Dieser Wunscherfüllung zuliebe hat der Vater nun seinen Schlaf um einen Moment verlängert. Der Traum erhielt das Vorrecht vor der Überlegung im Wachen, weil er das Kind noch einmal lebend zeigen konnte. 24
25 Wäre der Vater zuerst erwacht und hätte dann den Schluss gezogen, der ihn ins Leichenzimmer führte, so hätte er gleichsam das Leben des Kindes um diesen einen Moment verkürzt. 25
26 Kekulé schreibt in seiner Berliner Rede zum 25jährigen Jubiläum des Benzolrings 1890: "Während meines Aufenthaltes in Gent in Belgien bewohnte ich elegante Junggesellenzimmer in der Hauptstrasse. Mein Arbeitszimmer aber lag nach einer engen Seitengasse und hatte während des Tages kein Licht. 26
27 Für den Chemiker, der die Tagesstunden im Laboratorium verbringt, war dies kein Nachtheil. Da sass ich und schrieb an meinem Lehrbuch; aber es ging nicht recht; mein Geist war bei anderen Dingen. Ich drehte den Stuhl nach dem Kamin und versank in Halbschlaf. 27
28 Wieder gaukelten die Atome vor meinen Augen. Kleinere Gruppen hielten sich diesmal bescheiden im Hintergrund. Mein geistiges Auge, durch wiederholte Gesichte ähnlicher Art geschärft, unterschied jetzt grössere Gebilde von mannigfacher Gestaltung. Lange Reihen, vielfach dichter zusammengefügt. Alles in Bewegung, schlangenartig sich windend und drehend. 28
29 Eine der Schlangen erfasste den eigenen Schwanz und höhnisch wirbelte das Gebilde vor meinen Augen. Wie durch einen Blitzstrahl erwachte ich; auch diesmal verbrachte ich den Rest der Nacht um die Consequenzen der Hypothese auszuarbeiten." (Anschütz 1929, II, S. 942) 29
30 Alleinsein in Gegenwart des anderen 30
31 Es bildet ein Talent sich in der Stille und ein Charakter in dem Strom der Welt. (Johann Wolfgang von Goethe, Tasso) 31
32 Bestandsaufnahme, psychoanalytisch gesehen Kreativität ist mit der Wunschnatur verbunden. Kreativität entsteht aus Passivität. Kreativität braucht Urteilsvermögen. Kreativität ist amoralisch. Kreativität, Erfahrung, Vergänglichkeit: ein gutes Trio 32
33 Wenn es gilt, die Gründe für meine Fehlschläge zu erläutern, bin ich unheimlich kreativ. Günter Jursch (*1927) deutscher Transaktions-Analytiker und Heilpraktiker 33
34 An die Arbeit Schreibwerkstatt Anregung im Workshop Der Lebensmittelpunkt als persönlicher Ort Texte mit anderen teilen Texte für andere schreiben Schreiben, was bewegt: Kindheit, Alter, Tod 34
35 Austausch der kreativen Angebote und weiterführende Ideen 35
36 Eine Schreibwerkstatt am Bellevue? Prof. Dr. phil. Brigitte Boothe Gemeinschaftspraxis Psychotherapie Bellevue Rämistrasse 5 CH-8001 Zürich brigitte.boothe@uzh.ch 36
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