Hessischer Ratgeber für Pflanzenbau und Pflanzenschutz
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- Falko Armbruster
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1 Hessischer Ratgeber für Pflanzenbau und Pflanzenschutz Band 2: Aktuell 2005
2 5.4 Düsenwahl und abdriftmindernde Techniken Pflanzenschutz In der Praxis werden Pflanzenschutzmittel eingesetzt, um den Ertrag zu sichern und Nahrungsmittel zu erzeugen, die den Qualitätsanforderungen des Handels und der Verbraucher entsprechen. Neben ihrem positiven Nutzen ist ihre Anwendung aber auch mit einigen negativen Auswirkungen verbunden. Eine dieser Auswirkungen ist die bei der Ausbringung zwangsweise entstehende, nicht vollständig vermeidbare Abdrift. Neuere Techniken ermöglichen über entsprechende Düsen differenzierte Abstandsauflagen bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Düsen sind eines der wichtigsten Teile des Pflanzenschutzgerätes. Sie übernehmen die Aufgabe das Flüssigkeitsvolumen im Fass in Tropfen zu zerteilen und eine gleichmäßige Verteilung auf der Zielfläche zu gewährleisten. So erzeugt jede Düse ein typisches Spektrum von Tropfen unterschiedlicher Größe. Mit einem höheren Anteil kleiner Tropfen steigt die Wahrscheinlichkeit von Abdrift. Bei größeren Tropfen wird bei gleichem Volumen allerdings ein geringerer Bedeckungsgrad erreicht. Letztendlich bestimmt die Wirkstoffaufnahme und verlagerung des eingesetzten Pflanzenschutzmittels die Applikationstechnik. Die Frage nach neuen Düsen stellt sich beim Neukauf von Geräten, bzw. beim Ersatz gebrauchter Düsen. Die Antwort auf die Frage Injektordüsen oder Standarddüsen sollte heute grundsätzlich lauten: Injektordüsen. Diese Düsen sind ausgereift, in kostengünstigen Ausführungen erhältlich und brauchen hinsichtlich der biologischen Wirksamkeit der ausgebrachten Pflanzenschutzmittel keinen Vergleich mit den bisherigen Düsen zu scheuen. Dies hat die Auswertung einer Vielzahl vergleichender Untersuchungen ergeben. Vor dem Hintergrund neuer Abstandsauflagen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die von der Abdrift der jeweils verwendeten Düsentechnik abhängen, werden zunehmend abdriftarme Injektordüsen gefordert. Heute werden für Ackerbaukulturen überwiegend noch Flachstrahldüsen der verschiedensten Typen angeboten und eingesetzt. In den vergangenen 15 Jahren wurden von den Düsenherstellern eine Vielzahl neuer Typen aus verschiedenen Werkstoffen entwickelt. Seit Ende der achtziger Jahre befindet sich mit den sog. Mehrbereichsdüsen eine Düsengeneration auf dem Markt, die auch Wasseraufwandmengen von 200 l/ha bei entsprechender Verteilgenauigkeit zulassen. Vertreter dieser Gruppe sind die XR - Düse der Fa. Spraying Systems und die LU - Düse. Diese Düsen werden in einem Bereich von 1-4 (5) bar verwendet. 55
3 Ein weiterer Schritt bei der Abdriftminderung gelang mit den sog. Antidriftdüsen. Der Vorteil dieser Düsen besteht in einer weiteren Verminderung des Feintropfenanteils. Diese Wirkung beruht auf einer Funktionsteilung. Bei herkömmlichen Flachstrahldüsen übernimmt der Düsenschlitz sowohl die Funktion der Dosierung als auch die der Spritzfächerformung. Bei den sog. Antidriftdüsen übernimmt eine Dosierblende (Vorzerstäuber) die Dosierung der Spritzmenge und dem Düsenschlitz kommt nur noch die Aufgabe der Zerstäubung der Spritzflüssigkeit zu. Vertreter dieser Gruppe sind die DG - Düse der Fa. Spraying Systems, die AD - Düse der Fa. Lechler und die SD der Fa. Agrotop. Diese Düsen können ebenfalls in einem Bereich von 1-5 bar eingesetzt werden. Seit etwa 1996 haben die sog. Injektordüsen breiten Einzug auf dem Düsenmarkt gehalten. Die von der Firma Agrotop angebotene TurboDrop (TD), von der Firma Spraying Systems angebotene Air Injekt (AI), von der Firma Albuz hergestellte AVI - Düse und von der Firma Lechler angebotene Injektordüse (im Vertrieb bei Fa. Hardi als Injet- Düse) saugen ähnlich einer Wasserstrahl- Pumpe über Öffnungen im Düsenkörper (4) Luft mit an und bilden beim Düsenaustritt Schaumtropfen. Diese mit Luftblasen gefüllten Tropfen sind deutlich abdriftfester als herkömmliche reine Wassertröpfchen. Sie zerplatzen wenn sie auf die Blattoberfläche treffen und bedecken dadurch eine größere Oberfläche als ein gleich großer Wassertropfen. Bei Verwendung dieser Düsen ist der Feintropfenanteil deutlich verringert. Allerdings sind diese Düsen bauartbedingt etwas länger als herkömmliche Düsen. Sie müssen mit mindestens 3 bar Druck gefahren werden damit der Antidrift Effekt wirken kann. Diese Düsen sind in einem Bereich von (2) 3 8 (10) bar zugelassen, der optimale Spritzdruckbereich liegt um 5 bar. Neuere Entwicklungen bei den Injektordüsen (sog. Kompaktdüsen) sind kürzer, preiswerter und anders aufgebaut. Sie sind im Druckbereich von 1 6 bar geprüft. Angeboten werden diese Düsen von der Fa. Agrotop (Type: AirMix) und der Fa. Lechler (Type: IDK, im Vertrieb bei Fa. Hardi als Mini-Drift-Düse). Der optimale Einsatzbereich für diesen Düsentyp liegt bei 2-3 bar Druck. 56
4 Durch die Einführung der Injektordüsen konnte ein beträchtlicher Beitrag zur Drift-reduzierung erbracht werden. So sind Abdriftminderungen von 50, 75 und 90 % unter bestimmten Verwendungsbestimmungen gegenüber dem ursprünglich festgesetzten Abdrifteckwert möglich. Diese Tatsachen führten zur Aufstellung einer Liste Verlust-mindernder Geräte, die bei der Zulassung und Genehmigung von Pflanzenschutzmitteln die Vergabe differenzierter Abstandsauflagen bei Oberflächengewässern (NW) und Saumstrukturen (NT) ermöglicht (siehe Fachbeitrag: Regelungen zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln). In den Gebrauchsanleitungen der meisten Pflanzenschutzmittel sind jetzt neben dem mit üblicher Gerätetechnik einzuhaltenden Abstand weitere, reduzierte Abstände aufgeführt. Die je nach der eingesetzten Gerätetechnik und der sich daraus ergebenden Abdriftminderungsklasse (50, 75 und 90 %) eine Reduzierung des Abstands zu Oberflächengewässern (NW-Auflagen) oder Saumbiotopen (NT-Auflagen) zulassen. Die je nach Länderrecht verbindlich vorgegebenen Mindestabstände zu Oberflächengewässern (Uferrandstreifen) bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln dürfen jedoch nicht unterschritten werden. In Hessen ist die feste Abstandsregelung aufgehoben, es gelten somit die Auflagen wie sie bei der Zulassung oder Genehmigung für die einzelnen Pflanzenschutzmittel (Indikation) ausgesprochen werden. Bei Wasseraufwandmengen von l/ha können die verschiedenen Abdriftminderungsklassen mit den jeweiligen Injektordüsen erreicht werden ohne die Konzentration der Spritzbrühe zu ändern (siehe Düsentabelle). Evtl. lassen sich alleine durch die Reduzierung der Motordrehzahl, die Geschwindigkeit und der Druck entsprechend anpassen. Der Trend bei den Wasseraufwandmengen je ha geht in der Praxis in Richtung 200 l/ha und weniger. Um diese Anforderungen erfüllen zu können sollten 02 - oder Injektordüsen, bzw oder 04 - Kompaktdüsen (AirMix, IDK oder MD) zum Einsatz kommen. Allerdings ist für fast alle Praktiker die Verwendung einer 57
5 Technik der 90 % Abdriftminderungsklasse unumgänglich, wenn, wie z. B. bei Herbizidmaßnahmen im Raps, Teilflächen nicht unbehandelt bleiben sollen. Die Abdriftminderungsklasse 90 % kann erreicht werden mit der ID 05 der Fa. Lechler (baugleich mit der Hardi S Injet 05), allerdings sind bei dieser Applikation mindestens 400 l Spritzbrühe je ha erforderlich (Druck max. 2,0 bar, Fahrgeschw. max. 5 km/h). Bei dieser Kombination ist neben der Geschwindigkeits- und Druckänderung evtl. auch eine Änderung der Brühkonzentration notwendig. Günstiger ist hier die Verwendung der Kompaktdüsen (AirMix, IDK oder MD 05) zu beurteilen. Mit diesen Düsen ist bei 300 l/ha, 1,0 bar Druck, 4,6 km/h Fahrgeschwindigkeit die Abdriftminderungsklasse 90 % erreichbar. Die im Frühjahr 2004 in die Liste abdriftmindernde Technik eingetragene IDN der Firma Lechler erfüllt die Abdriftminderungsklasse 90 % auch bei 200 l Spritzflüssigkeit je ha. Allerdings stehen diese Vorgaben nicht immer mit den Empfehlungen zum optimalen Einsatz der Düsentechnik im Einklang. Liegen keine Einschränkungen vor, sollten die mittleren bis höheren Druckbereiche entsprechend den Angaben der Düsenhersteller gewählt werden. bei herkömmlichen Injektordüsen (4) 5 7 bar bei Kompakt Injektordüsen 2 3 bar bei IDN Injektordüse (5) 6 8 bar Diesem Artikel ist als Anlage eine Düsentabelle beigefügt, in der die Ausbringmengen bei unterschiedlichen Fahrgeschwindigkeiten, Drücken und unterschiedlichen Düsen abgelesen werden können. In der Abdriftminderungsklasse 90 % ist die Düse IDN neu hinzugekommen und die Begrenzungen der Fahrgeschwindigkeit wurden größtenteils aufgehoben. Mit der Universaltabelle zur Ermittlung von Düsentyp, Düsengröße, Spritzdruck und Abdriftminderungsklasse können Düsen recht einfach ausgewählt werden. Wenn z. B. eine Düse gesucht wird, die bei einer Fahrgeschwindigkeit von 6,0 km/h eine Wassermenge von 300 l/ha ausbringt, wird wie folgt vorgegangen: In der Spalte 300 l/ha wird unten die Fahrgeschwindigkeit von 6,0 km/h gesucht. In der Zeile findet sich zunächst der erforderliche Einzeldüsenausstoß (1,5 l/min). Rechts daneben stehen die Spritzdrücke für die jeweiligen Düsen, deren Auswahl sinnvoll ist. Am Kopf der Spalte des Spritzdruckes können dann Düsenbezeichnung und Düsengröße abgelesen werden. Für die angegebenen Daten sind zunächst Düsen der Größe 025 mit 6,8 bar Spritzdruck möglich (=keine Abdriftminderungsklasse). Daneben folgen 5 Düsen der Größe 03 bei 4,7 bar, von denen zwei in die Abdriftminderungsklasse 50 % eingestuft sind. Die Düsen der Größe 04 werden mit 2,6 bar Druck eingesetzt. Bei fast allen wird ebenfalls die Abdriftminderungsklasse 50 % erreicht. 58
6 Folgende Beispiele sollen verdeutlichen, wie die Vorgaben aus der Liste Verlustmindernde Geräte umgesetzt werden können. Beispiel 1: kleiner Betrieb, möchte nur mit einem Düsentyp arbeiten Vorgaben: Die Ausbringmenge soll 300 l/ha betragen, Fahrgeschwindigkeit 6,6 km/h, Druck 2,0 bar = diese Anforderungen werden erfüllt von z. B. den Düsen AirMix, IDK oder MD 05. Diese Düsen erfüllen mit diesen Einstellungen die Abdriftminderungsklasse 50 %. Für die Abdriftminderungsklasse 75 % muss der Druck auf 1,5 bar reduziert werden. Soll die Ausbringmenge gleich bleiben, muss die Fahrgeschw. auf 5,6 km/h vermindert werden. Bei der Abdriftminderungsklasse 90 % muss der Druck auf 1,0 bar reduziert werden und die Fahrgeschwindigkeit darf max. 5,0 km/h betragen. Lt. Düsentabelle ist bei 05-Düsen bei einer Ausbringmenge von 300 l/ha und 1,0 bar Druck eine Fahrgeschwindigkeit von 4,6 km/h vorgesehen. Diese Einstellung sollte auf den Bereich begrenzt werden, wo die Abdriftminderungsklasse 90 % vorgeschrieben ist. Beispiel 2: größerer Betrieb, will je nach Pflanzenschutzmittel und Kultur l/ha ausbringen und die 90 % Abdriftminderungsklasse erreichen a) Allgemein: die Ausbringmenge von 200 l/ha, bei einer Fahrgeschwindigkeit von 6-8 km/h kann erreicht werden mit der Düse ID 02 bei einem Druck von 4,7 8,0 bar (= keine Abdriftminderungsklasse erreicht, bei max. 3,5 bar Druck können 200 l/ha ausgebracht werden bei etwa 5,2 km/h, mit dieser Einstellung wird die 50 % Klasse erreicht) oder bei einem Druck von 3,0 5,2 bar mit Düsen der Größe 025 (mehrere Typen). Die 50 % Abdriftminderungsklasse wird bei diesen groben Vorgaben nur von der ID und IDN 025 erreicht, bei anderen Typen müssen Geschwindigkeit und Druck beachtet werden. Die 75 % Klasse wird erreicht von den Düsen AirMix, MD und IDK 04 bei max. 1,0 bar Druck, sowie der neuen IDN 025 bei max. 3,0 bar Druck. Diese Düse erreicht auch die 90 % Klasse bei max. 2,0 bar Druck. b) Vorgaben: Ausbringmenge soll l/ha betragen und die Abdriftminderungsklasse 90 % muss erreicht werden. Empfehlung: = ID 05 Die 90 % Abdriftminderungsklasse wird erreicht bei der vorgegebenen Fahrgeschwindigkeit von max. 5,0 km/h und einem Druck von max. 2,0 bar. Da die Abdriftminderungsklasse meist nur in einem Bereich von 20 m zu einem Saumbiotop oder dem Gewässer eingehalten werden muss, ist es empfehlenswert für die Restfläche mit höherem Druck (= bessere Benetzung) und höherer Fahrgeschwindigkeit (= höhere Flächenleistung) zu arbeiten. Sollen mit der Düse ID 05 auch 600 l/ha ausgebracht werden ist dies bei einer Fahrgeschwindigkeit von 6 km/h und einem Druck von 6,8 bar möglich. Durch die neuen Festlegungen des Abstandes zwischen Behandlungsfläche und einem Oberflächengewässer bzw. einem Saumbiotop kommt zukünftig der Anwendungstechnik eine sehr viel größere Bedeutung zu als bisher. 59
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