auf dem Areal der Swiss Steel AG
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1 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Service d enquête sur les accidents des transports publics SEA Servizio d inchiesta sugli infortuni die trasporti pubblici SII Erwin Drabek Reg. Nr.: Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe über den Arbeitsunfall vom Montag, 28. April 2008 auf dem Areal der Swiss Steel AG Erwin Drabek Monbijoustrasse 51A 3003 Bern Mobile Fax edrabek@bluewin.ch
2 Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR ). 0 ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Montag, 28. April 2008 um 10:26 h wurde bei einer Rangierbewegung auf dem Werkareal der Firma Swiss Steel AG der Rangierleiter der Firma Panlog AG zwischen zwei Wagenpuffern eingeklemmt. Schwerverletzt wurde er mit der Ambulanz ins Kantonsspital Luzern überführt. Unfallstelle: Werkareal Swiss Steel AG 0.2 Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle wurde durch die Meldestelle (REGA) am 28. April 2008 um 10:59 Uhr per Pager alarmiert. Die Rückfrage bei KAPO Luzern ergab die Notwendigkeit einer Untersuchung. Der Berichterstatter rückte deshalb unverzüglich aus. Der Untersuchungsbericht der UUS fasst die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung zusammen (Art. 25 der VUU). 2/9
3 1 FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Auf dem Areal der Firma Swiss Steel AG führt die Firma Panlog AG den Eisenbahnrangierbetrieb aus. Am Tag des Ereignisses war ein Rangierteam bestehend aus einem Rangierleiter, einem Rangierlokführer und einem Rangiermitarbeiter im Einsatz. Die Aufgabe des Teams war, auf dem ganzen Areal von Swiss Steel AG (je nach Bedürfnissen) Wagen zu rangieren. Am 28. April 2008 hat das Team die Arbeit um 05:00 Uhr morgens begonnen. Nach einer Pause von 09:00 bis 09:30 Uhr wurden die Rangiertätigkeiten weitergeführt. Als letzte Rangierbewegung musste vor dem Unfall eine Tranche von 13 vierachsigen Wagen vom Gleis K13b ins Gleis K13 geschoben werden. Auf Gleis 13 mussten zwei Wagen abgehängt werden. Richtung Emmen Eurolager A B C K13a K13b K13 K11 W79 K10 K1 Stangenzug Walzwerk Gleisplan (Auszug Plan Industriegleise von Moos Stahl; Einträge UUS) A: abgehängte Wagen B: Unfallstelle C: Lok (Seite Emmen) mit 11 vierachsigen Wagen auf Gleisabschnitte K13a und K13b K1, K10, K11, K13, K13a, K13b: Bezeichnung der Industriegeleise. W79: Weiche 79 W79 C A B K13 K11 Bild 1 3/9
4 1.2 Verlauf der Fahrt Der Lokführer (Lf) bekam vom Rangierleiter (Rgl) den Befehl "Vorwärts". Er setzte die Rangierfahrt in Bewegung. Er bekam dann die Distanzmeldungen "vier", "zwei", "eins", "anhalten". Er hielt die Rangierbewegung an. Als die Rangierbewegung stillstand, trat der Rgl zwischen den zweit- und drittletzten Wagen und entkuppelte die Wagen. Anschliessend gab er dem Lf den Fahrbefehl "Rückwärts zum K1". (Rückwärts hiess für den Lokführer Richtung Emmen fahren). Weil das Gleis K13 sich in einem leichten Gefälle (4 bis 5 %o Seite Emmen) befindet, löste der Lf die Luftbremse der Wagen aus. Als sich die Wagen durch die Schwerkraft gegen die Lokomotive bewegten, begann der Lf die Rangierfahrt Rückwärts Richtung Gleis K1. Er hörte Schreie und stoppte sofort die Fahrt. Als der Rgl, welcher noch zwischen den Wagen stand, sah, dass sich die Wagen Richtung Gleis K1 bewegten, verliess er seinen Standort zwischen den Wagen. Plötzlich schlugen aber die sich entfernenden Wagen zurück und klemmten den Rgl zwischen den Wagenpuffer ein. Der schwerverletzte Rgl wurde mit der Ambulanz ins Kantonspital Luzern überführt. 1.3 Personenschäden Bahnpersonal Reisende Drittpersonen Schwer Verletzte: Sachschäden am Rollmaterial und an der Infrastruktur des Bahnunternehmens Am Rollmaterial und an der Bahninfrastruktur entstand kein Sachschaden. 1.5 Sachschäden Dritter Keine 1.6 Beteiligte Personen Alle Beteiligten sind Mitarbeiter der Firma PANLOG AG, Emmenweidstrasse 74, CH 6020 Emmenbrücke Rangierlokführer: Rangierleiter (verletzte Person) Rangiermitarbeiter 1.7 Schienenfahrzeuge Eigentümer: Rangierlok: PANLOG AG Emmenweidstrasse 74, 6020 Emmenbrücke Güterwagen: Verschiedene Eisenbahnverkehrsunternehmungen Rangierkomposition: Rangierlok mit 13 vierachsigen offenen Güterwagen 4/9
5 Triebfahrzeug: Em 3/3 MAK 502 De Nr (Panlog 3) Zugsgewicht: Bremsgewicht: ca. 650 t für den Unfall nicht relevant. Die Bremsen der Anhängelast waren an der Hauptleitung angeschlossen. 1.8 Strassenfahrzeuge Keine 1.9 Wetter, Schienenzustand Tag, normale Sichtsverhältnisse. Schienen trocken Bahnsicherungssysteme Die Bahnsicherungssysteme sind für den Ablauf des Ereignisses nicht relevant Zug- und Rangierfunk Das Triebfahrzeug ist mit einem Funk Motorola GM 360 ausgerüstet. Die Funkgespräche werden nicht aufgezeichnet. Die Funkgespräche zwischen Lokführer und Rangierpersonal fanden über tragbaren Funkgeräte SE 160 statt. Die Funkgespräche sind für den Unfallablauf nicht relevant Bahnanlagen Die Industriegeleise der Swiss Steel AG dienen ausschliesslich dem internen Schienenverkehr Fahrdatenschreiber Die Lok Em 3/3 Mak 502 De Nr ist mit dem Geschwindigkeitsmesser KIENZLE Typ 1310 Nr mit Registrierscheibe ausgerüstet. Auf dem Werkareal gelten folgende Geschwindigkeitsvorschriften: - 20 km/h bei Weichen in gerader Stellung und auf weichenfreien /übersichtlichen Gleisabschnitten km/h bei Weichen in Ablenkung. Die Registrierscheibe wurde durch einen Mitarbeiter der Panlog AG entnommen und über die Polizei an die UUS abgegeben Die Auswertung der Fahrdaten ergibt, dass der Lokführer bei der letzten Rangierbewegung vor dem Unfall mit einer Geschwindigkeit von 8 km/h gefahren ist und sich somit an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h für diesen Streckenabschnitt gehalten hat. Der Unfall ereignete sich, als die Lok noch praktisch im Stillstand war. Die Geschwindigkeit der Rangierbewegungen vor und nach dem Ereignis ist deshalb für die Beurteilung des Unfalles nicht relevant. 5/9
6 1.14 Befunde an den Fahrzeugen Die Bahnfahrzeuge wurden nicht untersucht Medizinische Feststellungen In Bezug auf medizinische Beschwerden der am Unfall beteiligten Personen ist nichts bekannt Feuer Beim Ereignis brach kein Feuer aus 1.17 Umwelt Der Unfall hatte keinen Einfluss auf die Umwelt Informationen über Organisation und Verfahren Das Ereignis wird seitens der Strafverfolgungsbehörden durch die Kantonspolizei Luzern verfolgt 1.19 Verschiedenes Arbeitsgesetz Bei der Untersuchung des Ereignisses durch die UUS sind bei den Mitarbeitern der Verkehrsunternehmung keine Verstösse gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen festgestellt worden. Rückschlagen von Wagen Im Rangierdienst werden die Kupplungen oft "los" geregelt. Bei "los" geregelten Kupplungen kann ein Abstand zwischen den Puffern zweier gekuppelter Wagen von 15 bis 20 cm auftreten. Diese Kupplungsweise ist für Rangierbewegungen zugelassen und vereinfacht dem Personal die Kupplungs- und Entkupplungstätigkeiten. Bei einer Rangierkomposition mit 11 Wagen kann somit zwischen gedrückten (inklusiv Einfederung der Pufferfedern) oder gestreckten Kupplungen ein Distanzunterschied von ca. 2 bis 2,5 m entstehen. Wie unter Pkt.1.2 erwähnt, liegen die Gleisabschnitte K13a und K13b, auf welchen die Rangierkomposition stand, in einer Neigung von ca. 4 bis 5 %o in Richtung Emmen. Als der Lokführer die Bremse der Wagen löste oder gegebenenfalls als er die Rangierbewegung in Richtung Emmen begann, gab es in der Wagenkomposition eine "Handorgel"-Bewegung. In einer ersten Bewegung stossen die Wagen auf die Lok und drückten somit die Kupplungen (und damit auch die Puffer) zusammen. Als Reaktion schlugen in einer zweiten Bewegung die zusammengedrückten Puffer die Wagen zurück. Die Wagen, die sich zuerst von den abgestellten Wagen entfernten, kamen schlagartig wieder zurück. 6/9
7 2 BEURTEILUNG 2.1 Technisches Die Schienenfahrzeuge waren technisch in Ordnung. Das Rückschlagen der Wagen ist unter den örtlichen Bedingungen technisch möglich. Die Mitarbeiter bestätigten auch bei den Befragungen, dass dieses Phänomen vorkommt und bekannt ist. 2.2 Betriebliches Die Handlungen vom Lokführer, als er den Befehl "Rückwärts zum K1" erhielt, waren korrekt: zuerst Bremse lösen, dann Rückwärts fahren. Die Schweizerischen Fahrdienstvorschriften FDV schreiben das Verhalten des Personals beim Verlassen des Kupplungsraum nicht vor. Jedoch, im Sinne des FDV, R 300.4, Zif (Anlage 1) sollte der Rangierarbeiter bei sich entfernenden Fahrzeuge eine Sicherheitsdistanz von mindestens 10m auch abwarten, bevor er den Kupplungsraum in aufrechter Haltung verlässt. 2.3 Menschliche Faktoren Die Betriebslage war normal. Die Mitarbeiter arbeiteten nicht unter Zeitdruck. Als er von der KAPO Luzern befragt wurde, gab der Verletzte zu, dass er zu früh den Kupplungsraum verlassen hatte. Es war ihm auch bekannt, dass die Wagen zurückschlagen könnten. 3 SCHLUSSFOLGERUNGEN 3.1 Befunde Die Wagen der abfahrenden Rangierbewegung haben sich plötzlich ruckartig retour bewegt (Siehe Pkt. 1.19). Der Verletzte hat den Sicherheitsraum zwischen den Puffern zu früh verlassen. 3.2 Ursachen Der Rgl hat, nachdem er zwei Wagen entkuppelte, den Sicherheitsraum zwischen den Puffern zu früh verlassen und wurde durch das plötzliche Zurückschlagen der Wagen der in Richtung Emmen anfahrenden Rangierbewegung zwischen zwei Wagenpuffern eingeklemmt und schwer verletzt. 7/9
8 4 SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Für das Verlassen des Schutzraumes zwischen den Puffern in aufrechter Haltung ist in den FDV R ein minimaler Abstand zwischen den Puffern der sich entfernenden Fahrzeuge zu definieren. Die Untersuchung wurde vom Untersuchungsleiter, Philippe Thürler, (Ausbildung) und vom nebenamtlichen Untersuchungsleiter, Erwin Drabek, geführt. Der Bericht wurde von Erwin Drabek verfasst. Bern, Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe Ph. Thürler E. Drabek Bilder: UUS Anlage: 1: Auszug FDV, R 300.4, Zif /9
9 Anlage 1 Auszug FDV R "Rangierbewegungen" Kuppeln und Entkuppeln von Fahrzeugen Das Kuppeln von Fahrzeugen während der Fahrt ist verboten. Das Entkuppeln von Fahrzeugen während der Fahrt ist nur zulässig, wenn die Kupplung mit Geräten ausgehängt werden kann und dabei nicht auf Puffer, Zughaken oder andere Kupplungseinrichtungen gestanden werden muss. Zum Kuppeln darf grundsätzlich erst zwischen die Fahrzeuge getreten werden, wenn diese stillstehen. Lassen die Voraussetzungen dies nicht zu (z.b. hohe Perronkanten, fehlende sichere Wartebereiche oder Gehwege), sind die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände einzuhalten. In aufrechter Haltung darf nur zwischen sich nähernde Fahrzeuge getreten werden, wenn diese mindestens noch 10 Meter voneinander entfernt sind. Muss leicht bewegt werden, hat sich der Rangierer so aufzustellen, dass er der Bewegung folgen kann. Zwischen die nachfolgend aufgeführten Fahrzeuge darf erst getreten werden, wenn diese stillstehen und sich die Puffer bzw. Kupplungen gegenseitig berühren: Fahrzeuge mit abgeklappten Stirnwänden oder Übergangsbrücken beladene Wagen ohne Stirnwände oder Stirnrungen Fahrzeuge mit Gummiwulstübergängen Fahrzeuge mit beschädigten Puffern oder Kupplungen Fahrzeuge mit automatischen Kupplungen Niederflurwagen. Liegt die Kuppelstelle auf einer Weiche oder in einem engen Gleisbogen, darf erst zwischen die Fahrzeuge getreten werden, wenn die Fahrzeuge stillstehen und sich die Puffer bzw. Kupplungen gegenseitig berühren. Beim Kuppeln ist folgende Reihenfolge einzuhalten: a) mechanische Kupplung b) pneumatische Verbindungen c) elektrische Verbindungen d) Personenübergänge. Beim Entkuppeln ist in umgekehrter Reihenfolge vorzugehen. Alle nicht benützten Kupplungseinrichtungen sind in die vorgesehenen Halterungen zu verbringen. 9/9
Schlussbericht. der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe. über den Personenunfall. vom Sonntag,
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