Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle für Bahnen und Schiffe

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1 Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Département fédéral de l Environnement, des Transports, de l Energie et de la Communication Dipartimento federale dell Ambiente, dei Trasporti, dell Energia e delle Comunicazioni Federal Department of the Environment, Transport, Energy and Communications U V E K E T E C A T E C E T E C Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe U U S Reg. Nr Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle für Bahnen und Schiffe über die Entgleisung von S-Bahnzug (S2) in Bern, Ausfahrt Ost Mittwoch, 26. Januar 2005 Telephon Telefax Adresse +41 (0) (0) joseph.zeder@gs-uvek.admin.ch Schwarztorstr (0) / 9 CH-3003 Bern

2 Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR ). 0 ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Mittwoch, 26. Januar 2005 überfährt der S-Bahnzug (S2, Bern Langnau i.e.) um 06:42 Uhr in Bern das "Rot" zeigende Ausfahrsignal "E7". Dadurch kam es zu einer Streifkollision mit dem Richtung Langnau-Luzern ausfahrenden Regioexpress (RE) Bei dieser Streifkollision wurde beim S-Bahnzug der rechte vordere Puffer abgerissen und fiel vor den Zug. Dadurch entgleiste die S auf der Weiche 6 mit einer Achse. Der Lokführer des gestreiften RE 3307 bemerkte nichts vom Vorfall und fuhr weiter. Verletzt wurde niemand. 0.2 Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle UUS wurde um Uhr durch die Meldestelle REGA über das Ereignis informiert. Der nebenamtliche Untersuchungsleiter Joseph Zeder rückte unverzüglich an den Unfallort aus. Gleichzeitig bat er den Untersuchungsleiter Beer Markus, die ersten Abklärungen vor Ort zu machen. Der Untersuchungsbericht der UUS fasst die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen zusammen (Art. 25 VUU) Personenbahnhof Unfallort Bahnhof Bern Ausschnitt: Bahnprofil Schweiz '05 2/9

3 1 FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Im Gleis A2 des Bahnhofs Bern stand der RE 3307 zur Abfahrt nach Langnau-Luzern bereit; fahrplanmässige Abfahrtszeit: 06:36 Uhr. Ebenso war die S in Gleis A7 zur Abfahrt bereit; fahrplanmässige Abfahrtszeit: 06:42 Uhr. Mit ca. 4 Minuten Verspätung fuhr der RE 3307 über die Gleise A2-C6-C2-301 ab. 1.2 Verlauf der Fahrt Die S stand zur Abfahrt im Gleis A7 bereit. Der Fahrweg war von Gleis A7 über C7 nach C2-301 vorgesehen. Der Zug fuhr rechtzeitig ab. Durch die parallel gestellte Ausfahrt für den RE 3307, welche ab Weiche 6 den gleichen Fahrweg wie für die S vorsah, war für die S nur die Fahrt vom Gleis A7 (Abschnitt) bis zum Ausfahrsignal "E7" freigegeben (Abschnittsignal "F7" = Fahrbegriff 6). Aufgrund der Abfahrerlaubnis durch den Fahrdienstleiter fuhr die S rechtzeitig ab. Im Glauben, das Ausfahrsignal "E7" zeige "Fahrt" beschleunigte der Lokführer auf die normale Ausfahrgeschwindigkeit von 40 km/h. Unmittelbar vor dem Passieren des Ausfahrsignals "E7" bemerkte der Lokführer, dass "sein" Signal ("E7") "Halt" signalisierte. Er leitete unverzüglich eine Schnellbremsung ein. Der Zug kam auf der Weiche 6 zum Stehen, berührte jedoch die am Schluss vom RE 3307 laufende Lok leicht. Dadurch wurde bei der S der vordere rechte Puffer weggerissen. Dieser fiel vor die S , was zur Folge hatte, dass der Zug noch mit einer Achse auf der Weiche 6 entgleiste. Spitze Zug vor Abfahrt Gleis A2 Zug 3307 Entgleisung Gleis A7 Zug Abschnittsignale F Ausfahrsignale E Situationsplan 3/9

4 abgerissener Puffer von Zug entgleiste Achse von Zug Fotos: UUS, zej 1.3 Personenschäden Es gab keine verletzten Personen. 1.4 Sachschäden am Rollmaterial und an der Infrastruktur des Bahnunternehmens - Am BLS-Pendel (S ) entstand ein Sachschaden von ca. Fr 15' Beim RE 3307 entstanden Schleifspuren an der Lok. Der Schaden ist unbedeutend. - An der Infrastruktur entstand ein Schaden von ca. Fr 8' Beteiligte Personen Lokführer S Lokführer BLS Fahrdienstleiter Zentralstellwerk Bahnhof Bern 1.6 Schienenfahrzeuge Eigentümer: Zugskomposition: BLS, Division Personenverkehr, Bern Zug RE 3307 (Spitze-Schluss): 1 Bt, 2 B, 1 AB, 1 BD, 1 Re (Nr.: ) Zug S (Spitze-Schluss): 1 ABt, 1 B, 1 RBDe (Nr.: ) 4/9

5 Techn. Daten: Zug S : Zugsgewicht: 165 t Bremsgewicht: 218 t Zug-/Bremsreihe: R 125% Ausgeschaltete Bremsapparate: keine 1.7 Wetter, Schienenzustand Nacht. Leichter Schneefall. Schienen schneebedeckt. 1.8 Bahnsicherungssysteme Der Bahnhof Bern ist mit einer Sicherungsanlage des Typs SIEMENS Spurplan- Drucktastenstellwerk (mit gesicherten Rangierfahrstrassen und Zwergsignalen) ausgerüstet Das Triebfahrzeug ist mit einer Sicherheitssteuerung und Zugsicherung gem. BLS- Norm sowie mit der Zugbeeinflussung ZUB 121 ausgerüstet. Die Bahnsicherungssysteme haben normal funktioniert. Stellwerkausdrucke sind vorhanden. Sie sind für den Verlauf des Ereignisses nicht relevant. 1.9 Zug- und Rangierfunk Der Steuerwagen ist mit dem Zugfunk 88 (ZFK 88) ausgerüstet. Die Funkgespräche werden nicht aufgezeichnet. Sie sind für den Unfallablauf nicht relevant Bahnanlagen Die Bahnanlagen waren mit Schnee bedeckt; die Weichen mit einer Weichenheizung ausgerüstet. Sie gaben zu keinerlei Bemerkungen Anlass Fahrdatenschreiber Der Triebwagen Nr ist mit einem Geschwindigkeitsmesser Hasler TELOC 2000' mit einem Registrierstreifen ausgerüstet. Die Auswertung der Fahrdaten ergibt, dass der Lokführer mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h gefahren ist und somit die sonst bei offener Fahrt vorgeschriebene max. Geschwindigkeit von 40 km/h für diesen Streckenabschnitt nicht überschritten hat. 5/9

6 Warnung Ausfahrsignal "E7" Schwarzenburg Bern Gleis A7 Fahrstreifen S" Der Lokführer hat die Schnellbremsung bei Erkennen des geschlossenen Signals unvermittelt eingeleitet Befunde an den Fahrzeugen Die optische Kontrolle der Fahrzeuge der BLS durch den Untersuchungsleiter ergab keine Beanstandungen. Alle Bremsen sowie die Zugsicherung waren eingeschaltet und funktionierten einwandfrei Medizinische Feststellungen In Bezug auf medizinische Beschwerden der am Unfall beteiligten Personen ist nichts bekannt. Der Lokführer fühlte sich bei Dienstantritt fit Feuer Es trat kein Feuer auf Besondere Untersuchungen - Die Ueberprüfung der Stellwerkprotokolle sowie des Störungsdruckers ergab keine Unregelmässigkeit. - Der Halteort für die S auf Gleis A 7 im Bahnhof Bern befindet sich unmittelbar unter dem Ausfahrvorsignal F**7 (Bahnkm ). Ab diesem Standort ist dieses für den Lokführer kaum einsehbar. (Bemerk.d.Red.: Diese Vorsignale sind in der Zwischenzeit ausser Betrieb gesetzt worden). Im Weiteren sind von diesem Standpunkt aus weder das Abschnittsignal "F7" noch das Ausfahrsignal "E7" einsehbar. Der Lokführer fährt aufgrund der vom Fahrdienstleiter erteilten Abfahrerlaubnis ( FDV, R 300.2, Zif ) ab. Dieser Befehl kann allerdings nicht erteilt 6/9

7 werden, wenn das Abschnittsignal "F7" nicht mindestens Fahrbegriff 6 ("Kurze Fahrt", das nächste Signal zeigt Halt) zeigt. Nach Abfahrt kann der Lokführer auf eine Distanz von ca. 60 m erkennen, welchen Fahrbegriff das Abschnittsignal "F7" signalisiert. Von dort ist ihm aber genug Reaktionszeit gegeben, um allenfalls auf den signalisierten Fahrbegriff reagieren zu können. Ausfahrvorsignal "F**7" (ausser Betrieb) nicht einsehbares Abschnittsignal "F7" Kennzeichnung Halteort für Lokführer (Gleis A7) Nachgestellte Abfahrtssituation Foto: UUS, zej - Zug RE 3307, welcher von der Streifkollision nichts mitbekam und daher bis Luzern weiterfuhr, wurde in Luzern im Auftrag der UUS auf entstandene Schäden sowie Fahrtauglichkeit untersucht. - Die Abschnittsignale "F" sind weder mit der Zugsicherung noch mit dem ZUB 121 ausgerüstet. Ein Überfahren derselben bei "Rot" löst keinen automatischen Halt aus. Es wird auch beim Überfahren derselben bei Fahrbegriff 6 (Warnung zeigendes Signal) kein Warnton im Führerstand erzeugt. - Die Ausfahrsignale "E" sind nicht mit dem ZUB 121 ausgerüstet. Die Zugsicherung überträgt "Warnung" (Fahrbegriff 6) löst jedoch keinen Zwangshalt bei "Halt" zeigendem Signal aus Informationen über Organisation und Verfahren - Der Lokführer fährt im Bahnhof Bern aufgrund der Abfahrerlaubnis durch den Fahrdienstleiter ab, ohne dass er "sein" Abschnitts- resp. Ausfahrsignal erkennen kann. Damit jedoch die Abfahrerlaubnis mit dem "ortsfesten Signal für Abfahrerlaubnis" ( FDV, R 300.2, Zif ) erteilt werden kann, muss das Abschnittsignal "F7" mindesten Fahrbegriff 6 zeigen. 7/9

8 2 BEURTEILUNG 2.1 Technisches - Die Schienenfahrzeuge waren technisch in Ordnung. - Ein irrtümliches Abfertigen des Zuges mit dem "ortsfesten Signal für Abfahrerlaubnis" bei Halt zeigendem Abschnittsignal wird stellwerktechnisch verhindert. - Beim Überfahren des Abschnittsignals "F" bei Rot wird mangels fehlender technischer Einrichtungen kein automatischer Zwangshalt ausgelöst resp. beim Überfahren mit Fahrbegriff 6 (Warnung) kein Warnsignal an den Lokführer abgesetzt. - Beim Überfahren des Ausfahrsignals "E" bei "Rot" wird kein automatischer Zwangshalt ausgelöst, jedoch ein Warnton abgegeben. 2.2 Betriebliches - Die Züge werden im Bahnhof Bern durch Abfertigungsbeamte abgefertigt. - Der Abfertigungsbeamte kann nur feststellen, ob das Abschnittsignal "Rot" oder mind. Fahrbegriff 6 zeigt. 3 SCHLUSSFOLGERUNGEN 3.1 Befunde - Die Sicherungsanlagen haben, soweit nötig und möglich, richtig funktioniert. - Es lag keine Störung vor. - Das Abschnittsignal sowie das Ausfahrsignal sind vom für S-Bahnzüge vorgesehenen und markierten Standort aus bei der Abfahrt für den Lokführer kaum zu erkennen. - Das "ortsfeste Signal für Abfahrerlaubnis" ist in Abhängigkeit zum Abschnittsignal, so dass bei "Rot" zeigendem Abschnittsignal keine Abfahrerlaubnis mit dem ortsfesten Signal erteilt werden kann. - Nach Abfahrt ab vorgesehenem Halteort kann der Fahrbegriff am Abschnittsignal jedoch frühzeitig erkannt werden, so dass genügend Reaktionszeit vorhanden ist, um darauf reagieren zu können. - Das Abschnittsignal hat weder eine Zugsicherung noch ein ZUB. - Das Ausfahrsignal ist nicht mit ZUB ausgerüstet und die Zugsicherung überträgt nur "Warnung", löst jedoch keinen Zwangshalt aus bei Überfahren des "Halt" zeigenden Signals. - Auslösen des Haltes von Zug S durch den Lokführer durch Schnellbremsung. 3.2 Ursache. - Nicht Beachten des Fahrbegriffs 6 ("Kurze Fahrt"; nächstes Signal = "Halt") am Abschnittsignal "F7" durch den Lokführer des Zuges S Fehlende Warnung durch Abschnittsignal "F". 8/9

9 3.3 SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Die Abschnitts- sowie die Ausfahrsignale im Bahnhof Bern sind so zu sichern, dass Kollisionen mit entsprechenden Folgen auf dem Viadukt "Schützenmatte" sicherungstechnisch vermieden werden können. Die Untersuchung wurde von Joseph Zeder und Markus Beer geführt, der Bericht von Joseph Zeder erstellt. Bern, 31. August 2005 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe Joseph Zeder Markus Beer nbl. Untersuchungsleiter Untersuchungsleiter 9/9