vom Mittwoch, 10. Dezember 2008

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1 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Service d enquête sur les accidents des transports publics SEA Servizio d inchiesta sugli infortuni dei trasporti pubblici SII Ulrich Baumann, 19. März 2009 Reg. Nr.: Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe über die Entgleisung einer Am 843 vom Mittwoch, 10. Dezember 2008 in Schaffhausen Ulrich Baumann Birchdörfli Zürich Tel Fax ulrich.baumann@uus.admin.ch

2 Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR ). 0 ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Mittwoch, 10. Dezember 2008 um ca. 12:15 Uhr fuhr das Cargoteam in Schaffhausen mit einer Am 843 von Gleis A1 Richtung Gleis B5. Auf der Weiche 53 entgleiste das Fahrzeug. An Lok und Infrastruktur gab es grössere Sachschäden, Personen wurden keine verletzt. A1 0.2 Untersuchung Die Untersuchungsstelle UUS wurde gleichentags um 12:50 Uhr durch die Meldestelle REGA über das Ereignis informiert. Der nebenamtliche Untersuchungsleiter Ulrich Baumann rückte unverzüglich an den Unfallort aus. Der Untersuchungsbericht der UUS fasst die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen zusammen. 1. FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Das Rangierteam hatte den Auftrag, von Gleis S1 via Gleis A1 nach Gleis B5 zu fahren. Nachdem das Rangierfahrzeug im Gleis A1 stand, stellte der Fahrdienstleiter die Fahrstrasse A1 B5 ein. Die Zwergsignale 35A und 29A gingen auf Fahrt resp. Fahrt mit Vorsicht; Zwergsignal 51 blieb geschlossen, da Weiche 53 die Endlage nicht so- Seite 2 von 8

3 fort erreichte. Im Stellwerk ertönte der Weichenwecker. Der Fdl sah sofort, dass Weiche 53 nicht in Endlage stand. 1.2 Verlauf der Fahrt Im Gleis A1 hat das Rangierteam bestehend aus Lokführer und Rangierleiter auf die Weiterfahrt Richtung B5 gewartet. Der Rangierleiter befand sich im Führerstand der Lok in Fahrtrichtung links. Er hatte die bessere Sicht auf die Zwergsignale als der Lokführer. Nachdem Zwergsignal 35A auf Fahrt stand, gab der Rangierleiter dem Lokführer den Fahrbefehl Zwerg gerade offen, fahren bis hinter Weiche S8. Er war der Meinung, auch Zwergsignal 29A gerade offen gesehen zu haben; Zwergsignal 51A sah er nicht. Darauf beschleunigte der Lokführer die Lok ohne die Zwergsignale zu beachten. Der Rangierleiter begann Schriften zu sortieren und hatte auch nicht mehr auf die Fahrstrasse geachtet. Beim Befahren der Weiche 53 entgleiste die Lok mit allen 4 Achsen. Photo: UUS/bau 1.3 Personenschäden Keine 1.4 Sachschäden am Rollmaterial und an der Infrastruktur des Bahnunternehmens Die Lok Am wurde beschädigt, ebenso die Weichen 53 und 54 und Teile der Gleise B3 B Sachschäden Dritter Drittpersonen kamen nicht zu Schaden. 1.6 Beteiligte Personen Lokpersonal Lokführer Kategorie C, SBB Cargo Schaffhausen Am Ereignistag war ihm Tour 21 eingeteilt. Rangierleiter Lokführer Kategorie C, SBB Cargo Schaffhausen Am Ereignistag war ihm Tour 31 eingeteilt. 1.7 Schienenfahrzeuge Eigentümer: SBB Cargo Zugskomposition: 1 Lok Triebfahrzeug: Am Zugsgewicht: 80 t Bremsgewicht: P = 99 t, G = 67 t Seite 3 von 8

4 Ausgeschaltete Bremsapparate: keine 1.8 Strassenfahrzeuge Strassenfahrzeuge waren keine am Ereignis beteiligt. 1.9 Wetter, Schienenzustand Tag, zeitweise starker Schneefall, Schienen nass 1.10 Bahnsicherungssysteme Der Bahnhof Schaffhausen ist mit einer Sicherungsanlage des Typs Siemens Sp Drs 60 (mit gesicherten Rangierfahrstrassen und Zwergsignalen) ausgerüstet. Das Triebfahrzeug ist mit der elektronischen Sicherheitssteuerung und mit der automatischen Zugsicherung mit Magnetfeldsonde sowie mit der Zugbeeinflussung ZUB 121 (SBB/BLS) ausgerüstet. Die Bahnsicherungssysteme wiesen folgende Störungen auf: Weiche 53 erreichte beim ersten Stellversuch keine Endlage (Witterungsbedingt könnte Eis oder Schnee im Zungenbereich gelegen haben). Weil Weiche 53 sich nicht in Endlage befand, zeigte Zwergsignal 51A Halt. Wegen des entgleisten Fahrzeugs zeigen Weichen 53 und 54 belegt an Photo: UUS/bau 1.11 Zug- und Rangierfunk Das Triebfahrzeug ist mit dem Zugfunk ausgerüstet. Die Funkgespräche werden nicht aufgezeichnet. Die Funkgespräche sind für den Unfallablauf nicht relevant Bahnanlagen Die Sättel und die Stempelvorrichtung von Weiche 53 (und der übrigen Weichen) waren gut geschmiert und befanden sich in gutem Zustand Fahrdatenschreiber Die Lok Am Nr ist mit einem Geschwindigkeitsmesssystem ausgerüstet, welches die Fahrgeschwindigkeit an einem analogen Instrument anzeigt. Die Fahrdaten werden elektronisch aufgezeichnet. Sie wurden durch die Verkehrsunternehmung ausgelesen und ausgewertet. Seite 4 von 8

5 Die Auswertung der Fahrdaten ergab, dass der Lokführer unmittelbar vor dem Ereignis mit einer Geschwindigkeit von 29.9 km/h gefahren ist und somit die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h für diesen Streckenabschnitt eingehalten hat. (Anlage 1) Der Anhalteweg betrug 27 m Befunde an den Bahnfahrzeugen Die visuelle Kontrolle der am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge durch den Untersuchungsleiter ergab keine Beanstandungen Medizinische Feststellungen In Bezug auf medizinische Beschwerden der am Unfall beteiligten Personen ist nichts bekannt. Der Lokführer fühlte sich bei Dienstantritt fit Feuer Beim Ereignis trat kein Feuer auf Besondere Untersuchungen Am Donnerstag, 18. Dezember 2008 wurde von der UUS (grj und bau) vor Ort das richtige Funktionieren beim Einlaufen der Rangierfahrstrasse von A1 nach B5 überprüft. Von der SBB waren ein Fahrdienstleiter und zwei Mitarbeiter des SW-Dienstes anwesend. Sowohl beim Einstellen der Rangierfahrstrasse ohne und mit simulierter Störung von W53 gingen die Zwergsignale vom Ziel- zum Startpunkt auf. Fahrstrasse A1 B5 korrekt eingelaufen Gleis A1 Gleis B5 ZS 35 ZS 29 ZS 51 W 53 Photo: UUS/grj Bei der Simulierung der Störung ertönte im Stellwerk der Weichenwecker und die Anzeige von Weiche 53 blinkte. Auf dem Stellpult zeigten das Startzwergsignal (35) und das zweite Zwergsignal (29) Fahrt, Zwergsignal 51A (deckt die Weichen 51, 52, 53, 54 sowie ein Entgleisungsschuh) blieb dunkel und somit in der Stellung Halt. Die Zwergsignale im Rangierfeld signalisierten folgende Begriffe: Zwergsignal 35: Fahrt (FDV R Bild 234) Zwergsignal 29: Fahrt mit Vorsicht (FDV R Bild 233) Zwergsignal 51: Halt (FDV R Bild 232) Seite 5 von 8

6 Der Vorgang wurde mehrmals wiederholt, das Ergebnis blieb immer das Gleiche. Die SW-Anlage in Schaffhausen funktioniert somit korrekt Information über Organisation und Verfahren Bei der Rangierfahrt A1 B5 handelt es sich um eine regelmässig ausgeführte Fahrt. Sie kann vom Fahrdienstleiter als Vorzugsfahrstrasse in einem Stellgang eingestellt werden Verschiedenes Arbeitsrechtliche Bedingungen Bei der Untersuchung sind keine Verstösse gegen arbeitsrechtliche Bedingungen festgestellt worden. Menschliche Faktoren Einige Tage vor dem Ereignis gab es in der Familie des Rangierleiters einen Todesfall, die Beerdigung wurde durch den Rangierleiter organisiert und fand einen Tag nach dem Ereignis statt. Der Rangierleiter sagte aus, dass er sich wegen des Todesfalls nicht bei der Arbeit ablenken liess. 2. BEURTEILUNG 2.1 Technisches Die visuelle Kontrolle des am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeugs durch den Untersuchungsleiter ergab keine Beanstandungen. 2.2 Betriebliches Der Rangierleiter hat den Fahrbefehl fahren bis hinter Weiche 8 erteilt, obwohl er nicht alle zu befahrenden Weichen auf die richtige Stellung überprüfen konnte. (FDV R 300.4, Punkt 2.5.1) Bei der Fahrt von A1 nach B5 hat sich der Lokführer auf die Angaben des Rangierleiters verlassen, da dieser die bessere Sicht auf die Zwergsignale hatte. Nach der Abfahrt aus Gleis A1 hatte sich der Rangierleiter aber nicht mehr auf die Fahrstrasse konzentriert sondern im Führerstand Schriften geordnet. Bei gezogener Rangierbewegung obliegt die Beobachtung des Fahrwegs dem Lokführer (FDV R 300.4, Punkt 2.6.2), der Rangierleiter hat ihn dabei zu unterstützen. 2.5 Befehle zur Rangierbewegung Überprüfung vor dem Fahrbefehl Vor dem Erteilen des Fahrbefehls prüft der Rangierleiter, soweit er dies erkennen kann, ob Personen, die gefährdet werden könnten, rechtzeitig gewarnt sind die Bremsen gelöst und allfällige Bremsmittel entfernt sind der Lokführer über die Nichtanwendung der aut. Luftbremse verständigt ist der Lokführer über Langsamfahrstellen sowie ausgeschaltete bzw. geerdete Gleisabschnitte im Fahrweg verständigt ist der Lokführer über die im Bereich einer Arbeitsstelle zu beachtenden besonderen Massnahmen und allenfalls über die Aufhebung der Fahrt auf Sicht verständigt ist die Bahnüberganganlagen der zu befahrenden Bahnübergänge eingeschaltet sind die Signale die richtigen Begriffe zeigen die Weichen richtig stehen und, sofern überprüfbar, die Endlage erreicht haben sowie Entgleisungsvorrichtungen und Sperrschuhe abgelegt sind. Seite 6 von 8

7 2.6 Beobachten des Fahrweges Grundsatz Das Beobachten des Fahrweges während der Fahrt obliegt dem Rangierleiter. Er hat seinen Standort so zu wählen, dass er den Fahrweg überblicken und die Signale einwandfrei beobachten kann. Nach einem Fahrt mit Vorsicht zeigenden Zwergsignal oder in Anlagen ohne Zwergsignale muss vor einem Schienenfahrzeug angehalten werden können Gezogene Rangierfahrt Wird bei gezogener Rangierfahrt das Triebfahrzeug vom vorderen Führerstand aus bedient, ist der Lokführer für die Beobachtung des Fahrweges verantwortlich. Die auf dem Triebfahrzeug mitfahrenden Rangierer unterstützen den Lokführer bei der Beobachtung, soweit sie den Fahrweg überblicken können. Auszug aus FDV R 300.4, gültig ab 06. Juli Schlussfolgerungen 3.1 Befunde Die visuelle Kontrolle des am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeugs ergab keine Beanstandungen. Die Bahnsicherungsanlagen wiesen folgende Störung auf: Weiche 53 war gestört 3.2 Ursache Die Entgleisung ist zurückzuführen auf das Nichtbeachten des geschlossenen Zwergsignals 51A durch den Lokführer und den Rangierleiter. 4. SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN keine Die Untersuchungen wurden von Ulrich Baumann geführt. Zürich, 16. März 2009 Untersuchungsstelle Bahnen und Schiffe U. Baumann Untersuchungsleiter im Nebenamt Seite 7 von 8

8 Fahrdaten Am Anlage 1 Seite 8 von 8