Autorität und Gewaltprävention

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1 Autorität und Gewaltprävention Erfolg durch Erziehungspartnerschaft von Schule und Familie Bearbeitet von Reinhard Voss, Manfred Cierpka, Helmut Hochschild, Rita Irbauch 1., Aufl Taschenbuch. 175 S. Paperback ISBN Weitere Fachgebiete > Pädagogik, Schulbuch, Sozialarbeit > Sozialarbeit > Sozialarbeit: Familie, Kinder, Jugendliche schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

2 Reinhard Voß (Hrsg.) Autorität und Gewaltprävention Erfolg durch Erziehungspartnerschaft von Schule und Familie 2008

3 Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags: Prof. Dr. Rolf Arnold Prof. Dr. Dirk Baecker Prof. Dr. Ulrich Clement Prof. Dr. Jörg Fengler Dr. Barbara Heitger Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp Prof. Dr. Bruno Hildenbrand Prof. Dr. Karl L. Holtz Prof. Dr. Heiko Kleve Dr. Roswita Königswieser Prof. Dr. Jürgen Kriz Prof. Dr. Friedebert Kröger Dr. Tom Levold Dr. Kurt Ludewig Prof. Dr. Siegfried Mrochen Dr. Burkhard Peter Prof. Dr. Bernhard Pörksen Prof. Dr. Kersten Reich Über alle Rechte der deutschen Ausgabe verfügt Carl-Auer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH; Heidelberg. Fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages Umschlaggestaltung: Goebel/Riemer Satz: Josef Hegele, Heiligkreuzsteinach Printed in the Netherlands Druck und Bindung: Koninklijke Wöhrmann, Zutphen Erste Auflage, 2008 ISBN: Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg Prof. Dr. Wolf Ritscher Dr. Wilhelm Rotthaus Prof. Dr. Arist von Schlippe Dr. Gunther Schmidt Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt Jakob R. Schneider Prof. Dr. Jochen Schweitzer Prof. Dr. Fritz B. Simon Dr. Therese Steiner Prof. Dr. Helm Stierlin Karsten Trebesch Bernhard Trenkle Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler Prof. Dr. Reinhard Voß Dr. Gunthard Weber Prof. Dr. Rudolf Wimmer Prof. Dr. Michael Wirsching Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden Sie unter: Wenn Sie unseren Newsletter zu aktuellen Neuerscheinungen und anderen Neuigkeiten abonnieren möchten, schicken Sie einfach eine leere an: Carl-Auer Verlag Häusserstraße Heidelberg Tel Fax info@carl-auer.de

4 Stadtteilbezogene Auffälligkeitsprophylaxe Stadtteilbezogene Auffälligkeitsprophylaxe Im Rahmen einer professionsübergreifenden, kompetenzorientierten Stadtteilarbeit haben wir seinerzeit als systemisch arbeitendes Beratungsteam (Kinder- und Jugendpsychiater, Psychologin, Sonderund Schulpädagoge) mit Systemen (Familie, Schule) gearbeitet, in denen sich Kinder und Jugendliche auffällig zeigen. Dabei war die besonders enge Kooperation mit der Grundschule von besonderer Bedeutung: Supervision der Lehrerinnen, gemeinsame Schul- und Klassenprojekte. Der folgende Fall ist der Supervision einer Lehrerin entnommen, in der sie einen Schüler, Peter, einen Jungen mit drei Vätern, vorstellte. (Ähnliche Erfahrungen haben wir gerade auch mit Migrationsfamilien gemacht, in denen die Kinder noch im Kitaalter waren.) Supervision einer Lehrerin Peter, 4. Schuljahr, ist ein»typisches«problemkind, desinteressiert, hochgradig zappelig, ist unkonzentriert und»hinterlistig«(schlägt z. B. andere Schüler mit dem Lineal auf den Kopf, wenn die Lehrerin sich von der Klasse abwendet), seine Schulleistungen sind äußerst schwach. Von seinen Klassenkameraden wird er wegen seines aggressiven Verhaltens gemieden. Die Überweisung auf die Sonderschule wird vom Kollegium erwogen. Dies will die Lehrerin verhindern und sucht professionelle Unterstützung. Bisherige Maßnahmen der Lehrerin: Einzelgespräche mit Peter und seiner Mutter, Versuche, Peter in die Klassengemeinschaft zu integrieren, Gespräche im Kollegium, kollegiale Supervision etc. Weitere Maßnahmen durch den Kinderarzt: Zunächst werden eine Spieltherapie und später eine zeitlich begrenzte Medikation verordnet. Problembeschreibung der Lehrerin: Sie weiß von sich, dass sie eine engagierte und kompetente Lehrerin ist. Dennoch fühlt sie sich in der Auseinandersetzung mit Peter»hilflos und alleingelassen«. Gerade sein»hinterlistiges«verhalten kann sie nicht ertragen. Dennoch sagt sie, dass sie eine gute Beziehung zu 159

5 Auffällige Grundschüler im Stadtteil verstehen und begleiten Peter hat und nicht akzeptieren will, dass er auf der Sonderschule landet.»dort gehört er nicht hin.«erweiterung des Blickfeldes: In einer Supervision gelingt es, die Blickfixierung auf das Kind in der Schulklasse aufzugeben und das Verhalten in größeren sozialen Kontexten zu sehen. In diesem Sinne werden folgende Handlungsschritte erarbeitet: Der Lehrerin gelingt es durch regelmäßige Gesprächskontakte, eine stabile Beziehung zu Peters Mutter aufzubauen, die ihr Einblicke in das Familienleben ermöglichen. Diese werden zur Grundlage für die Arbeit in der Supervision, in der sie eine unterstützende Begleitung findet für die weitere Arbeit mit der Mutter. Familiengeschichtliche Entwicklung: Peter ist ein außereheliches Kind seiner Mutter, der seinen leiblichen Vater nie kennengelernt hat. Er wird geboren, während diese mit ihrem ersten Mann in Scheidung lebt. Sein juristischer Vater erkennt ihn nicht an, will ihn in ein Heim einweisen lassen, was die Mutter über eine Trennung verhindert. Nach der Scheidung lernt Peters Mutter einen weiteren Mann kennen, der zunächst die»soziale Vaterrolle«positiv füllt. Nach der Geburt seines leiblichen Sohnes wendet sich der Vater von Peter ab und seinem»erstgeborenen«zu (Abb. 1). Vor diesem Hintergrund entsteht ein Teufelskreis, der das Familienleben immer stärker belastet. Peter ist auf seinen Stiefbru- Abb. 1: Peter, ein Junge mit drei Vätern 160

6 Stadtteilbezogene Auffälligkeitsprophylaxe der eifersüchtig, schlägt ihn, wenn der Vater abgelenkt ist (!), wird dafür wiederum von seinem Vater geschlagen, darüber geraten wiederum die Eltern in Streit, das Klima zwischen den Ehepartnern wird zunehmend schlechter, Peter wird immer stärker zum Gesprächspartner und zur»stütze«seiner Mutter, er hat kaum noch Spielkontakte zu anderen Kindern, seine schulischen Leistungen sinken deutlich. Ressourcenorientiertes Handeln: In der Supervision werden hilfreiche Perspektiven zur Unterstützung der Familie und damit für die weitere Arbeit der Lehrerin entwickelt. Aus der Analyse vorhandener Ressourcen im Stadtteil (Abb. 2) werden die folgenden Handlungsschritte erarbeitet, die durch die Lehrerin an die Mutter vermittelt wurden. Erziehungsberatungsstelle Stadtteilzentrum Mütterzentrum Familienbildungsstätte Zentrum für Bildung und Gesundheit Behindertenvereine Wildwasser Sportvereine Selbsthilfegruppen Stadtteilkonferenz Kommunikatives Bildungswerk Vereine Ausländischer Mitbürger Kindertagesstätten Kindergärten Freizeitzentrum Grundschule (Hausaufgabenhilfe der AWO) Spielkreis Hausaufgabenbetreuung Ev. Kirchengemeinde Hauptschule (offene Angebote am Nachmittag) Kath. Kirchengemeinde Abb. 2: Im Stadtteil vorhandene Ressourcen Sie bahnt Peters Mutter einen Kontakt zum Mütterzentrum an. Dort besteht die Möglichkeit zu Gesprächen mit anderen Frauen. Die Kinder werden in dieser Zeit betreut. Die Mutter nimmt dieses Angebot gerne an. Sie erfreut sich an den Gesprächen mit den anderen Müttern, die in ähnlich schwierigen Lebenssituationen sind. Im Laufe der Zeit übernimmt sie im Mutterzentrum kleine Aufgaben, die für ihr Selbstwertgefühl bedeutsam sind. Diese Entwicklung wirkt sich posi- 161

7 Auffällige Grundschüler im Stadtteil verstehen und begleiten tiv auf das Familienleben aus, so dass sich Peter weniger für die psychische Stabilität seiner Mutter verantwortlich fühlen muss. Zugleich stellt die Lehrerin einen Kontakt zum Jugendzentrum her. In der dortigen Hausaufgabenhilfe hat Peter die Möglichkeit, schulische Defizite zu bearbeiten und zugleich im»spielkreis«spielkontakte zu Gleichaltrigen aufzubauen, die ihn vorab nicht als»störenfried«erlebt haben. Maßnahmen der Lehrerin: Nach einigen Monaten, in denen Peter in einer anderen Familienatmosphäre leben konnte, unternimmt die Lehrerin erneut den Versuch, Peter verstärkt in die Klassengemeinschaft zu integrieren. Für seine Klassenkameraden ist es zunächst schwierig, Peter»mit anderen Augen«zu sehen, doch die Bereitschaft wird größer, kleine Erfolge stellen sich ein. Auch wenn die familiäre Situation weiterhin nicht problemlos ist, wird der psychische Druck auf Peter in der Familie und in der Klasse geringer. Die Bedingungen für eine Veränderung für seinen Verbleib in der Grundschule sind gegeben. 162