E F EUROPARECHT. Heft 3 Mai Juni Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden

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1 E F EUROPARECHT Heft 3 Mai Juni 2006 Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden

2 Inhaltsverzeichnis Prof. Dr. Jürgen Schwarze, Freiburg Nachruf auf Prof. Dr. Hans-Joachim Glaesner Aufsätze Prof. Dr. Eckhard Pache, Dr. Joachim Bielitz, Würzburg Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen ihrer Mitgliedstaaten Dr. Silja Vöneky, Niels Petersen, Heidelberg Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos: Das Recht der Europäischen Union Dr. Markus Ludwigs, Bonn Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa Zur Reichweite der gemeinschaftsrechtlichen Zuständigkeit für eine Europäisierung des Privatrechts Rechtsprechung Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften/Gericht erster Instanz Kumulative Verhängung von Zwangsgeld und Pauschalbetrag wegen Nichtbeachtung von Vertragsverletzungsurteilen nach Artikel 228 Absatz 2 EG Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom (Vertragsverletzungsverfahren), Kommission/Frankreich, Rs. C-304/ Neue Auslegung des Art. 228 Abs. 2 EG und ein Zeichen gesteigerter Autorität des EuGH: Erstmalige Verhängung von Zwangsgeld und Pauschalbetrag gegen einen Mitgliedstaat Anmerkung zum Urteil des EuGH v , Rs. C-304/02 von Angelika Huck und Felicitas Klieve, Bonn Wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen gegenüber Privatpersonen oder Organisationen ohne hinreichende Verbindung zu einem bestimmten Drittland Urteil des Gerichts erster Instanz vom (Nichtigkeitsklage), Ahmed Ali Yusuf und Al Barakaat International Foundation/ Rat und Kommission, Rs. T-306/01 (Leitsätze) Fortsetzung Inhaltsverzeichnis hintere Umschlagseite

3 Fortsetzung Inhaltsverzeichnis Das EuG konstitutionalisiert die Vereinten Nationen Anmerkung zu den Urteilen des EuG vom , Rs. T-315/01 und T-306/01 Von Prof. Dr. Christoph Möllers, LL.M., Göttingen Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente Die Einbeziehung des Komitologieverfahrens in den Lamfalussy-Prozess Zur Forderung des Europäischen Parlaments nach mehr Entscheidungsteilhabe Von Dr. Klaus Ulrich Schmolke, Bonn Rezensionen Ulrich Haltern, Europarecht. Dogmatik im Kontext (Dr. Bernhard Hofstätter, LL.M., Fribourg) Bibliographie Bücher und Zeitschriften

4 EuR Heft EUROPARECHT In Verbindung mit der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Europarecht herausgegeben von Claus-Dieter Ehlermann, Ulrich Everling, Hans-J. Glaesner, Meinhard Hilf, Hans Peter Ipsen, Joseph H. Kaiser, Peter-Christian Müller-Graff, Gert Nicolaysen, Hans-Jürgen Rabe, Jürgen Schwarze Schriftleiter: Armin Hatje, Ingo Brinker 41. Jahrgang 2006 Heft 3, Mai Juni Nachruf I. Der Kreis der Europarechtler hat ein herausragendes, hochgeachtetes Mitglied und einen verlässlichen Freund verloren. Prof. Dr. Hans-Joachim Glaesner, ehemaliger Generaldirektor des Juristischen Dienstes des Rates der EG, Honorarprofessor an der Universität Saarbrücken und langjähriges Mitglied im Vorstand der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Europarecht, ist nach langer, tapfer ertragener Krankheit am 13. April diesen Jahres gestorben. Den Juristen Hans-Joachim Glaesner zeichneten nüchterne Klarheit und ein treffsicheres Urteil aus, das stets die hinter den Normen liegende politische, wirtschaftliche und soziale Realität mit ausgelotet hatte und deshalb um so größere Überzeugungskraft besaß. Die Mischung von juristischer Phantasie und praktischer Vernunft hat ihn zu einem unentbehr lichen Berater im Prozess europäischer Integration gemacht. Das besondere Verständnis vom Recht und die Akzente, die er in seiner glanzvollen juristischen Karriere setzte, kommen in dem Titel, mit dem er eine Sammlung ausgewählter Aufsätze und Vorträge versehen hat, zum Ausdruck: Das Recht als Gestaltungsmittel der Europäischen Gemeinschaft (Nomos, Baden-Baden 1986). Für Hans-Joachim Glaesner stand die dienende Funktion des Rechts für die Etablierung und Weiterführung des europäischen Einigungsprozesses im Vordergrund, nicht ein juristisches Glasperlenspiel um die letzten dogmatischen europäischen Rechtsfeinheiten.

5 314 EuR Heft Nachruf II. Die Stationen des berußichen Lebenswegs, den Hans-Joachim Glaesner durchlaufen hat, sind beeindruckend. Hans Kutscher hat sie im Vorwort zu dem erwähnten Band Das Recht als Gestaltungsmittel der Politik der EG ebenso wie später Georg Ress in seiner Laudatio aus Anlass des zum 70. Geburtstag des Jubilars an der Universität des Saarlandes veranstalteten Kolloquiums (Europarecht, Beiheft 2/1995, Die Organe der Europäischen Union im Spannungsfeld zwischen Gemeinschaft und Zusammenarbeit, S. 11 ff.) beschrieben. Am 4. Dezember 1923 in Hildesheim geboren, hat er nach dem Krieg Recht und Volkswirtschaftslehre in Göttingen studiert. Hier wurde er 1955 mit einer Dissertation über Die Zollunion promoviert. Sie hat in gewisser Weise Glaesners weiteren berußichen Lebensweg vorgezeichnet. Von 1956 bis 1960 war er im Bundesjustizministerium tätig. In diesem Rahmen nahm er auch an den Verhandlungen über die Römischen Verträge teil trat er in den Juristischen Dienst der Kommission ein. Hier wurde er acht Jahre später zum Direktor für die Forschungsprogramme und die Forschungspolitik ernannt wurde er Kabinettchef bei Dahrendorf und Brunner; 1975 Rechtsberater und Generaldirektor des Rates, eine Position, die er bis 1986 innehatte. In dieser Zeit hat er die Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaften bis zur Einheitlichen Europäischen Akte aus juristischer Sicht maßgeblich mitgestaltet und dort neben anderen Zeugnis für die Leistungskraft aus Deutschland stammender Juristen abgelegt. Nach seinem Ausscheiden aus dem juristischen Dienst der EG hat er sich weiterhin berußich-praktisch mit dem Europarecht beschäftigt und sich der Kanzlei Gleiss Lutz in Brüssel angeschlossen. III. Neben seiner berußichen Tätigkeit hat sich Glaesner wissenschaftlich um die Grundfragen europäischer Integration verdient gemacht. Zusammen mit Wohlfahrt, Everling und Sprung hat er 1960 den ersten Kommentar zum EWG-Vertrag herausgebracht und dadurch Maßstäbe gesetzt. Von dem kontinuierlichen wissenschaftlichen Engagement zeugen seine Ernennung zum Honorarprofessor 1986 in Saarbrücken ebenso wie um nur wenige Beispiele zu nennen seine Lehrtätigkeit an der Universität Graz, die ihn mit dem Aufbau und der Leitung des dortigen Europa-Instituts in der Zeit vom 1989 bis 1992 betraut hatte. Welche Wertschätzung er insoweit genoss, zeigt das Libellus Amicorum Graecensium Hans-Joachim Glaesner, welches K. Ginther, H. Isak und W. Posch unter dem Titel Recht und Politik in einem größeren Europa 1993 herausgegeben haben. Persönlich erinnere ich mich mit großem Gewinn an verschiedene Kolloquien, die ich mit Hans-Joachim Glaesner zu Fragen der institutionellen Struktur der Gemeinschaft, zu den in ihrem Rahmen entwickelten Politiken und zum europäischen

6 Nachruf EuR Heft Rechtsschutz u. a. in Hamburg und am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz bestritten habe. Georg Ress hat aus Anlass des Geburtstagskolloquiums in Saarbrücken 1994 den Schleier gelüftet, mit dem Berufungsverfahren an der Universität üblicherweise verhüllt sind und aus den Gutachten, die aus Anlass der Bestellung zum Honorarprofessor in Saarbrücken von Bodo Börner und Hans Peter Ipsen über Hans-Joachim Glaesner erstattet worden sind, zitiert. Man kann es nicht treffender formulieren, als es Hans Peter Ipsen seinerzeit ausgedrückt hat: So sehr Herr Dr. Glaesner dabei aus der praktischen Erfahrung seiner Berufsarbeit schöpfen konnte, also weniger aus theoretisch anerkannten Fragestellungen, so hat er es doch verstanden, seine Arbeiten in den jeweiligen größeren Zusammenhang einzufügen, der sich für die Gemeinschaften als gänzlich neuartiger Träger öffentlicher Aufgaben anstelle ihrer Mitgliedstaaten ergab. IV. Uns wird also das Bild eines ungewöhnlich begabten Juristen in Erinnerung bleiben, der zu den Architekten des juristischen Gebäudes europäischer Integration gehört. In Erinnerung bleiben uns seine pragmatische Vernunft und sein ausgezeichneter Rat im Umgang mit Europa und seinem Recht. Was noch mehr zählt: wir haben einen liebenswürdigen Menschen und einen verlässlichen Freund verloren, dessen verpßichtendes Vorbild uns in lebendiger Erinnerung bleiben wird. Jürgen Schwarze, Freiburg

7 316 EuR Heft Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen ihrer Mitgliedstaaten Von Eckhard Pache und Joachim Bielitz,Würzburg* Wachsende Regelungsdichte, justizförmige Streitbeilegung, Herausbildung einer Normenhierarchie, zunehmende Orientierung der Staatengemeinschaft an gemeinsamen Werten, Wandel des Souveränitätsverständnisses, Ansätze einer internationalen Öffentlichkeit all diese Entwicklungen, die im Schrifttum vielfach mit dem Schlagwort der Konstitutionalisierung der Völkerrechtsordnung umschrieben werden, prägen den Entwicklungsstand des Völkerrechts zu Beginn des 21. Jahrhunderts. 1 Zu den derzeit herausragenden Strukturmerkmalen der Völkerrechtsordnung zählt freilich auch der Umstand, dass die vorstehend skizzierten Entwicklungen sich keineswegs in einer zentral gesteuerten, die gesamte Bandbereite des Völkerrechts gleichermaßen umfassenden und daher in sich widerspruchsfreien Art und Weise vollziehen, sondern in einem weitestgehend unverbundenen Nebeneinander von Schritten ganz unterschiedlicher Tragweite in den einzelnen Teilbereichen des Völkerrechts, das sich zudem teils auf globaler, teils auf regionaler Ebene abspielt. Dieses weitgehend unabgestimmte Nebeneinander der zahlreichen unterschiedlichen Entwicklungen der Völkerrechtsordnung auf ihren verschiedenen Ebenen in einzelnen Sachbereichen hat zur Folge, dass insbesondere die Tendenz zur Regelungsverdichtung und die wachsende Bedeutung justizförmiger Streitbeilegung, also die gleichen Entwicklungen, auf die vielfach die Annahme einer Konstitutionalisierung der Völkerrechtsordnung gestützt wird, eine zunehmende Anzahl inhaltlicher Verpßichtungskonßikte einerseits und Kompetenzkonßikte im Hinblick auf die Streitbeilegung andererseits hervorrufen ein Prozess, der sich seinerseits als Fragmentierung des Völkerrechts beschreiben lässt 2 und damit aus einem terminologischen Blickwinkel das genaue Gegenteil einer Konstitutionalisierung bildet. Die Beispiele, an denen sich derartige Konßikte beobachten lassen, sind zahlreich sie reichen von der vieldiskutierten Frage nach der Bedeutung multilateraler Umweltabkommen im Welthandelsrecht 3 über vergleichsweise wenig beleuchtete Dis- * Eckhard Pache ist Inhaber des Lehrstuhls für Staatsrecht, Völkerrecht, Internationales Wirtschaftsrecht und Wirtschaftsverwaltungsrecht an der Juristischen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Joachim Bielitz ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an diesem Lehrstuhl. 1 Vgl. dazu allgemein Scheyli, Der Schutz des Klimas als Prüfstein völkerrechtlicher Konstitutionalisierung?, AVR 40, S. 273 ff. mit umfangreichen weiteren Nachweisen; Uerpmann, Internationales Verfassungsrecht, JZ 2001, S. 565 ff. sowie Frowein, Konstitutionalisierung des Völkerrechts, BDGV 39, S. 427 ff. (ebd. auf S. 437 auch zum Aspekt der Herausbildung einer internationalen Öffentlichkeit). Eingehend zur Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung insbesondere Hilf, Die Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung: Strukturen, Institutionen und Verfahren, BDGV 40, S. 257 ff; zur Hierarchisierung des Völkerrechts Seidel, Die Völkerrechtsordnung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, AVR 38, S. 23 (36 ff.) 2 Vgl. Walter, Internationalisierung des deutschen und Europäischen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts am Beispiel der Arhus-Konvention, EuR 2005, S. 304 (334 f.) m.w.n. 3 Verwiesen sei zu diesem Themenkomplex statt aller auf Böckenförde, Zwischen Sein und Wollen Über den Einßuss umweltvölkerrechtlicher Verträge im Rahmen eines WTO-Streitbeilegungsverfahrens, ZaöRV 2003, S.

8 Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen EuR Heft krepanzen zwischen den Vorschriften des Umweltvölkerrechts und jenen des Internationalen Luftrechts 4 bis hin zur Abwägung zwischen der Durchsetzung elementarer Menschenrechte und dem universellen Gewaltverbot. 5 Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Situation der EG als eines in vielen Bereichen der internationalen Zusammenarbeit bedeutsamen Akteurs, so erscheint es notwendig, stärker als bisher nicht nur den Handlungsmöglichkeiten der Gemeinschaft, also ihrer Völkerrechtssubjektivität einerseits und den ihr nach Gemeinschaftsrecht zukommenden Kompetenzen zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge andererseits Beachtung zu schenken, sondern auch den aus völkerrechtlichen Verträgen resultierenden Bindungen der EG besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Zwingt nämlich die Fragmentierung des Völkerrechts schon die Staaten dazu, bei der Bestimmung ihrer jeweils bestehenden völkerrechtlichen Handlungsspielräume eine sorgfältige Analyse ihrer völkerrechtlichen Bindungen unter besonderer Berücksichtigung der Schnittstellen zwischen den einzelnen Teilgebieten der Völkerrechtsordnung vorzunehmen, so sieht sich die EG einem noch wesentlich engmaschigeren und unübersichtlicheren Netz von Bindungen aus völkerrechtlichen Verträgen ausgesetzt: Bindungen der Gemeinschaft können sich nämlich nicht nur aus den von ihr selbst sei es allein oder zusammen mit ihren Mitgliedstaaten als so genannte gemischte Abkommen geschlossenen völkerrechtlichen Verträgen ergeben, sondern unter bestimmten nachfolgend näher zu beleuchtenden Voraussetzungen auch aus den von ihren 25 Mitgliedstaaten abgeschlossenen Verträgen. Kann sich z.b. aus einem vorgemeinschaftlichen Abkommen einiger Mitgliedstaaten mit einem Drittstaat eine Einschränkung der Außenkompetenzen der Gemeinschaft dergestalt ergeben, dass die Gemeinschaft selbst ein Abkommen mit diesem Drittstaat nur unter Beteiligung dieser Mitgliedstaaten schließen darf? 6 Muss die EG beim Abschluss eines völkerrechtlichen Rahmenabkommens über den Handel mit Bananen aus einigen Drittstaaten jene völkerrechtlichen Bindungen beachten, die die Mitgliedstaaten über den Bananenhandel zu einem früheren Zeitpunkt eingegangen sind? 7 Darf die EG mit den USA ein Luftverkehrsabkommen schließen, in dem die Besteuerung innergemeinschaftlicher Flüge vereinbart wird, wenn die Mitgliedstaaten Parteien eines multilateralen Abkommens sind, das Kerosinbesteuerung untersagt? ff.; Biermann, Mehrseitige Umweltübereinkommen im GATT/WTO-Recht, AVR 38, S. 455 ff. sowie Neumann, Die materielle und prozessuale Koordination völkerrechtlicher Ordnungen, ZaöRV 2001, S. 529 ff. 4 Näher dazu Pache, Handlungsspielräume und Verpßichtungskonßikte im Spannungsfeld zwischen internationalen Abkommen und Gemeinschaftsrecht: das Beispiel der Kerosinsteuerproblematik, in: Müller-Graff (Hrsg.), Die Europäische Gemeinschaft in der Internationalen Umweltpolitik, i.e. 5 Vgl. zu diesem Problemkomplex die Überblicksdarstellungen bei Herdegen, Völkerrecht, 4. Auß. 2005, 34 Rn. 25 ff. sowie Doehring, Völkerrecht, 2. Auß. 2004, Rn ff. jeweils m.w.n. 6 Vgl. EuGH, Gutachten 1/76 (Stilllegungsfonds), Slg. 1977, 741 ff. 7 EuGH, Rs. C-364/95 und C-365/95 (T. Port GmbH), Slg. 1998, I Ein entsprechender Vorschlag der EG ist derzeit Gegenstand der Verhandlungen zwischen der EG und den USA über den Abschluss eines bilateralen Luftverkehrsabkommens. Vgl. zu der strittigen, im Ergebnis aber zu verneinenden Frage, ob das Chicagoer Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt die Besteuerung von Kerosin verbietet, Bielitz, Rechtsfragen einer Kerosinbesteuerung, i.e., S. 57 ff., S. 156 ff.

9 318 EuR Heft Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen Ziel dieses Beitrags ist es, der Frage nach den Bindungen der EG aus solchen völkerrechtlichen Verträgen nachzugehen, die von einem oder mehreren ihrer Mitgliedstaaten mit einem oder mehreren Drittstaat(en) oder anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, jedenfalls aber ohne Beteiligung der Gemeinschaft, abgeschlossen wurden. Dabei ist grundlegend zu differenzieren zwischen Bindungen kraft Völkerrechts (dazu nachfolgend I.) und Bindungen kraft Gemeinschaftsrechts (dazu nachfolgend II.). I. Bindungen kraft Völkerrechts Schließen Mitgliedstaaten der EG (vor oder nach ihrem Beitritt zur Gemeinschaft 9 ) völkerrechtliche Verträge mit anderen Staaten, so kann sich eine völkerrechtliche Bindung der Gemeinschaft an diese Verträge entweder aus einem formellen Beitritt der Gemeinschaft zu dem jeweiligen Vertrag oder aus einer informellen (Teil-) Rechtsnachfolge ergeben. Voraussetzung jedweder Art von völkerrechtlicher Bindung der Gemeinschaft ist allerdings zunächst deren Völkerrechtssubjektivität, also die Fähigkeit der EG, Inhaber völkerrechtlicher Rechte und Adressat völkerrechtlicher Pßichten zu sein. 10 In Art. 281 EGV wird der Gemeinschaft Völkerrechtssubjektivität ausdrücklich zuerkannt. Freilich handelt es sich dabei zunächst nur um eine Zuerkennung der Völkerrechtsfähigkeit durch die Mitgliedstaaten, die Drittstaaten gegenüber keine unmittelbaren Wirkungen entfaltet. 11 Im Verhältnis zu Drittstaaten kommt es vielmehr darauf an, dass diese selbst die Völkerrechtssubjektivität der Gemeinschaft anerkennen. Angesichts der Tatsache, dass mittlerweile die meisten Staaten diplomatische Vertretungen in Brüssel eingerichtet und damit die Gemeinschaft konkludent als Völkerrechtssubjekt anerkannt haben, kann inzwischen von einer allgemein anerkannten, (fast) universellen Völkerrechtsfähigkeit der EG ausgegangen werden Formeller Beitritt der Gemeinschaft Aus der Völkerrechtssubjektivität der EG folgt unproblematisch ihre Fähigkeit, völkerrechtliche Verträge zu schließen bzw. ihnen beizutreten. Die Gemeinschaft 9 Ob der Abschluss der Abkommen seitens der Mitgliedstaaten im Einklang mit der Verteilung der Außenkompetenzen zwischen EG und Mitgliedstaaten steht, spielt für die völkerrechtliche Wirksamkeit der Abkommen und damit auch für die Möglichkeit einer völkerrechtlichen Bindung der EG an diese Abkommen regelmäßig keine Rolle, vgl Art. 46 WVK sowie Kokott, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 307 EGV Rn K. Ipsen, Völkerrecht, 5. Auß. 2004, 2. Kapitel, Einleitung (S. 55). 11 Herrschende Meinung, vgl. Tomuschat, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EUV/EGV, Bd. IV, 6. Außage 2004, Art. 281 EGV Rn. 3 und 26; Simma/Vedder, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Loseblattsammlung, Stand: 26. EL März 2005, Art. 281 EGV Rn. 10 jeweils mit weiteren Nachweisen auch zur Gegenauffassung; sowie aus der völkerrechtlichen Literatur K. Ipsen (Fn. 10), 31 Rn So auch Simma/Vedder (Fn. 11), Art. 281 EGV Rn. 10; ebenso Ukrow, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 2. Auß. 2002, Art. 281 EGV Rn. 6.

10 Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen EuR Heft erlangt auf diese Weise den formellen Status einer Vertragspartei und hat folglich die gleichen Rechte und Pßichten wie andere Vertragsparteien auch. Dies gilt grundsätzlich auch für Gründungsverträge Internationaler Organisationen, soweit diese nicht allein Staaten zum Beitritt offen stehen. 13 Die Gemeinschaft kann demnach nach Maßgabe der Statuten der aufnehmenden Organisation Mitglied Internationaler Organisationen werden und zwar grundsätzlich sowohl neben als auch anstelle ihrer Mitgliedstaaten. 14 Ein formeller Beitritt der Gemeinschaft wird in aller Regel nur zu solchen Verträgen in Betracht kommen, an denen alle Mitgliedstaaten beteiligt sind. Würde die Gemeinschaft bilateralen Verträgen einzelner Mitgliedstaaten mit Drittstaaten 15 beitreten, würde dies vermittelt durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts, dessen integraler Teil der völkerrechtliche Vertrag, dem die EG beitritt, nach Maßgabe des Art. 300 Abs. VII EGV wird eine problematische de-facto-bindung aller Mitgliedstaaten an einen ursprünglich lediglich von einem Mitgliedstaat geschlossenen Vertrag bedeuten. Diese de-facto-bindung könnte für die anderen Mitgliedstaaten, die mit dem gleichen Drittstaat möglicherweise im Detail abweichende Verträge geschlossen haben, zu Verpßichtungskonßikten führen. Besonderes Augenmerk verdienen diejenigen Fälle, in denen die Gemeinschaft nicht anstelle, sondern neben den Mitgliedstaaten Vertragspartei wird. Hier stellt sich die Frage, ob die Gemeinschaft umfassend an den gesamten Vertrag gebunden ist oder nur an jene Bestimmungen, deren Abschluss aus innergemeinschaftlicher Sicht mittlerweile in ihre Kompetenz fallen würde. Soweit derartige gemischte Abkommen keine Bindungsklausel enthalten, die ausdrücklich regelt, welche vertraglichen Pßichten die Gemeinschaft und welche ihre Mitgliedstaaten treffen sollen, wird zumeist angenommen, dass sowohl die Gemeinschaft als auch ihre Mitgliedstaaten an den Vertrag als Ganzes gebunden seien. 16 Dieser Lösung kann jedoch nur gefolgt werden, soweit der Abschluss des Vertrages von den Kompetenzen der Gemeinschaft in vollem Umfang umfasst wird. Fällt der Abschluss eines Abkommens nicht in vollem Umfang in die Kompetenz der Ge- 13 Hinsichtlich des Beitritts Internationaler (oder supranationaler) Organisationen zu anderen Internationalen Organisationen ist also stets zu differenzieren zwischen Voraussetzungen, die seitens der beitretenden Organisation und solchen, die seitens der aufnehmenden Organisation erfüllt werden müssen. Deutlich wird diese Differenzierung auch herausgearbeitet bei Herrmann, Rechtsprobleme der parallelen Mitgliedschaft von Völkerrechtssubjekten in Internationalen Organisationen. Eine Untersuchung am Beispiel der Mitgliedschaft der EG und ihrer Mitgliedstaaten in der WTO, in: Bauschke, Gabriele u.a.: Pluralität des Rechts Regulierung im Spannungsfeld der Rechtsebenen (Tagungsband der 42. Tagung der Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachrichtung Öffentliches Recht ), 2003, S. 139 (142 ff.). 14 So ist die EG derzeit u.a. Mitglied der WTO, der FAO und der Internationalen Meeresbodenbehörde; vgl. Tomuschat (Fn. 11), Art. 281 EGV Rn. 8. Ausführlich zu den Problemen einer Doppelmitgliedschaft Herrmann (Fn. 13), insbesondere S. 147 ff. 15 Zu Inter-se-Verträgen der Mitgliedstaaten siehe nachfolgend unter II. 2. a). 16 So z.b. Bleckmann, Der gemischte Vertrag im Europarecht, EuR 1976, S. 301 (303); Streinz, Europarecht, 6. Auß. 2003, Rn. 428 ff.; Tomuschat, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EUV/EGV, Bd. IV, 6. Außage 2004, Art. 300 EGV Rn. 64 m.w.n. Petersmann/Spennemann gehen in von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EUV/ EGV, Bd. 4, 6. Außage 2004, Art. 307 EGV Rn. 18, lapidar davon aus, dass in derartigen Fällen stets eine vertragliche Präzisierung vorgenommen würde; diese Auffassung dürfte jedoch leider unzutreffend sein.

11 320 EuR Heft Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen meinschaft, so ist die EG auch nur an diejenigen Vertragsteile gebunden, deren Abschluss in ihre Zuständigkeit fällt. 17 Die Annahme einer umfassenden Bindung sowohl der EG als auch der Mitgliedstaaten an alle Bestimmungen eines gemischten Abkommens verstößt regelmäßig gegen die innergemeinschaftliche Kompetenzordnung. Ein Verstoß gegen die interne Kompetenzverteilung einer Vertragspartei zieht jedoch nach dem Grundgedanken der dem Art. 46 WVK 18 zugrunde liegenden Evidenztheorie 19 die Ungültigkeit der ultra vires eingegangenen Bindungen dann nach sich, wenn der Verstoß offenkundig und die verletzte innerstaatliche Vorschrift von grundlegender Bedeutung war. Aus dem Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages in der Form eines gemischten Abkommens bzw. aus einer später eintretenden parallelen Mitgliedschaft von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten können aber die anderen Vertragsparteien regelmäßig auf das Vorliegen partieller KompetenzdeÞzite der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten schließen. Von der Gemeinschaft oder ihren Mitgliedstaaten ultra vires eingegangene Bindungen wären daher ungültig. Für die übrigen Vertragsparteien ergibt sich daraus das Dilemma, dass einerseits die parallele Mitgliedschaft auf eine geteilte Zuständigkeit und damit auf eine nur partielle Bindung schließen lässt, dass aber andererseits die innergemeinschaftliche Kompetenzverteilung gelegentlich unklar, jedenfalls aber veränderlich ist und daher aus Sicht eines Drittstaates kaum zuverlässig zu beurteilen ist. Damit stellt sich die Frage, wie dem berechtigten Interesse der übrigen Vertragsparteien, sich mit der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung nicht befassen zu müssen, Rechnung getragen werden kann, ohne zugleich eine Bindung der EG wie auch der Mitgliedstaaten an den Vertrag in toto anzunehmen. Als zielführender Lösungsansatz erscheint die Annahme eines Rechtes der übrigen Vertragsparteien, sich im Falle einer Vertragsverletzung durch die Gemeinschaft bzw. ihre Mitgliedstaaten zunächst wahlweise an die EG oder die Mitgliedstaaten zu wenden mit der Aufforderung, intern eine Klärung der Verantwortlichkeiten und Kompetenzen herbeizuführen und den Drittstaat an die zuständige Seite zu verweisen. 20 Ein solcher Auskunftsanspruch der Drittstaaten kann gemischten Abkommen ohne Bindungsklausel im Wege der Auslegung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben entnommen werden, um deren vorstehend aufgezeigten Schwierigkeiten zu begegnen. Im Übrigen bleibt den Drittstaaten die Möglichkeit vorbehalten, wegen einer Vertragsverletzung unmittelbar gegen die EG oder ihre Mit- 17 Ebenso mit ausführlicher Diskussion Pitschas, Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten, 2001, S. 240 ff. m.w.n. auch zur Gegenauffassung; vgl. auch Conze, Die völkerrechtliche Haftung der EG, 1987, S Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (BGBl II S. 926). 19 Näher dazu und zu den anderen Auffassungen zu diesem Problem K. Ipsen (Fn. 10), 15 Rn. 19 ff.; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht, 10. Auß. 2000, Rn. 244 ff. 20 So auch Pitschas (Fn. 17), S Einen umfassenden Überblick über die Frage der Haftung bei gemischten Abkommen der EG und ihrer Mitgliedstaaten bietet Björklund, Responsibility in the EC for Mixed Agreements Should Non-Member Parties Care?, NJIL 2001, S. 373 ff.; vgl. ferner Herrmann (Fn. 13), S. 139 (154 ff.); Conze (Fn. 17), S. 73 ff.

12 Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen EuR Heft gliedstaaten vorzugehen, was freilich das Risiko einschließt, dass sich die angegangene Partei erfolgreich darauf beruft, an die fragliche Vertragsbestimmung nicht gebunden zu sein. Der skizzierte Auskunftsanspruch ermöglicht es den Drittstaaten, dieses Risiko zu vermeiden und schützt diese damit vor den mit der Außenwirkung der innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung verbundenen Unwägbarkeiten. Die Ablehnung einer umfassenden Bindung der EG und der Mitgliedstaaten an alle Bestimmungen eines gemischten Abkommens führt daher auch für die Drittstaaten nicht zu unzumutbaren Rechtsunsicherheiten, so dass nach alledem das Vorliegen einer Bindung der EG an vertragliche Pßichten aus einem gemischten Abkommen für jede Regelung eigenständig zu beurteilen ist Informelle (Teil-) Rechtsnachfolge Völkerrechtliche Bindungen der Gemeinschaft aus Abkommen ihrer Mitgliedstaaten können ferner auch im Wege einer informellen (Teil-) Rechtsnachfolge der EG in die durch derartige Abkommen begründeten Rechte und Pßichten ihrer Mitgliedstaaten entstehen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine derartige Funktionsnachfolge anzunehmen ist, hat in Schrifttum und Rechtsprechung insbesondere im Zusammenhang mit der Stellung der Gemeinschaft im GATT 1947 Beachtung gefunden. 22 Insoweit ist zwischen gemeinschaftsrechtlichen und völkerrechtlichen Voraussetzungen zu unterscheiden. Während die gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen allein das Innenverhältnis zwischen der EG und ihren Mitgliedstaaten betreffen, ihr Vorliegen aber noch keinen Schluss auf eine völkerrechtlich anzuerkennende Funktionsnachfolge zulässt, betreffen die völkerrechtlichen Voraussetzungen das Außenverhältnis gegenüber den anderen Vertragsparteien. Mit Blick auf die Rechtsfolgen wirft die informelle Rechtsnachfolge ähnliche Probleme auf wie der formelle Beitritt der Gemeinschaft zu einem von ihren Mitgliedstaaten geschlossenen völkerrechtlichen Vertrag. 21 Probleme wirft in diesem Zusammenhang insbesondere die Aktualisierung von Außenkompetenzen durch die Inanspruchnahme von Binnenkompetenzen entsprechend der AETR-Doktrin auf. Soweit die innergemeinschaftliche Rechtsetzung zur Entstehung einer Außenkompetenz führt, wird man von einer Vorwirkung der völkerrechtlichen Bindung in dem Sinne auszugehen haben, dass die Gemeinschaft die Vorgaben des entsprechenden völkerrechtlichen Vertrages bereits bei der Ausübung der Binnenkompetenz zu beachten hat. Dogmatisch lässt sich dies Ergebnis aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts unter Rückgriff auf den Gedanken der völkerrechtskonformen Integration, der der dem Prinzip der Rechtsgemeinschaftlichkeit verpßichteten Gemeinschaftsrechtsordnung zwingend immanent ist, begründen, aus der Sicht des Völkerrechts mit der Figur des Frustrationsverbotes. 22 Eine Übersicht über weitere Verträge, bezüglich derer eine Funktionsnachfolge möglicherweise in Betracht kommt, Þndet sich bei Voss, Die Bindung der Europäischen Gemeinschaft an vorgemeinschaftliche Verträge ihrer Mitgliedstaaten, SZIER 1996, S. 161 (178 ff.).

13 322 EuR Heft Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen a) Gemeinschaftsrechtliche Voraussetzungen In Ermangelung einer ausdrücklichen primärrechtlichen Regelung 23 hat der EuGH im Zusammenhang mit der Frage nach der Stellung des GATT 1947 im Gemeinschaftsrecht Voraussetzungen für eine derartige Funktionsnachfolge deþniert, die zumindest mittlerweile auch im Schrifttum auf Zustimmung stoßen. Von einer Funktionsnachfolge ist demnach auszugehen, wenn (1.) eine Bindung aller Mitgliedstaaten an einen vorgemeinschaftlichen Vertrag vorliegt, (2.) es zu einer späteren Kompetenzverschiebung auf die Gemeinschaft gekommen ist, (3.) die Mitgliedstaaten ihren Willen, die Gemeinschaft an die Verpßichtungen aus dem Altvertrag zu binden, zum Ausdruck gebracht haben, (4.) diese Bindung von der Gemeinschaft durch faktisches Verhalten akzeptiert worden ist und (5.) die Zustimmung der anderen Vertragsparteien gegeben ist. 24 b) Völkerrechtliche Voraussetzungen Auf völkerrechtlicher Ebene haben sich noch keine verfestigten Gewohnheiten über die informelle Rechtsnachfolge internationaler oder supranationaler Organisationen in die völkerrechtlichen Verträge ihrer Mitgliedstaaten herausgebildet, wenngleich dieses Problem aufgrund der zunehmenden HäuÞgkeit und Kompetenzfülle derartiger Organisationen sicherlich an Bedeutung gewinnen wird. 25 Insbesondere enthält die Wiener Konvention über Staatennachfolge in Verträge von keine unmittelbar auf diese Problematik anwendbaren Regelungen. Der der Konvention zugrunde liegende und insoweit mit dem im Völkerrecht üblichen Sprachgebrauch deckungsgleiche Begriff der Staatensukzession umfasst allein den vollständigen Übergang der Verantwortung für die internationalen Beziehungen 23 Insbesondere betrifft Art. 307 EGV nur das Innenverhältnis zwischen EG und Mitgliedstaaten und entfaltet weder bezüglich der fortbestehenden Bindung der Mitgliedstaaten im Außenverhältnis noch bezüglich der Entstehung einer Bindung der EG im Außenverhältnis konstitutive Wirkung, vgl. dazu näher im Folgenden unter II. 1. a). 24 EuGH, verb. Rs /72 (International Fruit Company), Slg. 1972, 1219, Rn. 10 ff.; dem EuGH folgend z.b. Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn. 26; Schmalenbach, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 2. Auß. 2002, Art. 307 EGV Rn Vgl. die Einschätzung bei Petersmann, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vertrag, Bd. IV, 4. Auß. 1991, Art. 234 EGV (a.f.) Rn. 13; für die EG auch Voss (Fn. 22), S. 161 (162 f.) Anzumerken ist jedoch, dass eine vergleichbare Problematik bereits im Kontext der Dekolonialisierung zumindest erkannt wurde: Insbesondere bei der allmählichen Entlassung der britischen Dominions in die Unabhängigkeit kam es zu einer sukzessiven Übertragung von Hoheitsrechten auf die Neustaaten, so dass für das Gebiet der ehemaligen Dominions bezüglich einiger Sachgebiete bereits der Neustaat zur Ausübung von Hoheitsgewalt befugt war, bezüglich anderer Sachgebiete noch das Vereinigte Königreich. Diese sukzessive Übertragung von Hoheitsrechten wurde im Kontext der Staatennachfolge unter dem Stichwort der Teilsukzession, aber auch unter dem Stichwort der Funktionsnachfolge thematisiert, ohne dass diese Problematik dabei schon einer umfassenden Lösung zugeführt worden wäre; vgl. Zemanek, Gegenwärtige Fragen der Staatensukzession, BDGV 5, S. 56 (58) sowie die Diskussionsbeiträge ebd. auf den S. 105, 122 und Ausführlich zu Entstehungsgeschichte und Inhalt der Konvention Treviranus, Die Konvention der Vereinten Nationen über die Staatensukzession bei Verträgen, ZaöRV 1979, S. 259 ff.; ebenda Þndet sich auf den S. 278 ff. auch ein Abdruck der englischen Textfassung. Vgl. ferner K. Ipsen (Fn. 10), 12 Rn. 5 ff.; Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Auß. 1989, S. 161 f.

14 Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen EuR Heft eines Gebietes, nicht aber die Übertragung einzelner, mit Außenbeziehungen verknüpfter Hoheitsrechte. 27 In Betracht kommt daher lediglich eine Berücksichtigung der der Konvention zugrunde liegenden Prinzipien, die nachfolgend in Betracht gezogen werden sollen. 28 Die Wiener Konvention über Staatennachfolge in Verträge wird klar vom Kontinuitätsprinzip dominiert: Neustaaten, die aus einer Separation, Dismembration oder Fusion hervorgegangen sind, bleiben grundsätzlich an die von ihren Vorläufern abgeschlossenen multilateralen wie bilateralen Altverträge gebunden. 29 Im Fall der Staatenfusion, die mit der Herausbildung supranationaler Organisationen noch am ehesten vergleichbar sein dürfte, wird der Nachfolgestaat ipso jure an die bestehenden Altverträge gebunden, soweit nicht die betroffenen Staaten etwas anderes vereinbaren, die Fortführung mit Sinn und Zweck des Vertrages unvereinbar wäre oder die Fortführung die Bedingungen der Vertragsanwendung grundlegend verändern würde. Während die Wiener Konvention vom Kontinuitätsprinzip dominiert wird, zeigt die bisherige Staatenpraxis kein eindeutiges Bild. Insbesondere kann eine gewohnheitsrechtliche Geltung des Kontinuitätsprinzips nicht festgestellt werden; vielmehr herrscht das Bemühen vor, für jeden einzelnen Vertrag unter Berücksichtigung des Vertragszwecks und der Interessen der Vertragsparteien eine angemessene Lösung zu Þnden. 30 Mit Blick auf die Staatenpraxis ist daher festzuhalten, dass auch hinsichtlich einer Funktionsnachfolge der EG nicht von einem Automatismus ausgegangen werden kann. Erfordert die Fortführung eines Vertrages schon im Falle einer Staatenfusion die Zustimmung der übrigen Vertragsparteien, so muss dies im Falle einer Funktionsnachfolge der EG umso mehr gelten: Während es nämlich bei der Staatenfusion zum Untergang der beiden fusionierenden Hoheitsträger kommt, existieren die Mitgliedstaaten der EG als eigenständige Völkerrechtssubjekte fort. 31 Kann demnach im Falle einer Staatenfusion aus der Sicht der übrigen Völkerrechtssubjekte nur der durch die Fusion entstandene Staat oder eben niemand die aus einem völkerrechtlichen Vertrag resultierenden Rechte und Pßichten mit Wirkung für das Gebiet der Altstaaten wahrnehmen, stehen die Mitgliedstaaten der EG nach wie vor als Träger von Rechten und Pßichten zur Verfügung. Ob die EG-Mitgliedstaaten 27 Vgl. die Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. I der Konvention; dazu Treviranus (Fn. 26), S. 259 (263); allgemein zum Begriff der Staatensukzession und den verschiedenen Fallgruppen Fastenrath, Das Recht der Staatensukzession, BDGV 35, S. 9 (9 ff.); K. Ipsen (Fn. 10), 25 Rn. 1 ff. 28 Die Bedeutung der Konvention darf auch deshalb nicht überschätzt werden, weil ihr nur 17 Staaten beigetreten sind und ihre Regelungen auch als Gewohnheitsrecht keineswegs allgemein anerkannt sind; vgl. K. Ipsen (Fn. 10), 12 Rn. 6 und 14; Herdegen (Fn. 5), 29 Rn. 2. Explizit abgelehnt wird eine analoge Anwendung der Konvention auf eine Funktionsnachfolge der EG bei Petersmann (Fn. 25), Art. 234 (a.f.) Rn. 13 sowie Voss (Fn. 22), S. 161 (175). 29 Abweichende Regelungen gelten für die so genannten newly independent states, die sich im Rahmen der Dekolonialisierung aus zuvor abhängigen Gebieten gebildet haben; näher dazu Dahm/Delbrück/Wolfrum (Fn. 26), S. 161; Doehring (Fn. 5), S. 81 f. 30 K. Ipsen (Fn. 10), 12 Rn. 14; ebenso Herdegen (Fn. 5), 29 Rn Ähnlich Petersmann (Fn. 25), Art. 234 (a.f.) Rn. 15 a.e.

15 324 EuR Heft Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen ihren Pßichten nur unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nachkommen können, berührt das Bestehen ihrer Pßichten im Außenverhältnis nicht, wie innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordnung auch Art. 307 EGV ausdrücklich anerkennt. Aus Sicht der übrigen Vertragsparteien besteht daher im Falle der Staatenfusion ein größeres Interesse an der vertraglichen Einbindung des Neustaates als im Falle des Kompetenzüberganges von den Mitgliedstaaten der EG auf diese an einer Einbindung der Gemeinschaft. Aus völkerrechtlicher Sicht lassen sich demnach für eine informelle (Teil-) Rechtsnachfolge der Gemeinschaft in Verträge ihrer Mitgliedstaaten folgende Voraussetzungen ausmachen: Zum einen muss überhaupt ein Nachfolgetatbestand vorliegen, der im Falle der supranationalen Integration regelmäßig im Übergang von Kompetenzen auf die Gemeinschaft liegen dürfte. Zum anderen setzt eine Funktionsnachfolge eine zumindest konkludente Anerkennung des Eintritts der EG in Rechte und Pßichten aus dem Vertrag durch die übrigen Vertragsparteien voraus. Damit ist festzustellen, dass ein Widerspruch zwischen den gemeinschaftsrechtlichen und den völkerrechtlichen Voraussetzungen einer Funktionsnachfolge nicht besteht: Die Anforderungen an eine im gemeinschaftlichen Innenverhältnis wie auch im Außenverhältnis zu den übrigen Vertragsparteien wirksame Funktionsnachfolge lassen sich aus einer Zusammenschau der aufgezeigten Voraussetzungen ermitteln. Zusammenfassend setzt eine informelle (Teil-) Rechtsnachfolge der Gemeinschaft in völkervertragliche Rechte und Pßichten insbesondere das Vorliegen eines von allen Mitgliedstaaten unterzeichneten Vertrages, eine innergemeinschaftliche Kompetenzverschiebung auf die Gemeinschaft und eine (faktische) Anerkennung durch die übrigen Vertragsparteien voraus. c) Rechtsfolgen Liegen die Voraussetzungen einer Funktionsnachfolge, durch die die EG auf informellem Wege die Stellung einer Vertragspartei neben den Mitgliedstaaten erlangt, vor, so ist die Gemeinschaft wie im Falle eines formellen Beitritts zu einem völkerrechtlichen Vertrag 32 nur an diejenigen Vertragsbestimmungen gebunden, deren Abschluss in ihre Zuständigkeit und nicht in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten Þele. Das Ausmaß der mitgliedstaatlichen Bindungen reduziert sich durch die Funktionsnachfolge in dem Umfang, in dem die Gemeinschaft den Mitgliedstaaten in vertragliche Verpßichtungen nachfolgt. Grundsätzlich sind demnach nicht die Mitgliedstaaten und die EG an eine bestimmte Vertragsbestimmung gebunden, sondern regelmäßig nur die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft. 33 Im Falle einer Vertragsverletzung steht den übrigen Vertragsparteien nach den Grundsätzen von Treu und Glauben das Recht zu, wahlweise von der EG oder den Mitgliedstaa- 32 Vgl. dazu die Ausführungen oben unter I Vgl. zu den Vorwirkungen der Bindung der EG bereits die Ausführungen bei Fn. 21.

16 Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen EuR Heft ten zunächst Auskunft über die gemeinschaftsinterne Kompetenzverteilung zu verlangen, um sich sodann mit ihrem Erfüllungs- oder Schadenersatzverlagen an die gemeinschaftsintern zuständige Seite halten zu können. II. Bindungen kraft Gemeinschaftsrechts Kommt eine völkerrechtliche Bindung der Gemeinschaft an Verträge ihrer Mitgliedstaaten nicht in Betracht was, wie vorstehend aufgezeigt, insbesondere bei bilateralen Verträgen der Mitgliedstaaten regelmäßig der Fall sein dürfte, so folgt daraus nicht die völlige Unbeachtlichkeit dieser Verträge für die Gemeinschaft. Vielmehr kann sich aus dem Gemeinschaftsrecht eine Pßicht der EG zur Rücksichtnahme auf die völkerrechtlichen Verträge ihrer Mitgliedstaaten ergeben, die mit Blick auf die Begrenzung gemeinschaftlicher Handlungsspielräume in manchen Fällen einer faktischen Bindung nahe kommen kann. Aus dogmatischem Blickwinkel weist eine Bindung kraft Gemeinschaftsrechts freilich gravierende Unterschiede im Vergleich zu einer völkerrechtlichen Bindung auf: Während eine völkerrechtliche Bindung der EG im Außenverhältnis gegenüber den jeweiligen Vertragspartnern besteht, ihre Missachtung also regelmäßig Drittstaaten in ihren völkervertraglich begründeten Rechten verletzt und von diesen mit den Durchsetzungsinstrumenten des Völkerrechts geltend gemacht werden kann, betrifft eine Bindung kraft Gemeinschaftsrechts allein das Innenverhältnis zwischen der EG und ihren Mitgliedstaaten. Dies hat zur Folge, dass erstens eine Verletzung gemeinschaftsrechtlicher Rücksichtnahmepßichten Drittstaaten nur mittelbar, nämlich als Vertragspartner eines oder mehrerer EG-Mitgliedstaaten, berührt, dass zweitens hieraus resultierende Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten nicht auf der Ebene der völkerrechtlichen Streitbeilegung, sondern allein vor dem EuGH auszutragen sind und dass drittens rein konstruktiv betrachtet 34 die Mitgliedstaaten durch entsprechende Änderungen des primären Gemeinschaftsrechts die Gemeinschaft von derartigen Rücksichtnahmepßichten gänzlich entbinden und damit die Position der Drittstaaten mittelbar schwächen könnten, ohne dass die betroffenen Drittstaaten darauf rechtlichen Einßuss nehmen könnten. 1. Art. 307 EGV Maßgeblicher Ausgangspunkt für die Bestimmung von Reichweite und Umfang gemeinschaftsrechtlicher Rücksichtnahmepßichten auf völkerrechtliche Verträge ihrer Mitgliedstaaten ist Art. 307 EGV. Art. 307 Abs. 1 EGV bestimmt zunächst, dass die Rechte und Pßichten aus Altverträgen eines oder mehrerer Mitgliedstaa- 34 Zu erwägen wäre allerdings, ob sich aus dem Charakter der EG als Rechtsgemeinschaft in Zusammenwirken mit dem Grundprinzip der Gemeinschaftstreue und dem Gedanken der völkerrechtskonformen Integration die Unmöglichkeit einer vollständigen Entbindung der EG von derartigen Rücksichtnahmepßichten ergibt.

17 326 EuR Heft Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen ten mit einem oder mehreren Drittstaaten durch den EG-Vertrag unberührt bleiben; Abs. II verpßichtet die Mitgliedstaaten, etwaige Unvereinbarkeiten zwischen ihren Altverträgen und dem Gemeinschaftsrecht 35 zu beheben. a) Bedeutung der Regelung Art. 307 Abs. 1 EGV kann als positiv-rechtliche Ausprägung des Grundsatzes der völkerrechtskonformen Integration auf Gemeinschaftsebene begriffen werden. 36 Zwar entfaltet die hier getroffene Regelung im Außenverhältnis, also gegenüber Drittstaaten, keine konstitutive Wirkung: Sie trägt insoweit nur der Tatsache Rechnung, dass die Gründung der EG bzw. der Beitritt eines Staates zur EG die von einem Mitgliedstaat gegenüber dritten Staaten eingegangenen Verpßichtungen ohnehin nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen unberührt lässt (vgl. Art. 30 Abs. 4 lit. b sowie Art. 34 WVK). 37 Die entscheidende Bedeutung der Norm liegt jedoch darin, dass sie in Anerkennung dieser völkerrechtlichen Situation die Berücksichtigung mitgliedstaatlicher Altverträge auch im Innenverhältnis zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten anordnet und damit sicherstellt, dass die Mitgliedstaaten keinen Verpßichtungskonßikten zwischen Völker- und Gemeinschaftsrecht ausgesetzt werden. 38 Bleiben also die von den Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten eingegangenen Verpßichtungen in dem Sinne unberührt, dass Gemeinschaftsrecht ihrer Erfüllung nicht entgegensteht, so hat umgekehrt Art. 307 EGV auch keinen Einßuss auf die rein völkerrechtliche Natur der eingegangenen Bindungen; die Mitgliedstaaten sind also nicht kraft Gemeinschaftsrechts und gegenüber der Gemeinschaft zur Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Altverträge verpßichtet. 39 b) Anwendungsbereich Art. 307 EGV erstreckt sich seinem Wortlaut nach nur auf solche Verträge, die ein oder mehrere Mitgliedstaaten vor Gründung der Gemeinschaft bzw. vor ihrem Beitritt zur Gemeinschaft geschlossen haben. Im Umkehrschluss kann damit zunächst festgehalten werden, dass Art. 307 EGV für zwischen den Mitgliedstaaten abge- 35 Der Begriff des Vertrages in Art. 307 Abs. 2 EGV umfasst gleichermaßen das primäre wie auch das sekundäre Gemeinschaftsrecht; vgl. Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn. 8; Vedder, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Loseblattsammlung, Stand: 26. EL März 2005, Art. 234 EGV (a.f.) Rn Zum Grundsatz der völkerrechtskonformen Integration und zur verfassungsähnlichen Funktion der Altverträge der Mitgliedstaaten für die Gemeinschaft eingehend Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 2 f.; ferner Voss (Fn. 22), S. 161 (166 f.) 37 Deutlich auch Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV Rn. 1; Schuster/Stoll, Gemeinschaftskompetenz und Altverträge mit Drittstaaten, RIW 1996, S. 89 (93); vgl. auch Vedder (Fn. 35), Art. 234 EGV (a.f.) Rn. 1, der von einer Bekräftigung der sich auch aus dem Völkerrecht ergebenden Rechtslage spricht. 38 Vgl. Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 12; ähnlich Voss (Fn. 22), S. 161 (163); ihm folgend Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn Vgl. Voss (Fn. 22), S. 161 (166) sowie Vedder (Fn. 35), Art. 234 EGV (a.f.) Rn. 14.

18 Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen EuR Heft schlossene inter-se-verträge nicht gilt. 40 Nicht unumstritten ist demgegenüber die Frage, ob Art. 307 EGV analog auf solche Verträge angewandt werden kann, die die Mitgliedstaaten mit Drittstaaten nach Gründung der bzw. nach Beitritt zur Gemeinschaft, aber vor der Entstehung einer einschlägigen Gemeinschaftszuständigkeit geschlossen haben. Während Teile des Schrifttums eine entsprechende Anwendung zumindest für diejenigen Fälle bejahen, in denen die Kompetenzverschiebung für die Mitgliedstaaten nicht vorhersehbar war, 41 wird eine Analogie teilweise unter Verweis auf die Pßicht der Mitgliedstaaten, eine spätere Kompetenzausübung seitens der Gemeinschaft nicht zu behindern, generell ausgeschlossen 42. Die letztgenannte Auffassung vermag jedoch nicht zu überzeugen: Ohne eine entsprechende Anwendbarkeit von Art. 307 EGV könnten die Mitgliedstaaten im Ergebnis überhaupt keine völkerrechtlichen Verträge mehr abschließen, ohne die Gefahr späterer Verpßichtungskonßikte mit dem Gemeinschaftsrecht einzugehen. Ein solches Ergebnis erscheint mit Blick auf die derzeitige Verteilung der Außenkompetenzen zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten nur wenig sachgerecht; es hätte überdies den integrationspolitisch wenig wünschenswerten Nebeneffekt, dass sich die Mitgliedstaaten schon zur Vermeidung derartiger Verpßichtungskonßikte gegen jedwede Übertragung von (Außen-) Kompetenzen auf die Gemeinschaft im Wege der Vertragsänderung sperren müssten. Als vorzugswürdige Lösung dieses Problems erscheint die Aufnahme von Kündigungs- respektive Anpassungsklauseln in die jeweils neu abgeschlossenen Verträge. 43 Droht das Zustandekommen eines Vertrages an einer solchen Klausel zu scheitern, wird man sorgfältig zwischen der Bedeutung des Vertrages für den jeweiligen Mitgliedstaat und der Wahrscheinlichkeit einer Kompetenzverschiebung auf die Gemeinschaft abzuwägen haben. c) Rechtsfolgen Im Hinblick auf die Handlungsspielräume der Gemeinschaft verdienen schließlich die durch Art. 307 EGV ausgelösten Rechtsfolgen besondere Aufmerksamkeit. Dabei sind eine Differenzierung zwischen den Rechtsfolgen für die Gemeinschaft und jenen für die Mitgliedstaaten sowie das Verhältnis zwischen Art. 307 Abs. 1 und Abs. 2 EGV von besonderer Bedeutung. 40 Einhellige Auffassung, vgl. Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn. 2; Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV Rn. 5; Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn Ausführlich dazu Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 6; ähnlich auch Voss (Fn. 22), S. 161 (164 f.); Vedder (Fn. 35), Art. 234 EGV (a.f.) Rn So insbesondere Manzini, The Priority of Pre-Existing Treaties of EC Member States within the Framework of International Law, EJIL 2001, S. 781 (785 ff.). 43 Näher dazu Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 6; Vedder (Fn. 35), Art. 234 EGV (a.f.) Rn. 21.

19 328 EuR Heft Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen aa) Art. 307 Abs. 1 EGV Betrachtet man Art. 307 zunächst aus der Sicht der Mitgliedstaaten, so lässt sich als erste zentrale Aussage festhalten, dass das Gemeinschaftsrecht der Erfüllung völkervertraglicher Pßichten gegenüber Drittstaaten durch die Mitgliedstaaten nicht entgegensteht. Hingegen erlaubt Art. 307 EGV den Mitgliedstaaten nicht, im Einklang mit einem völkerrechtlichen Vertrag dem Gemeinschaftsrecht zuwiderlaufende Maßnahmen zu treffen, deren Vornahme nach dem jeweiligen Vertrag in ihrem Ermessen steht. 44 Keinesfalls können sich die Mitgliedstaaten bezüglich der Geltendmachung ihrer Rechte gegenüber dem Drittstaat auf Art. 307 EGV berufen, soweit diese Geltendmachung gegen Gemeinschaftsrecht verstößt; Art. 307 Abs. 1 EGV betrifft lediglich die Pßichten der Mitgliedstaaten und die Rechte der Drittstaaten. 45 Mit dieser Unberührtheitsklausel korrespondiert die Verpßichtung der Gemeinschaft, die Mitgliedstaaten bei der Erfüllung ihrer Verpßichtungen nicht zu behindern. 46 Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Gemeinschaft in ihrer eigenen Rechtsetzungs- oder Vertragsschlussbefugnis eingeschränkt wäre. 47 Die Gemeinschaft kann von ihren Kompetenzen unbeschränkt Gebrauch machen, darf allerdings das Gemeinschaftsrecht gegenüber einem im Verhältnis zu einem Drittstaat gebundenen Mitgliedstaat nicht durchsetzen. Im Ergebnis lässt sich Art. 307 Abs. 1 EGV damit eine Ausnahme vom Grundsatz des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts entnehmen. 48 Aus Art. 307 Abs. 1 EGV ergibt sich also eine Art Einrede der Mitgliedstaaten 49 gegenüber dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts. bb) Art. 307 Abs. 2 EGV Mit Blick auf die Handlungsspielräume der Gemeinschaft wichtiger als die vorstehend beschriebene Rechtslage im Falle eines bestehenden Konßiktes zwischen dem Altvertrag eines Mitgliedstaates und dem Gemeinschaftsrecht sind allerdings die durch Art. 307 EGV begründeten Verpßichtungen der Gemeinschaft, aber insbesondere und vorrangig auch des betroffenen Mitgliedstaates zur dauerhaften Beseitigung des jeweiligen Konßiktes. 44 Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV Rn Näher dazu Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 4; Vedder (Fn. 35), Art. 234 EGV (a.f.) Rn. 4; Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV Rn So im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH in der Rs. 812/79 (Burgoa), Slg. 1980, 2787, Rn. 11 auch Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 11; Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn. 24; Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV Rn Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 12; Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV Rn. 15; Vedder (Fn. 35), Art. 234 EGV (a.f.) Rn In diese Richtung schon Voss (Fn. 22), S. 161 (166). 49 So die viel zitierte Formulierung bei Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 12.

20 Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen EuR Heft Zunächst obliegt es dem betroffenen Mitgliedstaat wie auch der Gemeinschaft, einen etwaigen Verpßichtungskonßikt 50 durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des jeweiligen Vertrages bzw. durch eine völkerrechtskonforme Auslegung des Gemeinschaftsrechts (im Sinne des Prinzips der völkerrechtskonformen Integration) zu vermeiden respektive zu beseitigen. 51 Führt dieser Weg nicht zum gewünschten Erfolg, trifft gemäß Art. 307 Abs. 2 EGV in erster Linie den betroffenen Mitgliedstaat die Pßicht, die Unvereinbarkeit seines Vertrages mit dem Gemeinschaftsrecht zu beheben. 52 Geeignete Mittel zur Erfüllung dieser Pßicht die entsprechend der allgemeinen Ausrichtung der Norm allerdings ihrerseits im Einklang mit dem Völkerrecht stehen müssen 53 sind insbesondere die Anpassung des Vertrages im Verhandlungswege 54 oder die Loslösung vom Vertrag im Wege des Rücktritts, der Suspendierung oder der Kündigung. 55 In jenen Fällen, in denen lediglich die Rechte des betroffenen Mitgliedstaates im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehen, dürfte ein Verzicht auf diese Rechte gegenüber dem Drittstaat genügen; eine Kündigung des Abkommens wird in diesen Fällen nicht erforderlich sein. 56 Sofern politisch gewollt, kann der betroffene Mitgliedstaat seinen Anpassungspßichten auch dadurch genügen, dass er sich politisch wie rechtlich dafür einsetzt, der Gemeinschaft einen Beitritt zu dem jeweiligen Abkommen zu eröffnen. 57 Den anderen Mitgliedstaaten (vgl. insoweit die ausdrückliche Regelung in Art. 307 Abs. 2 S. 2 EGV) wie auch der Gemeinschaft 50 Voraussetzung einer Anpassungspßicht ist die Unvereinbarkeit einer völkerrechtlichen Verpßichtung mit dem Gemeinschaftsrecht im Sinne einer materiellen Inkompatibilität. Eine bloße Kompetenzverschiebung zugunsten der Gemeinschaft löst hingegen keine Anpassungspßichten aus, vgl. Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn. 22 sowie Schuster/Stoll (Fn. 37), S. 89 (93). 51 So genannte konvergierende Anpassung, vgl. Vedder (Fn. 35), Art. 234 EGV (a.f.) Rn Vgl. Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn Einhellige Auffassung im Schrifttum, vgl. Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV 10; Vedder (Fn. 35), Art. 234 EGV (a.f.) Rn. 6; Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn. 16; Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 8. Näher zur insoweit unklaren Rechtsprechung des EuGH Petersmann/Spennemann (a.a.o.) bei Fußnote Liegt die Kompetenz für die Aushandlung der mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren Klausel eines völkerrechtlichen Vertrages mittlerweile bei der Gemeinschaft, so ermächtigt Art. 307 Abs. II EGV den jeweiligen Mitgliedstaat zum korrigierenden Vertragsschluss; vgl. Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV 10 sowie Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn Näher zu den einzelnen Möglichkeiten der Vertragsbeendigung sowie zur diesbezüglichen Verpßichtung der Mitgliedstaaten Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 8; Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV 11 sowie Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn. 17 jeweils m.w.n. auch aus der Rspr. Der EuGH hat die Möglichkeit einer aus Art. 307 EGV resultierenden Kündigungspßicht ausdrücklich bejaht z.b. in den Rs. C-62/98 (Kommission/Portugal), Slg. 2000, I-5171, Rn. 49 sowie Rs. C-84/98 (Kommission/Portugal), Slg. 2000, I-5215, Rn Wie hier auch Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 8 bei Fußnote 35 m.w.n. Systematisch erscheint dies Ergebnis zwingend, da Art. 307 Abs. 1 EGV nach einhelliger, auch vom EuGH geteilter Auffassung (vgl. grundlegend bereits EuGH, Rs. 10/61 (Kommission/Italien), Slg. 1962, 3, 22 f. nur die Rechte von Drittstaaten und die Pßichten der Mitgliedstaaten betrifft. Die Annahme, dass eine Anpassungspßicht gemäß Art. 307 Abs. II EGV auch durch die in einem völkerrechtlichen Vertrag einem Mitgliedstaat eingeräumten Rechte begründet werden könne, läuft daher dem in Art. 307 EGV angelegten Gleichlauf von zurückgenommenem Anwendungsvorrang und Anpassungspßicht zuwider. Wenig aussagekräftig sind insoweit die Urteile des EuGH in den Rs. C-62/98 (Kommission/Portugal), Slg. 2000, I-5171 sowie Rs. C-84/98 (Kommission/Portugal), Slg. 2000, I-5215, da sich beide Entscheidungen primär auf den Umfang einer sekundärrechtlich normierten Anpassungspßicht für bestimmte Seehandelsabkommen beziehen. 57 Näher dazu Vedder (Fn. 35), Art. 234 EGV (a.f.) Rn. 8; Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn. 18; Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV 12.

21 330 EuR Heft Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen obliegt es, den betroffenen Mitgliedstaat bei seinen Bemühungen zur Erfüllung seiner Anpassungspßicht im Rahmen des völkerrechtlich Zulässigen rechtlich wie politisch zu unterstützen. 58 In Einzelfällen, in denen eine Behebung der Unvereinbarkeit durch Anpassung des Gemeinschaftsrechts der Sache nach als vorzugswürdig erscheint, trifft die Gemeinschaftsorgane die Pßicht, die dazu notwendigen Schritte vorzunehmen. 59 cc) Zum Verhältnis von Art. 307 Abs. 1 und Abs. 2 EGV Die vorstehenden Ausführungen zu Inhalt und Reichweite von Art. 307 Abs. 1 und Abs. 2 machen deutlich, dass zwischen den beiden Teilregelungen ein Spannungsverhältnis besteht: 60 Während Abs. 1 die völkerrechtlichen Verträge der Mitgliedstaaten unberührt lässt, zielt Abs. 2 auf ihre Anpassung. Betrachtet man Art. 307 Abs. 1 EGV im Gesamtkonzept des Gemeinschaftsrechts, so kann dieses Spannungsverhältnis nur dahingehend aufgelöst werden, dass die Rücksichtnahmepßicht der Gemeinschaft im Grundsatz durch die Anpassungspßicht der Mitgliedstaaten temporär begrenzt wird. 61 Anders formuliert: Die Mitgliedstaaten trifft nach Art. 307 Abs. 2 EGV die grundsätzliche Pßicht zur Vertragsanpassung. Solange diese Pßicht noch nicht in zumutbarer Weise erfüllt werden bzw. worden sein kann, trifft die EG in die Art. 307 Abs. 1 EGV normierte Rücksichtnahmepßicht. Sinn und Zweck des Art. 307 Abs. 1 EGV ist der Schutz der Mitgliedstaaten vor Verpßichtungskonßikten, nicht die Sicherung des Fortbestandes völkerrechtlicher Verträge um ihrer selbst willen. 62 Art. 307 Abs. 1 EGV steht damit einer Pßicht auch zur Vertragsbeendigung in keiner Weise entgegen. Als Einschränkung des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts, eines der tragenden Grundprinzipien der Gemeinschaftsrechtsordnung 63, ist Art. 307 Abs. 1 EGV vielmehr eng auszulegen. Die Rücksichtnahmepßicht der Gemeinschaft gilt demnach nur solange, als die Mitgliedstaaten ihrer Anpassungspßicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben noch nicht nachkommen konnten. Dieses bei abstrakter Betrachtung zwingende Ergebnis darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ermittlung der Maßnahmen, die im konkreten Einzelfall 58 Vgl. Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn. 20; Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV Vgl. Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 10; Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn So die Formulierung bei Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn. 15; ähnlich Manzini (Fn. 42), S. 781 (788): potential tension. 61 A.A. ausdrücklich Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV Rn. 8; Kokott (Fn. 9), Art. 307 EGV Rn. 14. Für eine zeitliche Befristung hingegen auch Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 12; ebenso wohl auch Vedder (Fn. 35), Art. 234 EGV (a.f.) Rn. 6. Auch die Rechtsprechung des EuGH steht der hier vertretenen Auffassung zumindest nicht entgegen, vgl. insbesondere EuGH, Rs. C-466/98 und verb. Rs. (open skies), Slg. 2002, I-9427, Rn Wie bereits ausgeführt, liegt der Sinn und Zweck des Art. 307 Abs. I EGV insbesondere auch nicht im Schutz der Drittstaaten; so aber Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV Rn. 8. Erstens bedarf es eines solchen Schutzes nicht, weil er sich bereits aus dem allgemeinen Völkervertragsrecht ergibt, und zweitens wäre eine entsprechende Schutzbestimmung auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts auch nur dann effektiv, wenn man den EGV insoweit als Vertrag zugunsten Dritter auffasste. 63 Grundlegend insoweit EuGH, Rs. 6/64 (Costa/E.N.E.L.), Slg. 1964, 1253, 1270.

22 Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen EuR Heft zu einem bestimmten Zeitpunkt vom jeweiligen Mitgliedstaat verlangt werden können, eine Abwägung voraussetzt. Faktisch werden in eine solche Abwägung auch Gesichtspunkte wie das Interesse des jeweiligen Mitgliedstaates am Fortbestand des Vertrages aufgrund seiner politischen und wirtschaftlichen Bedeutung, die Bedeutung und Reichweite des aufgetretenen Verpßichtungskonßiktes und das Interesse der Gemeinschaft an einer ungehinderten Rechtsdurchsetzung einßießen. Diese Überlegungen, die regelmäßig auch oder sogar primär von politischen Erwägungen geleitet sein werden, vermögen jedoch am aus dogmatischer Sicht bestehenden Vorrang der Anpassungspßicht nichts zu ändern. d) Zusammenfassung Zusammenfassend ist damit festzuhalten: Art. 307 EGV statuiert eine Pßicht der Gemeinschaft zur Rücksichtnahme auf die von ihren Mitgliedstaaten kompetenzgemäß mit Drittstaaten geschlossenen völkerrechtlichen Verträge. Diese Pßicht wird in zeitlicher Hinsicht begrenzt durch die Pßicht der jeweils betroffenen Mitgliedstaaten, ihre Verträge an das Gemeinschaftsrecht anzupassen. Die Rücksichtnahmepßicht der Gemeinschaft gilt nur solange, als die Mitgliedstaaten ihrer Anpassungspßicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben noch nicht nachkommen konnten. Praktisch dürfte bei bilateralen Verträgen häuþg eine Anpassung durch inhaltliche Änderungen des jeweiligen Altvertrages im Verhandlungswege gelingen, während dieser Weg bei multilateralen Verträgen, die regelmäßig nur im Konsens aller Vertragsstaaten oder mit Zustimmung eines bestimmten Quorums aller Vertragsparteien geändert werden können, regelmäßig nicht zum Erfolg führen wird. Da jedoch Art. 307 Abs. 2 EGV als ultima ratio auch die Pßicht zur Vertragsbeendigung bzw. Kündigung umfasst, erscheint eine Unmöglichkeit der Anpassung vom rechtlichen Standpunkt aus nur bei unkündbaren Verträgen, bei denen überdies auch eine Berufung auf die clausula rebus sic stantibus nicht in Betracht kommt, als vorstellbar. Solange und soweit eine Rücksichtnahmepßicht der Gemeinschaft besteht, ist die Gemeinschaft an der Wahrnehmung ihrer Binnen- und Außenkompetenzen nicht gehindert. Ihre Spielräume werden nur insoweit begrenzt, als sie an der Rechtsdurchsetzung gegenüber dem jeweiligen Mitgliedstaat gehindert ist. Dieses Durchsetzungshindernis führt im Falle der Binnenrechtsetzung zu einer uneinheitlichen Rechtslage in der Gemeinschaft; beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge mit Drittstaaten drohen Verletzungen dieser Verträge, wenn einzelne Mitgliedstaaten sich gegenüber dem grundsätzlich gegebenen Anwendungsvorrang dieses Vertrages auf Art. 307 EGV berufen können. 2. Rücksichtnahmepßichten außerhalb von Art. 307 EGV? Zu untersuchen bleibt, ob (abgeschwächte) Rücksichtnahmepßichten der Gemeinschaft auch hinsichtlich solcher völkerrechtlichen Verträge ihrer Mitgliedstaaten

23 332 EuR Heft Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen bestehen, die von Art. 307 EGV nicht erfasst werden. Dabei sind wiederum zwei Fallgruppen zu unterscheiden, nämlich zum einen Inter-se-Verträge der Mitgliedstaaten und zum anderen unter Verstoß gegen die innergemeinschaftliche Kompetenzordnung abgeschlossene Verträge von Mitgliedstaaten mit Drittstaaten. a) Inter-se-Verträge der Mitgliedstaaten Zwischen den EG-Mitgliedstaaten abgeschlossene völkerrechtliche Verträge fallen, wie sich aus dem Wortlaut von Art. 307 EGV eindeutig ergibt, nicht in den Anwendungsbereich der Norm. 64 Fraglich ist, ob der Sache nach auch in diesen Fällen ein Bedürfnis nach (abgeschwächten) Rücksichtnahmepßichten besteht, die sich möglicherweise aus Art. 10 EGV ergeben könnten. Zum Vergleich soll zunächst die in Art. 307 EGV geregelte Fallgruppe nochmals in den Blick genommen werden: Ausgangspunkt und Rechtfertigung der in Art. 307 normierten Ausnahme vom Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts ist der Umstand, dass die Mitgliedstaaten im Außenverhältnis, also im Verhältnis zu ihren jeweiligen Vertragspartnern, ohnehin an die eingegangenen Verpßichtungen gebunden bleiben. Bestand und Umfang dieser völkerrechtlichen Verpßichtungen werden durch das Gemeinschaftsrecht in keiner Weise berührt, so dass dem jeweiligen Vertrag zuwiderlaufende Verpßichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht einen Zwang zum Vertragsbruch bedeuten würden. aa) Auswirkungen des Gemeinschaftsrechts auf den Inter-se-Vertrag? Besteht dagegen das völkerrechtliche Außenverhältnis zwischen zwei Mitgliedstaaten der EG, so erscheint zunächst bereits fraglich, ob das Gemeinschaftsrecht sich nicht unmittelbar auf den Bestand des völkerrechtlichen Vertrages auswirkt, ob mit anderen Worten nicht ein Inter-se-Vertrag zweier Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht verdrängt und dadurch die Entstehung von Verpßichtungskonßikten ausgeschlossen wird. Im Schrifttum wird in diesem Zusammenhang auf die Kollisionsregel lex posterior derrogat legi priori verwiesen, die für das Völkervertragsrecht ihren ausdrücklichen Niederschlag in Art. 30 Abs. 3 WVK gefunden hat. 65 Ergänzend wird teils auch auf Art. 59 Abs. 1 lit. b WVK Bezug genommen. Beide Normen setzen voraus, dass von den Vertragsparteien eines früheren Abkommens zu einem späteren Zeitpunkt ein inhaltlich abweichendes Abkommen 64 Auf die umstrittene Frage, ob das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten überhaupt erlaubt, nach ihrem Beitritt zur EG untereinander noch völkerrechtliche Verträge zu schließen, soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, vgl. dazu Häde, Ein Stabilitätspakt für Europa, EuZW 1996, S. 138 (141); Kort, Zur europarechtlichen Zulässigkeit von Abkommen der Mitgliedstaaten untereinander, JZ 1997, S. 640 ff. m.w.n. 65 So explizit Vedder (Fn. 35), Art. 234 EGV (a.f.) Rn. 3; ebenso speziell für das Verhältnis von Luftverkehrsabkommen und sekundärem Gemeinschaftsrecht Schwenk, Handbuch des Luftverkehrsrechts, 2. Auß. 1996, S Allgemein zu Geltungsbereich und Bedeutung des lex-posterior-grundsatzes im Völkerrecht auch Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2. Auß. 2002, S. 686, 692 f.

24 Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen EuR Heft über den gleichen Gegenstand geschlossen wird. Da der EG-Vertrag seinem Ursprung nach zweifelsohne einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt, 66 sind die genannten Grundsätze des allgemeinen Völkervertragsrechts jedenfalls geeignet, eine Suspendierung bzw. Verdrängung eines Inter-se-Vertrages durch den EG-Vertrag selbst zu begründen. 67 Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Inter-se-Vertrag älter ist als der EG-Vertrag (bzw. als diejenige Änderung des EG-Vertrages, die Kompetenzen der Gemeinschaft auf dem durch den Inter-se-Vertrag betroffenen Gebiet begründet) anderenfalls ist der EG-Vertrag nicht lex posterior. Damit führt der lex-posterior-gedanke gerade in denjenigen Fällen, in denen die Mitgliedstaaten unter Verstoß gegen bestehendes primäres Gemeinschaftsrecht einen Inter-se-Vertrag schließen, nicht zu einem Vorrang des Gemeinschaftsrechts und erweist sich daher als ein für die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts nicht hinreichend tragfähiger Ansatz. Wenig überzeugend erscheint der lex-posterior-grundsatz zudem als Begründung einer Verdrängung von Inter-se-Verträgen der Mitgliedstaaten durch sekundäres Gemeinschaftsrecht und zwar auch dann, wenn das Sekundärrecht tatsächlich jüngeren Datums ist als der fragliche Inter-se-Vertrag. Probleme bereitet insoweit insbesondere die Identität der Vertragspartner der kollidierenden Regelungen, in allgemeineren Kategorien gesprochen also die Identität von Normgeber und Geltungsgrund. 68 Zwar lässt sich argumentieren, dass das sekundäre Gemeinschaftsrecht vom EG-Vertrag abgeleitetes Recht sei und seinen Geltungsgrund ausschließlich in der Zustimmung der Mitgliedstaaten zu diesem Gründungsdokument Þnde, doch wird dieser stark in klassischen völkerrechtlichen Kategorien verhaftete Ansatz den Besonderheiten des Gemeinschaftsrechts als einer supranationalen, von unmittelbarer Wirkung, Anwendungsvorrang und Mehrheitsprinzip geprägten Rechtsordnung nur noch sehr bedingt gerecht. 69 Überzeugender ist es, den Geltungsgrund des sekundären Gemeinschaftsrechts im speziþschen Charakter der Gemeinschaftsrechtsordnung als einer autonomen Rechtsordnung zu sehen. 70 Hin- 66 Vgl. zu den völkerrechtlichen Wurzeln der Gemeinschaft und des Gemeinschaftsrechts nur Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 225 ff.; Pernice, Europäisches und nationales Verfassungsrecht, VVDStRL 60 (2000), S. 148 (168 ff.) sowie grundlegend H.-P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 58 ff. 67 Im Ergebnis ebenso z.b. Schmalenbach (Fn. 24), Art. 307 EGV Rn. 5; Petersmann/Spennemann (Fn. 16), Art. 307 EGV Rn. 7. Auch in diesem Verhältnis hat der EuGH allerdings auf den Grundsatz vom Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts zurückgegriffen, vgl. EuGH, Rs. 235/87 (Matteuci), Slg. 1988, 5606, Rn. 20 ff. Zwischen primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht differenzierend auch Eisermann, Grundlagen des Gemeinsamen Europäischen Luftverkehrsmarktes, 1995, S Vgl. zur Identität von Normgeber und Geltungsgrund als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des lex-posterior-grundsatzes H.-P. Ipsen, in: Kirchhof/Isensee (Hrsg.), HdBStR Bd. VII, 1992, 181 Rn. 58 sowie Ott, Die Methode der Rechtsanwendung, 1979, S. 206, 208 f. 69 Vgl. zum uneinheitlichen Gebrauchs des Begriffs der Supranationalität Koenig/Haratsch, Europarecht, 4. Auß. 2003, Rn. 13; Oppermann, Europarecht, 2. Auß. 1999, Rn. 891 ff.; Streinz (Fn. 16), Rn. 115 ff.; Schweitzer, Staatsrecht III: Staatsrecht Völkerrecht Europarecht, 8. Auß. 2004, Rn Grundlegend EuGH, Rs. 6/64 (Costa/E.N.E.L.), Slg. 1964, 1253, 1270 sowie aus der rechtswissenschaftlichen Literatur H.-P. Ipsen (Fn. 66), S. 62 f., 70 ff. So wie hier z.b. auch Dreier, Kontexte des Grundgesetzes, DVBl 1999, S. 667 (677); Oppermann (Fn. 69), Rn. 616; Walter, Die Folgen der Globalisierung für die europäische Verfassungsdiskussion, DVBl 2000, S. 1 (12) sowie den einheitlichen Charakter von gemeinschaftlicher und

25 334 EuR Heft Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen zu kommt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber beim Erlass von Sekundärrecht nicht mit den Mitgliedstaaten gleichgesetzt werden kann. Zwar wirken die Mitgliedstaaten faktisch im Rat der Europäischen Union an der Gemeinschaftsgesetzgebung mit, doch handelt es sich beim Rat gerade nicht um eine Staatenvertretung, sondern um ein Gemeinschaftsorgan. 71 Überdies ist der Rat aufgrund der Mitwirkung des Europäischen Parlamentes in vielen Fällen nicht der alleinige Gemeinschaftsgesetzgeber. 72 Völkerrechtliche Verträge zwischen einzelnen Mitgliedstaaten und sekundäres Gemeinschaftsrecht unterscheiden sich voneinander also sowohl hinsichtlich des Geltungsgrundes als auch hinsichtlich des Normgebers, so dass eine Anwendung des lex-posterior-grundsatzes in diesem Verhältnis abzulehnen ist. Damit ist zunächst festzuhalten, dass das primäre Gemeinschaftsrecht aufgrund des lex-posterior-grundsatzes Inter-se-Verträgen der Mitgliedstaaten vorgeht, soweit diese Verträge älteren Datums sind als die fragliche Vertragsbestimmung. Schließen dagegen die Mitgliedstaaten unter Verstoß gegen bestehendes primäres Gemeinschaftsrecht einen Inter-se-Vertrag, so bleibt dieser Vertrag vom Gemeinschaftsrecht unberührt. Sekundäres Gemeinschaftsrecht hat unabhängig von der zeitlichen Abfolge keinen Einßuss auf den Bestand eines Inter-se-Vertrages. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts, der besagt, dass Gemeinschaftsrecht gleich welchen Ranges innerstaatlichem Recht gleich welchen Ranges vorgeht 73, auf den Bestand eines zwischen Mitgliedstaaten geschlossenen völkerrechtlichen Vertrages keine Auswirkungen hat: 74 Zwar geht das Gemeinschaftsrecht im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten dem völkerrechtlichen Vertrag vor, 75 doch vermitgliedstaatlicher Rechtsordnung betonend Pernice (Fn. 66), S. 148 (172 ff.) mit umfangreichen Nachweisen auch zur Gegenauffassung. Für einen pluralistischen Lösungsansatz Peters (Fn. 66), S. 256 ff. 71 Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die in den Rat entsandten Vertreter der Mitgliedstaaten weisungsgebunden sind und auch zur Vertretung der Interessen ihres Heimatstaates berufen sind; vgl. nur Schweitzer, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Loseblattsammlung, Stand: 26. EL März 2005, Art. 203 EGV Rn. 1; den Organcharakter betont auch Jacqué, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), EUV/EGV, Bd. IV, 6. Auß. 2004, Art. 203 EGV Rn. 3. Die Beschreibung des Rates als eines janusköpþgen Gremiums (vgl. z.b. Hummer/Obwexer, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 203 EGV Rn. 10) kann sich korrekterweise nur auf die Mitglieder des Rates beziehen, die den Interessen ihrer Heimatstaaten und denen der Gemeinschaft gleichermaßen verpßichtet sind, nicht aber auf das Organ selbst. 72 So auch Koenig/Haratsch (Fn. 69), Rn. 160; Streinz (Fn. 16), Rn Kommt aber dem Parlament lediglich ein Anhörungsrecht zu, so ist der Rat als alleiniger Gesetzgeber anzusehen, vgl. Streinz a.a.o. 73 Insoweit besteht zwar nicht hinsichtlich der Begründung, wohl aber hinsichtlich des Ergebnisses weitgehende Einigkeit. Einen guten Überblick über die diesbezügliche Diskussion in Deutschland und den Meinungsstand in den anderen Mitgliedstaaten bietet Oppermann (Fn. 69), Rn. 616 ff.; vgl. ferner Streinz (Fn. 16), Rn. 172 ff.; Pernice (Fn. 66), S. 148 (182 ff.) sowie Zuleeg, Deutsches und europäisches Verwaltungsrecht Wechselseitige Einwirkungen, VVDStRL 53 (1994), S. 154 (159 ff.) 74 In diese Richtung aber Eisermann (Fn. 67), S. 260 f. 75 Dies gilt unabhängig davon, ob man mit Blick auf die Einordnung völkerrechtlicher Verträge in das innerstaatliche Recht der Transformations- oder Vollzugstheorie folgt. Während aus der Sicht der Transformationstheorie die völkerrechtlichen Verträge durch das Zustimmungsgesetz selbst zum Bestandteil des innerstaatlichen Rechts werden und also auch im Hinblick auf eine etwaige Verdrängung durch Gemeinschaftsrecht dessen Schicksal teilen, behält ein völkerrechtlicher Vertrag aus Sicht der Vollzugstheorie seinen Charakter als Völkerrecht. Durch das Zustimmungsgesetz wird lediglich der Vollzug des Vertrages durch innerstaatliche Stellen angeordnet. Dieses Zustimmungsgesetz ist seinerseits jedoch zweifelsfrei Bestandteil des innerstaatlichen Rechts und

26 Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen EuR Heft mag dieser Umstand nichts daran zu ändern, dass der Vertrag als solcher und die aus ihm resultierenden Bindungen und Verpßichtungen auf der Ebene des Völkerrechts bestehen bleiben. bb) Bedürfnis nach Rücksichtnahmepß ichten? Bleibt also nach den vorstehenden Ausführungen die völkerrechtliche Bindung der Mitgliedstaaten an einen zwischen ihnen geschlossenen völkerrechtlichen Vertrag in einer Vielzahl von Fällen vom Gemeinschaftsrecht auch dann unberührt, wenn die durch den Vertrag geregelte Materie in die Kompetenz der Gemeinschaft fällt, so ist fraglich, ob die Gemeinschaft zur Rücksichtnahme auf diese Bindungen verpßichtet ist. Anders als in den durch Art. 307 EGV erfassten Fällen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten geschlossener völkerrechtlicher Verträge ist hier zu berücksichtigen, dass beide Vertragsparteien von Gemeinschaftsrechts wegen, insbesondere aus Art. 10 EGV, zur Herstellung gemeinschaftsrechtskonformer Zustände verpßichtet sind. Dieser Pßicht können und müssen die Mitgliedstaaten durch Aufhebung des zwischen ihnen geschlossenen Vertrages nachkommen. Anders als in den Fällen des Art. 307 EGV würden beide Vertragsparteien ihren gemeinschaftsrechtlichen Pßichten zuwiderhandeln, wenn sie auf einem Fortbestand des Vertrages bestehen, so dass der Annahme einer Pßicht der Mitgliedstaaten zur sofortigen Vertragsaufhebung nichts entgegensteht. Sind jedoch die Parteien des Inter-se-Vertrages zur sofortigen Vertragsaufhebung verpßichtet, so besteht für die Annahme von Rücksichtnahmepßichten der Gemeinschaft, und seien sie auch nur temporär begrenzt, kein Bedürfnis. cc) Zusammenfassung Die EG ist zur Rücksichtnahme auf die zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten geschlossenen völkerrechtlichen Verträge nicht verpßichtet. Soweit das Gemeinschaftsrecht, derartigen Verträgen nicht ohnehin nach dem lex-posterior- Grundsatz vorgeht, sind vielmehr die Mitgliedstaaten zur sofortigen Aufhebung ihrer im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehenden völkerrechtlichen Verträge verpßichtet. unterliegt somit dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts. Damit kommt es gegebenenfalls zu einer Verdrängung des Zustimmungsgesetzes und damit auch des Anwendungsbefehls, so dass auch aus Sicht der Vollzugstheorie zwar konstruktiv nur das Zustimmungsgesetz, der Sache nach aber auch der entsprechende völkerrechtliche Vertrag verdrängt wird. Für einen Überblick zur Transformations- und Vollzugstheorie sei verwiesen auf Schweitzer (Fn. 69), Rn. 418 ff. sowie Koenig, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, 4. Auß. 2000, Art. 25 Rn. 36 ff. Grundlegend dazu aus monistischer Sicht Kelsen, Die Einheit von Völkerrecht und staatlichem Recht, ZaöRV 19 (1958), S. 234 ff. sowie aus dualistischer Sicht Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, 1899.

27 336 EuR Heft Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen b) Kompetenzwidrig abgeschlossene Verträge der Mitgliedstaaten Schließen die Mitgliedstaaten hingegen nach ihrem Beitritt zur Gemeinschaft unter Verstoß gegen die innergemeinschaftliche Kompetenzordnung völkerrechtliche Verträge mit Drittstaaten, so stellt sich das Problem möglicher Verpßichtungskonßikte in gleicher Weise wie in den durch Art. 307 EGV erfassten Fällen eines kompetenzgemäßen Vertragsschlusses, da sich der Verstoß gegen die innergemeinschaftliche Kompetenzordnung regelmäßig nicht auf die Wirksamkeit des Vertrages auswirkt, vgl. Art. 46 WVK. aa) Keine analoge Anwendung von Art. 307 EGV Anders als in den Fällen eines kompetenzgemäßen Vertragsschlusses nach Gründung der bzw. Beitritt zur Gemeinschaft scheidet in den Fällen eines kompetenzwidrigen Vertragsschlusses eine analoge Anwendung des Art. 307 EGV aus, da die Mitgliedstaaten nicht in vergleichbarer Weise schutzbedürftig sind und es somit an einer vergleichbaren Interessenlage als Grundvoraussetzung einer Analogie fehlt. 76 Rücksichtnahmepßichten der Gemeinschaft können sich daher allenfalls aus dem Gebot der Gemeinschaftstreue aus Art. 10 EGV ergeben. 77 Art. 10 EGV verpßichtet nach zutreffender Ansicht nicht nur die Mitgliedstaaten gegenüber der Gemeinschaft, sondern auch die Gemeinschaft gegenüber den Mitgliedstaaten zu Loyalität und Rücksichtnahme. 78 bb) Rücksichtnahmepß ichten aus Art. 10 EGV Gegen die Herleitung eines Rücksichtnahmegebotes aus Art. 10 EGV für die hier fragliche Fallgruppe lässt sich methodisch einwenden, dass Art. 307 EGV als speziellere Ausprägung des Gebotes der Gemeinschaftstreue bezüglich der Berücksichtigung völkerrechtlicher Verträge der Mitgliedstaaten zu begreifen sei, 79 dessen Regelungen und Grenzen nicht durch einen Rückgriff auf Art. 10 EGV als allgemeinere Norm überspielt werden dürften. Eine solche Betrachtungsweise wird jedoch dem fundamentalen Charakter der Gemeinschaftstreue als eines für die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft unverzichtbaren Verfassungsstrukturprinzips 80 nicht gerecht. Es erscheint unangebracht, bestimmte Bereiche des Gemeinschafts- 76 Vgl. zur Analogie und ihren Voraussetzungen aus methodischer Sicht statt aller nur Rüthers, Rechtstheorie, 2. Auß. 2005, Rn. 889 ff. 77 Grundlegend zum Gebot der Gemeinschaftstreue Hatje, Loyalität als Rechtsprinzip der Europäischen Union, 2001; Lück, Die Gemeinschaftstreue als allgemeines Rechtsprinzip im Recht der Europäischen Gemeinschaft; 1992; Unruh, Die Unionstreue, EuR 2002, S. 41 ff.; ausführlich auch Bleckmann, Europarecht, 6. Auß. 1997, Rn. 677 ff. 78 So auch Kahl in Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 2. Auß. 2002, Art. 10 EGV Rn. 50 ff.; ähnlich Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 10 EGV Rn. 47 ff. 79 So ausdrücklich von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Loseblattsammlung, Stand: 26. EL März 2005, Art. 10 EGV Rn. 31 a.e. 80 So Kahl (Fn. 78), Art. 10 EGV Rn. 10 f.; vgl. ferner Hatje (Fn. 77), S. 105 sowie Streinz (Fn. 78), Art. 10 EGV Rn. 4.

28 Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen EuR Heft rechts unter Rückgriff auf den lex-specialis-gedanken von der Geltung jedweder Treuepßichten auszunehmen. 81 Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des dynamischen und Þnalen Charakters des Gemeinschaftsrechts, 82 der auch bezüglich des Gebotes der Gemeinschaftstreue eine dem Wirksamkeitsprinzip verpßichtete Auslegung nahe legt. Als Zwischenergebnis ist demnach festzustellen, dass erstens auch im Falle kompetenzwidrig abgeschlossener Verträge zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten ein sachliches Bedürfnis für die Herleitung von Rücksichtnahmepßichten seitens der Gemeinschaft besteht und dass zweitens einer Anwendung von Art. 10 EGV, der die Gemeinschaft grundsätzlich zur Rücksichtnahme gegenüber den Mitgliedstaaten verpßichtet, keine durchgreifenden methodischen Bedenken entgegenstehen. Es ist demnach davon auszugehen, dass die Gemeinschaft dem Grunde nach auch auf kompetenzwidrig eingegangene völkerrechtliche Verpßichtungen der Mitgliedstaaten Rücksicht zu nehmen hat, einen Zwang zum Vertragsbruch also jedenfalls nicht ohne Einschränkungen ausüben darf. cc) Korrelierende Anpassungspß ichten aus Art. 10 EGV Als Korrelat zu dieser zumindest dem Grunde nach bestehenden Rücksichtnahmepßicht der Gemeinschaft sind die Mitgliedstaaten auch im Falle kompetenzwidrig abgeschlossener Verträge zur Herstellung gemeinschaftsrechtskonformer Zustände verpßichtet. Diese Pßicht folgt zunächst ebenfalls aus Art. 10 EGV, im Falle einer Feststellung der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit durch den EuGH aus Art. 228 Abs. 1 EGV, der ebenfalls als gegenüber Art. 10 EGV speziellere Norm zu begreifen ist. Dabei gilt anders als in den durch Art. 307 EGV erfassten Fällen, dass bereits die Kompetenzwidrigkeit als solche einen Gemeinschaftsrechtsverstoß darstellt, der ausreicht, um eine Anpassungspßicht des jeweiligen Mitgliedstaates auszulösen; ein inhaltlicher Widerspruch zwischen Gemeinschaftsrecht und völkerrechtlichem Vertrag ist also nicht erforderlich. Inhalt und Reichweite der Anpassungspßicht können aufgrund der geringeren Schutzwürdigkeit der Mitgliedstaaten im Falle eines kompetenzwidrigen Vertragsschlusses nicht hinter der Anpassungspßicht aus Art. 307 Abs. 2 EGV zurückbleiben. Vielmehr gilt grundsätzlich, dass eine inhaltliche Anpassung regelmäßig nicht ausreichen wird, um den Kompetenzverstoß zu beheben; als geeignete Mittel erscheinen allein die Vertragsbeendigung oder falls politisch gewollt die Unterstützung des Beitritts der Gemeinschaft zum jeweiligen Vertrag Vgl. Bleckmann (Fn. 77), Rn. 685 und 703, der Art. 10 EGV als pars-pro-toto-regelung und Ausprägung eines allgemeinen Grundsatzes bezeichnet; ihm folgend Streinz (Fn. 78), Art. 10 EGV Rn. 3, sowie Kahl (Fn. 78), Art. 10 EGV Rn Grundlegend dazu und im Ansatz auch nach wie vor zutreffend H.-P. Ipsen (Fn. 66), S. 197 f.; vgl. ferner Peters (Fn. 66), S. 107 f. sowie von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Loseblattsammlung, Stand: 26. EL März 2005, Art. 2 EGV Rn. 4 ( zielorientiertes Handlungssystem ) jeweils m.w.n. 83 Ein Beitritt wird allerdings regelmäßig nur bei multilateralen, unter Beteiligung aller Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommen in Betracht kommen, vgl. dazu bereits I. 1.

29 338 EuR Heft Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen dd) Inhaltliche Bestimmung der Rücksichtnahmepß ichten aus Art. 10 EGV Vor diesem Hintergrund kann die aus Art. 10 EGV abzuleitende Rücksichtnahmepßicht der Gemeinschaft wie folgt präzisiert werden: Schon in den Fällen des Art. 307 Abs. 1 EGV ist die Rücksichtnahmepßicht zeitlich durch die den Mitgliedstaaten je nach den Umständen des Einzelfalls zuzubilligende Frist zur Erfüllung ihrer Anpassungspßicht begrenzt und inhaltlich nicht als Kompetenzausübungshindernis, sondern lediglich als Rechtsdurchsetzungshindernis aufzufassen. In den Fällen des Art. 10 EGV sind die Anforderungen an die Gemeinschaft dahingehend zu vermindern, dass an die Anpassung seitens der Mitgliedstaaten noch höhere Anforderungen zu stellen sind; dass also insbesondere den Mitgliedstaaten noch weniger Zeit zur Herstellung gemeinschaftsrechtskonformer Zustände einzuräumen ist. 84 ee) Zusammenfassung Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass Rücksichtnahmepßichten der Gemeinschaft auch hinsichtlich solcher Verträge bestehen können, die die Mitgliedstaaten unter Verstoß gegen die innergemeinschaftliche Kompetenzordnung mit Drittstaaten abgeschlossen haben. Die Rücksichtnahmepßicht ist in diesen Fällen aus Art. 10 EGV abzuleiten. Ihrem Inhalt nach entspricht sie im Grundsatz den aus Art. 307 EGV zu entnehmenden Rücksichtnahmepßichten, bleibt jedoch hinsichtlich ihrer Reichweite hinter diesen zurück. 84 In der Rechtspraxis scheitert eine saubere Unterscheidung zwischen Rücksichtnahmepßichten aus Art. 10 und Art. 307 EGV bisweilen freilich schon an der Komplexität der zugrunde liegenden Lebenssachverhalte. So hat der EuGH in seinen Entscheidungen zu den bilateralen Luftverkehrsabkommen einiger Mitgliedstaaten (EuGH, Rs. C-466/98 und verb. Rs. (open skies), Slg. 2002, I-9427; dazu Bentzien, Die Urteile des EuGH vom 5. November 2002 betreffend die Zuständigkeit der EG für Luftverkehrsabkommen mit Drittstaaten ZLW 2003, S. 153 ff.; Pitschas, Anmerkung zum Open-skies-Urteil des EuGH, EuZW 2003, S. 92 ff.; Thym, Der Binnenmarkt und die Freiheit der Lüfte ; EuR 2003, S. 277 ff.) festgestellt, dass einige Klauseln dieser Abkommen zwar inhaltlich mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehen, dass jedoch insoweit eine Außenkompetenz der Mitgliedstaaten nicht mehr besteht, während andere Klauseln zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, dafür jedoch gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen. Während sich die Anpassungspßicht der Mitgliedstaaten in den erstgenannten Fällen aus Art. 10 bzw. aus Art. 228 Abs. 1 EGV ergibt, greift in den letztgenannten Fällen Art. 307 EGV ein. Die Kommission hat vor diesem Hintergrund eine einheitliche Anpassungsstrategie entwickelt, die für alle Klauseln und alle Abkommen unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses gleichermaßen gilt; vgl. dazu die Mitteilung der Kommission: Weiterentwicklung der Luftaußenpolitik der Gemeinschaft, KOM 2005 (79) endg. Der Fall der bilateralen Luftverkehrsabkommen zeigt zugleich, dass die Kommission zur tatsächlichen Durchsetzung der mitgliedstaatlichen Pßichten durchaus gewillt ist. Die Kommission hatte die Mitgliedstaaten als Reaktion auf das open-skies-urteil zunächst aufgefordert, die streitgegenständlichen Abkommen mit den USA zu kündigen und zugleich der Kommission ein Mandat zur Aushandlung eines neuen Luftverkehrsabkommens zwischen den EG und den USA zu erteilen. Die Mitgliedstaaten haben daraufhin zwar der Kommission einen entsprechenden Verhandlungsauftrag erteilt, ihre Abkommen mit den USA jedoch fortgeführt. Obwohl die Verhandlungen mit den USA noch nicht zum Abschluss gekommen sind, hat die Kommission daraufhin ein erneutes Vorverfahren gegen die betreffenden Mitgliedstaaten gemäß Art. 228 Abs. 2 EGV eingeleitet; vgl. den Kurzbericht in EuZW 2005, S. 67.

30 Pache/Bielitz, Das Verhältnis der EG zu den völkerrechtlichen Verträgen EuR Heft III. Fazit Die von den Mitgliedstaaten der EG geschlossenen völkerrechtlichen Verträge können die Gemeinschaft völkerrechtlich, d.h. auch mit Wirkung gegenüber Drittstaaten, oder gemeinschaftsrechtlich, also mit Wirkung allein im Innenverhältnis, binden. Diese Bindungen sind allerdings nur schwach ausgeprägt: Während eine völkerrechtliche Bindung stets auch eine (zumindest faktische) Anerkennung seitens der EG voraussetzt, können gemeinschaftsrechtliche Rücksichtnahmepßichten auch ohne den Willen der EG entstehen, sind dafür aber temporär begrenzt durch die Pßicht der Mitgliedstaaten, die von ihnen geschlossenen Verträge den Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts anzupassen. Im Gegensatz zu den Mitgliedstaaten, die durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts umfassend und dauerhaft an die völkerrechtlichen Verträge der EG gebunden sind, unterliegt demnach die EG dauerhaften Bindungen an die völkerrechtlichen Verträge ihrer Mitgliedstaaten nur im Falle ihrer faktischen Zustimmung. Das Ausmaß der gemeinschaftsrechtlichen Rücksichtnahmepßichten bleibt allerdings insbesondere im Falle multilateraler Verträge hinter den rechtspraktischen Erfordernissen zurück: Auch wenn aus Art. 307 Abs. 2 EGV bzw. Art. 10 EGV die Mitgliedstaaten rechtlich zur Kündigung ihrer Verträge in den Fällen verpßichtet sind, in denen eine inhaltliche Anpassung sich als nicht durchsetzbar erweist, sind die mit einer Kündigung verbundenen Nachteile häuþg nicht nur den betroffenen Mitgliedstaaten, sondern auch der Gemeinschaft hochgradig unerwünscht. Den rechtlichen Wertungen des EG-Vertrages kommt daher bei dem Versuch, die Bedeutung eines von einem oder mehreren Mitgliedstaaten geschlossenen völkerrechtlichen Vertrages für die Gemeinschaft zu ermitteln, nur begrenzte Aussagekraft zu; politische Erwägungen können in derartigen Fällen durchaus von größerem Gewicht sein. Auf diese Dominanz politischer Wertungen ist es schließlich auch zurückzuführen, dass die im EG-Vertrag angelegte Unterscheidung von Rücksichtnahme- und Anpassungspßichten aus Art. 307 EGV einerseits und aus Art. 10 EGV andererseits in der Rechtspraxis bislang keinen Niederschlag Þndet.

31 340 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos: Das Recht der Europäischen Union I. Einleitung Von Silja Vöneky und Niels Petersen, Heidelberg * In den letzten Jahren hat sich die Biotechnologie schnell fortentwickelt und Recht und Ethik vor neue Herausforderungen gestellt. Die Möglichkeit, Embryonen im Reagenzglas zu erzeugen und diese vielfältigen Eingriffs- und Manipulationsmöglichkeiten auszusetzen, wirft die dringende Frage nach dem moralischen und dem rechtlichen Status des Embryos in vitro 1 auf. Der moralische Status zeigt auf, inwieweit der Embryo in vitro aus ethischen Erwägungen schutzbedürftig ist, der rechtliche Status, inwieweit tatsächlich Schutz gewährt wird und gewährt werden kann. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben in den letzten zwanzig Jahren eine Reihe von Regelungen zum Umgang mit dem Embryo in vitro erlassen, die sich in ihrem normativen Gehalt wesentlich unterscheiden. Während etwa in Großbritannien liberale, forschungsfreundliche Regelungen bestehen, hat sich der deutsche Gesetzgeber für eine restriktive, an einem starken Embryonenschutz orientierte Normgebung entschieden. Die vorliegende Abhandlung soll untersuchen, inwieweit das Recht der Europäischen Union zu einer Vereinheitlichung des Embryonenschutzes beiträgt und beitragen kann, indem es den Mitgliedstaaten Vorgaben an die Rechtssetzung und Rechtsanwendung in bestimmten Bereichen macht. Obwohl der Schwerpunkt auf einer Untersuchung des rechtlichen Status des Embryos liegt, kann die Frage nach dem moralischen Status, gerade im Europarecht, in dem dem teleologischen Argument großes Gewicht beigemessen wird, nicht außer Acht gelassen werden. Im Folgenden sollen zunächst die primärrechtlichen Regelungen analysiert werden (II.). Anschließend werden die relevanten Bestimmungen des Sekundärrechts be- * Dr. jur. Silja Vöneky ist Leiterin der Nachwuchsforschungsgruppe Demokratische Legitimation ethischer Entscheidungen Ethik und Recht im Bereich der Biotechnologie und modernen Medizin am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Niels Petersen war wissenschaftlicher Mitarbeiter an diesem Institut. Dieser Aufsatz ist der zweite Beitrag einer Reihe von Abhandlungen zum rechtlichen Status des menschlichen extrakorporalen Embryos im Völker- und Europarecht. Der erste Beitrag zum extrakorporalen Embryo unter allgemeinen Menschenrechtsinstrumenten ist erschienen in der ZaöRV 65 (2005), S. 447 ff. Alle Aufsätze entstammen dem interdisziplinären Forschungsprojekt Der Status des extrakorporalen Embryos in interdisziplinärer Perspektive ein Verbundprojekt ( ), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung Þnanziert worden ist. (Siehe auch und Alle in diesem Beitrag vertretenen Auffassungen sind persönliche Ansichten der Verfasser. Sie danken allen Beteiligten des Forschungsprojektes für zahlreiche Anregungen; besonderer Dank gilt Jens Bopp für hilfreiche Vorarbeiten, Nicolas Nohlen für seinen Einsatz bei den Recherche- und Korrekturarbeiten sowie Markus Rau, Dr. Jürgen Bast und Dr. Jens Clausen für wertvolle Kritik und Anregung. 1 Im Folgenden wird statt des Begriffs des extrakorporalen Embryos der gleichbedeutende, gebräuchlichere Begriff des Embryos in vitro verwendet.

32 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft trachtet (III.). Während diese beiden Teile darauf ausgerichtet sind, positive Schutznormen herauszuarbeiten, wird im IV. Teil untersucht, inwieweit die Grundfreiheiten der EU möglicherweise den Embryonenschutz einschränken, indem sie den Mitgliedstaaten bestimmte Regelungsalternativen untersagen. II. Grundrechtlicher Schutz des Embryos in vitro Als verfassungsrechtliche Regelungen, aus denen sich normative Vorgaben für den Schutz des Embryos in vitro herleiten lassen könnten, kommen insbesondere die Grundrechte, namentlich die Garantie der Menschenwürde (2.) und das Recht auf Leben (3.) in Betracht. Da die Reichweite dieser beiden Grundrechte auf europäischer Ebene jedoch umstritten ist, soll der konkreten Analyse zunächst ein kurzer Abriss zur Quelle und Auslegung der EU-Grundrechte (1.) vorangestellt werden. 1. Quelle und Reichweite der EU-Grundrechte Bis heute hat die Europäische Union keinen kodiþzierten und rechtsverbindlichen Grundrechtskatalog. Diese Situation würde sich erst mit Inkrafttreten des Verfassungsvertrages 2 ändern, dem im zweiten Teil die im Jahr 2000 in Nizza proklamierte Grundrechtecharta 3 inkorporiert wurde. Da dessen Umsetzung jedoch wenig wahrscheinlich ist, soll den folgenden Ausführungen die geltende Rechtslage zugrunde gelegt werden. Der Grundrechtsschutz innerhalb der Union basiert weitgehend auf der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes, der ihn zunächst aus seiner in Art. 220 EG normierten Kompetenz zur Rechtsfortbildung entwickelt hat. 4 Eine ausdrückliche rechtliche Grundlage hat diese Rechtsprechung erst mit Art. F (2) des Amsterdamer Vertrages 5 (heute Art. 6 [2] EU) bekommen, dem zufolge die Union die Grundrechte achtet, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention 6 gewährleistet sind oder sich aus der gemeinsamen Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten ergeben. Daneben wurde am 7. Dezember 2000 durch Kommission, Rat und Parlament die Charta der Grundrechte der Europäischen Union 7 feierlich verkündet. Deren rechtlicher Status ist neben den in Art. 6 (2) EU ausdrücklich genannten Rechtserkenntnisquellen der EU-Grundrechte jedoch unklar. Die Staaten verzichteten ausdrücklich darauf, die Grundrechtecharta als rechtsverbindlichen Text zu verabschieden, 2 Vertrag über eine Verfassung für Europa, Abl. Nr. C 310 vom 16. Dezember Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), Abl. Nr. C 364 vom 18. Dezember Grundlegend EuGH, Urt. v. 17. Dezember 1970, Rs. 11/70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125, Rn. 4; s. auch EuGH, Urt. v. 12. November 1969, Rs. 29/69, Stauder, Slg. 1969, 419, Rn Vertrag über die Europäische Union, Abl. Nr. C 191 vom 29. Juli Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, zuletzt geändert durch Protokoll Nr. 11 vom 11. Mai 1994, konsolidierte Fassung in: Yearbook of the European Convention on Human Rights 40 (1997), S. 3. Rechtserkenntnisquelle i.s.d. Art. 6 (2) EU ist allerdings nur die EMRK. Dagegen sind die Biomedizinkonvention des Europarates und die dazugehörigen Zusatzprotokolle keine Bestandteile des Unionsrechts. 7 S. Fn. 3.

33 342 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos so dass von manchen vertreten wird, ihr komme in rechtlicher Hinsicht keine Bedeutung zu. 8 Allerdings legt es das Selbstverständnis der Charta nahe, dieser zumindest indirekte Wirkung in Form einer Rechtserkenntnisquelle zuzugestehen. 9 So bringt die Präambel der Charta in ihrer vierten Erwägung zum Ausdruck, dass die europäischen Grundrechte gestärkt werden sollten, indem sie durch die Charta sichtbarer gemacht werden. Dies bedeutet jedoch implizit, dass die Autoren der Charta nicht davon ausgingen, ein neues System von Grundrechten zu schaffen. Vielmehr setzt die Charta bereits eine bestehende Grundrechtsordnung voraus; sie dient mehr oder weniger als Rechtserkenntnisquelle. Man kann sie insofern als Kondensat eines rechtsvergleichenden status quo 10, als Ausdruck der Verfassungstradition der Mitgliedstaaten 11 begreifen. Die notwendige Legitimation bezieht sie dabei aus ihrer Proklamation durch Rat, Parlament und Kommission als demokratisch legitimierten Organen der EU, 12 die die Charta damit als für sie verbindlich anerkannt haben. Sicherlich darf man in diesem Zusammenhang nicht den klaren Willen der Mitgliedstaaten missachten, der Grundrechtecharta keine unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit zuzugestehen. Allerdings ist die Charta ein entscheidendes Instrument bei der IdentiÞkation der Grundrechte über Art. 6 (2) EU. 13 Sie verschiebt die Begründungslast. Ist ein Grundrecht durch die Charta gewährleistet, muss gezeigt werden, dass das betreffende Grundrecht weder in der EMRK noch in einer beachtlichen Anzahl von Mitgliedstaaten gewährleistet ist, um die durch die Charta aufgestellte Vermutung zu entkräften. Bei der Reichweite der EU-Grundrechte ist zu differenzieren: 14 Zum einen ist in Art. 6 (1) EU normiert, dass die Achtung der Menschenrechte zu den Grundwerten der Union gehört. Diese allgemeinen menschenrechtlichen Grundsätze machen nicht nur den Organen der EU, sondern auch allen nationalen Rechtsordnungen verbindliche Vorgaben. Allerdings beschränkt sich dieser Standard auf allgemeine Grundlinien und lässt den Mitgliedstaaten ausreichend Raum für eigene, autonome 8 So etwa F. Rubio Llorente, A Charter of dubious utility, I.CON 1 (2003), S. 405, I.E. auch W. Hummer, Der Status der EU-Grundrechtecharta, 2002, S. 60 ff.; M. La Torre, The Law beneath Rights Feet. Preliminary Investigation for a Study of the Charter of Fundamental Rights of the European Union, ELJ 8 (2002), S. 515, 533; A. Weber, La carta de los derechos fundamentales de la unión europea, Revista Española de Derecho Constitucional 22 (2002), S. 79, 83; P. Craig, The Community Rights and the Charter, ERPL 14 (2002), S. 195, 222; J.P. Jacqué, La charte des droits fondamentaux de l Union européenne: aspects juridiques généraux, ERLP 14 (2002), S. 117, 121; A. Rosas, The Legal Sources of EU Fundamental Rights: A Systematic Overview, in: Colneric/Edward/Puissochet/Ruiz-Jarabo Colomer (Hrsg.), Une communauté de droit, Festschrift für Gil Carlos Rodriguez Iglesias, 2003, S. 87, 89. Nach T. Schmitz, Die EU-Grundrechtecharta aus grundrechtsdogmatischer und grundrechtstheoretischer Sicht, JZ 2001, S. 833, 835 handelt es sich allein um eine nachgeordnete Orientierungshilfe, da eine ausdrückliche Erwähnung in Art. 6 (2) EU fehle. 10 J. Kühling, Grundrechte, in: v. Bogdandy (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht: Theoretische und dogmatische Grundzüge, 2003, S. 583, EuG, Urt. v. 30. Januar 2002, Rs. T-54/99, max.mobil, Slg. 2002, II-313, Rn GA Léger, Schlussanträge v. 10. Juli 2001, Rs. C-353/99 P, Hautala, Slg. 2001, I-9565, Rn. 27 mit Bezug auf EuG, Urt. v. 19. Juli 1999, Rs. T-14/98, Hautala, Slg. 1999, II-2489, Rn K. Lenaerts/E. De Smijter, A Bill of Rights for the European Union, CMLRev 38 (2001), S. 273, A. v. Bogdandy, The European Union as a Human Rights Organization? Human Rights and the Core of the European Union, CMLRev 37 (2000), S. 1307, 1319.

34 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft Menschenrechtsregime. 15 Die Frage, ob der Embryo in vitro vom Schutz der Menschenwürde oder dem Lebensrecht umfasst wird, zählt sicherlich nicht zu den genannten allgemeinen Grundsätzen, so dass dieser Standard für die vorliegende Untersuchung außer Betracht bleiben kann. Wichtiger ist in unserem Zusammenhang ein anderer Standard. Dieser beinhaltet die einzelnen, aus Art. 6 (2) EU abgeleiteten Grundrechte und ist insoweit wesentlich differenzierter und detaillierter als ersterer. Im Gegenzug ist er dafür in seiner Reichweite beschränkt. Die Unionsgrundrechte binden in erster Linie die Organe der EU. Die Mitgliedstaaten sind an diese nur gebunden, soweit der entsprechende Sachverhalt im Anwendungsbereich des Unionsrechts liegt. 16 Mit Blick auf den menschlichen Embryo in vitro bedeutet dies, dass die Unionsgrundrechte anders als etwa die allgemeinen Menschenrechtsinstrumente 17 keine konkreten Vorgaben an die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten machen. Das deutsche Embryonenschutzgesetz 18 etwa ist daher nicht am Maßstab der Unionsgrundrechte zu messen. Diese machen allein dem Unionsrecht Vorgaben und gewinnen daher besondere Bedeutung bei der Überprüfung von EG-Sekundärrechtsakten 19 oder der Auslegung der Grundfreiheiten 20. Als mögliche statusrelevante Grundrechte sind dabei im Folgenden insbesondere die Garantie der Menschenwürde (2.) sowie der Lebensschutz (3.) zu untersuchen. 2. Garantie der Menschenwürde a) Anerkennung der Menschenwürdegarantie in der Unionsrechtsordnung Der Schutz der Menschenwürde durch die Unionsrechtsordnung ist vom EuGH in der Rechtssache Niederlande/Parlament und Rat anerkannt worden, 21 in der der Gerichtshof über die Rechtmäßigkeit der Biopatent-Richtlinie 98/44/EG zu beþnden hatte. Diese Rechtsprechung wurde vom EuGH in seiner Omega-Entscheidung 22 bestätigt. Auch wenn eine Begründung oder Herleitung des Menschenwürdeschutzes in den Urteilen fehlt, ist dem EuGH im Ergebnis zuzustimmen Ebd. 16 Art. 51 (1) GRC, der insoweit die bisherige Rechtsprechung des EuGH kodiþziert. Vgl. nur EuGH, Urt. v. 18. Juni 1991, Rs. C-260/89, ERT, Slg. 1999, I-2925, Rn. 42; J.H.H. Weiler/ N.J.S. Lockhardt, Taking Rights Seriously Seriously: The European Court and Its Fundamental Rights Jurisprudence, CMLRev 32 (1995), S. 51, Zum Status des Embryos in vitro unter diesen s. N. Petersen, The Legal Status of the Human Embryo in vitro: General Human Rights Instruments, ZaöRV 65 (2005), S. 447 ff. 18 Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz ESchG) vom 13. Dezember 1990, BGBl. I, S Dazu unten III. 20 Dazu unten IV EuGH, Urt. v. 9. Oktober 2001, Rs. C-377/98, Niederlande/Parlament und Rat, Slg. 2002, I-7079, Rn. 70. Bereits in der Rechtssache Stauder (Fn. 4) war von Grundrechten der Person die Rede (Rn. 7). 22 EuGH, Urt. v. 14. Oktober 2004, Rs. C-36/02, Omega, Slg. 2004, I C. Maubernard, Le «droit fondamental à la dignité humaine» en droit communautaire : la brevetabilité du vivant à l épreuve de la jurisprudence de la cour de justice des communautés européennes, RTDH 14 (2003), S.

35 344 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos Für die Anerkennung der Menschenwürdegarantie spricht in erster Linie deren prominente Postulierung in Art. 1 der Grundrechtecharta Unterstützt wird diese Erkenntnis durch eine vergleichende Betrachtung der Verfassungen der einzelnen Mitgliedstaaten. Zwar geben diese in Bezug auf die Menschenwürde insgesamt ein differenziertes Bild ab. 26 Allerdings ist die Menschenwürdegarantie in den Mitgliedstaaten der EU mehrheitlich anerkannt. 27 In den Verfassungen Belgiens 28, Deutschlands 29, Griechenlands 30, Portugals 31 oder Spaniens 32 etwa ist sie ausdrücklich verankert. In anderen Mitgliedstaaten, in denen eine ausdrückliche Bezugnahme im Text der Verfassung fehlt, hat die Menschenwürde wie etwa in Frankreich durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zumindest den Rang eines valeur constitutionnel, eines konstitutionellen Prinzips. 33 Schließlich bietet auch der Rekurs auf die EMRK ein Indiz für die Anerkennung des Menschenwürdeschutzes als verbindliches Rechtsprinzip. 34 Zwar wird die Menschenwürde in der Konvention nicht ausdrücklich erwähnt. Jedoch legt der EGMR die Konventionsgarantien im Lichte der Menschenwürde aus. 35 Diese Rechtsprechung des EGMR strahlt über die Erwähnung der EMRK als Rechtserkenntnisquelle in Art. 6 (2) EU auch auf die Unionsrechtsordnung aus. 36 Ob der EuGH die Menschenwürde dabei nur als Bestandteil der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts oder als selbstständiges Grundrecht anerkennt, ist noch nicht vollständig geklärt. Während insbesondere die niederlän- 483, 487 ff.; M. Rau/F. Schorkopf, Der EuGH und die Menschenwürde, NJW 2002, S. 2448, 2449 ; vgl. auch GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 18. März 2004, Rs. 36/02, Omega, Slg. 2004, I-9609, Rn. 82 ff. 24 Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen. Art. 1 GRC. 25 GA Jacobs, Schlussanträge v. 14. Juni 2001, Rs. C-377/98, Niederlande/Parlament und Rat, Slg. 2002, I-7079, Rn. 197; Maubernard (Fn. 23), S Vgl. nur M. Rau/F. Schorkopf (Fn. 23), S f. 27 S. Retterer, Le concept de dignité en droit communautaire: du droit positif au droit prospectif, in: Pedrot (Hrsg.), Ethique, droit et dignité de la personne. Mélanges Christian Bolze, 1999, S. 87, 89; W. Heyde, Art. 1 Grundgesetz und die Garantie der Menschenwürde im Völkerrecht sowie im internationalen Vergleich, in: Frowein/Scharioth/Winkelmann/Wolfrum (Hrsg.), Verhandeln für den Frieden. Liber Amicorum Tono Eitel, 2003, S. 307, 319 ff. 28 Art. 23 Constitution de la Belgique fédérale. 29 Art. 1 I GG. 30 Art. 2 I Griechische Verfassung. 31 Art. 26 III Constituição da República Portuguesa. 32 Art. 10 I Constitución Española. 33 Zur Menschenwürde in Frankreich s. etwa B. Jorion, La dignité de la personne humaine, R.D.P. 1999, S. 197, 199; C. Neirinck, La dignité humaine ou le mauvais usage juridique d une notion philosophique, in: Pedrot (Fn. 27), S. 39, 43; J. Fierens, La dignité humaine comme concept juridique, Journal des tribunaux 2002, S. 577, S. Retterer (Fn. 27), S Die Achtung der Würde und Freiheit sei Grundlage und durchgehendes Motiv der Konvention, vgl. beispielsweise EGMR, Urt. v. 29. April 2002, Pretty v Vereinigtes Königreich, Recueil des arrets et décisions, para. 65. Grundsätzlich dazu J.A. Frowein, Human Dignity in International Law, in: Kretzmer/Klein (Hrsg.), The Concept of Human Dignity in Human Rights Discourse, 2002, S. 121, 123. Zu der begrenzten Reichweite des Menschenwürdeschutzes in der EMRK siehe jedoch auch R. Wolfrum/S. Vöneky, Who is Protected by Human Rights Conventions? Protection of the Embryo vs. ScientiÞc Freedom and Public Health, in: Vöneky/Wolfrum (Hrsg.), Human Dignity and Human Cloning, 2004, S. 133, M. Fischbach, Kommentar zur EU-Grundrechtecharta, in: Kaufmann (Hrsg.), Grundrechtecharta der Europäischen Union, 2001, S. 59, 61.

36 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft dische Sprachfassung in dem Urteil Niederlande/Parlament und Rat Letzteres nahe legen, 37 spricht der EuGH in der Omega-Entscheidung nur davon, dass die Gemeinschaftsrechtsordnung unbestreitbar auf die Gewährleistung der Achtung der Menschenwürde als eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes abstellt. 38 b) Reichweite der Menschenwürdegarantie Auch wenn die Menschenwürdegarantie damit als verbindlicher Rechtssatz in der Verfassungsordnung der Europäischen Union anerkannt ist, besteht Unklarheit über die Reichweite des von ihr ausgehenden Schutzes. Für die vorliegende Untersuchung ist dabei insbesondere von Bedeutung, ob sich der Würdeschutz auch auf den Embryo in vitro erstreckt. 39 Gegen eine Einbeziehung des Embryos in vitro in den Menschenwürdeschutz spricht zunächst das differenzierte Bild, das die unterschiedliche Ausgestaltung der Menschenwürdegarantie im Hinblick auf den Embryonenschutz in den einzelnen Mitgliedstaaten abgibt (dazu unter aa)). Angesichts ihrer bisher geringen Bedeutung in der Rechtsprechung des EuGH sind auf europäischer Ebene jedoch bisher kaum systematische Versuche unternommen worden, den Gehalt der Menschenwürdegarantie zu konkretisieren. 40 Selbst wenn eine vertiefte Analyse weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben muss, soll darauf hingewiesen werden, dass auch auf europäischer Ebene die Menschenwürde von ihrem Anspruch her überwiegend als universelles Rechtsprinzip verstanden wird, 41 das wie in den nationalen Rechtsordnungen 42 weitgehend durch den Rückgriff auf philosophische Vorverständnisse präzisiert wird. Der Diskurs um den Inhalt einer europäischen Menschenwürdegarantie ist daher kein speziþsch europarechtlicher. Vielmehr muss grundsätzlich auf die Argumentationstopoi staats- und völkerrechtlicher Debatten zurückgegriffen werden, die wiederum philosophische Grundlagen reßektieren (dazu unter bb)) Vgl. dazu auch GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 18. März 2004, Rs. 36/02, Omega, Slg. 2004, I-9609, Rn. 90 f. 38 EuGH, Urt. v. 14. Oktober 2004, Rs. C-36/02, Omega, Slg. 2004, I-9609, Rn Der EGMR hat in seinem Urteil v. 8. Juli 2004, Nr /00, Vo v. France, NJW 2005, S. 727 zwar zum Ausdruck gebracht, dass dem Menschen von der Befruchtung Würdeschutz zustehe (Rn. 82). Allerdings handelt es sich hierbei um ein, zudem jeglicher Begründung entbehrendes, obiter dictum. 40 Eine Ausnahme bilden etwa die Beiträge von C. Maubernard (Fn. 23) und S. Retterer (Fn. 27), S. 91 ff. 41 R. Andorno, The paradoxical notion of human dignity, Rivista internazionale di ÞlosoÞa del diritto 78 (2001), S. 149, 153; P. Pedrot, La dignité de la personne humaine à l épreuve des technologies biomédicales, in: ders. (Fn. 27), S. 51, 64; s. auch P. Mastronardi, Menschenwürde und kulturelle Bedingtheit des Rechts, in: Marauhn (Hrsg.), Die Rechtsstellung des Menschen im Völkerrecht, 2003, S. 55, S. nur C. Starck, Menschenwürde als Verfassungsgarantie im modernen Staat, JZ 1981, S. 457, 463; G. Luf, Menschenwürde als Rechtsbegriff, in: Zazcyk/Köhler/Kahlo (Hrsg.), Festschrift E.A. Wolff, 1998, S. 307, 321; F. Borella, Le concept de dignité de la personne humaine, in: Pedrot (Fn. 27), S. 29, 33; C. Ruiz Miguel, Human Dignity: History of an Idea, JöR 50 (2002), S. 281, 282; E.-W. Böckenförde, Die Würde des Menschen war unantastbar, F.A.Z. v. 3. Sept. 2003, S Die Generalanwältin geht in ihren Schlussanträgen zum Omega-Fall sogar davon aus, dass der Begriff der Menschenwürde selbst als solcher keiner klassischen juristischen DeÞnition oder Auslegung im eigentlichen Sinne zugänglich ist, s. GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 18. März 2004, Rs. 36/02, Omega, Slg. 2004, I-9609, Rn. 85.

37 346 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos aa) Unterschiedliche Ausgestaltung der Menschenwürdegarantien in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Der Blick in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zeigt deutlich, dass die Menschenwürdegarantie unterschiedlich ausgestaltet wird. Dies spricht entscheidend gegen eine Einbeziehung des Embryos in vitro in den Menschenwürdeschutz auf der Ebene der Europäischen Union. 44 So ist etwa die verbrauchende Embryonenforschung, die beispielsweise von einer starken Tendenz innerhalb der deutschen Staatsrechtslehre als würdeverletzend angesehen wird, 45 in der Mehrheit der Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen erlaubt oder zumindest nicht ausdrücklich verboten. 46 Insofern besteht unter den Mitgliedstaaten kein Konsens über die Reichweite oder zumindest die inhaltliche Ausgestaltung der Menschenwürdegarantie. Folglich ergibt sich aus deren gemeinsamer Verfassungsüberlieferung nicht, dass der Embryo in vitro in den personalen Schutzbereich der Menschenwürdegarantie einzubeziehen ist. Dies deutet sich im Übrigen in systematischer Hinsicht auch durch die Regelung in der Grundrechtecharta an, die das Verbot des (reproduktiven) Klonens nicht als Fall der Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 GRC), 47 sondern als Fall der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit begreift (Art. 3 GRC). 48 bb) Fundamente einer gesamteuropäischen Menschenwürdekonzeption Die Menschenwürde tauchte als rechtliche Kategorie in ihrer heute vorliegenden Form erstmals nach dem zweiten Weltkrieg auf. 49 Nach Art. 1 der wenn auch grundsätzlich unverbindlichen Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 44 Zu der unterschiedlichen Gesetzgebung hinsichtlich Embryonen in vitro vgl. C. Seith, Der extrakorporale Embryo Ein Blick über die Grenzen, in: Maio (Hrsg.), Der Status des extrakorporalen Embryos, 2006, i.e. 45 E.W. Böckenförde, Menschenwürde als normatives Prinzip Die Grundrechte in der bioethischen Debatte, JZ 2003, S. 809, 813; C. Stark, in: v. Mangoldt/Klain/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 5. Auß. 2005, Art. 1 Abs. 1, Rn. 89; W. Höß ing, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Auß. 2003, Art. 1, Rn. 21; a.a. J. Taupitz, Der rechtliche Rahmen des Klonens zu therapeutischen Zwecken, NJW 2001, S ff. 46 Vgl. den Überblick in European Group on Ethics in Science and New Technologies, Opinion No. 15 vom 14. November 2000, Ethical Aspects of Human Stem Cell Research and Use, para. 1.13; s. auch die eingehende Analyse bei J.P. Beckmann, Der Schutz von Embryonen in der Forschung mit Bezug auf Art. 18 Abs. 1 und 2 des Menschenrechtsübereinkommens zur Biomedizin des Europarats, in: Taupitz (Hrsg.), Das Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin des Europarats taugliches Vorbild für eine weltweit geltende Regelung?, 2002, S. 155, 167 ff. 47 S. o. Fn Art. 3 Absatz 1 GRC: Jede Person hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Art. 3 Absatz 2 GRC: Im Rahmen der Medizin und Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden: (...) das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen. Es ist allerdings zuzugeben, dass das reproduktive Klonen oftmals bereits nicht als Verstoß gegen die Rechte des Klons, sondern als Verstoß gegen die Rechte des Geklonten angesehen wird und von einem solchen Verständnis ausgehend, das Klonverbot der Charta für die vorliegende Frage ohne Belang wäre. 49 Zu den historischen Vorläufern, vgl. beispielsweise R. Gröschner/C. Dierksmeier/M. Henkel/A. Wiehart, Rechts- und Staatsphilosophie Ein dogmenphilosophischer Dialog, 2000, 6; C. Ruiz Miguel, Human Dignity: History of an Idea, JöR 50 (2002), S. 281, 288 ff.

38 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft Dezember sind alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Es folgte die Verankerung des Würdeschutzes als verbindlicher Rechtssatz an ähnlich prominenter Stelle in Art. 1 Abs. 1 des deutschen Grundgesetzes. Diese Etablierung der Menschenwürdegarantie als rechtliche Norm begründet sich aus ihrem historischen Kontext. Sie ist als Reaktion auf die unvorstellbaren Grausamkeiten, die an Menschen während der Nazizeit begangen wurden, zu verstehen. 51 Neben der Verfolgung und Ermordung ganzer Volksgruppen, war es gerade die systematische Erniedrigung von deren Angehörigen, die die besondere Grausamkeit der Naziverbrechen ausmachte. 52 Betrachtet man weiterhin die anerkannten Fälle einer Menschenwürdeverletzung Sklaverei, willkürliche Diskriminierung und Folter 53 so ist diesen ein Element gemeinsam: sie alle beinhalten eine Demütigung, eine Entwürdigung, eine Verletzung der Selbstachtung. Daraus lässt sich folgern, dass der Schutz vor Demütigung und Erniedrigung den (historischen) Kerngehalt einer rechtlichen Menschenwürdekonzeption ausmacht. 54 Positiv gewendet konstituiert sich Würde damit im Wesentlichen in Respekt und sozialer Anerkennung als Gegenstück zur Demütigung. 55 Nimmt man dies jedoch ernst, setzt eine Menschenwürdeverletzung im Kern zum einen voraus, dass das in seiner Würde verletzte Subjekt diese Verletzung empþnden können muss. 56 Zum anderen ist Würde ein relationaler Begriff. 57 Er erfordert den Bezug zu anderen Menschen, denen gegenüber man sich gedemütigt fühlen kann. 58 Dieses Verständnis des Menschenwürdekonzeptes ist sicher zu eng, hat man die rechtliche Ausgestaltung der Würde des geborenen Menschen im Blick. So ist in den Staaten der Europäischen Union und im Völkerrecht hinsichtlich der Menschenwürde geborener Menschen unbestritten, dass alle Menschen Würde besitzen, ohne Differenzierung nach ihrer Intelligenz oder EmpÞndungsfähigkeit. 59 Dies entspricht dem neuzeitlichen Selbstverständnis der Menschenwürde, dass dem Menschen, allein aufgrund seines Menschseins eine Würde zukommt, die eine 50 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, angenommen und verkündet durch GV Resolution 217 A (III) vom 10. Dezember 1948 (UN Doc. A/810). 51 J.A.Frowein (Fn. 35), S. 123; R. Wolfrum/S. Vöneky (Fn. 35), S. 137; A. Eide/G. Alfredsson, Introduction, in: Eide/Alfredsson/Melander/Rehof/Rosas (Hrsg.), The Universal Declaration of Human Rights: A Commentary, 2. Auß. 1993, S. 5, J. Fierens (Fn. 33), S. 581; vgl. auch E.W. Böckenförde (Fn. 45), S. 809, Statt vieler C. Starck (Fn. 45), Rn. 44 ff.; für die völkerrechtlichen Verträge vgl. R. Wolfrum/S. Vöneky (Fn. 35), S. 138 ff. m.w.n. 54 O. Schachter, Human Dignity as a Normative Concept, AJIL 77 (1983), S. 848, 850; J. Nida-Rümelin, Über menschliche Freiheit, H. Hofmann, Die versprochene Menschenwürde, AöR 118 (1993), S. 353, J. Nida-Rümelin (Fn. 54). 57 H. Hofmann (Fn. 55), S. 364; V. Thomas, Würde als absoluter und relationaler Begriff, ARSP 87 (2001), S N. Petersen, Auf dem Weg zur zweckrationalen Relativität des Menschenwürdeschutzes, KJ 2004, S. 354, W. Graf Vitzthum, Back to Kant! An Interjection in the Debate on Cloning and Human Dignity, in: Vöneky/ Wolfrum (Fn. 35), S. 87, 95 f.

39 348 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos Sonderstellung gegenüber allem übrigen Lebenden und Unbelebten begründet. 60 Gleiches kann aber nicht ohne weiteres für ungeborenes Leben gelten, da für ungeborenes Leben ein entsprechendes Selbstverständnis nicht besteht. Da ungeborenes Leben zudem weder Erniedrigung als solche empþnden kann noch in bewusste Beziehung mit anderen Subjekten treten kann, kann auch im Hinblick auf diese Überlegungen kein Menschenwürdeschutz begründet werden. Als entscheidender weiterer Topos wird zumindest in der kontinentaleuropäischen Diskussion um den Gehalt der Menschenwürde das Instrumentalisierungsverbot genannt. 61 Dieses geht auf Immanuel Kants Objektformel zurück, nach der ein Mensch immer auch als Zweck an sich selbst angesehen werden muss, und nie nur bloßes Objekt staatlichen Handelns sein darf. 62 Allerdings konstituiert die Instrumentalisierung des Embryos nur dann eine Würdeverletzung, wenn der Embryo Träger von Menschenwürde ist. Die personale Reichweite des Würdeschutzes kann somit mit dem Kriterium der Instrumentalisierung nicht geklärt werden. Damit sind keine Anzeichen dafür erkennbar, dass sich aus den Grundlagen einer europäischen Menschenwürdekonzeption zwingend ergibt, die personale Reichweite auf Embryonen in vitro auszudehnen. Es ist allenfalls zu erwägen, ob nicht zumindest Vorwirkungen des Würdeschutzes auch auf europäischer Ebene die Embryonen in vitro erfassen. cc) Vorwirkung des Würdeschutzes Es besteht Einigkeit, dass der menschliche Embryo in vitro eine Form menschlichen Lebens ist. Daher wird argumentiert, dass dem Menschen schon kraft seiner Zugehörigkeit zur Spezies Mensch Würde zukomme. 63 Der Würdeschutz beginne somit in vollem Umfang bereits mit der Befruchtung. Diese Argumentation erscheint jedoch zumindest auf den ersten Blick als petitio principii. Allein die Tatsache, dass es sich bei Embryonen bereits um menschliches Leben handelt, kann nicht ausreichen, um deren Würdeschutz zu begründen. 64 Denn naturwissen- 60 Vgl. R. Gröschner/C. Dierksmeier/M. Henkel/A. Wiehart (Fn. 49), S Vgl. zuletzt J. Kersten, Das Klonen von Menschen, 2004, S. 408 ff.; für die Diskussion im Völkerrecht K. Dicke, The Founding Function of Human Dignity in the Universal Declaration of Human Rights, in: Kretzmer/ Klein (Fn. 35), S. 111 ff. 62 I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 59 ff. (hg. von W. Weischedel, Werkausgabe, Band VII, 1974). Dies kann nur kursorisch angemerkt werden; in welcher Art und Weise Kants Thesen Antworten auf Fragen der Bioethik geben, ist höchst umstritten, vgl. dazu W. Graf Vitzthum (Fn. 59), S. 87 ff.; P. Baumann, Kant und die Bioethik, R. Spaemann, Christianity and Western Philosophy, in: Vöneky/Wolfrum (Fn. 35), S. 47, 48 f.; E.W. Böckenförde (Fn. 45), S Gegen eine Gleichbehandlung von Menschen und menschlichen Embryonen (in vitro) spricht zunächst auch die moralische Intuition. Mehr als 70 % der untersuchten Personen der Allgemeinbevölkerung und 75 % der sog. Experten, betrachten Embryonen erst ab der Einnistung als menschliche Wesen, vgl. die empirische Untersuchung von J. Barth/K. Kufner/J. Bengel, Ein klares Jein! Einstellungen und Ambivalenzen der deutschen Allgemeinbevölkerung zur Forschung mit extrakorporalen Embryonen, Ethik in der Medizin 17 (2005), S. 127 ff.; dies., medgen 17 (2005), S. 194 ff. Zu dem Problem der moralischen Intuition vgl. auch E. v. Lochner, Wahrnehmung, Intuition und der extrakorporale Embryo Ansätze theologischer Bestimmung, in: Maio (Fn. 44).

40 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft schaftliche Erkenntnisse allein lassen noch keine normativen Schlussfolgerungen zu. 65 Es stellt sich die Frage, aus welchem Grund menschliche Embryonen, die doch nach dem Augenschein so anders sind als geborene Menschen und für eine nicht unbedeutende Dauer ihrer Entwicklung ohne genetische Analyse nicht von tierischen Embryonen unterscheidbar sind, bereits Mensch in einem solchen Umfang sein sollen, dass ihnen voller Würdeschutz zukommt. 66 Sieht man den Kern des Würdeschutzes in der sozialen Achtung des Individuums, ist dieser Achtungsanspruch nur auf einen Teil des menschlichen Lebens übertragbar, so dass die ArtspeziÞtät allein einen Schutzanspruch hiernach nicht zu begründen vermag. Dagegen wird eingewandt, dass es willkürlich sei, den Würdeschutz an spätere Entwicklungsstufen des Menschen anzuknüpfen, da natürliche Stadien ethische Wertungen nicht determinieren dürften. 67 Vielmehr sei die Entwicklung als Mensch eine kontinuierliche, in der es keine entscheidenden Zäsuren gebe. 68 Der Mensch sei als Individuum jedoch bereits mit der Befruchtung festgelegt, so dass ihm auch von diesem Zeitpunkt an Würdeschutz zukommen müsse. 69 An dieser Argumentation ist zutreffend, dass natürliche Eigenschaften allein noch keine normativen Schlussfolgerungen erlauben. Allerdings können normative Argumente nicht vollkommen losgelöst von natürlichen Charakteristika getroffen werden, wenn man die Schutzwürdigkeit gerade auf das Bestehen bestimmter Eigenschaften gründet. Insofern zeigen die Naturwissenschaften auf, welche Eigenschaften der Mensch in einem bestimmten Entwicklungsstadium besitzt, während die Ethik, als philosophische Disziplin, und, daran anknüpfend, die Rechtswissenschaft untersuchen, ob diese Eigenschaft die Schutzwürdigkeit des Embryos gerade begründet. Befürworter eines umfassenden Embryonenschutzes stellen dabei insbesondere auf die Potentialität des Embryos ab, sich als Mensch zur Geburt zu entwickeln, 70 mithin auf das intrinsische Kriterium seiner präsenten Zukünftigkeit und Selbstgestaltungskraft. 71 Vor allem im Zusammenhang mit der europäischen Grund- 65 E. Denninger, Embryo und Grundgesetz. Schutz des Lebens und der Menschenwürde vor Nidation und Geburt, KritV 86 (2003), S. 191, 203; C.F. Gethmann, Ethische Anmerkungen zur Diskussion um den moralischen Status des menschlichen Embryos, DRiZ 2002, S. 204, 206; T. Hörnle, Menschenwürde und Lebensschutz, ARSP 89 (2003), S. 318, 335 ff. 66 Zu der Gefahr bei dem Rekurs auf den moralischen und damit ontologischen Status menschlicher Embryonen normative Annahmen nicht zu begründen, sondern vorauszusetzen, vgl. Beckmann (Fn. 46). 67 E.W. Böckenförde (Fn. 45), S. 810 f.; L. Cassiers, La dignité de l embryon humain, RTDH 14 (2003), S. 403, 406 f. 68 E. Schockenhoff, Zum moralischen und ontologischen Status des Embryos, in: Damschen/Schönecker (Hrsg.), Der moralische Status menschlicher Embryonen, 2002, S. 11, 26. Zuletzt auch J. Kersten (Fn. 61), S. 550 ff. 69 Ebd.; M. Herdegen, Die Menschenwürde im Fluß des bioethischen Diskurses, JZ 2001, S. 773 (774); E.W. Bökkenförde (Fn. 45), S S. etwa B. Mathieu, La dignité de la personne humaine: quel droit? quel titulaire, Recueil Dalloz Sirey 1996, Chron., S. 282, 283; W. Wieland, Moralfähigkeit als Grundlage von Würde und Lebensschutz, in: Damschen/ Schönecker (Fn. 68), S. 149 ff. 71 Dazu näher die Beiträge von J. Clausen/S. Schmitt, Ein Sonderstatus für extrakorporale Embryonen?, und A. Hilt, Kriterien und Kategorien einer normativen Statusbestimmung, in: Maio (Fn. 44). Davon zu unterscheiden sind extrinsische Kriterien, wie die Intentionalität der Entstehung eines Embryos in vitro, seine (künstliche) Entstehungsart und seine Extrakorporalität; vgl. dazu J. Clausen, ebd.

41 350 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos rechtecharta komme diesem Argument eine besondere normative Kraft zu, da in deren Präambel die Verantwortlichkeit gegenüber dem zukünftigen Menschen zum Ausdruck gebracht werde. 72 Somit sei der europäische Menschenwürdeschutz im Wege der systematischen Auslegung auch auf den zukünftigen Menschen zu erstrecken. 73 Es ist allerdings zwischen aktiver und passiver Potentialität zu unterscheiden. 74 Während Letztere bereits jede bloße Möglichkeit der Entwicklung zu einem Menschen umfasst, impliziert die aktive Potentialität nach einem weiten Verständnis in aristotelisch-thomasischer Tradition, dass sich der Embryo nach dem natürlichen Verlauf als Mensch entwickelt, er also das intrinsische Vermögen der Entwicklung besitzt bzw. nach einem engeren Verständnis dass sich der Embryo mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nach dem natürlichen Verlauf als Mensch entwickelt, 75 ohne dass weitere menschliche Handlungen dafür erforderlich sind. Maßstab muss dabei die aktive Potentialität sein. 76 Denn stellte man allein auf die Möglichkeit der Menschwerdung ab, unterschiede sich der moralische Status des Embryos nicht von dem einer aufnahmebereiten Gebärmutter. 77 Dem Potentialitätsargument liegt implizit eine Naturteleologie zugrunde, die erstens voraussetzt, dass der Telos des Embryos in seiner Entwicklung bis zur Geburt besteht und zweitens, dass es moralisch unzulässig ist, die Verwirklichung von Naturzielen zu verhindern. Der Embryo in vitro ist für die Ausschöpfung seiner Entwicklungsfähigkeit auf einen Transfer in den Mutterleib und somit auf eine aktive externe Handlung angewiesen. 78 Die Verhinderung des Naturzieles läge somit in einem Unterlassen. Relevant ist ein Unterlassen jedoch nur, wenn dem Unterlassenden eine Pßicht obliegen würde, jeden Embryo in vitro in einen Mutterleib einzupßanzen. Eine solche Pßicht setzte jedoch voraus, dass der Embryo einen moralischen bzw. rechtlichen Status besäße, aus dem sich besagte Pßicht herleiten ließe. Dieser Status soll jedoch gerade mit dem Potentialitätsargument begründet werden, kann also von ihm nicht vorausgesetzt werden. Andernfalls wäre die Argumentation zirkulär. Folglich 72 J. Kersten (Fn. 61), S. 352 ff. 73 Ebd., S Zu den Potentialitätsbegriffen, vgl. T. Hartleb, Die verfassungsrechtliche Statusdebatte aus Sicht der Projektkriteriologie, in: Maio (Fn. 44). 75 Ähnlich der in der Biomedizin verwendete Begriff der Potentialität als konkrete Entwicklungswahrscheinlichkeit, vgl. dazu A. Craig, Embryonale Entwicklungspotenz und Potentialität Einsichten und Ansichten der Biomedizin, in: Maio (Fn. 44). 76 Besondere Schwierigkeiten stellen sich, wenn es zu einer Manipulation des Potentials des Embryos in vitro kommt, also einer Beschneidung der Entwicklungspotenz bereits während seiner Entstehung, vgl. dazu A. Craig, ebd. 77 B. Schöne-Seiffert, Probleme einer traditionellen Begründung für embryonalen Lebensschutz, in: Damschen/ Schönecker (Fn. 68), S. 169, R. Wolfrum, Forschung an humanen Stammzellen: ethische und juristische Grenzen, Aus Politik und Zeitgeschichte B 27/2001, S. 3, 4; H.-G. Koch, Vom Embryonenschutzgesetz zum Stammzellgesetz: Überlegungen zum Status des Embryos in vitro aus rechtlicher und rechtsvergleichender Sicht, in: Maio/Just (Hrsg.), Die Forschung an embryonalen Stammzellen in ethischer und rechtlicher Perspektive, 2003, S. 97, 104; H.-G. Dederer, Menschenwürde des Embryo in vitro?, AöR 127 (2002), S. 1, 14 f.

42 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft vermag das Potentialitätsargument die Einbeziehung des Embryos in vitro in den Schutzbereich der Menschenwürde nicht zu begründen Lebensschutz und Schutz der körperlichen Unversehrtheit Im Gegensatz zur Menschenwürde hat sich der EuGH mit dem Recht auf Leben noch nicht ausdrücklich beschäftigt. Allerdings wird dieses sowohl durch Art. 2 (1) EMRK als auch durch Art. 2 (1) der Grundrechtecharta garantiert, so dass an seiner Gewährleistung kein Zweifel bestehen kann. Ungeklärt ist bisher jedoch die Reichweite des Lebensrechts, insbesondere die Frage, ob dieses auch auf das ungeborene menschliche Leben ausgedehnt werden kann. Bei der Bestimmung der Reichweite des Unionsgrundrechts auf Leben ist insbesondere die Interpretation der EMRK- Bestimmung durch den EGMR zu berücksichtigen. 80 Sowohl die Europäische Menschenrechtskommission (EKMR) als auch der EGMR hatten mehrere Male die Gelegenheit, sich zu der Frage des vorgeburtlichen Lebensschutzes zu äußern. Der Gerichtshof spricht sich dabei in jüngster Zeit gegen eine Einbeziehung des ungeborenen extrakorporalen Lebens aus. Die EKMR lehnte allein die Zuerkennung eines vollen Lebensrechts für den Embryo/Fötus ab 81 und hat die Möglichkeit eines abgestuften Lebensschutzes noch offen gelassen. 82 Ebenfalls offen gelassen hatte der EGMR die Frage in der Entscheidung Vo gegen Frankreich zum strafrechtlichen Schutz des Fötus bei fahrlässiger Schädigung im Rahmen von pränatalen Untersuchungen. 83 In einem obiter dictum äußerte er sich allerdings bereits hier in Bezug auf die Existenz eines solchen pränatalen Lebensschutzes sehr zurückhaltend, da es zwischen den Konventionsstaaten an einem entsprechenden Konsens fehle. 84 In der Entscheidung Evans gegen UK hat der Gerichtshof schließlich eine Einbeziehung des Embryo in vitro in den Schutzbereich des Lebensrechts abgelehnt. Die Begründung erfolgt jedoch allein durch den Bezug auf das obiter dictum in Vo gegen Frankreich. 85 Im Ergebnis ist dem EGMR allerdings zuzustimmen. Gegen eine Einbeziehung des vorgeburtlichen Lebens in den Schutzbereich der EMRK spricht die starre Schran- 79 Im Ergebnis ebenso M. Anderheiden, Leben im Grundgesetz, KritV 84 (2001), S. 353, 378 ff.. Besondere Probleme bereitet das Potentialitätsargument bei geklonten menschlichen Embryonen, vgl. unten Fn Vgl. Art. 52 (3) Grundrechtecharta und P. Craig (Fn. 9), S Vgl. auch EuGH, Urt. v. 12. Juni 2003, Rs. C- 112/00, Schmidberger, Slg. 2004, I-5659, Rn. 79, in dem der EuGH für die Auslegung des Versammlungsrechts ausdrücklich auf die Rechtsprechung des EGMR Bezug nimmt. 81 EKMR, Nr. 8416/79, X. v. United Kingdom, Decisions and Reports 19 (1980), S. 244 (252); implizit auch EK- MR, Nr /90, H. v. Norway, Decisions and Reports 73 (1992), S. 155 (167 f.). 82 T. Groh/N. Lange-Bertalot, Der Schutz des Lebens Ungeborener nach der EMRK, NJW 2005, S. 713, EGMR, Vo v. France (Fn. 39), Rn. 85 ff. 84 Ebd., Rn EGMR, Urt. V. 7. März 2006, Nr. 6339/05, Evans v. The United Kingdom, Rn. 46: ( ) it held that, in the absence of any European consensus on the scientiþc and legal deþnition of the beginning of life, the issue of when the right to life begins comes within the margin of appreciation which the Court generally considers that States should enjoy in this sphere.

43 352 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos kensystematik von Art. 2 EMRK, 86 die darauf schließen lässt, dass bei der Ausarbeitung der Konvention von einem engen persönlichen Schutzbereich ausgegangen worden ist. 87 Auch die gemeinsame Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten kann eine Einbeziehung des vorgeburtlichen Lebens in den Schutzbereich des Lebensrechts nicht begründen. In dieser Frage besteht zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten keine Einigkeit. 88 Zwar ist der Schutz des ungeborenen Lebens in den Verfassungen einiger Mitgliedstaaten ausdrücklich verankert. 89 In den meisten Staaten verfolgen Verfassungsgerichtsbarkeit und Verfassungsrechtslehre jedoch das Konzept eines abgestuften Lebensschutzes. 90 Bei diesem wird das Lebensrecht zwar auf das vorgeburtliche Leben ausgedehnt, hat hier jedoch nur einen geringeren Schutzumfang. 91 Ein Recht, geboren zu werden, wird nicht ausdrücklich anerkannt. 92 In vielen verfassungsgerichtlichen Entscheidungen wird zudem der genaue Zeitpunkt des Beginns des Lebensschutzes offen gelassen. 93 Damit bleibt jedoch gleichzeitig ungeklärt, ob der Schutz auch den Embryo in vitro umfasst. Schließlich gibt es auch Mitgliedstaaten, in denen eine Erstreckung des Lebensschutzes vor den Zeitpunkt der Geburt generell abgelehnt wird. 94 Angesichts dieser divergierenden Schutzkonzeptionen kann das in der Unionsrechtsordnung gewährleistete Lebensrecht nicht so konkretisiert werden, dass es den Embryo in vitro erfasst Bei staatlichen Schutzpßichten ist fraglich, ob die Prüfung einer Grundrechtsverletzung dogmatisch derselben Struktur folgt wie bei staatlichen Eingriffen. Diese Frage muss vorliegend jedoch nicht vertieft werden. Die Frage der Reichweite des Schutzbereichs ist der Frage des Bestehens einer Schutzpßicht vorgelagert und daher unabhängig von letzterer zu beantworten; bei der Frage der Schutzbereichsbestimmung kann daher auf die Schrankensystematik rekurriert werden; s. grundsätzlich zur Prüfungsstruktur von negativen und positiven Verpßichtungen im Rahmen der EMRK C. Dröge, Positive Verpßichtungen der Staaten in der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2003, S. 337 ff. 87 C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Auß. 2005, 125 f.; N. Petersen (Fn. 17), S So i.e. auch C. Grabenwarter, Die Charta der Grundrechte für die Europäische Union, DVBl. 2001, S. 1, 3; J. Beutler, in: v.d. Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, Band 1, 6. Auß. 2003, Art. 6 EU, Rn Z.B. Art. 40 III 3 Constitution of Ireland; Art. 3 der tschechischen Verfassung i.v.m. Art. 6 I 2 der Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten. 90 Zu diesem s. beispielsweise C.M. Romeo Casabona, El derecho a la vida : aspectos constitucionales de las nuevas biotecnologías, in: Tribunal Constitucional (Hrsg.), El derecho a la vida, 2003, S. 11, 40 ff.; H. Dreier, Stufungen des vorgeburtlichen Lebensschutzes, ZRP 2002, S. 377 ff.; W. Gropp, Der Embryo als Mensch: Überlegungen zum pränatalen Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit, GA 2000, S. 1 ff. 91 S. etwa Conseil constitutionnel, Urt. v. 15. Januar 1975, J.O. 1975, 671 = EuGRZ 1975, S. 54 [Frankreich]; Corte costituzionale, Urt. v. 18. Februar 1975, Nr. 27/1975, EuGRZ 1975, 162 [Italien]; Tribunal Constitucional, Urt. v. 11. April 1985, Nr. 800/83, Boletin OÞcial del Estado 26, 977 [Spanien]; BVerfGE 88, 203 (251 ff.) [Deutschland]; vgl. auch A. Łopatka, The Inherent Right to Life and its Realization in Poland, in: UNESCO (Hrsg.), Les droits de l homme à l aube du XXIe siècle: Karel Vasak Amicorum Liber, 1999, S. 289, 301 ff. [Polen]; F. Delpérée, Le droit constitutionnel de la Belgique, 2000, 202 [Belgien]. 92 L. Favoreu, Les juges constitutionnels et la vie, droits n 13 (1991), S. 75, Vgl. P.W. Smits, The right to life of the unborn child in international documents, decisions and opinions, 1992, S. 104 für Frankreich und 131 ff. für Spanien. 94 Das prominenteste Beispiel ist die Entscheidung des österreichischen VfGH, Erk. v. 11. Oktober 1974, G 8/74, VfSlg, Bd. 39 (1974), Nr. 7400, S. 221, 227 ff. 95 I.E. ebenso T.K. Hervey/H. Black, The European Union and the Governance of Stem Cell Research, Maastricht Journal of European and Comparative Law 12 (2005), S. 11, 32.

44 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft Erwägen könnte man allein, ob die Grundrechtecharta dem Embryo in vitro über das Recht auf körperliche Unversehrtheit in Art. 3 nicht möglicherweise einen gewissen Schutz zuerkennt. In Art. 3 (2) 4. SpStr Grundrechtecharta wird das reproduktive Klonen von Menschen verboten. Da durch das Klonverfahren zunächst ein Embryo in vitro erzeugt wird, der sich später zu einem Menschen entwickeln kann, könnte man aus diesem systematischen Zusammenhang schließen, dass durch das Klonverbot auch dem Embryo in vitro ein gewisser Schutzstatus zuerkannt werden sollte. Allerdings bezieht sich das Verbot des reproduktiven Klonens auf die Art der Erzeugung von Leben. Darüber, wie der Schutz des Lebens nach seiner Erzeugung ausgestaltet sein soll, sagt es dagegen nichts. So kann man allein aus dem Verbot des Klonens von Menschen weder schließen, dass geklonten Menschen ist denn einmal gegen dieses Verbot verstoßen worden ein besonders starker, noch dass ihnen ein besonders schwacher Schutz zuteil werden soll. Vergleichbar ist die Situation der eines Kindes, das durch eine Straftat gezeugt wurde. Auch dieses genießt im Vergleich mit anderen Kindern, nach seiner Geburt, 96 keinen stärkeren oder schwächeren rechtlichen Schutz. Folglich können aus diesem Klonverbot und dessen systematischer Stellung keine Rückschlüsse auf den Status des Embryos in vitro gezogen werden. III. Potentiell statusrelevante Normen des Sekundärrechts Für die Bestimmung des rechtlichen Status des menschlichen Embryos in vitro darf im Bereich der Europäischen Union nicht die Ebene des Sekundärrechts außer Acht gelassen werden. Mangels Unionskompetenz können hier zwar keine direkten Verhaltensgebote kreiert werden. Allerdings können über das Patentrecht oder die Forschungsförderung Anreize geschaffen oder unterlassen werden. Dies wird zum einen mittels der Biopatentrichtlinie 98/44/EG vom 6. Juli 1998 versucht, 97 die die Patentierung biotechnologischer ErÞndungen in der Europäischen Union harmonisieren und in bestimmten Fällen verhindern soll (unter 1.). 98 Sie wurde vom deutschen Gesetzgeber durch Änderungen des Patentgesetzes mit Wirkung zum 28. Februar 2005 umgesetzt 99. Zum anderen enthalten das Sechste ( ) und die Entwürfe zum Siebten ( ) Forschungsrahmenprogramm Förderungsverbote für ethisch bedenkliche Forschungsvorhaben (unter 2.). 96 Zu Unterschieden im Bereich der Rechtswidrigkeit von Abtreibungen innerhalb der ersten 12 Wochen im deutschen Recht, vgl. 218 a (3) StGB. 97 Abl. EG Nr. 213, , 13 ff. 98 Vgl. Art. 95 EGV, Art. 100a EGV a.f. 99 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer ErÞndungen vom 21. Januar 2005, BGBl. I 2005, S. 146 ff. Die Umsetzungsfrist endete bereits am 30. Juli 2000, vgl. Art. 15 Abs. 1 RL und die erfolgreiche Vertragsverletzungsklage der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland, EuGH, Urt. v. 28. Oktober 2004, Rs. C-5/04, Kommission v. Deutschland (nicht veröffentlicht).

45 354 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos 1. Biopatentrechtrichtlinie 98/44/EG Nachdem ein erster Versuch einer europäischen Biopatentrichtlinie 100 am Widerstand des Europäischen Parlaments gescheitert war, weil der darin enthaltene Schutz vor unethischen Patentierungen als zu gering angesehen wurde, 101 regelt die Biopatentrichtlinie von 1998 detailliert, welche Patentierungen aus ethischen Gründen verboten sind. In Art. 6 der Richtlinie werden nicht nur generalklauselartig ErÞndungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, von der Patentierbarkeit ausgenommen (Abs. 1). 102 Es wird auch konkret bestimmt, welche ErÞndungen im Sinne der Generalklausel als nicht patentierbar gelten (Art. 6 Abs. 2 RL). Zu diesen nicht patentierbaren ErÞndungen gehören, in nicht abschließender Aufzählung, 103 a) Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen; b) Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens; c) die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken; (...). Gerade weil diese Verbote nach langem Ringen in die Biopatentrichtlinie eingebracht wurden, 104 könnten sie für den rechtlichen Status des menschlichen Embryos in vitro in der Europäischen Union erhellend sein. Auch hier stellt sich jedoch zunächst die Frage, inwieweit ein menschlicher Embryo in vitro von den genannten Patenthindernissen überhaupt erfasst ist. In der Richtlinie selbst wird nicht deþniert, was menschliche Lebewesen (unter a) und Embryonen (unter b) sind. 105 Sie stellen zudem keine autonomen Begriffe des Gemeinschaftsrechts dar, die einfach durch Rückgriff auf naturwissenschaftliche DeÞnitionen 106 oder das europäische Primärrecht zu bestimmen sind. Aufgrund des Richtliniencharakters der Vorschrift haben die Staaten bei der Deutung der Begriffe jedoch einen Ermessens- und Umsetzungsspielraum, der von ihnen in der Praxis auch genutzt wird. 107 Dass den Mitgliedstaaten bei der Konkretisierung 100 Vom Vermittlungsausschuss gebilligter gemeinsamer Entwurf einer Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer ErÞndungen, Abl. C 68 vom 20. März 1995, S Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Gemeinschaft, Stellungnahme vom 19. Juni 1996 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des europäischen Parlamentes und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer ErÞndungen 96/C 295/03, Abl. C 295 vom , 11 ff. 102 Ebenso Art. 27 Abs. 2 TRIPS-Übereinkommen, ILM 33 (1994), S Unter anderem. 104 Zur Diskussion der ordre public-bestimmung vgl. auch T.K. Hervey/H. Black (Fn. 95), S. 34 ff., Vgl. Art. 2 RL e contrario. DeÞniert wird jedoch in dem Erwägungsgrund 41 Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen als (...) jedes Verfahren, einschließlich der Verfahren zur Embryonenspaltung, das darauf abzielt, ein menschliches Lebewesen zu schaffen, das im Zellkern die gleiche Erbinformation wie ein anderes lebendes oder verstorbenes menschliche Lebewesen besitzt. 106 Anderer Ansicht C. Koenig/E.-M. Müller, EG-Rechtlicher Schutz biotechnologischer ErÞndungen am Beispiel von Klonverfahren an menschlichen Stammzellen, EuZW 10 (1999), S Vgl. auch Nationaler Ethikrat, Stellungnahme: Zur Patentierung biotechnologischer ErÞndungen unter Verwendung biologischen Materials menschlichen Ursprungs, 2004, S. 32. J. Kersten (Fn. 61), S. 161 f., 165, 178; vgl. kritisch aber C. Koenig/E.-M. Müller (Fn. 106), S. 683 f.; M. Herdegen, Die Patentierbarkeit von Stammzellverfahren nach der Richtlinie 98/44/EG, GRUR Int. 49 (2000), S. 859, 863.

46 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft von Generalklauseln ein solcher Ermessensspielraum zustehen kann, ist vom EuGH ausdrücklich anerkannt worden. 108 Dieser Umsetzungsspielraum unterliegt jedoch Grenzen, die im Folgenden konkretisiert werden sollen. a) Menschliche Lebewesen im Sinne der Richtlinie Unklar ist zunächst, ob der Begriff der menschlichen Lebewesen in Art. 6 Abs. 2 lit. a und lit. b RL Embryonen in vitro mitumfasst. Dafür spricht, dass gerade Embryonen in vitro von Klonierungstechniken betroffen sind: Sei es, dass sie aus einer Klonierung, durch somatischen Zellkernstransfer oder (künstliches) Embryonensplitting, 109 erst entstehen; sei es, dass sie selbst geklont werden, wie im Fall des (künstlichen) Embryonensplittings bei einem Embryo, der aus einer künstlichen Befruchtung entstanden ist; 110 sei es, dass beide Fälle zusammentreffen. 111 Allerdings steht solch einer weiten Auslegung des Begriffs der menschlichen Lebewesen die begrifßiche Differenzierung zwischen Art. 6 Abs. 2 lit. a und b RL einerseits, die menschliche Lebewesen schützen, und Art. 6 Abs. 2 lit. c RL andererseits, der Embryonen betrifft, entgegen. 112 Gegen eine weite Auslegung spricht weiterhin die Entstehungsgeschichte. So wurde das Wort reproduktiv aus Art. 6 Abs. 2 lit. a RL gestrichen, da es als zu missverständlich galt. 113 Nicht geändert werden sollte durch diese Streichung jedoch die einschränkende Zielsetzung des Abs. 2 lit. a, verbindlich (nur) Verfahren zum Fortpßanzungsklonen und nicht zum sog. therapeutischen Klonen auszunehmen. 114 Diese Auslegung ist nicht nur in Übereinstimmung mit Art. 3 der Grundrechtecharta. 115 Sie wird auch durch die Präzisierung des Rates bestätigt, nach der sich der Begriff menschliche Lebewesen in Art. 6 Abs. 2 RL auf den Menschen ab der embryonalen Phase bezieht S. EuGH, Urt. v. 13. Januar 2000, Rs. C-220/98, Estée Lauder, Slg. 2000, I-117, Rn. 29. Ausführlich dazu J.- U. Franck, Rechtssetzung für den Binnenmarkt: Zwischen Rechtsharmonisierung und Wettbewerb der Rechtsordnungen, in: Riesenhuber/Takayama (Hrsg.), Rechtsangleichung Grundlagen, Methoden und Inhalte, i.e. 109 Ein Embryo wird in mehrere einzelne Zellen oder Zellverbände geteilt, die die Fähigkeit besitzen, sich als Individuum auszudifferenzieren, vgl. E.-L. Winnacker, Human Cloning from a ScientiÞc Perspective, in: Vöneky/ Wolfrum (Fn. 35), S. 55; Nationaler Ethikrat, Stellungnahme (Fn. 107), S. 11 f. 110 Dazu J. Kersten (Fn. 61), S. 18 f., 25 ff. 111 Beispielsweise wenn ein durch mittels Zellkerntransfer geklonter Embryo durch Embryonensplitting selbst geklont wird. 112 Auch im Übrigen ist die sprachliche Differenzierung in der Richtlinie sehr genau: der dort verwendete Personenbegriff, setzt Einwilligungsfähigkeit voraus (Erwägungsgrund 26), und es wird davon gesprochen, dass Menschen Würde und Unversehrtheit besitzen (Erwägungsgrund 16). 113 Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat Entwicklung und Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Biotechnologie und der Gentechnik, KOM/2002/0545 endg., Vgl. auch Nationaler Ethikrat, Stellungnahme (Fn. 107), S. 31; Opinion of the European Group of Ethics in Science and new Technologies to the European Commission, 7 Mai 2002, No 16, Ethical Aspects of Patenting Inventions Involving Human Stem Cells, Requested by the European Commission on 18 th October 2000, S. 16 f.; M. Herdegen (Fn. 107), S. 860 f.; a.a. T.K. Hervey/H. Black (Fn. 95), S S. o. Fn. 48. Dazu, dass auch die Biotechnologierichtlinie von 1998 im Sinne der EU-Grundrechtecharta auszulegen ist, J. Kersten (Fn. 61), S. 172 ff. 116 S. Bericht der Kommission (Fn. 113), (Hervorhebung durch Verf.); vgl. auch Gemeinsamer Standpunkt des Rates Nr. 19/98 vom 26. Februar 1998, Abl. C 110/17 vom , S. 30, Rn. 35.

47 356 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos Zudem muss bedacht werden, dass Patenthindernisse als Ausnahmen von dem grundrechtlich geschützten Freiheitsgebrauch, hier dem Schutz geistigen Eigentums, 117 wenn auch mit Blick auf die schützenden Rechte eng ausgelegt werden müssen. 118 Schließlich ist der Sinn und Zweck der Richtlinie vor allem der Schutz biotechnologischer ErÞndungen. 119 Dies alles lässt nur den Schluss zu, dass die Patenthindernisse der Richtlinie als Minimalschranken des Europäischen Gesetzgebers verstanden werden müssen. Gegen solch eine Auslegung spricht nicht, dass in den Erwägungsgründen klargestellt wird, dass Verfahren, deren Anwendung gegen die Menschenwürde verstößt, von der Patentierbarkeit auszunehmen sind, 120 und dass das Patentrecht unter Wahrung der Grundprinzipien ausgeübt werden muss, die die Würde und die Unversehrtheit des Menschen gewährleisten : 121 Da auf europäischer Ebene umstritten ist, ob und wieweit ein Embryo in vitro von der Menschenwürde und dem Recht auf Unversehrtheit geschützt ist, 122 muss insoweit den Mitgliedstaaten ein Umsetzungsspielraum überlassen bleiben. Dies bedeutet, dass auch für die Auslegung der Leitlinien 123 des Art. 6 Abs. 2 RL gelten muss, dass der europäische ordre public 124 nur soweit reichen kann, wie die Rechtsauffassungen aller Mitgliedstaaten übereinstimmen 125 oder sich klare Vorgaben bereits aus dem Primärrecht, insbesondere aus den Grundrechten, 126 ergeben. 127 Vorteil dieser Minimalschranken ist, dass es für die Mitgliedstaaten möglich bleibt, in größerem Ausmaß Patenthindernisse anzunehmen, wenn es ihrem kulturellen und sittlichen Verständnis entspricht. Die Möglichkeit, die Patenthindernisse weit zu fassen, hat auch die Bundesrepublik Deutschland bei der Umsetzung der Richtlinie genutzt. In dem Umsetzungsgesetz wird für die Bestimmung der Begriffe des 117 Vgl. auch Art. 17 (2) GRC. 118 Gegen eine enge Auslegung aber J. Kersten (Fn. 61), S. 128 ff., der mit einer (horizontalen und vertikalen) Konstitutionalisierung des Sekundärrechts argumentiert. Dagegen spricht aber, dass auch in einer konstitutionalisierten Rechtsordnung die Einschränkungen des grundrechtlich geschützten Freiheitsgebrauch so gering wie möglich sein müssen, will man nicht durch oder mit der Konstitutionalisierung die freiheitliche Grundordnung selbst abschaffen. 119 Vgl. die Erwägungsgründe 1 3 zur RL. Auf das für die Europäische Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten gemäß Art. 300 Abs. 7 EGV verbindliche TRIPS-Abkommen und dessen umfassende Verpßichtung, Patentschutz für Produkte und Verfahren in allen Bereichen der Technologie zu gewährleisten, wird ausdrücklich in den Erwägungsgründen hingewiesen, Erwägungsgrund 12. Genauso wird festgestellt, dass das Patentrecht die Beachtung ethischer Normen, die die Forschung oder die Anwendung und Vermarktung ihrer Ergebnisse betreffen, weder ersetzen noch überßüssig machen kann, vgl. Erwägungsgrund 14 zur RL (Fn. 97). 120 Erwägungsgrund 38 zur RL, ebd. 121 Erwägungsgrund 16 zur RL, ebd. 122 Vgl. o. zur Menschenwürde II. 2. b.; zum Lebensschutz und Schutz der körperlichen Unversehrtheit II Erwägungsgrund 38 zur RL (Fn. 97). 124 M. Herdegen, Die Erforschung des Humangenoms als Herausforderung für das Recht, JZ 2000, S. 633, So auch Nationaler Ethikrat, Stellungnahme (Fn. 107), S. 30. Entsprechend die Regelung im Sechsten Forschungsrahmenprogramm, Abl. L 294/8, vgl. dazu u. III Vgl. auch Erwägungsgrund 43 zur RL (Fn. 97). 127 Ähnlich C. Callies/C. Meiser, Menschenwürde und Biotechnologie: Die EG-Biopatentrichtlinie auf dem Prüfstand des europäischen Verfassungsrechts, JuS 2002, S. 426, 430.

48 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft Art. 6 Abs. 2 RL auf die Regelungen des Embryonenschutzgesetzes verwiesen. 128 Damit wird u.a. das sog. therapeutische Klonen 129 von der Patentierbarkeit nach deutschem Recht ausgenommen. 130 Umgekehrt dürfen die Mitgliedstaaten hinter den in Art. 6 Abs. 2 RL niedergelegten, durch Auslegung zu ermittelnden Minimalschranken jedoch nicht zurückbleiben. 131 b) Embryonen im Sinne der Richtlinie Schon aus dem Regelungsgegenstand der Richtlinie, dem Schutz von biotechnologischen ErÞndungen, und der Formulierung in Art. 6 Abs. 2 lit. c RL, folgt, dass menschlicher Embryo im Sinne der Richtlinie insbesondere den menschlichen Embryo in vitro bezeichnet. Gerade Embryonen im Reagenzglas können für ErÞndungen genutzt werden und für industrielle und kommerzielle Zwecke verwendet werden. Würde man Embryonen in vitro von der Anwendung der Richtlinie ausnehmen, würde der Anwendungsbereich des Patenthindernisses zweckwidrig beschränkt, ohne dass der Wortlaut oder die Entstehungsgeschichte dafür Anhaltspunkte liefern würden. Insoweit gibt es daher keinen Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten. Der Aufenthaltsort der Embryonen ist für den Anwendungsbereich der Richtlinie unerheblich. Eine weitere Einschränkung des Umsetzungsspielraums ergibt sich aus der Systematik der Richtlinie. Wird in Art. 6 Abs. 2 RL zwischen Embryonen und menschlichen Lebewesen differenziert und geht man, wie oben dargelegt, davon aus, dass der Begriff menschliche Lebewesen spätere aber dennoch vorgeburtliche Entwicklungsstadien bezeichnet, 132 dürfen die Mitgliedstaaten den Begriff des Embryos nicht ausschließlich mit solchen späten menschlichen Entwicklungsstadien verknüpfen. Andernfalls bliebe für den Begriff der menschlichen Lebewesen kein eigenständiger Anwendungsbereich. Anderes gilt jedoch im Hinblick auf sog. nicht-entwicklungsfähige menschliche Embryonen. Dazu gehören Embryonen, die zum derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht als Menschen geboren werden können, wie Embryonen, die durch Parthenogenese 133 oder durch somatischen Zellkerntransfer (Klonierung nach der Dolly-Methode) erzeugt wurden. 134 Für diese Embryonen in vitro ist von vornherein 128 Nach 2 Abs. 2 Satz 2 PatG n.f. sind die entsprechenden Vorschriften des Embryonenschutzgesetzes maßgeblich. 129 Das Embryonenschutzgesetz verbietet Techniken, die Embryonen verbrauchen und jedenfalls nach überwiegender Ansicht auch das Klonen zu Forschungszwecken. Zu den Schwierigkeiten dieses Verweises, vgl. J. Kersten (Fn. 61), S. 181 ff. 130 Positiv daher die Mehrheit des Nationalen Ethikrates, Stellungnahme (Fn. 107), S. 30 ff. 131 Klar in diesem Sinne die Erwägungsgründe 38 ff. zur RL (Fn. 97). 132 Vgl. o. Fn Unter Parthenogenese (Jungfernzeugung) ist die Teilung einer Eizelle zu verstehen, ohne dass eine Befruchtung durch ein Spermatozoid stattgefunden hat. Es handelt sich um eine eingeschlechtliche Vermehrung, vgl. Bericht der Kommission (Fn. 113), , Fn Klonen durch Zellkerntransfer liegt vor bei dem Transfer eines somatischen Zellkerns in eine Eizelle; somatische Zellen sind bereits differenzierte Zellen des menschlichen Körpers, die keine Geschlechtszellen sind; vgl. nur Bericht der Kommission (Fn. 113), Fn. 81, 84; ausführlich R. Schreiner, Klonen durch Zellkerntransfer,

49 358 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos unklar, ob sie von dem Patentierungsverbot in Art. 6 Abs. 2 lit. c RL erfasst werden, da ihnen ein entscheidendes Merkmal für die Möglichkeit der Menschwerdung fehlt. 135 Den Mitgliedsstaaten bleibt insoweit ein weiter Umsetzungsspielraum. Ihnen steht es frei Art. 6 Abs. 2 lit. c RL so umzusetzen, dass das Patentierungsverbot nicht die sog. nicht-entwicklungsfähigen menschlichen Embryonen erfasst. c) Verbot der Verwendung zu industriellen oder kommerziellen Zwecken Der Status des Embryos in vitro wird in der Biopatentrichtlinie daher (nur) durch das Patentierungsverbot für die Verwendung von Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken in Art. 6 Abs. 2 lit. c RL näher ausgeformt. Der damit formulierte europäische ordre public ist jedoch wenig weitreichend. Dies liegt zum einen daran, dass der Begriff des Embryos, wie erwähnt, in wesentlichen Bereichen, insbesondere in Bezug auf den Zeitpunkt der Entstehung, durch die Mitgliedsstaaten bestimmt werden kann. Zum anderen ist unklar, wann eine industrielle oder kommerzielle Verwendung von Embryonen vorliegt. Aus einer systematischen Auslegung folgt, dass industrielle oder kommerzielle Zwecke nicht bereits dann angenommen werden können, wenn die ErÞndung, die sich auf die Verwendung der Embryonen bezieht, gewerblich anwendbar ist (Art. 3 Abs. 1 RL e contrario). 136 In den Erwägungsgründen wird zudem kein Zweifel daran gelassen, dass gerade das Verbot in Art. 6 Abs. 2 lit. c RL einschränkend auszulegen ist. Das Patenthindernis gelte, wie es ausdrücklich heißt, auf keinen Fall für ErÞndungen, die therapeutische oder diagnostische Zwecke verfolgen und auf den menschlichen Embryo zu dessen Nutzen angewandt werden. 137 Nun kann zwar darüber gestritten werden, ob nach dieser Formulierung ein Nutzen für den individuellen Embryo gegeben sein muss, der für die ErÞndung verwendet wurde 138 oder die ErÞndungen auf jeden Fall dann patentiert werden können, wenn sie einen Nutzen für menschliche Embryonen generell besitzen. Da dieser Erwägungsgrund aber seinerseits die Einschränkung, die Art. 6 Abs. 2 RL für die freiheitliche Grundrechtsausübung darstellt, einschränkt, muss er weit verstanden werden. Bei einer anderen Auslegung wären Verfahren der verbrauchenden Embryo- 2005, S. 12 ff. Bisher ist es nicht nachgewiesen, dass das Klonen menschlicher Embryonen, zu der Geburt von Menschen führen kann; vgl. zur InefÞzienz des Klonens bei Säugetieren und Menschen und den Gründen, Nationaler Ethikrat, Stellungnahme (Fn. 107), S. 22 ff., 45 f. 135 Vgl. auch Opinion of the European Group of Ethics (Fn. 114), S. 13. Vgl. zu Potentialitätsargumenten im Rahmen des Würdeschutzes, oben bei II. 2. b) cc). 136 Dazu auch Nationaler Ethikrat, Stellungnahme (Fn. 107), S Erwägungsgrund 42 zur RL (Fn. 97). Dagegen wird in bezug auf Art. 6 Abs. 2 a) und b) RL darauf verwiesen, dass innerhalb der Gemeinschaft Übereinstimmung besteht, dass die Keimbahnintervention und das Klonen gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoßen, Erwägungsgrund 40 zur RL. 138 So M. Herdegen (Fn. 92), S. 862.

50 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft nenforschung, insbesondere zur Gewinnung von Stammzellen, auch wenn sie in Mitgliedstaaten erlaubt sind, in diesen nicht patentierbar, da sie keinen Individualnutzen für den zerstörten Embryo haben. 139 Ein Nutzen für den verwendeten Embryo selbst wird für die Patentierbarkeit 140 daher nicht gefordert sein. Damit reicht ein genereller Nutzen für Embryonen aus; es müssen zudem therapeutische oder diagnostische Zwecke nur verfolgt werden und es darf die ErÞndung, für die Embryonen verwendet wurden, auch gewerblich anwendbar sein. Dies bedeutet im Ergebnis nichts anderes, als dass menschliche Embryonen durch das Verbot der Patentrichtlinie nur vor einer vollkommen fremdnützigen, industriellen oder kommerziellen Verwendung im engsten Sinne (mittelbar) geschützt sind. 2. Sechstes und Siebtes Forschungsrahmenprogramm Die Europäische Gemeinschaft hat die Aufgabe Forschungsprogramme zur Erreichung der Ziele der Gemeinschaft durchzuführen (Art. 163, 164 lit. a EGV). Diese direkte europäische Leistungsverwaltung 141 erfolgt durch die Aufstellung mehrjähriger Rahmenprogramme (Art. 166 Abs. 1 EGV). In diesen muss nicht nur bestimmt werden, welche Ziele durch die Forschungsförderung erreicht werden sollen und welche Prioritäten dabei gesetzt werden, sondern, wegen der Grundrechtsbindung der Organe der Gemeinschaft, auch, welchen Grenzen die Förderung unterliegt. 142 a) Sechstes Forschungsrahmenprogramm ( ) Dass der Status des Embryos in vitro im Bereich der Europäischen Gemeinschaft ein besonderer, aber auch ein besonders umstrittener ist, zeigt sich an dem noch bis 2006 geltenden Sechsten Forschungsrahmenprogramm. 143 Dieses verweist zunächst allgemein auf die ethischen Grundprinzipien, die bei der Durchführung des Programms und der damit verbundenen Forschungstätigkeit beachtet werden müssen, 144 sowie 139 Vgl. T.M. Spranger, Die Patentierbarkeit von Stammzellen und Stammzellverfahren, EurUP 2004, S. 192, Es besteht aber keine Pßicht zur Patentierbarkeit bei einem generellen Nutzen, vgl. auch die Umsetzung durch die Bundesrepublik Deutschland, die eine Patentierbarkeit nur annimmt, wenn ein Individualnutzen gegeben ist; Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer ErÞndungen vom 15. Oktober 2003, in: BT-Drs. 15/1709, S. 1, E. Schmidt-Aßmann, Verfassungs- und europarechtliche Grundlagen, in: Fläming et al. (Hrsg.), Handbuch des Wissenschaftsrechts, Band 2, 2. Auß., 1996, 66, S. 1621, A. Kallmayer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Kommentar des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EUV/EGV, 2. Auß. 2002, Art. 163 EGV, Rn Vgl. Beschluss 1513/2002/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27. Juni 2002, insb. Anhang 1, Einleitung. 144 Ebd., und Entscheidung 2002/834/EC des Rates vom 30. September 2002, insb. Art. 3 und Anhang 1, 1.1. Verwiesen wird dabei auf die Prinzipien der Grundrechtecharta, unter anderem den Schutz der menschlichen Würde und des menschlichen Lebens, die Erklärung von Helsinki, das Übereinkommen des Europarates über Menschenrechte und Biomedizin, das Zusatzprotokoll über das Verbot des Klonens von Menschen, die UN-Kinderrechtskonvention, die Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte der UNESCO, sowie die einschlägigen Entschließungen der WHO.

51 360 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos auf die Stellungnahmen der europäischen Ethikkommissionen. 145 Als relative Grenze wird bestimmt, dass zum einen keine Forschungsmaßnahmen, die in einem Mitgliedstaat verboten sind, in diesem Mitgliedstaat mit Gemeinschaftsmitteln gefördert werden; zum anderen dürfen keine Forschungstätigkeiten, die in allen Mitgliedstaaten verboten sind, gefördert werden. Auch so kann sich daher durch einzelstaatliches Recht ein europäischer bioethischer Konsens entwickeln. Ausdrücklich für die Forschung an Embryonen werden im Sechsten Forschungsrahmenprogramm Verfahrensvorgaben gemacht: (B)ei Vorschlägen zu ethisch sensiblen Themen (...) insbesondere im Hinblick auf Vorschläge, bei denen es mit um die Verwendung von Embryonen oder embryonalen Stammzellen geht, 146 führt die Kommission, neben den gegebenenfalls einzuschaltenden nationalen Ethikausschüssen, systematisch eine ethische Prüfung durch; zusätzlich müssen diese Forschungsprojekte nach der ethischen Prüfung einem Regelungsausschuss vorgelegt werden. Eindeutig sind die Bestimmungen des Programms auch im Hinblick auf die dort genannten absoluten Grenzen. Forschung wird nicht Þnanziert, soweit sie gerichtet ist (1.) auf das Klonen von Menschen zu Reproduktionszwecken; (2.) auf die Veränderung des genetischen Erbgutes des Menschen, durch die solche Änderungen vererbbar werden können; und (3.) auf das sog. therapeutische Klonen, d.h. die Erzeugung von Embryonen allein zu Forschungszwecken oder zur Gewinnung von Stammzellen, auch durch den Kerntransfer somatischer Zellen. Damit schützt die Europäische Gemeinschaft in diesem Bereich der aktiven Leistungsverwaltung durch das Unterlassen von Anreizen den Embryo in vitro vor jeglicher Art des Klonens. Unklar ist aber, ob und inwieweit sogenannte überzählige Embryonen vor Forschung geschützt werden sollen. Hier stellt sich insbesondere die Frage, ob die Tötung von überzähligen Embryonen zu wissenschaftlichen Zwecken gefördert werden kann. Ein ausdrückliches Verbot ist im Sechsten Rahmenprogramm nicht enthalten. Ein entsprechendes Moratorium, auf das sich im September 2002 der Rat der EU-Forschungsminister einigte, lief am 31. Dezember 2003 ab, ohne dass detaillierte Regelungen in dieser Frage erlassen wurden. Zuvor hatte das Europäische Parlament am 19. November 2003 beschlossen, die Forschung an überzähligen Embryonen ohne Einschränkung zu fördern. 147 Die vorhergehende Beschlussvorlage der Kommission vom 9. Juli bejahte eine Förderung der Forschung an überzähligen 149 Embryonen nur, wenn diese für eine Fruchtbarkeitsbehandlung vor dem 27. Juni 2002 erzeugt wurden, 150 eine Einwilligung des oder der Spen- 145 Zu diesen gehört die Europäische Sachverständigengruppe für Ethik in der Biotechnologie ( ) und die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien (ab 1998) (EGE). 146 Anhang 1, 1.1., o. (Fn. 125). 147 FAZ, 282, v. 4. Dezember 2003, S. 1; J. Ipsen, Zur Zukunft der Embryonenforschung, NJW 2004, S Vgl. KOM (2003) 390 endg., , S Herstellung durch IVF mit dem Ziel der Herbeiführung einer Schwangerschaft; keine Verwendung zu diesem Zweck; ebd., S. 11, Anhang, lit. b. 150 Ebd., S. 11, Anhang, lit. b.

52 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft der vorliegt, 151 keine anderen wissenschaftlichen Alternativen (einschließlich existierender Stammzelllinien) verfügbar sind 152 und hochrangige Forschungsziele angestrebt werden. 153 Besonderer Wert wurde dabei darauf gelegt, dass es keine Þnanziellen Anreize für die spendenden Eltern gibt und dass die gewonnenen embryonalen Stammzelllinien der Wissenschaft ohne Gewinnerzielungsabsicht zur Verfügung gestellt werden. 154 Der Rat hatte der Vorlage, insbesondere wegen des Widerstandes der Staaten, die eine solche Forschung verbieten, dennoch nicht zugestimmt. 155 In der Praxis bedeutet dies, dass die Kommission grundsätzlich von der Zulässigkeit der Forschungsförderung auch auf dem Gebiet der Forschung an überzähligen Embryonen ausgeht und über Förderungsanträge auf einer Fall zu Fall Basis entscheidet. Allerdings können nach einer (positiven) wissenschaftlichen Evaluierung durch unabhängige Experten, einer (positiven) ethischen Überprüfung durch einen nationalen oder lokalen Ethikrat und den europäischen Ethikrat sowie nach einer (positiven) Begutachtung durch ein Komitee der Mitgliedstaaten nur Projekte mit menschlichen embryonalen Stammzellen gefördert werden. 156 Nicht gefördert werden, nach Angaben der Kommission, wegen fehlender ethischer Übereinstimmung auf der Ebene der Europäischen Union Projekte, bei denen überzählige Embryonen zerstört werden. Anderes gilt nur, wenn die Zerstörung außerhalb des geförderten Projektes geschieht. 157 b) Siebtes Forschungsrahmenprogramm ( ) Das Siebte Forschungsrahmenprogramm scheint an diesen Grundsätzen nichts Wesentliches zu ändern. Wie der vorliegende Entwurf zeigt, 158 wird in dem Programm selbst nur auf die fundamentalen ethischen Prinzipien verwiesen, zu denen auch die Grundrechtecharta und die Stellungnahmen der European Group on Ethics (EGE) gehören. 159 In den Vorschlägen der Kommission für die Implementierung des Programms 160 werden die schon in Bezug auf das Sechste Rahmenprogramm 151 Ebd., S. 11, Anhang, lit. e. Es darf für die Spende keine Þnanzielle Leistung oder Sachleistung gewährt werden, ebd. f. 152 Ebd., S. 11, Anhang, lit. d. 153 Ebd., S. 11, Anhang, lit. c. 154 Ebd., S. 11 f. 155 C. Wagner, EU-Förderung der Embryonenforschung?, NJW 2004, S Vgl. Interview mit J. Potocnik, Kommissar für Wissenschaft und Forschung, MEMO/05/121, S. 8. April Im April 2005 wurden erst zwei Projekte mit menschlichen embryonalen Stammzellen gefördert und ein drittes positiv evaluiert: J. Potocnik, ebd. 158 Vgl. Entwurf der Kommission vom 6. April 2005, KOM (2005), 119 endgültig. 159 Art. 6 RL, Begründungserwägung 25 zur RL (Fn. 97). 160 Vorschläge der Kommission vom 19. September 2005 für Entscheidungen des Rates über (1) das speziþsche Programm Zusammenarbeit, KOM (2005) 440 end., 2005/0185 (CNS), über (2) das speziþsche Programm Ideen, KOM (2005) 441 end., 2005/0186 (CNS), über (3) das speziþsche Programm Menschen, KOM (2005) 442 end., 2005/0187 (CNS) und über (4) das speziþsche Programm Kapazitäten, KOM (2005) 443 end., 2005/0188 (CNS) zur Durchführung des siebten Rahmenprogramms ( ) der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration. Zudem der Vorschlag

53 362 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos verankerten Prinzipien wiederholt. Insbesondere werden die oben genannten drei Gruppen von Forschungsmaßnahmen das therapeutische oder reproduktive Klonen und die Veränderung des genetischen Erbgutes nicht Þnanziert. 161 Auch dürfen, wie zuvor, generell keine Forschungsmaßnahmen, die in allen Mitgliedstaaten verboten sind, gefördert werden. Forschungsmaßnahmen, die in einem Mitgliedstaat verboten sind, dürfen in diesem Mitgliedstaat nicht mit Gemeinschaftsmitteln gefördert werden. Bei Vorschlägen zu ethisch sensiblen Themen führt die Kommission systematisch eine ethische Prüfung durch. 162 Nicht geregelt ist aber, wie schon zuvor, ob und inwieweit die Forschung an sogenannten überzähligen Embryonen Þnanziert werden soll. Es bleibt abzuwarten, ob man durch die stillschweigende Beibehaltung der jetzigen Praxis die harten politischen Auseinandersetzungen vermeiden kann, die diese Frage beim Sechsten Forschungsrahmenprogramm ausgelöst hat. Für den Status des Embryos in vitro haben die Regelungen der beiden Forschungsrahmenprogramme nur zur Folge, dass die EG ihren aktiven Handlungsradius wegen starken politischen Drucks weitergehend einschränkt, als es der bioethische Konsens auf europäischer Ebene erforderlich macht. Diese Einschränkungen sind verständlich, es muss schließlich nicht alles gefördert werden, was nicht verboten und zudem ethisch umstritten ist. Der Schutz des Embryos in vitro vor einer geförderten Zerstörung in Forschungsprojekten ist allerdings nur ein indirekter und daher nicht in entscheidender Weise statusbestimmend. IV. Menschliche Embryonen als Ware Nachdem in den vorhergehenden beiden Abschnitten untersucht wurde, inwieweit das Recht der Europäischen Union dem Embryo in vitro Schutz gewährt, soll im Folgenden die Perspektive wechseln. Es soll analysiert werden, ob Normen des europäischen Verfassungsrechts, namentlich die Warenverkehrsfreiheit, möglicherweise die Mitgliedstaaten einschränken, ihrerseits Vorschriften zum Schutz des Embryos in vitro zu erlassen. der Kommission für eine Entscheidung des Rates über das von der Gemeinsamen Forschungsstelle innerhalb des siebten Rahmenprogramms im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration durch direkte Maßnahmen durchzuführende speziþsche Programm, KOM(2005) 439 end.; 2005/0184 (CNS). 161 Solche die auf das Klonen vom Menschen zu Reproduktionszwecken gerichtet sind; solche zur Veränderung des genetischen Erbgutes des Menschen, durch die solche Änderungen vererbbar werden können und solche zur Erzeugung von Embryonen allein zu Forschungszwecken oder zur Gewinnung von Stammzellen, auch durch den Kerntransfer somatischer Zellen, vgl. nur Art. 4 Nr. 2 Vorschlag für eine Entscheidung des Rates Über das Programm Menschen (Fn. 160), S. 19; Art. 3 Nr. 2 Vorschlag für eine Entscheidung des Rates Über das Programm Ideen (Fn. 160), S Vgl. Vorschlag für eine Entscheidung des Rates Über das Programm Menschen (Fn. 160), Anhang, S. 24.

54 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft Handel mit menschlichen Embryonen und Warenverkehrsfreiheit Trotz der zunehmenden außen- und innenpolitischen Kooperation ist die wirtschaftliche Integration immer noch das primäre Tätigkeitsfeld der EU. So ist es auch nicht verwunderlich, dass dem Status des Embryos in vitro in diesem Bereich eine besondere (normative) Bedeutung zukommt. Embryonen und die aus ihnen gewonnenen embryonalen Stammzellen haben einen besonderen Wert für die therapeutische Forschung. Das besondere Charakteristikum embryonaler Stammzellen besteht darin, dass sie pluripotent sind, sich aus ihnen also ein jeder beliebiger Gewebetyp entwickeln kann. Dadurch lassen sich embryonale Stammzellen für Zellersatzstrategien in Fällen verwenden, in denen das Gewebe eines erwachsenen Menschen nur eine eingeschränkte Regenerationsfähigkeit aufweist. 163 Aufgrund dieser Bedeutung für die Therapie von Gewebekrankheiten bekommen die Forschung an Embryonen und embryonalen Stammzellen und somit auch diese selbst eine wirtschaftliche Bedeutung. 164 Will ein Forschungsinstitut an Embryonen oder embryonalen Stammzellen forschen, ohne diese selbst herstellen zu wollen oder zu können, 165 so muss es sich diese anderweitig beschaffen. Innerhalb der EU stellt sich dabei die Frage, ob der Handel mit Embryonen rechtlich durch die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 EG) geschützt ist. Zu diesem Problemkreis gibt es bisher kaum Äußerungen von Unionsorganen. Als Referenz wird zumeist eine Stellungnahme der Kommission angeführt, in der diese Feten und Fetalstoffe bei der Bestimmung des Zolltarifs aus dem Warenbegriff ausgenommen hat. 166 Daraus wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur oft die Schlussfolgerung gezogen, dass zumindest Föten keine Ware i.s.v. Art. 28 EG seien. 167 Allerdings hat die Stellungnahme der Kommission keinen rechtsverbindlichen Charakter. Da sie nicht näher begründet worden ist, ist ihre Autoritätswirkung zudem gering. Der Ausschluss von Embryonen in vitro aus dem Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit wird argumentativ damit begründet, dass Art. 28 EG nicht dazu diene, Anreiz für einen Handel mit Embryonen zu schaffen. 168 Allerdings differenziert die Warenverkehrsfreiheit in ihrem Schutzbereich grundsätzlich nicht nach 163 Deutsche Forschungsgemeinschaft (Hrsg.), Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen, 2003, S S. nur Der SPIEGEL v. 17. August 2001, S. 243 ff. 165 In Deutschland etwa ist die Verwendung von Embryonen zu Forschungszwecken rechtlich grundsätzlich verboten, 2 I ESchG, der Import von embryonalen Stammzellen dagegen unter bestimmten Voraussetzungen möglich, 4 II des Gesetzes zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz StZG) vom 28. Juni 2002, BGBl. I 2002, S Antwort der Kommission vom 30. Juli 1985 auf die schriftliche Anfrage Nr. 442/85 von Herrn John Marshall vom 9. Mai 1985, Abl C 263/ C. Meesenburg, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000, Art. 23 EGV, Rn. 18, R. Voß, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union (Stand: Januar 2005), Art. 23 EGV, Rn So P.-C. Müller-Graff, in: v.d. Groeben/Schwarze (Fn. 88), Art. 28 EG, Rn. 270.

55 364 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos Art der zu handelnden Ware. 169 Vielmehr nimmt der EuGH einen primär wirtschaftlichen Warenbegriff zum Ausgangspunkt. Danach sind Waren alle Erzeugnisse, die einen Geldwert haben und damit Gegenstand von Handelsgeschäften sein können. 170 Nur ausnahmsweise wird der Warenbegriff durch rechtliche Aspekte modiþziert. So hat der EuGH in mehreren Entscheidungen Falschgeld und Rauschgift bei der Bestimmung der Verzollungspßicht im Rahmen von Art. 23 EG aus dem Warenbegriff ausgenommen. 171 In diesen Fällen bestand jedoch ein Konsens der Mitgliedstaaten, dass nicht nur der Handel, sondern bereits der Besitz dieser Gegenstände und somit jeglicher Umgang mit ihnen illegal ist. Die Einfuhr von Falschgeld und Rauschgift war in allen Mitgliedstaaten verboten. Teilweise waren diese aufgrund internationaler Konventionen zu einem solchen Verbot sogar völkerrechtlich verpßichtet. 172 Im Rahmen des Embryonenhandels besteht ein rechtlicher Konsens, d.h. einheitliche nationale Regelungen, jedoch (noch) nicht. Allein ethisch-moralische Aspekte sind bei der Bestimmung des Schutzbereichs einer Grundfreiheit aber nicht von Bedeutung, solange diese keinen normativen Ausdruck gefunden haben. 173 Da man zur Forschung geeigneten Embryonen einen gewissen wirtschaftlichen Wert nicht absprechen kann, wird man sie somit grundsätzlich in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit einzubeziehen haben. 174 Nun könnte dem entgegengehalten werden, dass zwar wegen des rein wirtschaftlichen Warenbegriffs nicht nach der Art der zu handelnden Ware zu differenzieren sei, aber die vorausgehende Frage, ob etwas eine Ware und somit Objekt ist, damit nicht beantwortet werden könne; vielmehr sei der Mensch ein Subjekt und der menschliche Körper ein res extra commercium, also nicht handelbar. Allerdings bedarf auch diese QualiÞkation normativer Anknüpfungspunkte. Die Nichthandelbarkeit des menschlichen Körpers und des Menschen lässt sich auf die Garantie der menschlichen Würde 175 zurückführen. 176 Diese Verknüpfung geht auf Immanuel Kants Moralphilosophie zurück, in der er eine grundlegende Unterscheidung zwischen Dingen, die einen Preis haben, und solchen, denen Würde zukommt, angestellt hat. 177 Beide Eigenschaften sind dabei exklusiv. Objekte, denen Würde zukommt, haben keinen Preis und sind damit einem Handel nicht zugänglich EuGH, Urt. v. 9. Juli 1992, Rs. C-2/90, Kommission/Belgien, Slg. 1992, I-4431, Rn EuGH, Urt. v. 10. Dezember 1968, Rs. 7/68, Kommission/Italien, Slg. 1968, 634, Rn EuGH, Urt. v. 26. Oktober 1982, Rs. 240/81, Einberger, Slg. 1982, 3699; Urt. v. 6. Dezember 1990, Rs. 343/89, Witzemann, Slg. 1990, S. insbesondere EuGH, Urt. v. 6. Dezember 1990, Rs. 343/89, Witzemann, Slg. 1990, 4477, Rn EuGH, Urt. v. 4. Oktober 1991, Rs. C-159/90, SPUC, Slg. 1991, I-4685, Rn Ebenso H.-G. Kamann, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, 2003, Art. 23 EGV, Rn Zu deren Schutz auf Unionsebene s.o. II Ebenso S. Wheatley, Human Rights and Human Dignity in the Resolution of Certain Ethical Questions in Biomedicine, E.H.R.L.R. 2001, S. 312, I. Kant (Fn. 62), S W. Graf Vitzthum (Fn. 59), S. 96.

56 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft Damit ist der Mensch, soweit er Träger menschlicher Würde ist, nicht handelbar. 179 Allerdings wurde bereits gezeigt, dass der Menschenwürdeschutz sich zumindest auf Ebene der EU nicht auf den Embryo in vitro erstreckt. 180 Embryonen können damit nicht per se als res extra commercium angesehen werden, so dass der Handel mit ihnen nicht aus diesem Grund aus dem Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit ausgenommen werden kann. Teilweise wird vertreten, dass sich aus europäischem Soft Law Hinweise ergäben, die eine Herausnahme des Embryos aus dem Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit nahe legten. 181 Dabei wird auf unterschiedliche Richtlinien verwiesen, die wie etwa Art. 6 der Biopatentrichtlinie 182 den Embryo als nichthandelbar ansehen. Des Weiteren wird angeführt, dass die EGE in ihrer Stellungnahme zur Stammzellforschung ein Verbot des Embryonenhandels vorgeschlagen hat. 183 Allerdings eignet sich Sekundärrecht nur bedingt zur Auslegung von Primärrecht. Normhierarchisch sind die Bestimmungen des EG-Vertrages denen des europäischen Sekundärrechts übergeordnet. Man kann Sekundärrecht auch nicht als nachträgliche Konkretisierung von Primärrecht verstehen, da beide unterschiedlichen Rechtssetzungsvoraussetzungen unterliegen. Dass solche Rückschlüsse problematisch sind, zeigt sich zudem an der Grundrechtecharta. Während in Art. 6 der Biopatentrichtlinie von 1998 Patentierungen im Zusammenhang mit der Kommerzialisierung sowohl des Embryos als auch menschlicher Körperteile untersagt sind, enthält Art. 3 (2) 3. SpStr. der Grundrechtecharta nur noch ein Verbot der Nutzung von Teilen des menschlichen Körpers zur Gewinnerzielung, trifft gleichzeitig aber keine Aussage zur kommerziellen Nutzung von Embryonen. Daraus lässt sich im Umkehrschluss folgern, dass ein Verbot des Embryonenhandels primärrechtlich noch nicht verankert ist. Darauf lässt auch der Vorschlag der EGE schließen. Es handelt sich hierbei ausdrücklich um einen Vorschlag de lege ferenda, nicht um eine Analyse der lex lata. Reformvorschläge machen jedoch nur so lange Sinn, wie sie nicht ohnehin schon verwirklicht sind. Somit deutet die Stellungnahme der EGE vielmehr darauf hin, dass der Embryo noch nicht als unhandelbare Ware angesehen werden kann. Dieses Ergebnis mag erstaunlich erscheinen, wenn man sich die deutsche Gesetzeslage, mit dem Embryonenschutzgesetz 184 und dem Stammzellgesetz 185 und die Debatte um die Einbeziehung von Embryonen in den Schutzbereich der Menschen- 179 Dies wird jetzt auch in der Grundrechtecharta, in Art. 3 (2) 3. SpStr. zum Ausdruck gebracht, der die Nutzung von Teilen des menschlichen Körpers zur Gewinnerzielung verbietet. Systematisch ist diese Einordnung jedoch unglücklich, da das Verbot des Handels mit menschlichen Körperteilen wie ausgeführt nicht aus dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, sondern aus der Menschenwürdegarantie herzuleiten ist. 180 S.o. II T.K. Hervey/H. Black (Fn. 95), S. 22 ff. 182 S. Fn European Group on Ethics (Fn. 46), para S. Fn S. Fn. 165.

57 366 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos würdegarantie nach dem Grundgesetz vor Augen führt. Blickt man jedoch in die europäischen Staaten, die Embryonenforschung in weit größerem Maße zulassen, 186 erscheint dieses Ergebnis als europäischere Lösung als eine von vornherein restriktive Auslegung des Warenbegriffs. Dieser ist vielmehr ethisch neutral, womit die Bewertung des Embryonenhandels wie gleich zu zeigen sein wird den Mitgliedstaaten zufällt. 2. Rechtfertigung von Normen zum Schutz des Embryos Unterfällt der Handel mit Embryonen damit der Warenverkehrsfreiheit, so bedeutet dies nicht, dass handelseinschränkende Vorschriften, die den Import embryonaler Stammzellen grundsätzlich verbieten, stets unzulässig sind. Dies gilt auch mit Blick auf das deutsche ESchG und StZG, die den Import von Embryonen und embryonalen Stammzellen unter Verweis auf die im Grundgesetz verankerten Pßichten zum Schutz der Menschenwürde und des Rechts auf Leben grundsätzlich verbieten. 187 Vielmehr können Normen, die mittelbar oder unmittelbar den Handel mit Embryonen beschränken oder verbieten, aus gemeinschaftsrechtlich anerkannten Gründen gem. Art. 30 EG gerechtfertigt sein. Zu den ausdrücklich in Art. 30 EG genannten Schutzgütern zählen unter anderem der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Pßanzen und Tieren. Die Aufzählung von Pßanzen und Tieren neben dem Menschen deutet darauf hin, dass Art. 30 EG einen umfassenderen Schutz des Lebens anerkennt als das in Art. 2 (1) Grundrechtecharta garantierte Lebensrecht. Da es sich bei Embryonen jedoch unzweifelhaft um Lebensformen handelt, kann der Embryonenschutz als legitimes Ziel im Sinne des von Art. 30 EG intendierten Lebensschutzes angesehen werden. In Betracht kommen weiterhin die Tatbestandsmerkmale der öffentlichen Sittlichkeit und Ordnung. 188 Im Gegensatz zu den anderen Merkmalen des Art. 30 EG sind diese Begriffe einer einheitlichen Auslegung nicht per se zugänglich, da sie auf gesellschaftliche Wertvorstellungen rekurrieren, die in der EU nicht notwendig einheitlich sind. 189 Vielmehr ist es in erster Linie Sache der Mitgliedstaaten, die Begriffe der öffentlichen Sittlichkeit und Ordnung auszufüllen. 190 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die DeÞnition dessen, was als Verstoß gegen die öffentliche Sittlichkeit und Ordnung anzusehen ist, im alleinigen Ermessen der Mitgliedstaaten 186 Vgl. dazu oben bei Fn So ausdrücklich in 1 StZG: Zweck dieses Gesetzes ist es, im Hinblick auf die staatliche Verpßichtung, die Menschenwürde und das Recht auf Leben zu achten und zu schützen und die Freiheit der Forschung zu gewährleisten, 1. die Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen grundsätzlich zu verbieten, (...) ; vgl. auch 2 (1) ESchG. 188 Eine Einschränkung sonstiger möglicherweise mit dem Embryonenhandel in Anspruch genommener Grundfreiheiten, etwa der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit, könnte insbesondere aus Gründen der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt sein; vgl. Art. 46, 55 EGV. 189 P.-C. Müller-Graff, in: v.d. Groeben/Schwarze (Fn. 88), Art. 30 EG, Rn. 56; 190 EuGH, Urt. v. 14. Dezember 1979, Rs. 34/79, Henn und Darby, Slg. 1979, 3795, Rn. 15.

58 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft steht, da das Beschränkungsverbot des Art. 28 EG ansonsten ausgehöhlt würde. 191 Für das Vorliegen des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung verlangt der Gerichtshof eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. 192 Insoweit besitzen die Mitgliedstaaten jedoch eine Einschätzungsprärogative, deren Grenzen durch den EuGH überprüft werden können. In diesem Zusammenhang hat der EuGH jüngst im Omega-Fall entschieden, dass Maßnahmen zum Schutz in der nationalen Verfassung verankerter Grundrechte als Schutz der öffentlichen Ordnung i.s.v. Art. 30 EG angesehen werden können. 193 Dabei kommt es auf die Reichweite des Grundrechts im nationalen Recht an. Wenn in einem Staat also der Embryo in vitro den Schutz der Menschenwürdegarantie genießt wovon in Deutschland der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des StZG auszugehen schien, dann sind Maßnahmen zu seinem Schutz bereits aus diesem Grund gerechtfertigt, auch wenn der unionsrechtliche Menschenwürdegrundsatz keine vergleichbare Reichweite hat. Wenn auch in der Begründung nicht immer überzeugend ist dieser Rechtsprechung im Ergebnis zuzustimmen. Grundrechte sind nicht nur Abwehrrechte der Bürger, sondern zugleich immer auch verfassungsrechtliche Wertentscheidungen. 194 Wenn eine Gesellschaft eine Wertentscheidung jedoch in ihrer Verfassung ausdrücklich verankert oder mehrheitlich als verankert ansieht, unterstreicht sie damit deren grundlegende gesellschaftliche Bedeutung. Daher ist eine solche verfassungsrechtliche Wertentscheidung ein unwiderlegliches Indiz dafür, dass es sich um ein Grundinteresse der Gesellschaft handelt, dessen Schutz im Rahmen des Art. 30 EG gerechtfertigt ist. Notwendig ist eine solche Verankerung aber nicht. Ein Grundinteresse der Gesellschaft kann auch ohne verfassungsrechtliche Positivierung berührt sein. In jedem Fall ist jedoch weiterhin erforderlich, dass die entsprechenden Bestimmungen keinen primär wirtschaftlichen Zweck verfolgen. 195 Ungeachtet ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit unterliegen embryonenschützende Regelungen jedoch gewissen Schranken. So dürfen beschränkende Maßnahmen nicht diskriminierend sein. 196 Es ist etwa unzulässig, den Import von Waren aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit und Ordnung zu verbieten, wenn deren Herstellung im Inland erlaubt ist. 197 Übertragen auf den Handel mit Embryonen und 191 P.-C.Müller-Graff (Fn. 189), Rn. 57. Allerdings wird ein Ermessensspielraum jedoch insbesondere in weltanschaulich sensiblen Bereichen anerkannt; vgl. EuGH, Urt. v. 21. September 1999, Läärä, Slg. 1999, I-6067; sowie EuGH, Urt. v. 21. Oktober 1999, Zenatti, Slg. 1999, I EuGH, Urt. v. 27. Oktober 1977, Rs. 30/77, Bouchereau, Slg, 1977, 1999, Rn. 33, 35; ebenso EuGH, Urt. v. 14. Oktober 2004, Rs. C-36/02, Omega, Slg. 2004, I-9609, Rn Ebd., Rn S. grundlegend BVerfGE 7, 198, 203 ff. (Lüth). 195 Zu diesem Erfordernis s. A. Epiney, in: Calliess/Ruffert (Fn. 142), Art. 30 EGV, Rn. 14; W. Schroeder, in: Streinz (Fn. 174), Art. 30 EGV, Rn. 48; S. Leible, in: Grabitz/Hilf (Fn. 167), Art. 30 EGV, Rn S. EuGH, Urt. v. 11. März 1986, Rs. 121/85, Conegate, Slg. 1986, 1007, Rn. 15 ff. 197 Vgl. GA Warner, Schlussanträge v , Rs. 34/79, Henn und Darby, Slg. 1979, 3818 (3828 f.).

59 368 EuR Heft Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos embryonalen Stammzellen bedeutet dies, dass ein Importverbot, wie es 4 I StZG normiert, nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Herstellung von embryonalen Stammzellen zu nicht reproduktiven Zwecken auch innerhalb des entsprechenden Mitgliedstaates untersagt ist. In Deutschland wird die Veräußerung von Embryonen oder die Verwendung zu nicht ihrer Erhaltung dienenden Zwecken durch 2 I ESchG unter Strafe gestellt. Da die Gewinnung embryonaler Stammzellen nach derzeitigem Stand der Technik die Zerstörung eines Embryos voraussetzt, 198 ist diese somit ebenfalls von jener strafrechtlichen Sanktion umfasst. Aus diesem Grund ist das Importverbot nicht diskriminierend und damit europarechtskonform. Schließlich müssen embryonenschützende Regelungen, die die Warenverkehrsfreiheit beschränken, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. 199 Insbesondere muss der Schutz daher erforderlich und angemessen sein. Ein milderes Mittel als ein Importverbot erscheint nicht ersichtlich, wenn man die Unterbindung des Handels mit Embryonen zu deren Schutz zum Ziel hat. Da das Verbot des Embryonenhandels Anreize, Embryonen zu Forschungszwecken herzustellen, verhindern soll, erscheint es auch gerechtfertigt, zwischen Embryonen nach ihrem Erzeugungsdatum zu differenzieren, wie dies in 4 II StZG vorgesehen ist. Denn für bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits bestehende, überschüssige Embryonen greift diese Anreizwirkung nicht mehr. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Einbeziehung des Handels mit Embryonen in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit normative Folgen hat, da unter Art. 30 EG nicht jede Beschränkung dieses Handels gerechtfertigt ist. Werden die in einem gemeinsamen Rechtsraum jedoch sinnvollen rechtlichen Schranken beachtet, namentlich das Verhältnismäßigkeitsgebot und der Grundsatz der Nichtdiskriminierung, können die einzelnen Staaten den ihnen gebotenen oder von ihnen gewählten Schutz der Embryonen ohne weitere Einschränkungen normieren und durchsetzen. V. Schlussfolgerungen Embryonenschutz ist auf europäischer Ebene eher eine zarte Pßanze als eine feste Säule. Auch wenn die Menschenwürdegarantie als verbindlicher Rechtssatz in der Verfassungsordnung der Europäischen Union anerkannt ist, erstreckt sich der Würdeschutz nicht auch auf den Embryo in vitro. Selbst von Vorwirkungen des Würdeschutzes werden Embryonen in vitro auf europäischer Ebene nicht erfasst. Gleiches gilt für das in der Unionsordnung gewährleistete Lebensrecht. Angesichts divergierender Schutzkonzeptionen kann dieses nicht so konkretisiert werden, dass es Embryonen in vitro umfasst. 198 DFG, Embryonale Stammzellen (Fn. 163), S Zu diesem im Rahmen von Art. 30 EG s. S. Leible (Fn. 195), Rn. 8; U. Becker, in: Schwarze (Fn. 167), Art. 30 EGV, Rn. 63 ff.

60 Vöneky/Petersen, Der rechtliche Status des menschlichen extrakorporalen Embryos EuR Heft Die bestehenden sekundärrechtlichen Regelungen gewährleisten keinen direkten, sondern allein indirekten Schutz. Über die Regelungen zum Sechsten Forschungsrahmenprogramm und die patentrechtlichen Bestimmungen werden Anreize geschaffen, bestimmte Verhaltensweisen im Umgang mit Embryonen zu unterlassen. So wird beispielsweise bestimmt, dass ErÞndungen, die die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken zum Gegenstand haben, nicht patentierbar sind oder dass therapeutisches Klonen Þnanziell nicht gefördert wird. Ein direktes Verbot solcher Verhaltensweisen existiert allerdings nicht. Auf der anderen Seite stellt sich das Unionsrecht mitgliedstaatlichen Regelungen zum Embryonenschutz im Prinzip nicht entgegen. Dies ermöglicht den Mitgliedstaaten, gerade in einem solch sensiblen Bereich, wie dem des Schutzes von menschlichen Embryonen, Regelungen zu treffen, die mit den gesellschaftlichen Grundwerten übereinstimmen. Betrachtet man diese Regelungen insgesamt, so könnte man auf den ersten Blick das Fehlen eines effektiven Schutzes von menschlichen Embryonen in vitro auf europäischer Ebene kritisieren. Die Struktur des europarechtlichen Embryonenschutzes ist jedoch der Kompetenzverteilung geschuldet, nach der die rechtliche Regelung des Embryonenschutzes grundsätzlich den Mitgliedstaaten obliegt. Nimmt man die divergierenden nationalen Ansichten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Ausdruck unterschiedlicher gesellschaftlicher Grundwerte ernst, gilt es, nicht die Zartheit des europäischen Embryonenschutzes zu beklagen, sondern die Möglichkeiten der nationalen Ausgestaltung im europäischen Rahmen zu schätzen. Der Aufbau einer europäischen Gesellschaft und Identität in diesem Bereich 200 bleibt eine große Herausforderung für die Zukunft. 200 Dies fördert die Europäische Union nach dem Entwurf des Siebten Forschungsrahmenprogramms, vgl. den Teil Wissenschaft und Gesellschaft des speziþschen Programms Kapazitäten, oben Fn. 160, S. 38.

61 370 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa Zur Reichweite der gemeinschaftsrechtlichen Zuständigkeit für eine Europäisierung des Privatrechts I. Einleitung Von Markus Ludwigs, Bonn* Die Harmonisierung des Schuldvertragsrechts durch Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft erstreckt sich auf eine ständig wachsende Zahl von Einzelfragen. Der Gemeinschaftsgesetzgeber verfolgt dabei bislang einen selektiven Ansatz, indem er Richtlinien zu bestimmten Verträgen 1 oder Marketingtechniken 2 insbesondere im Bereich des Verbrauchervertragsrechts erlässt, bei denen ein besonders dringender Angleichungsbedarf festgestellt wird 3. Das Fehlen eines Gesamtkonzepts, in das sich die einzelnen Harmonisierungsmaßnahmen einfügen, hat jedoch seit jeher Kritik hervorgerufen 4. So forderte das Europäische Parlament bereits Mitte 1989, dass mit den erforderlichen Vorbereitungsarbeiten zur Ausarbeitung eines einheitlichen Europäischen Gesetzbuches für das Privatrecht begonnen wird [...] 5. Die Entschließung, die das Parlament durch Beschluss vom 2. Mai 1994 erneut bekräftigte 6, blieb auf ofþzieller Ebene jedoch zunächst folgenlos, obgleich das Vorhaben in der Literatur zum Teil Unterstützung fand 7. Nachdem der * Der Verfasser ist Wissenschaftlicher Angestellter am Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. M. Schmidt-Preuß, Institut für Öffentliches Recht der Universität Bonn. 1 Vgl. z.b. die Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen (ABl. 1990, Nr. L 158/ S. 59) oder die Richtlinie 1999/ 44/ EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. 1999, Nr. L 171/ S. 12). 2 S. etwa die Richtlinie 85/ 577/ EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl. 1985, Nr. L 372/ S. 31) o. die Richtlinie 97/ 7/ EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. 1997, Nr. L 144/ S. 19). 3 Ein Überblick zu den wichtigsten Regelungen des acquis communautaire im Privatrecht Þndet sich in Anhang I der Kommissionsmitteilung an den Rat und das Europäische Parlament zum europäischen Vertragsrecht vom 11. Juli 2001 (ABl. 2001, Nr. C 255/ S. 1, 13 ff.; näher hierzu unter II. 1.). 4 Statt vieler Roth, Transposing Pointillist EC Guidelines into Systematic National Codes Problems and Consequences, ERPL 2002, S. 761; Schlechtriem, Wandlungen des Schuldrechts in Europa wozu und wohin, ZEuP 2002, S. 213 (214); anders aber z.b. Dreher, Wettbewerb oder Vereinheitlichung der Rechtsordnungen in Europa?, JZ 1999, S. 105 (111); Wilhelmsson, Private Law in the EU: Harmonised or Fragmented Europeanisation?, ERPL 2002, S. 77 (89 ff., 93); ausf. Ludwigs, Rechtsangleichung nach Art. 94, 95 EG-Vertrag, 2004, S. 352 m.w.n. 5 ABl. 1989, Nr. C 158/ S Im Vorgriff hierzu hatten europäische Rechtswissenschaftler bereits Anfang der 1980er Jahre eine nach ihrem dänischen Gründer und Vorsitzenden Ole Lando benannte Kommission zur Ausarbeitung eines gemeinsamen europäischen Vertragsrechts ( Commission on European Contract Law ) gebildet, die eine vollständige Zusammenstellung europäischer Vertragsrechtsprinzipien vorgelegt hat [Lando/ Beale (Eds.), Principles of European Contract Law, Parts I and II, 1999; Lando/ Clive/ Prüm/ Zimmermann (Eds.), Principles of European Contract Law, Part III, 2003]. Im Jahr 1998 wurde zudem die Study Group on a European Civil Code gegründet, die die Nachfolge der Lando-Kommission angetreten hat und das Ziel verfolgt, Prinzipien für ein gemeineuropäisches Privatrecht mit Kurzkommentaren und nationalen Anmerkungen zu erarbeiten. Eine globale Zielsetzung verfolgen die 1994 vom römischen Institut zur internationalen Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT) verabschiedeten und im April 2004 überarbeiteten und erweiterten Grundregeln der internationalen Handelsverträge (deutsche Übersetzung in ZEuP 1997, S. 890). Zu diesen und weiteren Initiativen: Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 2003, S. 81 ff. 6 ABl. 1994, Nr. C 205/ S Tilmann, EG-KodiÞkation des wirtschaftsnahen Zivilrechts, JZ 1991, S

62 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft Debatte durch die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere vom 15./ 16. Oktober 1999 neuer Schwung verliehen 8 und das Parlament erneut eine verstärkte Harmonisierung im Bereich des bürgerlichen Rechts angemahnt hatte 9, legte die Kommission am 11. Juli 2001 die für die aktuelle Diskussion prägende Mitteilung zum europäischen Vertragsrecht 10 vor. Nachfolgend werden zunächst der Inhalt der Mitteilung und ihrer Folgemaßnahmen sowie der Meinungsstand in Theorie und Praxis skizziert. Den Schwerpunkt des Beitrags bildet sodann die bislang weitgehend ausgeklammerte Frage nach den kompetenzrechtlichen Rahmenbedingungen für eine umfassende KodiÞzierung des Schuldvertragsrechts 11. II. Entwicklung eines Europäischen Schuldvertragsrechts 1. Mitteilung der Kommission zum europäischen Vertragsrecht Die Kommissionsmitteilung vom 11. Juli 2001 bezieht sich thematisch auf die Bereiche Kaufverträge und alle Arten von Dienstleistungsverträgen. Daneben werden auch die allgemeinen Vorschriften über Erfüllung, Nichterfüllung und Rechtsbehelfe als notwendige Grundlage derartiger Verträge einbezogen. Das Bereicherungs-, Delikts- und Sachenrecht werden weitgehend, das Familienund Erbrecht sowie das Arbeitsrecht vollständig ausgeklammert. Der durch die Mitteilung angestoßene Diskussionsprozess soll klären, inwieweit ein Bedarf an weiterreichenderen Maßnahmen der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Vertragsrechts besteht. Dabei werden vier denkbare Szenarien der Fortentwicklung beschrieben: der Verzicht auf die Ausarbeitung von EG-Maßnahmen unter Vertrauen auf eine sanfte Harmonisierung durch den Markt; die Förderung der Ausarbeitung gemeinsamer Grundsätze des Vertragsrechts, die zu einer Annäherung der nationalen Rechtsordnungen führen (sog. Restatement -Lösung 12 ); 8 Bull.EU , S. 7 (12, Ziff. I.11.39). Der Europäische Rat forderte dort die Anfertigung einer allgemeinen Studie über die Frage, ob zur Beseitigung von Hindernissen für das reibungslose Funktionieren von zivilrechtlichen Verfahren die zivilrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten angeglichen werden müssen. 9 ABl. 2000, Nr. C 377/ S KOM (2001) 398 endg. = ABl. 2001, Nr. C 255, S. 1; vgl. hierzu z.b. von Bar/ Lando, Communication on European Contract Law: Joint Response of the Commission on European Contract Law and the Study Group on a European Civil Code, ERPL 2002, S. 183; van Gerven, Codifying European private law? Yes, if...!, ELR 27 (2002), S. 156; Leible, Die Mitteilung der Kommission zum Europäischen Vertragsrecht Startschuss für ein Europäisches Vertragsgesetzbuch?, EWS 2001, S. 471; Staudenmayer, Die Mitteilung der Kommission zum Europäischen Vertragsrecht, EuZW 2001, S. 485; Wagner, The Economics of Harmonization: The Case of Contract Law, CMLR 38 (2002), S. 1421; Weatherill, The European Commission`s Green Paper on European Contract Law, Journal of Consumer Policy 24 (2001), S Krit. zur Ausblendung der Kompetenzfrage durch die Kommission: Kenny, The 2003 action plan on European contract law: Is the Commission running wild?, ELR 28 (2003), S. 538 (547); s. auch ders., The 2004 Communication on European Contract Law: those magniþcient men in their unifying machines, ELR 30 (2005), S. 724 (729, 734 f., 737). 12 Vgl. zu den als Vorbild dienenden Restatements of the Law des American Law Institute: Coing, Europäisierung der Rechtswissenschaft, NJW 1990, S. 937 (939 f.); Schindler, Die Restatements und ihre Bedeutung für das amerikanische Privatrecht, ZEuP 1998, S. 277.

63 372 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa die qualitative Verbesserung der bestehenden Rechtsvorschriften und der Erlass neuer umfassender Bestimmungen auf EG-Ebene. Das Europäische Parlament 13 und der Rat der Europäischen Union 14 kritisierten in ihren Stellungnahmen vom 15./ 16. November 2001 die Fokussierung der Kommission auf den Bereich des Vertragsrechts. Während der Rat auch das Familienrecht als möglichen Gegenstand von Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft anführte, wurde seitens des Europäischen Parlaments betont, dass die Probleme im Zusammenhang mit dem Abschluss, der Durchführung und Rückabwicklung von Verträgen nur gelöst werden könnten, wenn auch Fragen der allgemeinen Formvorschriften, der außervertraglichen Haftung, des Bereicherungsrechts und des Sachenrechts angegangen würden 15. Im Zentrum der Parlamentsentschließung steht das an die Kommission gerichtete Ersuchen, einen detaillierten nach Zeitstufen geordneten Aktionsplan auszuarbeiten 16. Langfristig (ab 2010) wird dabei die Verabschiedung eines europäischen Regelwerks zum Vertragsrecht im Wege einer auf Art. 95 EG gestützten Verordnung angestrebt, die als Wahlrecht (optionales Instrument) im Rahmen des internationalen Privatrechts angewandt werden könnte Aktionsplan Ein kohärentes europäisches Vertragsrecht Am 12. Februar 2003 legte die Kommission daraufhin einen Aktionsplan mit dem Titel Ein kohärentes europäisches Vertragsrecht vor 18. Darin unterbreitete sie ihre Schlussfolgerungen zu dem im Juli 2001 angestoßenen Konsultations- und Diskussionsprozess. Der Aktionsplan bestätigt das Ergebnis dieses Prozesses, nämlich dass keine Notwendigkeit besteht, den gegenwärtigen sektorspeziþschen Ansatz aufzugeben 19. Die Kommission schlägt daher im Weiteren eine Mischung aus 13 Entschließung des Europäischen Parlaments zur Annäherung des Zivil- und Handelsrechts der Mitgliedstaaten (nachfolgend: Entschließung EP); abgedr. in ZEuP 2002, S Bull.EU , S. 86 f. 15 Entschließung EP, Nr. 13 f. 16 Entschließung EP, Nr Entschließung EP, Nr. 11, 14; vgl. insoweit auch die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 17./ 18. Juli 2002, ABl. 2002, Nr. C 241/ S. 1 (6 Ziff. 3.6.). Bis April 2002 gingen bei der Kommission 160 Stellungnahmen aus interessierten Kreisen ein. Dabei wurde in keinem Beitrag die Meinung vertreten, dass der sektorielle Ansatz als solcher zu Problemen führe oder aufgegeben werden sollte. Die Optionen I (Marktlösung) und IV (umfassende Harmonisierung) wurden nur von einer Minderheit der Beiträge befürwortet, wobei die Option IV allerdings in einer Reihe von Beiträgen als mögliche Perspektive für die Zukunft bewertet wurde. Zahlreiche Stimmen sprachen sich dagegen für die Option II ( restatement-lösung ) und eine deutliche Mehrheit für die Option III (Verbesserung des geltenden EG-Vertragsrechts) aus [vgl. KOM (2003) 68 endg., S. 30 ff.]. 18 KOM (2003) 68 endg. = ABl. 2003, Nr. C 63, S. 1; hierzu z.b. von Bar, Ein gemeinsamer Referenzrahmen für das marktrelevante Privatrecht in der Europäischen Union, in: Mansel/ Pfeiffer/ Kronke/ Kohler/ Hausmann (Hrsg.), FS für Jayme, 2004, S. 1217; Basedow, Ein optionales Europäisches Vertragsgesetz opt-in, opt-out, wozu überhaupt? ZEuP 2004, S. 1; Dauner-Lieb, Auf dem Weg zu einem europäischen Schuldrecht?, NJW 2004, S. 1431; Oppermann, Europarecht, 3. Auß. 2005, 18 Rn. 64 ff.; Pfeiffer, Auf dem Weg zu einem Europäischen Vertragsrecht, EWS 2004, S. 98 (104 f.); Staudenmayer, Der Aktionsplan der EG-Kommission zum Europäischen Vertragsrecht, EuZW 2003, S. 165; ders., Ein optionelles Instrument im Europäischen Vertragsrecht?, ZEuP 2003, S KOM (2003) 68 endg., S. 2.

64 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft nicht-gesetzgeberischen und gesetzgeberischen Maßnahmen vor, die darauf abzielen, die Kohärenz des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet des Vertragsrechts durch die Schaffung eines gemeinsamen Referenzrahmens (CFR) zu erhöhen 20, die Ausarbeitung EU-weit verwendbarer Standardvertragsklauseln zu fördern 21 und zu prüfen, ob Probleme des europäischen Vertragsrechts nicht-sektorspeziþsche Lösungen, wie ein optionales Rechtsinstrument für grenzüberschreitende Verträge, erfordern 22. Parlament und Rat begrüßen in ihren Stellungnahmen vom 2. bzw. vom 22. September 2003 insbesondere den von der Kommission vorgeschlagenen CFR 23. Dieses Instrument könne dazu beitragen, die Qualität und Kohärenz der geltenden wie auch künftiger Rechtsvorschriften der Gemeinschaft im Bereich des Vertragsrechts zu verbessern. Während der Rat jedoch die Unverbindlichkeit eines solches Referenzrahmens betont, fordert das Parlament die Erarbeitung eines, auf dem CFR beruhenden Regelwerks, welches den Vertragsparteien zunächst als Opt-in Opt-Out Lösung angeboten werden sollte, jedoch nach einiger Zeit auch verbindlich werden könnte 24. Die Vielzahl der weiteren bei der Kommission eingereichten Beiträge 25 zum Aktionsplan zeichnen ein uneinheitliches Bild: Während die Schaffung eines gemeinsamen Referenzrahmens auch hier überwiegend positiv bewertet wird, erscheint der Nutzen EU-weit verwendbarer Standardvertragsklauseln vielen als zweifelhaft. Darüber hinaus äußert sich die große Mehrheit der Mitgliedstaaten zurückhaltend zur Zweckmäßigkeit eines optionalen Instruments. Die Regierungen des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und Schwedens sprechen sich sogar gegen ein solches horizontales Regelungsinstrument aus. In der Rechtslehre Þndet der Kommissionsvorschlag, weitere Überlegungen zur Notwendigkeit eines optionalen Instruments anzustellen, dagegen Zustimmung, während die Reaktionen der übrigen Teilnehmergruppen (Wirtschaft, Verbraucherorganisationen und Rechtspraxis) gespalten ausfallen. 20 KOM (2003) 68 endg., S. 18 ff. Rn. 55 ff. 21 KOM (2003) 68 endg., S. 25 ff. Rn. 81 ff. 22 KOM (2003) 68 endg., S. 27 f. Rn. 89 ff.; ausführlich zum optionalen Instrument im Europäischen Vertragsrecht: Staudenmayer (Fn. 18), ZEuP 2003, S Die im Aktionsplan angelegten Maßnahmen sollen parallel zum Grünbuch der Kommission über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument und über seine Aktualisierung (KOM endg.] laufen. Am 15. Dezember 2005 hat die Kommission nunmehr einen Vorschlag für eine Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ( Rom I ) vorgelegt (KOM 2005, 650 endg.). 23 Abrufbar im Internet unter: cont_law/actionplan_de.htm (zuletzt abgerufen am 7. Juni 2006). Die Entschließung des Rates ist auch abgedruckt in ZEuP 2004, Vgl. Nr. II. 1. der Rats- bzw. Nrn. 14 f. der Parlamentsentschließung; auch der Rat betont indes, dass weitere Überlegungen über den Bedarf an nicht-sektorspeziþschen Maßnahmen, wie beispielsweise ein optionelles Rechtsinstrument [...] erforderlich [sind] (vgl. Nr. IV. 3. der Ratsentschließung). 25 Eine Zusammenfassung der Reaktionen auf den Aktionsplan ist abrufbar im Internet unter: eu.int/comm/consumers/cons_int/safe_shop/fair_bus_pract/cont_law/analyticaldoc_de.pdf (zuletzt abgerufen am 7. Juni 2006).

65 374 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa 3. Mitteilung der Kommission zum weiteren Vorgehen vom 11. Oktober 2004 In Reaktion auf diese Stellungnahmen legte die Kommission am 11. Oktober 2004 ihre aktuelle Mitteilung zum europäischen Vertragsrecht vor, in der sie die Anschlussmaßnahmen zum Aktionsplan 2003 vorstellt 26. Im Zentrum der Mitteilung steht zum Ersten die Ankündigung, bis 2009 den Gemeinsamen Referenzrahmen (CFR) zu verabschieden. Hierbei soll es sich um ein unverbindliches Instrument handeln, in dem gemeinsame Grundsätze und Rechtsbegriffe des europäischen Vertragsrechts deþniert und Mustervorschriften formuliert werden 27. Der CFR soll in erster Linie die Gemeinschaftsorgane darin unterstützen, eine kohärente Ausgestaltung der geltenden und künftigen Gemeinschaftsvorschriften im Bereich des europäischen Vertragsrechts zu gewährleisten 28. Die zweite Maßnahme zielt auf die Förderung der Ausarbeitung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch Private zur EU-weiten Verwendung insbesondere im Verhältnis zwischen Unternehmen bzw. von Unternehmen zu staatlichen Stellen. Die Kommission sieht sich dabei in der Position des ehrlichen Maklers, der die Interessenten zusammenbringt, sich aber nicht selbst mit inhaltlichen Fragen befasst 29. Zur Frage nicht-sektorspeziþscher Maßnahmen stellt die Kommission zum Dritten fest, dass nicht beabsichtigt sei, ein `Europäisches Zivilgesetzbuch` vorzuschlagen, das das Vertragsrecht der Mitgliedstaaten harmonisieren würde 30. Zum Zwecke 26 KOM (2004) 651 endg.; vgl. hierzu Editorial Comments, CMLR 42 (2005), S. 1; Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, 2005, S. 226 f.; Lando, Der Aktionsplan der EG-Kommission zum europäischen Vertragsrecht, RiW 2005, S. 1; Staudenmayer, The Way Forward in European Contract Law, ERPL 2005, S. 95; Winter, Ist das Europäische Zivilgesetzbuch noch zu stoppen?, DB 2005, S Dabei wird neben allgemeinen vertragsrechtlichen Konzepten auch die Erarbeitung besonderer Vorschriften für Verbraucher- und Versicherungsverträge hervorgehoben; kritisch zu diesem (beschränkten) Ansatz Schmidt- Kessel, Auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Referenzrahmen, GPR 2005, S. 2 (5 f.); ausf. zum CFR Fricke, Entgrenztes Zivilrecht?, VersR 2005, S (1476 ff.). 28 KOM (2004) 651 endg., S. 2 ff., 5 f. Zwischenzeitlich wurde ein aus über 170 Experten bestehendes Forschungsnetzwerk ( CFR-Net ) aufgebaut, in dem bislang über 30 Themenkomplexe ausgewählt wurden, die bis Ende 2007 insbesondere i.r. von workshops erörtert werden sollen (näher hierzu KOM 2005, 456 endg., S. 3 ff.). Anfang Mai 2005 hat die Kommission zudem die Finanzierung eines sog. Exzellenznetzwerks bewilligt, an dem mehr als 150 Rechtswissenschaftler aus allen Mitgliedstaaten beteiligt sind (vgl. von Bar/ Schulte- Nölke, Gemeinsamer Referenzrahmen für europäisches Schuld- und Sachenrecht, ZRP 2005, S. 165 f.). Schließlich hat die Kommission auch ein weiteres Netzwerk aus Vertretern der Mitgliedstaaten eingerichtet. Das CFR- Projekt wird auch vom Europäischen Rat unterstützt, der auf seiner Tagung am 4./ 5. November 2004 als Folgemaßnahme zum Europäischen Rat von Tampere das sog. Haager Programm beschlossen hat, das im Bereich des Vertragsrechts auch die Entwicklung eines gemeinsamen Bezugsrahmens umfasst (ABl. 2005, Nr. C 53/ S. 1). Daraufhin hat die Kommission den CFR in ihren Aktionsplan Das Haager Programm: Zehn Prioritäten für die nächsten Jahre (KOM 2005, 184 endg., S. 11) aufgenommen, was wiederum die Zustimmung des Europäischen Rates (Ratsdok /05, S. 3 f.) und des Rates (Ratsdok. 9778/2/05, S. 26) fand. 29 KOM (2004) 651 endg., S. 6 ff. Vgl. hierzu Najork, Auf dem Weg zu allgemeinen Geschäftsbedingungen für den europäischen Markt, GPR 2005, S. 54. Als Plattform für den Informationsaustausch zwischen den Unternehmen war zunächst die Errichtung einer Website geplant. Hiervon hat die Kommission aber nunmehr in ihrem ersten jährlichen Fortschrittsbericht zum europäischen Vertragsrecht (KOM 2005, 456 endg., S. 11 f.) angesichts der hohen Kosten der Bereitstellung einer mit den notwendigen Funktionen versehenen Website Abstand genommen. 30 KOM (2004) 651 endg., S. 9. Vgl. auch die Versicherung So, no Civil Code (S. 4) von Kommissar Kyprianou auf der gemeinsamen Konferenz der britischen Ratspräsidentschaft und der Europäischen Kommission zum

66 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft der Fortführung der Debatte um ein optionales Instrument für grenzüberschreitende Verträge werden sodann in Anhang II der Mitteilung verschiedene Modelle skizziert 31. Der Kodex könnte entweder eine Reihe vertragsrechtlicher Bestimmungen enthalten, die anwendbar wären, sofern ihre Geltung nicht im Vertrag von den Vertragsparteien ausgeschlossen wird ( Opt-out ), oder es könnte sich um ein rein fakultatives Modell handeln, für das sich die Parteien durch Aufnahme einer Rechtswahlklausel ( Opt-in ) in den Vertrag entscheiden würden. In Einklang mit der in der Rechtspraxis nahezu einhellig vertretenen Auffassung favorisiert die Kommission auch mit Blick auf das Verhältnis zum Übereinkommen von Wien über den internationalen Warenkauf (CISG) eine Opt-in -Lösung 32. Hinsichtlich des Verhältnisses eines als Verordnung erlassenen optionalen Instruments zum Internationalen Privatrecht (insb. zum Europäischen Schuldvertragsübereinkommen 33 ) werden im Wesentlichen drei Gestaltungsmöglichkeiten erörtert: Der erste Vorschlag besteht darin, das optionale Instrument nach dem Vorbild des CISG als internationales Einheitsrecht zu konzipieren. Ein zweiter Ansatz liegt im Rückgriff auf Art. 20 EVÜ, der den Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem EVÜ hinsichtlich der Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse auf besonderen Gebieten, die in Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaften [...] enthalten sein werden sicherstellt 34. Schließlich wird als dritte Gestaltungsvariante ein rein sachlichrechtliches optionales Instrument vorgeschlagen, das über Art. 3 EVÜ und eine entsprechende Rechtswahlklausel im Vertrag Anwendung Þnden könnte 35. Zum Inhalt eines optionalen Instruments stellt die Kommission fest, dass Europäischen Vertragsrecht vom 26. September 2005 in London (abrufbar im Internet unter: (zuletzt abgerufen am 7. Juni 2006). Diese Festlegung der Kommission wurde in Ziff. 10 der Schlussfolgerungen des Rates Wettbewerbsfähigkeit vom 28./ 29. November 2005 ausdrücklich begrüßt; abrufbar im Internet unter: conclusions_competitiveness_council_en.pdf (zuletzt abgerufen am 7. Juni 2006). Nach Einschätzung des Europäischen Parlaments in seiner jüngsten Entschließung zum Europäischen Vertragsrecht vom 23. März 2006 ist aber deutlich erkennbar, dass viele der an dem Projekt arbeitenden Wissenschaftler und betroffenen Kreise davon ausgehen, dass als langfristiges Ergebnis letztlich ein europäischer Pßichtenkodex oder sogar ein komplettes europäisches Zivilgesetzbuch herauskommen wird... (A6-0055/2006; B.). 31 Gegen eine Beschränkung auf grenzüberschreitende Verträge: Basedow (Fn. 18), ZEuP 2004, S. 1 (3); für eine vollumfassende Wählbarkeit ( Opt-in ) des Europäischen Kodex (unter Abbedingung des inländischen zwingenden Rechts) im Inlandsfall: Grundmann, Der Optionale Europäische Kodex auf der Grundlage des Acquis Communautaire Eckpunkte und Tendenzen, in: Mansel/ Pfeiffer/ Kronke/ Kohler/ Hausmann (Hrsg.), FS für Jayme, 2004, S (1274); zur ökonomischen Bewertung eines optionalen Instruments Kerber, Europäisches Vertragsrecht, Rechtsföderalismus und Ordnungsökonomik, in: Leipold/ Wetzel (Hrsg.), FS für Schüller, 2005, S. 371 (387 ff.). 32 KOM (2004) 651 endg., S. 18 f., ABl. 2005, Nr. C 334, S. 3 ff. 34 S. auch Art. 22 lit. b des Kommissionsvorschlags ( Rom I ) vom 15. Dezember 2005 (Fn. 22), der die Übereinstimmung mit einem fakultativen Rechtsinstrument gewährleisten [soll], das im Rahmen des Projekts `Europäisches Vertragsrecht` ausgearbeitet werden könnte (KOM 2005, 650 endg., S. 10). 35 KOM (2004) 651 endg., S. 19 f. S. insoweit auch Art. 3 Nr. 2 des Kommissionsvorschlags ( Rom I ) vom 15. Dezember 2005 (Fn. 22), der u.a. die Wahl eines etwaigen künftigen fakultativen EU-Instruments ermöglichen soll (KOM 2005, 650 endg., S. 5 f.); ausführlich zu den unterschiedlichen Regelungsmodellen: Heiss/ Downes, Non-Optional Elements in an Optional European Contract Law. Reßections form a Private International Law Perspective, ERPL 2005, S. 693 (700 ff.).

67 376 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa dieses nur solche Teilgebiete des allgemeinen oder auf bestimmte Vertragsarten bezogenen Vertragsrechts regeln [sollte], die mit Sicherheit zur Lösung konkreter Probleme beitragen können 36. Neben Unternehmensgeschäften sollen auch Verträge erfasst werden, an denen Verbraucher beteiligt sind, auf die also auch zwingende Vorschriften zum Verbraucherschutz Anwendung Þnden 37. Die Kompetenzfrage wird von der Kommission als wichtig erkannt, gleichwohl nicht näher thematisiert, sondern der weiteren Debatte über die Parameter eines optionalen Instruments überantwortet 38. III. Literatur In der Literatur besteht weitgehende Einigkeit allein darin, dass eine qualitative Verbesserung des geltenden Gemeinschaftsrechts erforderlich ist, um inhaltliche Unstimmigkeiten zu beseitigen und das EG-Recht kohärenter, transparenter und einfacher auszugestalten 39. Kontrovers erörtert wird dabei, ob die Rechtsharmonisierung auch in Zukunft primär durch Richtlinien erfolgen sollte, oder ob eine Umwandlung in Verordnungen vorzuziehen ist 40. Im Übrigen reichen die Ansätze von einem Verzicht auf legislatorische Rechtsvereinheitlichung unter Verweis auf privatautonome RechtsÞndung über einen Vorrang der Kollisionsrechtsvereinheitlichung bis hin zur Schaffung eines Europäischen Zivilgesetzbuches, das an die Stelle der nationalen Zivilgesetzbücher tritt Regeln der neuen/ modernen Lex Mercatoria Nach einer Ansicht sollte die Angleichung privatrechtlicher Normen grundsätzlich nicht dem wenig durchschaubaren politischen KompromissÞndungsprozess in Brüssel überlassen bleiben, sondern von den Akteuren selbst, im Wege privatautonomer RechtsÞndung (z.b. durch Standardverträge, Muster- und Handelsklauseln, internationale Handelsbräuche, Verhaltenskodices internationaler Organisationen 36 KOM (2004) 651 endg., S. 21. Im Bereich der Finanzdienstleistungen hat die Kommission inzwischen eine Durchführbarkeitsstudie bzgl. einer 26. Regelung in Auftrag gegeben, die sich z.b. auf einfache (Risikolebens-) Versicherungen und Sparprodukte bezieht (s. hierzu KOM 2005, 456 endg., S. 12 f. und KOM 2005, 177 endg.). Weitergehend hat die Kommission in ihrem Grünbuch über Hypothekarkredite in der EU eine Standardisierung von Hypothekenverträgen, durch eine 26. Regelung zur Diskussion gestellt (KOM 2005, 327 endg., Tz. 29, 48). 37 KOM (2004) 651 endg., S KOM (2004) 651 endg., S Leible (Fn. 10), EWS 2001, S. 471 (475 ff.); Schmidt-Jortzig, Perspektiven der Europäischen Privatrechtsangleichung, AnwBl. 1998, S. 63 (65 f.); a.a. aber Rittner, Ein Gesetzbuch für Europa?, in: Immenga/ Möschel/ Reuter (Hrsg.), FS für Mestmäcker, 1996, S. 449 (459), der dafür plädiert, den nationalen Gesetzgebern wieder die volle Verantwortung für das Privatrecht zurückzugeben. 40 Vgl. Müller-Graff, Gemeinsames Privatrecht in der EG Ansatzpunkte, Ausgangsfragen, Ausfaltungen, in: ders. (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 2. Auß. 1999, S. 9 (60 f.); Schulte- Nölke, Ein Vertragsgesetzbuch für Europa?, JZ 2001, S. 917 (920) einerseits (Verordnung) bzw. Hauschka, Grundprobleme der Privatrechtsfortbildung durch die EWG, JZ 1990, S. 521 (531 f.); Wuermeling/ von Graevenitz, Europäisches Privatrecht Wider den Oktroi der Uniformität, EuR 2001, S. 631 (642) andererseits (Richtlinie). 41 Ausführlich hierzu auch Ludwigs (Fn. 4), S. 356 ff.

68 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft etc.) verwirklicht werden 42. Diese selbstgeschaffenen Normen der internationalen Vertragspraxis (sog. neue oder moderne Lex Mercatoria 43 ) korrespondierten mit dem auf eine Senkung der Transaktionskosten gerichteten Wunsch nach international einheitlichen Regeln. Die Folge sei jedoch nicht Einheitsrecht, sondern eine Vielfalt transaktions- und branchenspeziþscher Regeln, die den praktischen Bedürfnissen entsprächen und die relativ reibungslos an veränderte Bedingungen angepasst werden könnten Vorrang der Kollisionsrechtsvereinheitlichung Ein anderer Ansatz erkennt die Notwendigkeit legislatorischer Rechtsvereinheitlichung zwar ausdrücklich an, weist jedoch zugleich darauf hin, dass der Wettbewerb der nationalen Rechtsordnungen hierdurch nicht unterbunden werden dürfe 45. Maßgeblich sei daher die Form der Rechtsangleichung. Vorzugswürdig erscheine eine Hinwendung der Harmonisierungsbemühungen zum Kollisionsrecht 46. Dieses basiere auf dem Gedanken der Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen und ihrer gegenseitigen Anerkennung und beinhalte damit eine Synthese von Föderalismus und Einheitsidee 47. Hieraus folge zwar keine generelle Absage an Sachrechtsvereinheitlichung; gleichwohl gelte: Soviel Kollisionsrechtsvereinheitlichung wie möglich und nur soviel Sachrechtsvereinheitlichung wie nötig Europäisches Vertrags- oder Zivilgesetzbuch Die Befürworter weiterer Sachrechtsangleichung verweisen regelmäßig auf die mangelnde Kohärenz und die Lückenhaftigkeit des Gemeinschaftsprivatrechts und begründen so z.t. das Bedürfnis für ein Europäisches Vertrags- oder Zivilgesetz- 42 Mussler, Die Wirtschaftsverfassung der EG im Wandel, 1998, S. 77 ff.; Streit, Systemwettbewerb im europäischen Integrationsprozess, in: Immenga/ Möschel/ Reuter (Hrsg.), FS für Mestmäcker, 1996, S. 521 (531 ff.); s. auch Kötz, Alternativen zur legislatorischen Rechtsvereinheitlichung, RabelsZ 56 (1992), S. 215 (216); Sandrock, Die Europäischen Gemeinschaften und die Privatrechte ihrer Mitgliedstaaten: Einheit oder Vielfalt?, EWS 1994, S. 1 (7); abl. Schurig, Europäisches Zivilrecht: Vielfalt oder Einerlei?, in: Hübner/ Ebke (Hrsg.), FS für Großfeld, 1999, S (1099 ff.). 43 Zur Lex Mercatoria vgl. etwa Kappus, Conßict avoidance durch lex mercatoria und UN-Kaufrecht 1980, RiW 1990, S Mussler (Fn. 42), S. 80; Streit (Fn. 42), S Taupitz, Europäische Privatrechtsvereinheitlichung heute und morgen, 1993, S Taupitz, Privatrechtsvereinheitlichung durch die EG: Sachrechts- oder Kollisionsrechtsvereinheitlichung?, JZ 1993, S. 533 (538 f.); für einen Vorrang der Kollisionsrechtsvereinheitlichung auch Rittner, Das Gemeinschaftsprivatrecht und die europäische Integration, JZ 1995, S. 849 (853); Rohe, Binnenmarkt oder Interessenverband?, RabelsZ 61 (1997), S. 1 (58 ff.); s. auch Kronke, Brauchen wir ein Europäisches Zivilgesetzbuch?, Schriftenreihe Rechtspolitisches Forum des Instituts für Rechtspolitik an der Universität Trier, No. 11, 2002, S. 3 (12); a.a. Lando, The eternal crisis, in: Basedow/ Hopt/ Kötz (Hrsg.), FS für Drobnig, 1998, S. 361; Schmidtchen, Territorialität des Rechts, Internationales Privatrecht und die privatautonome Regelung internationaler Sachverhalte, RabelsZ 59 (1995), S. 56 (89). 47 Taupitz (Fn. 46), JZ 1993, S. 533 (538); ders. (Fn. 45), S. 61; ebenso Sonnenberger, Privatrecht und Internationales Privatrecht im künftigen Europa: Fragen und Perspektiven, RiW 2002, S. 489 (494); vgl. auch Jayme, Ein Internationales Privatrecht für Europa, 1991, S. 5 (11). 48 Taupitz (Fn. 46), JZ 1993, S. 533 (539); unter Verweis auf Aubin, Europäisches Einheitsrecht oder intereuropäische Rechtsharmonie?, in: Zweigert (Hrsg.), Europäische Zusammenarbeit im Rechtswesen, 1955, S. 45 (65).

69 378 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa buch 49. Dabei kann zwischen einer großen und einer kleinen Lösung unterschieden werden 50. a) Europäisches Zivilgesetzbuch für grenzüberschreitende Sachverhalte Die Vertreter einer kleinen Lösung betonen, dass sich das Vereinheitlichungsbedürfnis für grenzüberschreitende innergemeinschaftliche Transaktionen als vorrangig darstelle. Dies spreche für ein Modell, welches das europäische Zivilgesetzbuch primär für grenzüberschreitende Transaktionen innerhalb der Gemeinschaft heranziehe, die nationalen Regeln als solche aber zunächst einmal unberührt lasse 51. Für ein solches Modell wird zudem angeführt, dass auf diese Weise Raum für einen Wettbewerb der Rechtsordnungen verbleibe. Die Gemeinschaft trete als zusätzlicher Wettbewerber auf und halte das Privatrecht so für Lernprozesse offen 52. Im Weiteren werden noch verschiedene Spielarten des 25+1-Modells unterschieden: So könnten die Regeln für die Geltung eines solchen Rechtskörpers dahin gehend ausgestaltet sein, dass er als von den Parteien zu wählendes ( opt-in ) oder abzuwählendes ( opt-out ) Recht bzw. sogar zwingend anzuwenden ist 53. b) Europäisches Zivilgesetzbuch für alle Transaktionen Gegen eine Beschränkung des EuZGB auf grenzüberschreitende Sachverhalte wird von Seiten der Befürworter einer VollkodiÞkation 54 (sog. große Lösung ) einge- 49 Statt vieler Basedow (Fn. 18), ZEuP 2004, S. 1 (3); Drobnig, Europäisches Zivilgesetzbuch Gründe und Grundgedanken, in: Martiny/ Witzleb (Hrsg.), Auf dem Wege zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch, 1999, S. 109 (118); Kötz, Savigny v. Thibaut und das gemeineuropäische Zivilrecht, ZEuP 2002, S. 431; Leible (Fn. 10), EWS 2001, S. 471 (478); Wuermeling/ von Graevenitz (Fn. 40), EuR 2001, S. 631 (642); ablehnend Legrand, On the Unbearable Localness of the Law: Academic Fallacies and Unseasonable Observations, ERPL 2002, S. 61; Rittner, Das Projekt eines Europäischen Vertragsgesetzbuches und die wirtschaftliche Praxis, DB 1996, S. 25; unentschieden Kieninger, 100 Jahre BGB Zeit für ein Europäisches Zivilgesetzbuch?, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1996, 1997, S. 245 (255). 50 Begriffe von Rittner (Fn. 39), S Für ein Europäisches Einheitsrecht mit nationaler Abänderungsbefugnis: Remien, Denationalisierung des Privatrechts in der EU? Legislative und gerichtliche Wege, ZfRV 1995, S. 116 (122). Für ein neben die nationalen Zivilgesetzbücher tretendes EuZGB, das nur die gemeinsamen Wurzeln und einige unverzichtbare Regeln (insb. Informations- und Transparenzgebote) formuliert, die Einzelheiten und die Ausführung der Grundregeln aber den nationalen Gesetzbüchern überlässt: Schwintowski, Auf dem Wege zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch, JZ 2002, S. 205 (210 f.). 51 Leible (Fn. 10), EWS 2001, S. 471 (478 f.); Martiny, Europäisches Privatrecht greifbar oder unerreichbar?, in: ders./ Witzleb (Hrsg.), (Fn. 49), S. 1 (16); Tilmann, KodiÞkation des Privatrechts in der Gemeinschaft, in: Letzgus u.a. (Hrsg.), FS für Helmrich, 1994, S. 437 (445); vgl. auch Editorial Comments, CMLR 39 (2002), S. 219 (225); Wagner (Fn. 10), CMLR 39 (2002), S. 995 (1018 ff.); Wuermeling/ von Graevenitz (Fn. 40), EuR 2001, S. 631 (642); unentschieden Drobnig, Ein Vertragsrecht für Europa, in: Baur/ Hopt/ Mailänder (Hrsg.), FS für Steindorff, 1990, S (1147). 52 Leible (Fn. 10), EWS 2001, S. 471 (478); Tilmann (Fn. 51), S. 445; gegen ein Modell 25 plus eins aber z.b. van Gerven (Fn. 10), ELR 27 (2002), S. 156 (166); Kieninger (Fn. 49), S. 252; ausführlich zum institutionellen Wettbewerb im Privatrecht: dies., Wettbewerb der Privatrechtsordnungen im Europäischen Binnenmarkt, Vgl. Basedow (Fn. 18), ZEuP 2004, S. 1; Wuermeling/ von Graevenitz (Fn. 40), EuR 2001, S. 631, Basedow, Über Privatrechtsvereinheitlichung und Marktintegration, in: Immenga/ Möschel/ Reuter (Hrsg.), FS für Mestmäcker, 1996, S. 347 (363); Staudinger, Die Mitteilung der Kommission zum Europäischen Vertrags-

70 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft wandt, dass ein solches zweigleisiges Zivilrecht die nationalen Privatrechtssysteme vollkommen unangeglichen bestehen lasse. Es sei nicht einzusehen, weshalb die zahlenmäßig überwiegenden Entscheidungen also die zu den rein innerstaatlichen Sachverhalten nicht von einem Europäischen Zivilgesetzbuch proþtieren sollten 55. Ferner wird auf Unsicherheiten bei der rechtlichen Abgrenzung der unterschiedlichen Regelungsebenen hingewiesen 56 und der identitätsstiftende Charakter eines EuZGB hervorgehoben 57. c) Regelungsgegenstände und Handlungsform Bei der Auswahl der Regelungsgegenstände einer fortschreitenden Sachrechtsangleichung wird unter Rekurs auf den Charakter der EG als Wirtschaftsgemeinschaft regelmäßig eine Begrenzung auf die wirtschaftsrelevanten Teile des Privatrechts unter Ausschluss des Familien- und Erbrechts vorgeschlagen 58. Eine Fokussierung auf das Vertragsrecht wie sie der Kommissionsmitteilung vom 11. Juli 2001 zugrunde liegt wird kritisch beurteilt. Ein europäisches Vertragsrecht könne nicht völlig schlüssig konzipiert werden, wenn dabei das Recht der außervertraglichen Schuldverhältnisse bzw. die Fragen des Eigentumserwerbs an beweglichen Sachen und der Mobiliarsicherheiten ausgeblendet blieben 59. Als taugliche Handlungsform für eine etwaige KodiÞkation des Vertragsrechts wird regelmäßig allein die Verordnung in Betracht gezogen, während der Erlass einer Richtlinie unter Hinweis auf die negativen Erfahrungen der bisherigen Angleichungs-Praxis verworfen wird 60. Nach anderer Auffassung kann eine umfassend bindende Kodi- Þzierung im Bereich des Zivilrechts aus Gründen der rechtlichen Basis, der demokratischen Legitimation und der Annehmbarkeit dagegen nur durch einen multilateralen Vertrag erreicht werden 61. recht, VuR 2001, S. 353 (356); Sturm, Der Entwurf eines Europäischen Vertragsgesetzbuchs, JZ 2001, S (1102); vgl. auch Lando, Does the European Union need a Civil Code?, RiW 2003, S. 1 f.; kritisch Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 1999, S. 37; Sonnenberger (Fn. 47), RiW 2002, S. 489 (496 f.). 55 von Bar, Die Study Group on a European Civil Code, in: Gottwald/ Jayme/ Schwab (Hrsg.), FS für Henrich, 2000, S. 1 (5). 56 Drobnig (Fn. 49), S. 123; Lando (Fn. 26), RiW 2005, S. 1 (2); Staudinger (Fn. 54), VuR 2001, S. 353 (356). 57 Lando (Fn. 54), RiW 2003, S. 1 (2); Schwintowski (Fn. 50), JZ 2002, S. 205 (211); a.a. Wilhelmsson (Fn. 4), ERPL 2002, S. 77 (90); diff. Drobnig (Fn. 51), S ff. 58 Kieninger (Fn. 49), S. 246; Leible (Fn. 10), EWS 2001, S. 471 (478). Am 1. September 2001 wurde eine ständige Kommission für Europäisches Familienrecht (Commission on European Family Law CEFL) gegründet (vgl. hierzu ZEuP 2002, S. 194). Als erstes Ergebnis hat die Kommission Prinzipien zur Ehescheidung und zum nachehelichen Unterhalt vorgelegt (vgl. Pintens, Harmonisierung im europäischen Familien- und Erbrecht, FamRZ 2005, S. 1597, (1601 ff.). Am 1. März 2005 hat die Europäische Kommission zudem ein Grünbuch zum Erb- und Testamentsrecht unterbreitet (KOM 2005, 65 endg.]. Hiermit soll eine umfassende Konsultation zu Fragen der gesetzlichen und testamentarischen Erbfolge mit Auslandsbezug eingeleitet werden. 59 Von Bar, Die Mitteilung der Europäischen Kommission zum Europäischen Vertragsrecht, ZEuP 2001, S. 799 (800 f.); Basedow, Das BGB im künftigen europäischen Privatrecht: Der hybride Kodex, AcP 200 (2000), S. 445 (474 f.); Leible (Fn. 10), EWS 2001, S. 471 (478); Martiny (Fn. 51), S. 12 ff.; Staudinger (Fn. 54), VuR 2001, S. 353 (355). 60 Basedow (Fn. 59), AcP 200 (2000), S. 445 (479); Staudinger (Fn. 54), VuR 2001, S. 353 (356). 61 van Gerven, A Common Law for Europe The Future Meeting the Past?, ERPL 2001, S. 485 (495 ff.); ders. (Fn. 10), ELR 27 (2002), S. 156 (171 ff.); vgl auch Armbrüster, Ein Schuldvertragsrecht für Europa?, RabelsZ

71 380 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa IV. Kompetenz der EG zur umfassenden KodiÞzierung des Schuldvertragsrechts Während die weitere inhaltliche Gestaltung des europäischen Vertragsrechts bereits eingehende Erörterung gefunden hat und weiterhin Gegenstand der Diskussion ist, wird die Frage nach Umfang und Grenzen der gemeinschaftlichen Zuständigkeit meist nur am Rande diskutiert. Teile der Literatur sprechen ihr sogar mit Blick auf die jederzeitige Abänderbarkeit des EG-Vertrages lediglich nachrangige Bedeutung zu 62. Dies erscheint schon deshalb bedenklich, weil eine entsprechende Änderung des Primärrechts gemäß Art. 48 EU an die RatiÞkation durch alle Mitgliedstaaten gebunden ist. Lenkt man den Blick auf die Kompetenzfrage, so zeigt sich, dass als mögliche Rechtsgrundlagen für ein wie auch immer geartetes Europäisches Vertragsoder Zivilgesetzbuch drei Zuständigkeitsnormen des EG-Vertrages in Betracht kommen: Art. 65, Art. 95 und Art. 308 EG Art. 65 EG Art. 65 EG scheidet als Rechtsgrundlage für ein Eu(V)ZGB schon deshalb aus, weil die Bestimmung allein eine Zuständigkeit zur Vereinheitlichung des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts enthält, das materielle Zivilrecht aber 60 (1996), S. 72 (89); Sonnenberger, Der Ruf unserer Zeit nach einer europäischen Ordnung des Zivilrechts, JZ 1998, S. 982 (988). Für einen neuen Ansatz plädierten die Commission on European Contract Law und die Study Group on a European Civil Code. Danach sollen die von einem neu zu schaffenden European Law Institute und einer ebenfalls neu zu errichtenden European Law Academy zu entwickelnden Restatements of European Patrimonial Law schrittweise zu einem zwingenden, die entsprechenden nationalen Bestimmungen ablösenden Europäischen Privatrecht für alle Transaktionen fortentwickelt werden (von Bar/ Lando, s. Fn. 10, ERPL 2002, S. 183, 221 ff., 231 ff.; ähnlich Schmid, Legitimitätsbedingungen eines Europäischen Zivilgesetzbuchs, JZ 2001, S. 674, 680 ff.). 62 Vgl. z.b. von Bar (Fn. 55), S. 5 f.; ders./ Schulte-Nölke (Fn. 28), ZRP 2005, S. 165 (168); ähnlich Drobnig (Fn. 49), S. 119; Sonnenberger (Fn. 47), RiW 2002, S. 489, 490; kritisch hierzu Basedow, CodiÞcation of Private Law in the EU: The making of a hybrid, ERPL 2001, S. 35 (43); ausführlich zur Kompetenzfrage Engel, Ein Europäisches Zivilgesetzbuch?, ZfRV 1999, S. 121; Ludwigs (Fn. 4), S. 362 ff.; Pechstein, Europäisches Zivilgesetzbuch und Rechtsetzungsbefugnisse der EG, in: Martiny/ Witzleb (Hrsg.), (Fn. 49), S. 19 ff. 63 Eine Zuständigkeit der Gemeinschaft für eine umfassende KodiÞkation des Obligationenrechts zumindest zur Regelung zwischenstaatlicher Sachverhalte bejahen: Basedow (Fn. 62), ERPL 2001, S. 35 (43 ff.); ders. (Fn. 54), S. 351 ff.; Heiderhoff (Fn. 26), S. 10 f.; Schmid (Fn. 61), JZ 2001, S. 674 (676 f.); Lurger, Grundfragen der Vereinheitlichung des Vertragsrechts in der Europäischen Union, 2002, S. 105 ff.; Schmidt-Kessel, Auf dem Weg zu einem Europäischen Vertragsrecht, RiW 2003, S. 481 (486); Sturm (Fn. 54), JZ 2001, S (1102); Vogenauer/ Weatherill, Eine empirische Untersuchung zur Angleichung des Vertragsrechts in der EG, JZ 2005, S. 870 (877; unter Bezugnahme auf eine private Umfrage unter 175 Unternehmen mit Sitz in acht Mitgliedstaaten); wohl auch Drobnig (Fn. 49), S. 119, 122 f.; ablehnend aber Armbrüster (Fn. 61), RabelsZ 60 (1996), S. 72 (86 ff.); Editorial Comments, CMLR 39 (2002), S. 219 (222 f.); Herresthal, Vertragsrecht, in: Langenbucher (Hrsg.), Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2005, S. 67 (80 ff.); Kronke (Fn. 46), S. 6 ff.; Leible (Fn. 10), EWS 2001, S. 471 (479 mit Fn. 98); Möllers, European Directives on Civil Law, The German Approach: Towards the Re-codiÞcation and New Foundation of Civil Law Principles, ERPL 2002, S. 777 (796); Riesenhuber, System und Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts, 2003, S. 184; Rittner (Fn. 39), S. 451; Sandrock (Fn. 42), EWS 1994, S. 1 (3); Staudinger (Fn. 54), VuR 2001, S. 353 (357 f.); unentschieden Kieninger (Fn. 49), S. 256 f.; Martiny (Fn. 51), S. 15; Sonnenberger (Fn. 47), RiW 2002, S. 489 (490).

72 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft gerade nicht einbezieht 64. Der Katalog in lit. a-c enthält zwar lediglich Regelbeispiele und ist damit auch gegenüber weiteren Maßnahmen offen. Richtung und Reichweite dieser Öffnung können aber nur aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschrift bestimmt werden. Dieser zielt jedoch allein auf die Beseitigung von Hindernissen in grenzüberschreitenden Sachverhalten, die aus prozess- oder kollisionsrechtlichen Normen resultieren 65. Nach einer Ansicht im Schrifttum ist im Rahmen von Art. 65 EG dagegen nur eine generelle Harmonisierung des materiellen Privatrechts ausgeschlossen, während Sachnormen zur Bewältigung grenzüberschreitender Sachverhalte auf Art. 65 EG gestützt werden könnten ( kleine Lösung ) 66. Selbst wenn man dieser die Systematik des Art. 65 EG negierenden Meinung folgen wollte, wäre aber weitergehend zu beachten, dass Art. 65 EG wegen seiner Stellung in Titel IV des EG-Vertrags ( Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr ) nur für Maßnahmen gilt, die den grenzüberschreitenden freien Personenverkehr betreffen 67. Wie aber etwa einheitliche Regeln über den Warenkauf diese Voraussetzung erfüllen können, ist nicht ersichtlich Art. 95 EG Art. 95 Abs. 1 Satz 2 EG ermöglicht die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Trotz dieser offenen, rein zielbezogen auf die Verwirklichung des Binnenmarktes hin ausgerichteten Formulierung kann die Bestimmung nicht i.s. einer allgemeinen Kompetenz zur Regelung des Binnenmarktes ausgelegt werden 69. Nach den vom Gerichtshof im Tabakwerbeverbots-Urteil entwickelten Kriterien, ist der von Art. 95 Abs. 1 EG vorausgesetzte Binnenmarktbezug vielmehr nur dann gegeben, wenn aufgrund der vorhandenen 64 Besse, Die justitielle Zusammenarbeit in Zivilsachen nach dem Vertrag von Amsterdam und das EuGVÜ, ZEuP 1999, S. 107 (116 f.); Brechmann, in: Calliess/ Ruffert (Hrsg.), EUV/ EGV, 2. Auß. 2002, Art. 65, Rn. 1; Knöfel, Bewegung im Vertragsrecht in Europa?, ZGS 2004, S. 26 (27); Leible (Fn. 10), EWS 2001, S. 471 (479); Schmahl, in: Groeben/ Schwarze (Hrsg.), EU-/ EG-Vertrag, Band 1, 6. Auß. 2003, Art. 65 EG, Rn. 2, 4; Staudenmayer (Fn. 18), EuZW 2003, S. 165 (170); Trüe, Das System der Rechtsetzungskompetenzen der EG und der EU, 2002, S Leible, in: Streinz (Hrsg.), EUV/ EGV, 2003, Art. 65 EG, Rn. 20; vgl. auch Remien, Europäisches Privatrecht als Verfassungsfrage, EuR 2005, S. 699 (706). 66 Heß, Die Europäisierung des internationalen Zivilprozessrechts durch den Amsterdamer Vertrag Chancen und Gefahren, NJW 2000, S. 23 (29 mit Fn. 106); für ein optionales Statut der europäischen Ehe: Dethloff, Europäische Vereinheitlichung des Familienrechts, AcP 204 (2004), S. 544 (565). 67 Basedow, Die Harmonisierung des Kollisionsrechts nach dem Vertrag von Amsterdam, EuZW 1997, S. 609; Lurger (Fn. 63), S. 112; Wiedmann, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000, Art. 65 EG, Rn. 9; a. A. Brechmann (Fn. 64), Rn. 1; Heß (Fn. 66), NJW 2000, S. 23 (27 mit Fn. 80); Staudinger, Rom, Brüssel, Berlin und Amsterdam Chiffren eines Europäischen Kollisionsrechts für Verbraucherverträge, ZfRV 2000, S. 93 (103 f.); vgl. zur Problematik auch Junker, Das internationale Privat- und Verfahrensrecht im Zugriff der Europäischen Union, in: Martiny/ Coester/ von Sachsen Gessaphe (Hrsg.), FS für Sonnenberger, 2004, S. 417 (418 ff.). 68 Basedow (Fn. 62), ERPL 2001, S. 35 (45). 69 EuGH, Rs. C-376/ 98 (Tabakwerbeverbot), Slg. 2000, I 8419, Rn. 83; vgl. zu diesem kompetenzrechtlichen Signal des Gerichtshofs Schmidt-Preuß, Gemeinschaftskompetenz oder nationale Gestaltungsautonomie Strukturfragen im Kontext der Energiepolitik, in: Büdenbender/ Kühne (Hrsg.), FS für J. F. Baur, 2002, S. 309 (316 f.).

73 382 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa Divergenzen zwischen den nationalen Rechtsvorschriften Handelshemmnisse bestehen bzw. wahrscheinlich entstehen können oder 70 spürbare Wettbewerbsverzerrungen hervorgerufen werden 71. Darüber hinaus ist in einem zweiten Schritt gewissermaßen als andere Seite der Medaille zu prüfen, ob die (beabsichtigte) Maßnahme auch tatsächlich den Zweck verfolgt, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern 72. a) Rechtsangleichung zur Beseitigung von Handelshemmnissen Angleichungsmaßnahmen nach Art. 95 EG sind damit insbesondere dann notwendig, wenn der freie Warenverkehr durch eine staatliche Maßnahme beschränkt wird, aber wegen des Vorliegens von Rechtfertigungsgründen nicht über Art. 28 EG gewährleistet werden kann 73. Der Binnenmarkt ist in dem betroffenen Bereich erst errichtet, wenn eine Rechtsangleichung erfolgt, weil dann allein der von der Harmonisierungsmaßnahme festgelegte Rahmen maßgeblich für den berechtigten Erlass einzelstaatlicher Schutzmaßnahmen ist 74. aa) Reichweite der Warenverkehrsfreiheit Damit kommt der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Warenverkehrsfreiheit zentrale Bedeutung zu. Diese soll zwar einerseits den binnenmarktlichen Freiverkehr gewährleisten, andererseits wären bei einer extensiven Auslegung aber kaum mehr überschaubare Teile des nationalen Rechts an ihrem Maßstab zu messen 75. Seit dem Urteil Keck und Mithouard unterscheidet der Gerichtshof daher im Bereich der Warenverkehrsfreiheit zwischen Regelungen, die eine bestimmte 70 Zum Erfordernis des alternativen oder kumulativen Vorliegens dieser Merkmale: Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 5. Auß. 2006, Rn. 943; Leible (Fn. 65), Rn. 19; Ludwigs (Fn. 4), S. 209; Tietje, in: Grabitz/ Hilf (Hrsg.), EUV/ EGV, Art. 95 EG, Rn. 19, 38 einerseits (alternativ) und Schweitzer/ Schroeder/ Bock, EG-Binnenmarkt und Gesundheitsschutz, 2002, S. 33 ff.; Selmayr/ Kamann/ Ahlers, Die Binnenmarktkompetenz der Europäischen Gemeinschaft, EWS 2003, S. 49 (55 ff.) andererseits (kumulativ); der Gegensatz relativiert sich indes, wenn man mit Bock (Rechtsangleichung und Regulierung im Binnenmarkt, 2005, S. 127) davon ausgeht, dass der Nachweis eines der beiden Tatbestandsmerkmale das Vorliegen des anderen impliziert. 71 EuGH, Rs. C-376/ 98 (Tabakwerbeverbot), Slg. 2000, I 8419, Rn. 84 ff.; 95, 106 f.; EuGH, Rs. C-491/ 01 (Tabakproduktrichtlinie), Slg. 2002, I 11453, Rn. 60 f.; EuGH, Rs. C-434/ 02 (Arnold André), Slg. 2004, I 11825, Rn. 30 ff.; EuGH, Rs. C-210/ 03 (Swedish Match), Slg. 2004, I 11893, Rn. 29 ff., 75 f.; EuGH, verb. Rs. C-154/ 04 und C-155/04 (Alliance for Natural Health), EuZW 2005, S. 598, Rn. 29; vgl. auch schon EuGH, Rs. C-350/ 92 (SchutzzertiÞkat für Arzneimittel), Slg. 1995, I 1985, Rn. 32 ff. 72 EuGH, Rs. C-376/ 98 (Tabakwerbeverbot), Slg. 2000, I 8419, Rn. 84; s. auch Hillgruber, in: Krause/ Veelken/ Vieweg (Hrsg.), GS für Blomeyer, 2004, S. 597 (601); Ludwigs, Art. 95 EG als Rechtsgrundlage für ein Vermarktungsverbot von Tabakerzeugnissen zum oralen Gebrauch?, europa-blätter 2006, S. 45 (46). 73 Von Danwitz, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 1, B. II Rn. 80; Epiney, in: Calliess/ Ruffert (Hrsg.), (Fn. 64), Art. 28 EG, Rn. 53; Schmidt-Preuß, Europarechtliche und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der Energiepolitik, UTR 61 (2002), S. 27 (37); Selmayr/ Kamann/ Ahlers (Fn. 70), EWS 2003, S. 49 (51 ff.). 74 EuGH, Rs. 5/ 77 (Denkavit), Slg. 1977, 1555, Rn. 33/ 35; EuGH, Rs. 148/ 78 (Ratti), Slg. 1979, 1629, Rn. 36; EuGH, Rs. C-323/ 93 (Centre d insémination), Slg. 1994, I 5077, Rn. 31; EuGH, Rs. C-5/ 94 (Hedley Lomas), Slg. 1996, I 2553, Rn Epiney (Fn. 73), Rn. 39; Nettesheim, Die europarechtlichen Grundrechte auf Mobilität (Art. 48, 52 EGV), NVwZ 1996, S. 342 (343 f.).

74 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft Beschaffenheit (Bezeichnung, Form, Abmessungen, Gewicht, Aufmachung, Ausstattung, Kennzeichnung, Verpackung und Zusammensetzung 76 ) der Ware vorschreiben (produktbezogene Regelungen) und solchen Vorschriften, die nur bestimmte Verkaufs- oder Absatzmodalitäten beschränken oder verbieten (vertriebsbezogene Regelungen) 77. Letztere fallen nicht (mehr) in den Anwendungsbereich des Art. 28 EG, sofern sie für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren 78. bb) Gleichklang der Art. 28 und 95 EG Fällt eine nationale Regelung infolge der Keck-Rechtsprechung aus dem Anwendungsbereich des Art. 28 EG heraus, so lässt dies erkennen, dass der Wahrung des Kompetenzspielraums der Mitgliedstaaten insoweit der Vorrang einzuräumen ist 79. Ein Handeln der Gemeinschaft auf der Grundlage der Binnenmarktkompetenz muss hier ausscheiden. Wenn eine Maßnahme Art. 28 EG nicht unterfällt, weil sie weder den Marktzugang versperrt, noch eine Ungleichbehandlung eingeführter Waren zur Folge hat, ist nicht ersichtlich, weshalb eine Rechtsangleichung gleichwohl wie es Art. 14 Abs. 1 EG 80 verlangt 81 zum Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sein soll. Zu betonen ist aber, dass Art. 95 EG daneben auch unter dem noch zu erörternden Gesichtspunkt der Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen einschlägig sein kann. 76 EuGH, Rs. C-51/ 93 (Meyhui), Slg. 1994, I 3879; EuGH, Rs. C-315/ 92 (Clinique), Slg. 1994, I 317; EuGH, Rs. C-17/ 93 (van der Veldt), Slg. 1994, I 3537; EuGH, Rs. 368/ 95 (Familiapress), Slg. 1997, I 3689; EuGH, Rs. C-33/ 97 (Colim), Slg. 1999, I EuGH, verb. Rs. C-267/ 91 und C-268/ 91 (Keck und Mithouard), Slg. 1993, I 6097, Rn. 15; seither st. Rechtsprechung: vgl. z.b. EuGH, Rs. C-391/ 92 (Säuglingsmilch), Slg. 1995, I 1621, Rn. 13 f.; EuGH, Rs. C-470/ 93 (Mars), Slg. 1995, I 1923, Rn. 12 f.; EuGH, Rs. C-71/ 02 (Karner), Slg. 2004, I 3025, Rn. 37 ff.; EuGH, Rs. C-309/ 02 (Radlberger), Slg. 2004, I 11763, Rn. 70 ff. 78 EuGH, verb. Rs. C-267/ 91 und C-268/ 91 (Keck und Mithouard), Slg. 1993, I 6097, Rn. 16 f.; näher zur Keck-Formel : Nedegen, Europarecht, 7. Auß. 2005, 16 Rn. 9 ff.; Streinz, Europarecht, 7. Auß. 2005, Rn Leible, in: Grabitz/ Hilf (Hrsg.), (Fn. 70), Art. 28 EG, Rn Zur Erforderlichkeit als Ermächtigungseinschränkung i.r. von Art. 95 EG-Vertrag: Bruha, Rechtsangleichung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ZaöRV 46 (1986), S. 1 (12 ff.); Ludwigs (Fn. 4), S. 188 ff.; ders. (Fn. 72), europa-blätter 2006, S. 45 (51); s. aber auch Bock (Fn. 70), S. 156 ff. 81 Ebenso von Bogdandy/ Bast, Die vertikale Kompetenzordnung der EU, EuGRZ 2001, S. 441 (449 mit Fn. 93); Herr, Grenzen der Rechtsangleichung nach Art. 95 EG, EuZW 2005, S. 171 (172); Leible, (Fn. 79), Rn. 30; Ludwigs (Fn. 4), S. 196; Selmayr/ Kamann/ Ahlers (Fn. 70), EWS 2003, S. 49 (52); Stotz, Binnenmarkt und gemeinschaftliche Rechtsetzung Aktuelle Rechtsfragen, in: Henke (Hrsg.), 10 Jahre Binnenmarkt EU-Erweiterung-eCustoms, 2003, S. 29 (32); Strohmayr, Kompetenzkollisionen zwischen europäischem und nationalem Recht, 2006, S. 134; Tietje (Fn. 70), Rn. 30; Weiler, in: Craig/ de Búrca (Eds.), The Evolution of EU Law, 1999, S. 349 (372); i.e. auch von Danwitz, Zur Reichweite der Gemeinschaftskompetenz nach Art. 100a I und III EG a.f. (Art. 95 I und III EGV n.f.), EuZW 1999, S. 622 (624); a.a. Matthies, Art. 30 EG-Vertrag nach Keck, in: Due/ Lutter/ Schwarze (Hrsg.), FS für Everling, Band I, 1995, S. 803 (814); Lurger (Fn. 63), S. 106; Riesenhuber (Fn. 63), S. 137 f; vgl. auch Bock (Fn. 70), S. 97 ff.; Davies, Can selling arrangements be harmonised?, ELR 30 (2005), S. 370 (373 ff.); Remien (Fn. 5), S. 196; Trüe (Fn. 64), S. 210 ff., 266 f.; ausführlich Simm, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im föderalen Kompetenzkonßikt, 1998, S. 170 ff.

75 384 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa cc) Vertragsrechtliche Regelungen als Handelshemmnisse i.s. des Art. 28 EG Damit stellt sich die Frage, ob aus der Unterschiedlichkeit der vertragsrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten Hemmnisse für den freien Warenverkehr resultieren. Dies wäre im Grundsatz zu verneinen, wenn die privatrechtlichen Vorschriften als Verkaufsmodalitäten i.s. der Keck-Formel einzuordnen wären. Angesichts des Gleichklangs der Art. 28 und 95 EG müsste Art. 95 EG dann unter dem Gesichtspunkt der Beseitigung von Handelshemmnissen als Kompetenzgrundlage ausscheiden. Für die Einordnung der vertragsrechtlichen Vorschriften als Verkaufsmodalitäten spricht auch regelmäßig, dass hierin keine Anforderungen an die Beschaffenheit der Ware selbst formuliert werden, es mithin an einem unmittelbaren Produktbezug fehlt 82. Nach anderer Auffassung gestalten dagegen viele Privatrechtsnormen, namentlich des Vertragsrechts, die primären und sekundären Leistungspßichten näher aus und müssen deshalb als Produktvorschriften qualiþziert werden 83. Beispielhaft werden die Gewährleistungsvorschriften beim Kauf herangezogen 84. Dabei wird argumentiert, dass die Ware und das Gewährleistungsrecht aus Sicht des Käufers einen einheitlichen Kaufgegenstand, ein gekoppeltes Produkt, darstellten 85. Je vorteilhafter die Gewährleistungsrechte ausgestaltet seien, desto wertvoller sei die Ware für den Kunden. Aus Herstellersicht wären mögliche Aufwendungen für Gewährleistungsansprüche zu berücksichtigen und bei der Bestimmung der Stückkosten zu Grunde zu legen. Die Reichweite der Gewährleistungsrechte beeinßusse daher auch Qualität und Ausgestaltung der Ware 86. Gegen diese Ansicht spricht indes, dass sich produktbezogene Vorschriften gerade dadurch auszeichnen, dass sie die Beschaffenheit der Ware selbst betreffen und so die Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten vor die Alternative stellen, das im Herkunftsland rechtmäßig hergestellte oder in Verkehr gebrachte Erzeugnis den Vorschriften des Bestimmungslandes anzupassen oder auf einen Marktzugang zu verzichten 87. Eine solche kontingentierende Wirkung entfalten die vertragsrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten gerade nicht. Sie dienen vielmehr regelmäßig 88 allein der Ausgestaltung der (primären und sekundären) Ansprüche auf das jeweilige Produkt und führen nicht zu einer relevanten Marktzutrittserschwerung Franzen, Privatrechtsangleichung durch die Europäische Gemeinschaft, 1999, S. 135; i.e. auch Remien (Fn. 5), S Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, 1996, S Langner, Das Kaufrecht auf dem Prüfstand der Warenverkehrsfreiheit des EG-Vertrages, RabelsZ 65 (2001), S. 222 (232). 85 Ibidem, S Ibidem, S Die Heranziehung des Marktzugangskriteriums wird besonders deutlich in EuGH, Rs. C-239/ 02 (Douwe Egberts), Slg. 2004, I 7007, Rn. 51 ff. 88 Vgl. aber auch Heiderhoff (Fn. 26), S. 24 m.w.n. 89 Franzen (Fn. 82), S. 135; für eine Einordnung privatrechtlicher Regelungen als Verkaufsmodalitäten auch Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, 2004, S. 219; Reich, in: ders./ Micklitz, Europäisches Verbraucher-

76 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft An einer Eignung zur Behinderung des Freiverkehrs fehlt es insbesondere bei dispositiven Regelungen, die den Parteien gerade die Möglichkeit eröffnen, abweichende Vereinbarungen zu treffen 90. Gleiches gilt auch für zwingendes nationales Recht, sofern das Internationale Privatrecht den Parteien die Möglichkeit belässt, die auf ihr Rechtsverhältnis anzuwendende Rechtsordnung frei zu wählen. Dementsprechend hat der Gerichtshof in der Entscheidung Alsthom Atlantique für eine zwingende Regelung des französischen Kaufrechts entschieden, dass diese sich nicht als Beschränkung des freien Warenverkehrs darstelle, weil es den Parteien frei stehe, das auf ihre Vertragsbeziehungen anwendbare Recht zu bestimmen und so die Unterwerfung unter das französische Recht zu vermeiden 91. Soweit gegen die Einordnung privatrechtlicher Bestimmungen als Verkaufsmodalitäten eingewandt wird, dass sich weite Teile des Zivilrechts ohne Zwang weder als produkt- noch als vertriebsbezogen qualiþzieren ließen 92, vermag auch dies nicht zu überzeugen. Maßgeblich erscheint vielmehr, dass allein produktbezogene Vorschriften stets marktzutrittsbehindernde Wirkung entfalten und den einheimischen Anbietern auf diese Weise Vorteile im Wettbewerb verschaffen. Das spricht dafür, alle mitgliedstaatlichen Regelungen, die nicht als produktbezogen eingeordnet werden können, unter den bewusst vage gehaltenen Begriff der Verkaufsmodalitäten zu fassen 93. b) Beseitigung von Unsicherheiten der Marktteilnehmer über die Rechtslage Zur Kompetenzbegründung i.r. von Art. 95 Abs. 1 EG wird daher von Teilen der Literatur maßgeblich auf den Schutz der Nachfragerfreiheit 94 abgestellt. Hierbei geht es vor allem um den Verbraucher als Akteur des Binnenmarktes, der durch grenzüberschreitende Nachfrage zu einer auch faktischen Öffnung der nationalen recht, 4. Auß. 2003, S. 62; a.a. Freitag, Der Einßuss des europäischen Gemeinschaftsrechts auf das internationale Produkthaftungsrecht, 2000, S. 232 ff.; Klauer, Die Europäisierung des Privatrechts, 1998, S. 75 ff.; diff. Riesenhuber (Fn. 63), S. 94 ff. 90 Überzeugend Grundmann, Europäisches Handelsrecht, ZHR 163 (1999), S. 635, (656 ff.); vgl. auch Armbrüster (Fn. 61), RabelsZ 60 (1996), S. 72, 76; Kieninger (Fn. 49), S. 247; Remien (Fn. 50), ZfRV 1995, S. 116, 129 f.; Riesenhuber (Fn. 63), S. 96 ff.; a.a. Langner (Fn. 84), RabelsZ 65 (2001), S. 222, 227 ff.; von Wilmowsky, EG-Freiheiten und Vertragsrecht, JZ 1996, S. 590 (595 f.). 91 EuGH, Rs. C-339/ 89 (Alsthom Atlantique), Slg. 1991, I 107, Rn. 15; zust. Riesenhuber (Fn. 63), S. 99 ff; ausf. hierzu Remien (Fn. 5), S. 186 ff. Vgl. aber auch die Ausführungen der Kommission im Aktionsplan Ein kohärentes europäisches Vertragsrecht (KOM 2003, 68 endg., S. 12 Rn. 32). Darin wird hervorgehoben, dass die Übergänge zwischen zwingendem und nicht-zwingendem Recht in der Praxis ßießend seien (ebenso Heiderhoff, s. Fn. 26, S. 22 f.). Praktisch werde in vielen Verträgen vorhandenes dispositives Recht nicht durch Einfügung speziell für ein bestimmtes Problem ausgehandelter Klauseln abbedungen, oder es werde überhaupt kein anwendbares Recht bestimmt. 92 Klauer (Fn. 89), S. 83, die von einer dritten Kategorie staatlicher Normen spricht; zustimmend Heiderhoff (Fn. 26), S. 24 f.; Lurger (Fn. 63), S. 273 f. 93 Franzen (Fn. 82), S. 133 f.; in diese Richtung auch Armbrüster (Fn. 61), RabelsZ 60 (1996), S. 72 (75); Basedow (Fn. 54), S. 353 f.; Mülbert, Privatrecht, die EG-Grundfreiheiten und der Binnenmarkt, ZHR 1995, S. 2 (22); Remien, Grenzen der gerichtlichen Privatrechtsangleichung mittels der Grundfreiheiten des EG-Vertrages, JZ 1994, S. 349, (352 f.). 94 Vgl. hierzu aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs z.b. EuGH, verb. Rs. 286/ 82 und 26/ 83 (Luisi & Carbone), Slg. 1984, 377; EuGH, Rs. 186/ 87 (Cowan), Slg. 1989, 195.

77 386 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa Märkte beiträgt. Nach einer Auffassung kann diese den Verbrauchern zugedachte Funktion als Motor der Integration 95 nur dann aktiviert werden, wenn zuvor die Ungewissheit der Marktteilnehmer über die in den anderen Mitgliedstaaten bestehende Rechtslage beseitigt wird 96. Die Schaffung einheitlicher Mindeststandards im Verbraucherschutzrecht bilde hierfür die Voraussetzung. 97 Diese Argumentation hat auch Eingang in die Erwägungsgründe der verbraucherschützenden Richtlinien der Gemeinschaft gefunden 98. Gegen eine derartige Inbezugnahme des Verbrauchers als Akteur des Binnenmarktes spricht aber, dass dann nahezu jede Maßnahme des verbraucherrelevanten Privatrechts zugleich den für Art. 95 Abs. 1 EG erforderlichen Binnenmarktbezug aufweisen würde 99. Der Gemeinschaft käme eine weithin unbeschränkte Kompetenz zur Harmonisierung des Verbraucherschutzrechts zu, von der etwa auch die Schaffung eines Europäischen Verbrauchervertragsgesetzbuches 100 umfasst wäre. Worin dann aber noch der eigenständige Regelungsgehalt der originären Verbraucherschutzkompetenz des Art. 153 Abs. 3 lit. b EG bestehen soll, die gerade nicht binnenmarktþnal ausgerichtet ist, bleibt unklar 101. Indem rein psychologische Barrieren (aus dem InformationsdeÞzit resultierende Unsicherheiten der Marktteilnehmer) als relevante Hindernisse für die Verwirklichung des Binnenmarktes eingestuft werden, wird letztlich das Bestehen divergierender Rechtsvorschriften als solches zum Anknüpfungspunkt der Rechtsangleichung Begriff (im Kontext) von Grundmann (Fn. 54), S. 198 Rn Heiss, Verbraucherschutz im Binnenmarkt: Art. 129a EGV und die wirtschaftlichen Verbraucherinteressen, ZEuP 1996, S. 625 (639 ff.); zustimmend Grundmann (Fn. 54), S. 198, 227, 292 f.; vgl. auch Engel (Fn. 62), ZfRV 1999, S. 121 (125); Reich (Fn. 89), S. 22 m.w.n.; Staudenmayer (Fn. 18), ZEuP 2003, S. 828 (845 f.); zum Konzept des Verbrauchers als Adressat der Freiverkehrsregelungen Rambow, Möglichkeiten und Grenzen der Verbraucherpolitik im Gemeinsamen Markt, EuR 1981, S. 240 (242); Schubert, Der Gemeinsame Markt als Rechtsbegriff, S. 189 ff.; Weatherill, in: Craig/ de Burca (Eds.), (Fn. 81), S. 693 (716 ff.); ders., Reßections on the EC`s Competence to Develop a `European Contract Law`, ERPL 2005, S. 405 (415 ff.). 97 Heiss (Fn. 96), ZEuP 1996, S. 625 (639 f.). 98 Beispielhaft sei insoweit auf die Ausführungen in der noch auf Art. 100 EWGV (Art. 94 EG n.f.) gestützten sog. Verbraucherkredit-Richtlinie 87/ 102/ EWG verwiesen, wo es heißt: Die unterschiedlichen Rechtsvorschriften begrenzen die Möglichkeiten für den Verbraucher, in einem anderen Mitgliedstaat Kredit aufzunehmen. Sie berühren das Volumen und die Art der in Anspruch genommenen Kredite sowie den Erwerb von Gütern und Leistungen. Die unterschiedlichen Rechtsvorschriften beeinßussen infolgedessen den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen, die der Verbraucher sich auf Kredit beschaffen kann und beeinträchtigen somit unmittelbar das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes (ABl. 1987, Nr. L 42/ S. 48, Erwägungsgründe 3 und 4). In ihrem Bericht über die Anwendung der Richtlinie 87/102/EWG musste die Kommission dann aber feststellen, dass das Volumen der Kreditgeschäfte zwischen Verbrauchern und nicht im Land des Verbrauchers etablierten Kreditgebern nicht wesentlich zugenommen zu haben [scheint] [vgl. KOM (95) 117 endg. Rn. 73]. Ein weiteres besonders deutliches Beispiel bilden die Erwägungsgründe 4 und 5 der Verbrauchsgüterkauf- Richtlinie 1999/ 44/ EG (ABl. 1999, Nr. L 171/ S. 12). 99 Editorial Comments, CMLR 34 (1997), S. 207 (209 f.); Franzen (Fn. 82), S. 114; Roth, Generalklauseln im Europäischen Privatrecht, in: Basedow/ Hopt/ Kötz (Hrsg.), FS für Drobnig, 1998, S. 135 (144 f.); ders. (Fn. 4), ERPL 2002, S. 761 (765); s. auch Dreher (Fn. 4), JZ 1999, S. 105 (111). 100 Hierfür z.b. Leible (Fn. 10), EWS 2001, S. 471 (476 f.); s. auch Vogl, Vertragsrechtsvereinheitlichung in Europa auf welchem Weg? ZfRV 2004, S. 163 (168). 101 Franzen (Fn. 82), S In diese Richtung auch Bock (Fn. 70), S. 112; a.a. Engel (Fn. 62), ZfRV 1999, S. 121 (125). Der Gerichtshof hat auch soweit ersichtlich noch in keiner Entscheidung zu den Grundfreiheiten die aus der Anwendung des Rechts des Bestimmungslandes folgenden erhöhten Informationskosten für ausländische Anbieter problematisiert. Das legt den Schluss nahe, dass diese Informationslasten allein keinen hinreichenden Anknüpfungspunkt

78 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft Der föderalen dem Subsidiaritätsprinzip verpßichteten Struktur der Gemeinschaft läuft das diametral entgegen. c) Rechtsangleichung zur Herstellung von Wettbewerbsgleichheit Den zweiten Pfeiler der Binnenmarktkompetenz des Art. 95 GG bildet neben der Beseitigung von Handelshemmnissen die Herstellung von Wettbewerbsgleichheit zwischen den Wirtschaftsteilnehmern 103. Als problematisch erweist sich insoweit aber, dass nahezu jeder Unterschied in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten dahingehend interpretiert werden kann, dass sich hieraus, jedenfalls potentiell, Wettbewerbsverfälschungen im Binnenmarkt ergeben 104. Der Gerichtshof hat daher im Tabakwerbeverbots-Urteil den Weg zu einer begrenzenden Auslegung gewiesen. Hiernach muss ein auf der Grundlage der allgemeinen Binnenmarktkompetenz erlassener Rechtsakt tatsächlich zur Beseitigung spürbarer Verzerrungen des Wettbewerbs beitragen 105. aa) Spürbarkeit als qualitatives und/oder quantitatives Kriterium Beim Versuch einer Präzisierung des vom Gerichtshof betonten Spürbarkeitskriteriums ist zunächst zu klären, ob es sich hierbei um ein quantitatives, mengenmäßig bestimmtes (Kosten, Marktanteile) oder um ein qualitatives, auf die Beschaffenheit der Wettbewerbsverzerrung abstellendes Merkmal handelt. Dass die Spürbarkeit kein rein quantitatives Kriterium darstellt 106, wird deutlich, wenn der EuGH das Vorliegen spürbarer Wettbewerbsverzerrungen verneint, soweit sich die nationalen Rechtsvorschriften nur entfernt und mittelbar auf den Wettbewerb auswirken 107. Durch das Abstellen auf die Entferntheit und Mittelbarkeit der Wettbewerbsverzerrung wird mit der Kausalität ein qualitatives Kriterium ins Zentrum der Argumentation gerückt. Das könnte dafür sprechen, die Spürbarkeit als ein rein qualitatives Kausalitätskriterium aufzufassen 108. Dem steht jedoch die Tatsache entgegen, dass nicht auszubieten, um eine Beschränkung der Grundfreiheiten zu bejahen (Roth, Die Grundfreiheiten und das Internationale Privatrecht Das Beispiel Produkthaftung, in: GS für Lüderitz, 2000, S. 635, 639 f., 656; s. auch Körber, s. Fn. 89, S. 210). 103 EuGH, Rs. C-300/ 89 (Titandioxid), Slg. 1991, I 2867, Rn. 15, 23; EuGH, Rs. C-350/ 92 (SchutzzertiÞkat für Arzneimittel), Slg. 1995, I 1985, Rn. 32; EuGH, Rs. C-376/ 98 (Tabakwerbeverbot), Slg. 2000, I 8419, Rn. 106 ff.; dem folgend, die herrschende Meinung in der Literatur [vgl. statt vieler Ludwigs (Fn. 4), S. 168 f. m. w.n.] 104 Simma/ Weiler/ Zöckler, Kompetenzen und Grundrechte, 1999, S. 46 ff.; vgl. auch Callies, Der Binnenmarkt, die europäische Kompetenzordnung und das Subsidionitätsprinzip im Lichte der neuen Europäischen Verfassung, in: Köck/Lengauer/Ress, FS für P. Fischer, 2004, S. 1 (18 f.). 105 EuGH, Rs. C 376/ 98 (Tabakwerbeverbot), Slg. 2000, I 8419, Rn Gegen die Anerkennung eines Spürbarkeitskriteriums i.r. von Art. 95 EG: R. Wägenbaur, Werberecht und Werbeverbote, EuZW 1995, S. 431 (434); vgl. auch Pipkorn/ Bardenhewer-Rating/ Taschner, in: Groeben/ Schwarze (Hrsg.), EU-/ EG-Vertrag, Band 2, 6. Auß. 2003, Art. 95 EG, Rn. 17 mit Fn So aber wohl Görlitz, Tabakwerbung und Europa: Im zweiten Anlauf endlich am Ziel?, ZUM 2002, S. 97 (100). 107 EuGH, Rs. C-376/ 98 (Tabakwerbeverbot), Slg. 2000, I 8419, Rn Bock (Fn. 70), S. 123; Schweitzer/ Schroeder/ Bock (Fn. 70), S. 44; Selmayr/ Kamann/ Ahlers (Fn. 70), EWS 2003, S. 49 (54 f.); Leible (Fn. 65), Rn. 21; Tietje (Fn. 70), Rn. 36; anders wiederum Kamann, Viel Rauch um

79 388 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa schließen ist, dass sich unterschiedliche Rechtsvorschriften zwar nur mittelbar, gleichwohl aber z.b. kostenmäßig ganz erheblich auf die Wettbewerbsbedingungen der Marktteilnehmer auswirken. Insgesamt spricht daher viel für eine Kombination quantitativer und qualitativer Gesichtspunkte 109. bb) Wechselwirkung mit zwei weiteren Kriterien Das so verstandene, zweigliedrige Spürbarkeitsmerkmal steht selbst wiederum in einer Wechselwirkung mit zwei weiteren Kriterien. So steigen die Anforderungen an die Spürbarkeit der Wettbewerbsverzerrung in dem Maße, wie die Angleichungsmaßnahme sich nicht auf bestimmte Wirtschaftszweige (z.b. Vereinheitlichung der Wettbewerbsbedingungen für die Titandioxid-Industrie) bezieht, sondern die durch die allgemeinen standortbedingten Unterschiede (Steuern, Sozialabgaben etc.) verursachten Verfälschungen im Wettbewerb der Unternehmen in den Blick nimmt und/oder - sachlich in Politikbereiche eingreift, für die der Gemeinschaft i.r. der spezi- Þschen Sachkompetenzen des EG-Vertrages nur begrenzte Handlungsbefugnisse übertragen wurden und die daher als zentrale Bereiche mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten identiþziert werden können 110. Je allgemeiner die Harmonisierungsmaßnahme angelegt ist und je weiter sie in zentrale Bereiche mitgliedstaatlicher Zuständigkeit vordringt, desto stärker ist nämlich regelmäßig auch der Eingriff in den vertraglich geschützten (vgl. z.b. Art. 5 EG oder Art. 6 Abs. 3 EU) 111 Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten und umso höher sind dann auch die an die Rechtfertigung entsprechender Gemeinschaftsrechtsakte zu stellenden Anforderungen 112. nichts? Gesundheitsschutz im Rahmen der Binnenmarktharmonisierung gemäß Artikel 95 EGV nach dem Tabakwerbeurteil des EuGH, ZEuS 2001, S. 23 (37 f.), der zwischen der (rein quantitativen) Spürbarkeit und der Unmittelbarkeit differenziert. 109 So schon Ludwigs (Fn. 4), S. 198 f.; ders., Standortbedingte Wettbewerbsverfälschungen: Grund für die Angleichung nationalen Rechts oder Ausdruck der föderalen Struktur der EG?, in: Hanns Martin Schleyer-Stiftung, VII. Kongress Junge Juristen und Wirtschaft, 2002, S. 126 f. 110 Ausführlich Ludwigs (Fn. 4), S. 199 ff.; weitergehend Simma/ Weiler/ Zöckler (Fn. 104), S. 49 f. 111 Hierzu Ludwigs (Fn. 4), S. 152 ff. 112 Die beiden vorgenannten Kriterien Þnden sich der Sache nach auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs: So rechtfertigte der EuGH die Heranziehung von Art. 130s EWGV (Art. 175 EG n.f.) als Rechtsgrundlage der Richtlinie 91/ 156/ EWGV zur Änderung der Richtlinie 75/ 442/ EWG über Abfälle (ABl. 1991, Nr. L 78/ S. 37) in der Rechtssache C-155/ 91 (Abfallrichtlinie) damit, dass Hauptzweck der Richtlinie der Umweltschutz gewesen sei und sich die Abfallrichtlinie nur nebenbei auf die Wettbewerbs- und Handelsbeziehungen auswirke. Darin unterscheide sie sich von der zutreffend auf Art. 100a EWGV (Art. 95 EG n.f.) gestützten Richtlinie 89/ 428/ EWG über die Modalitäten zur Vereinheitlichung der Programme zur Verringerung und späteren Unterbindung der Verschmutzung durch Abfälle der Titandioxid-Industrie (ABl. 1989, Nr. L 201/ S. 56) die darauf gerichtet gewesen sei, die nationalen Rechtsvorschriften über die Produktionsbedingungen in einem bestimmten Industriesektor mit dem Ziel der Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen in diesem Sektor anzugleichen [EuGH, Rs. C-155/ 91 (Abfallrichtlinie), Slg. 1993, I 939 Rn. 20 Hervorhebungen durch Verfasser; vgl. hierzu auch Bock (Fn. 70), S. 108 f.]. Eine Differenzierung nach unterschiedlichen Politikbereichen Þndet sich etwa im Tabakwerbeverbots-Urteil des EuGH, wo der Gerichtshof für den Bereich der Gesundheitspolitik ausführt, dass die Artikel des EG-Vertrags nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden

80 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft Die Frage, welche Politikbereiche im Einzelnen zu den zentralen Materien mitgliedstaatlicher Zuständigkeit rechnen, ist auf der Grundlage des EG-Vertrags selbst zu beantworten. Besondere Bedeutung gewinnen hier die sog. negativen Kompetenzklauseln 113. Hiermit sind solche Kompetenzbestimmungen angesprochen, die Grenzen der Rechtsmacht der Gemeinschaft formulieren 114. Zu nennen sind etwa die in Art. 129 Abs. 2, 149 Abs. 4 Spstr. 1, 150 Abs. 4, 151 Abs. 5 Spstr. 1 und 152 Abs. 4 lit. c EG verankerten Harmonisierungsverbote in den Politikbereichen Beschäftigung, Bildung, Kultur und Gesundheit oder auch Art. 137 Abs. 5 EG, der Teilbereiche der Sozialpolitik (Arbeitsentgelt, Koalitionsrecht, Streikrecht, Aussperrungsrecht) vollständig von der Gemeinschaftszuständigkeit nach Art. 137 Abs. 2 lit. b EG ausnimmt 115. cc) Angleichung der nationalen Vertragsrechte Versucht man die Frage nach einer Angleichung der nationalen Vertragsrechte anhand der vorstehend erarbeiteten Kriterien zur Konkretisierung des Spürbarkeitserfordernisses zu beantworten, so ergibt sich zunächst, dass eine branchenübergreifende nicht auf bestimmte Wirtschaftszweige beschränkte KodiÞkation weiter Teile der nationalen Zivilrechtssysteme in besonderem Maße rechtfertigungsbedürftig erscheint. Hierfür spricht auch der Umstand, dass der EG-Vertrag der Gemeinschaft eine explizite Zuständigkeit zur Angleichung des Privatrechts nur auf bestimmten Teilgebieten (vgl. z.b. Art. 44 Abs. 2 lit. g oder Art. 65 EG) einräumt. Weitergehend wird darauf hingewiesen, dass der Erlass eines einheitlichen Zivilgesetzbuchs und die Aufhebung der nationalen Zivilgesetzbücher einen schmerzlichen Verlust an kultureller Vielfalt bedeuten würde 116. Dies könnte für einen Eingriff in einen zentralen Bereich mitgliedstaatlicher Kompetenzen sprechen. Auch wenn hiergegen eingewandt werden kann, dass die kulturelle Identität eines Landes durch die marktnahen Regeln von Vertragsrecht, Haftungsrecht, Gesellschaftsrecht und Wettbewerbsrecht nicht grundlegend erschüttert wird 117, so zeigt sich doch, dass zumindest im Falle einer VollkodiÞkation höchste Anforderungen an die Spürbarkeit der Wettbewerbsverzerrungen zu stellen wären. könnten, um den ausdrücklichen Ausschluss jeglicher Harmonisierung gemäß Artikel 129 Absatz 4 EG-Vertrag zu umgehen (EuGH, Rs. C-376/ 98, Tabakwerbeverbot, Slg. 2000, I 8419, Rn. 79; s. auch EuGH, Rs. C-491/ 01, Tabakproduktrichtlinie, Slg. 2002, I 11453, Rn. 190). 113 De Witte, The Cultural Dimension of Community Law, in: Collected Courses of the Academy of European Law, Vol. IV, Book 1, 1995, S. 229 (293). 114 Ausführlich Mayer, Die drei Dimensionen der Europäischen Kompetenzdebatte, ZaöRV 61 (2001), S. 577 (583 f., 585 ff.). 115 Ausführlich hierzu Ludwigs (Fn. 4), S. 200 ff. 116 Blaurock, Wege zur Rechtseinheit im Zivilrecht Europas, in: Starck (Hrsg.), Rechtsvereinheitlichung durch Gesetze, 1992, S. 90 (93); Jayme (Fn. 47), S. 5 (8 f.); Riesenhuber (Fn. 63), S. 177 ff.; Rittner, Wieviel Europa braucht Europa?, EuR 1998, S. 3 (17); Sandrock (Fn. 42), EWS 1994, S. 1 (5); vgl. auch Flume, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung, ZIP 2000, S (1429); Graf von Westphalen, Wieviel Einheitlichkeit braucht das Recht?, AnwBl. 2005, S. 21 f. 117 Drobnig (Fn. 49), S. 119 f.; Müller-Graff (Fn. 40), S. 65.

81 390 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa Im Weiteren rückt damit die Frage nach dem Näheverhältnis der Regelung zu der durch sie verursachten Wettbewerbsverzerrung in den Blickpunkt. Zu untersuchen ist also, ob sich die divergierenden vertragsrechtlichen Bestimmungen unmittelbar oder mittelbar auf die Wettbewerbssituation der Unternehmen auswirken. Dabei kann zwischen dispositiven Regelungen, intern zwingenden Regelungen, die bei internationalen Sachverhaltsgestaltungen der Rechtswahl zugänglich sind, und international zwingenden Regelungen ohne Rechtswahlmöglichkeit unterschieden werden. (1) Dispositive Regelungen Dispositive Regelungen können schon deshalb keine spürbaren Wettbewerbsverzerrungen verursachen, weil es den Parteien offen steht, der belastenden Wirkung durch eine entsprechende Vertragsgestaltung zu entgehen. Der Einwand, die Beteiligten verhandelten stets im Schatten des Gesetzes, welches den Anbietern aus verschiedenen Mitgliedstaaten eine ungleiche Ausgangsbasis biete 118, macht dagegen die bloße Verschiedenheit der Privatrechtsvorschriften (und die sich hieraus ergebenden Informationskosten über fremdes Recht) zum Anknüpfungspunkt der Rechtsangleichung. Von einer spürbaren Wettbewerbsverzerrung kann hier aber nicht mehr die Rede sein. Ließe man die bloße Existenz divergierender Vorschriften auf den jeweiligen nationalen Absatzmärkten als Anknüpfungspunkt für einen Rechtsakt nach Art. 95 EG ausreichen, so hätte dies zur Folge, dass der EG eine allgemeine Kompetenz zur Regelung des Binnenmarktes zugesprochen würde, die mit dem Grundsatz unvereinbar wäre, dass die Befugnisse der Gemeinschaft auf Einzelermächtigungen beruhen 119. (2) International zwingende Regelungen Gegenstand einer Rechtsharmonisierung nach Art. 95 EG können daher unter dem Gesichtspunkt der Herstellung von Wettbewerbsgleichheit allenfalls die zwingenden Vorschriften der nationalen Privatrechtssysteme sein. Angesprochen sind damit vor allem verbraucherschützende Regelungen. Zur Vermeidung spürbarer Wettbewerbsverzerrungen tragen hier aber die Kollisionsnormen des von allen Mitgliedstaaten der EG unterzeichneten Europäischen Vertragsrechtsübereinkommens (EVÜ) bei 120 : Dessen Art. 3 geht vom Grundsatz der freien Rechtswahl aus. Rechtswahlbeschränkungen folgen u.a. aus Art. 5 EVÜ, der dem Verbraucher den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Staates sichert, in dem er 118 Basedow (Fn. 54), S. 354 f.; diff. Bock (Fn. 70), S. 120 f. m.w.n. 119 Vgl. auch Dreher (Fn. 4), JZ 1999, S. 105 (111). 120 Vgl. Roth, Die Schuldrechtsmodernisierung im Kontext des Europarechts, in: Ernst/ Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, S. 225 (234); Wagner (Fn. 10), CMLR 39 (2002), S. 995 (1004 ff., 1113).

82 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat 121. Das im konkreten Fall anwendbare Recht ist durch einen Günstigkeitsvergleich zwischen den zwingenden Verbraucherschutznormen des gewählten Rechts und des im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers geltenden Rechts zu ermitteln. Die für den Verbraucher konkret günstigere Regelung setzt sich durch 122. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 5 EVÜ ist, dass eine Vertragspartei Verbraucher ist, es sich um eine bestimmte Art von Geschäft handelt (Abs. 1), das unter bestimmten Umständen zustande gekommen ist (Abs. 2) und nicht einer der in Art. 5 Abs. 4 EVÜ genannten Ausnahmen unterfällt 123. Zu den erfassten Geschäften zählen Verträge über die Lieferung beweglicher Sachen (i.e.s. Warenkäufe) oder die Erbringung einer Dienstleistung (z.b. Werk- und Dienstverträge, aber auch Geschäftsbesorgungsverträge) sowie diesbezügliche Finanzierungsverträge (insb. der Abzahlungskauf) 124,125. Art. 5 EVÜ gilt weiterhin (nur) für solche Verträge, die im Staat des Verbrauchers hinreichend angebahnt und vorbereitet worden sind. Ein ausreichender Inlandsbezug liegt vor, wenn dem Vertragsschluss ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in diesem Mitgliedstaat vorausgegangen ist und wenn der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat; der Vertragspartner des Verbrauchers oder sein Vertreter die Bestellung des Verbrauchers in diesem Staat entgegengenommen hat oder der Vertrag den Verkauf von Waren betrifft und der Verbraucher von diesem Staat ins Ausland gereist ist und dort seine Bestellung abgegeben hat, sofern diese Reise vom Verkäufer mit dem Ziel herbeigeführt worden ist, den Verbraucher zum Vertragsabschluss zu veranlassen Martiny, in: Reithmann/ Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 6. Auß. 2004, Rn. 824; s. auch Roth, Grundfragen im künftigen internationalen Verbrauchervertragsrecht der Gemeinschaft, in: Martiny/ Coester/ von Sachsen Gessaphe (Hrsg.), FS für Sonnenberger, 2004, S Magnus, in: Staudinger, BGB, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch/ IPR, Dreizehnte Bearbeitung 2002, Art. 29 EGBGB, Rn. 2. Gemäß Art. 5 Abs. 1 des Kommissionsvorschlags ( Rom I ) vom 15. Dezember 2005 (Fn. 22), soll hingegen nur das Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers Anwendung Þnden, ohne den Unternehmer in seiner Vertragsgestaltung inhaltlich zu beschränken (KOM 2005, 650 endg., S. 6). 123 Leible, Rechtswahlfreiheit und kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz, in: Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1995, 1996, S. 245 (255). 124 Ausgenommen sind jedoch Beförderungsverträge sowie Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 5 Abs. 4 EVÜ). Die Verträge, für die die Sonderanknüpfung gilt, werden im Kommissionsvorschlag ( Rom I ) vom 15. Dezember 2005 (Fn. 22) nicht mehr aufgeführt. Folglich würde sich der materielle Anwendungsbereich auf alle Verbraucherverträge mit Ausnahme bestimmter, in Art. 5 Abs. 3 des Vorschlags ausgeschlossener Verträge erstrekken (KOM 2005, 650 endg., S. 6). 125 Zu den zwingenden Verbraucherschutznormen i.s. des Art. 5 EVÜ werden im deutschen Recht etwa die Vorschriften über Pauschalreiseverträge (vgl. Art. 5 Abs. 5 EVÜ), den Verbraucherkredit, das Widerrufsrecht für Haustürgeschäfte und die Regelungen über die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch AGB gerechnet [vgl. z.b. Grundmann (Fn. 54), Rn. 76, 79]. 126 In Art. 5 Nr. 2 S. 2 des Kommissionsvorschlags ( Rom I ) vom 15. Dezember 2005 (Fn. 22) sind die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 u. 4 lit. b des EVÜ (Fn. 34) durch das aus Art. 15 Abs. 1 lit. c der Brüssel I -Verord-

83 392 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa In allen drei Konstellationen wird eine (Absatz-) Tätigkeit im Verbraucherstaat entfaltet, die zur Folge hat, dass sich das Geschäft aus Sicht des Verbrauchers als Inlandsgeschäft darstellt, für das er Schutz nach dem Recht dieses Landes erwarten darf. Die auf dem Inlandsmarkt entfaltete Tätigkeit führt mithin zur Maßgeblichkeit des dort regelmäßig geltenden Rechts 127. Die Anbieter konkurrieren im Wesentlichen zu den gleichen Bedingungen des jeweiligen Absatzmarktstaates 128. Gleichwohl hat der Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens in der nicht die Kompetenzfrage betreffenden Rechtssache Leitner für die Richtlinie 90/ ausgeführt, dass bei Pauschalreisen das Bestehen einer Schadensersatzpßicht für immaterielle Schäden in einigen Mitgliedstaaten und das Fehlen einer solchen Pßicht in anderen zu spürbaren Wettbewerbsverzerrungen führen [würde], da [...] immaterielle Schäden in diesem Bereich häuþg zu verzeichnen sind 130. Von unterschiedlichen Bedingungen lässt sich hier jedoch nur mit Blick auf die Rechtslage in den einzelnen Mitgliedstaaten sprechen. Wettbewerbsvorteile können daher nur dann auftreten, wenn ein Unternehmen die geringeren Kostenbelastungen auf seinem Heimatmarkt nutzt, um mit den dort erzielten Gewinnen auf anderen Märkten vorzudringen 131. Die Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation erscheinen dabei indes schon deshalb als eher ungewiss und mittelbar, weil sich die Unterschiede in den Kostenbelastungen nicht nur aus den divergierenden Privatrechtsvorschriften ergeben, sondern das Ergebnis einer Mischkalkulation sind, in die eine Vielzahl weiterer durch allgemeine Ordnungsnormen vorgegebener Faktoren (wie etwa Unterschiede im Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht) einßießt 132. (3) Interstaatlich zwingendes Recht Spürbare Wettbewerbsverzerrungen können sich weiterhin aus intern zwingenden Regelungen ergeben, die bei internationalen Sachverhaltsgestaltungen der Rechtswahl zugänglich sind. Ungleiche Wettbewerbsbedingungen resultieren hier daraus, dass die Rechtswahlmöglichkeit auf Sachverhaltskonstellationen mit signi- Þkantem Auslandsbezug beschränkt bleibt, während das zwingende Recht im nung 44/2001 (ABl. 2001, Nr. L 12/ S. 1) bekannte Kriterium der auf einen anderen Mitgliedstaat ausgerichteten Tätigkeit ersetzt worden, um der Entwicklung des Fernabsatzes Rechnung zu tragen, ohne den Anwendungsbereich der Sonderanknüpfung inhaltlich zu verändern (KOM 2005, 650 endg., S. 7). Zu den im Schrifttum diskutierten Hauptvarianten der Ausgestaltung des kollisionsrechtlichen Verbraucherschutzes durch Rechtswahl Siems, Kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz: Gibt es ein Patentrezept?, GPR 2005, S. 158 (160 ff.). 127 Martiny, in: Rebmann/ Säcker/ Rixecker (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Band 10, 4. Auß. 2006, Art. 29 EGBGB, Rn Vgl. Roth, Europäischer Verbraucherschutz und BGB, JZ 2001, S. 475 (477); Wagner (Fn. 10), CMLR 39 (2002), S. 995 (1004 ff., 1113). 129 ABl. 1990, Nr. L 158/ S EuGH, Rs. C-168/ 00 (Leitner), Slg. 2002, I 2631, Rn. 21; krit. hierzu Roth, Annotation, CMLR 40 (2003), S. 937 (943 f.). Vgl. auch EuGH, Rs. C-381/ 98 (Ingmar), Slg. 2000, I 9305, Rn. 23 ff. 131 Börner, Die Produkthaftung oder das vergessene Gemeinschaftsrecht, in: Grewe/ Rupp/ Schneider (Hrsg.), FS für Kutscher, 1981, S. 43 (49); Fock, Die europäische Handelsvertreter-Richtlinie, 2001, S Börner (Fn. 131), S. 51 f.; Fock (Fn. 131), S. 32 f.; a.a. Engel (Fn. 62), ZfRV 1999, S. 121 (125), der aber zugesteht, dass es sich insoweit um eine möglicherweise nicht besonders schwerwiegende Wettbewerbsverzerrung handelt.

84 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft reinen Inlandsfall von der Rechtswahlfreiheit ausgeschlossen bleibt. Diese Wettbewerbsverzerrungen beruhen dann aber gerade nicht auf der Divergenz der nationalen Sachrechte, sondern sind auf die Reichweite der Rechtswahlfreiheit zurückzuführen und liegen somit auf kollisionsrechtlicher Ebene, auf der dann auch eine Angleichung erfolgen sollte 133. Eine Harmonisierung der sachenrechtlichen Vorschriften der nationalen Privatrechtssysteme kann auf diese Weise dagegen regelmäßig nicht gerechtfertigt werden. (4) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass eine Vereinheitlichung des Schuldvertragsrechts auch unter dem Gesichtspunkt der Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen i. R. des Art. 95 EG nur in beschränktem Maße gerechtfertigt werden kann 134. dd) Ergebnis Insgesamt wird deutlich, dass Art. 95 EG nur in engen Grenzen als Rechtsgrundlage für eine Angleichung der nationalen Vertragsrechte dienen kann 135. Die Schaffung eines verbindlichen Europäischen Vertrags- oder Zivilgesetzbuches, gleich ob als VollkodiÞkation oder beschränkt auf zwischenstaatliche Sachverhalte (25+1 Modell) 136, ist hiervon ebenso wenig gedeckt 137 wie der Erlass eines Europäischen Verbrauchervertragsgesetzbuches. Auch die Verabschiedung eines breitßächig angelegten optionalen Instruments wird von der Binnenmarktkompetenz nicht erfasst. Der Bundesrat hat hierzu in seiner Stellungnahme zur Kommissionsmitteilung vom 11. Juli 2001 angemerkt, dass auch ein optionales Instrument jedenfalls dann einen erheblichen Eingriff in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten darstellt, wenn den 133 Ausführlich Fock (Fn. 131), S. 34 ff. 134 Ebenso i.e. Bock (Fn. 70), S. 126; Riesenhuber (Fn. 63), S. 138 ff. 135 Vgl. auch von Danwitz (Fn. 73), Rn. 104; a.a. etwa Lurger (Fn. 63), S. 105 f. Damit stellt sich auch die Frage, ob die bislang von der Gemeinschaft erlassenen Rechtsakte im Bereich des Vertragsrechts wie geschehen auf Art. 94 bzw. 95 EG gestützt werden konnten. Von Teilen der Literatur wird dies für eine Reihe von Rechtsakten verneint: vgl. insb. Roth (Fn. 120), S. 231 ff.; ders. (Fn. 128), JZ 2001, S. 475, (477 ff.); ausführlich Ludwigs (Fn. 4), S. 349 ff. 136 Gegen eine Heranziehung von Art. 95 EG wird insoweit von Schmid (s. Fn. 61, JZ 2001, S. 674, 676 mit Fn.19 und 680 mit Fn. 46) unter Berufung auf das WTO-Gutachten des EuGH (Gutachten 1/ 94, WTO, Slg. 1994, I 5267, Rn. 59) eingewandt, Art. 95 EG erlaube nur die europäische Formung nationaler Rechtsinstitute, nicht aber die Schaffung von neuen Titeln, die neben die nationalen KodiÞkationen treten und diese überlagern; kritisch hierzu Staudenmayer (Fn. 18), ZEuP 2003, S. 828 (842 f.). S. aber auch Zeittler/Kolling, Das 26. Regime Königsweg oder Notlösung der europäischen Rechtsharmonisierung?, EWS 2006, S. 97 (100 f.). Vgl. insoweit auch die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache Biotechnologische ErÞndungen, wo der Gerichtshof feststellt, dass neue, die nationalen Rechtsinstitute überlagernde Titel, wie die Gemeinschaftsmarke, nur auf der Rechtsgrundlage des Art. 235 EG-Vertrag [Art. 308 EG n.f.] erlassen werden können (Rs. C-377/ 98, Slg. 2001, I 7079, Rn. 25). In einer Entscheidung vom 2. Mai 2006 (Rs. C-436/03) zur Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 betreffend das Statut der Europäischen Genossenschaft hat der Gerichtshof festgestellt, dass mit der Schaffung einer neuen, die nationalen Genossenschaftsformen überlagernden Rechtsform gerade keine Angleichung der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften i.s. des Art. 95 EG bezweckt wird (Rn. 40, 44). 137 A.A. van Gerven (Fn. 10), ELR 27 (2002), S. 156 (166).

85 394 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa Parteien damit die Möglichkeit eröffnet wird, sich auch aus den zwingenden Vorschriften der nationalen Vertragsrechte herauszuoptieren 138. Dem ist zuzustimmen, wenngleich es hierauf im Kontext des Art. 95 EG schon deshalb nicht ankommt, weil bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Binnenmarktkompetenz nicht erfüllt sind. 3. Art. 308 EG Als mögliche Kompetenzgrundlage für die Schaffung eines wie auch immer gearteten Europäischen Vertrags- oder Zivilgesetzbuches bleibt damit nur noch Art. 308 EG 139. Zweifelhaft erscheint insoweit aber bereits, ob ein solches Projekt von den Zielbestimmungen des EG-Vertrages gedeckt ist 140. Fragwürdig ist zudem, ob ein entsprechender Rechtsakt den i.r. von Art. 308 EG erforderlichen Marktbezug ( im Rahmen des Gemeinsamen Marktes ) aufweisen würde 141. Die vorstehenden Fragen können hier aber letztlich offen bleiben, weil gegen die Heranziehung von Art. 308 EG als Rechtsgrundlage eines Europäischen Vertrags- oder Zivilgesetzbuches einzuwenden ist, dass bei einer hierauf gestützten Verordnung weder das Europäische Parlament noch die nationalen Parlamente substantiell beteiligt würden. Das hieraus resultierende DeÞzit an demokratischer Legitimation erscheint mit Blick auf die Tragweite des Vorhabens als nicht hinnehmbar 142. Es handelt sich vielmehr um ein Projekt, welches der Sache nach, gemessen an seinen Folgen für die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, auf eine Vertragsänderung ohne Einhaltung des hierfür im Vertrag vorgesehenen Verfahrens hinausliefe 143. Art. 308 EG bietet insoweit keine Handhabe 144. Dies gilt uneingeschränkt für den Erlass einer VollkodiÞkation oder eines bindenden Kodexes für grenzüberschreitende Sachverhalte. Etwas anderes könnte allenfalls für das Modell eines auf zwischenstaatliche Sachverhalte beschränkten optionalen Instruments anzunehmen sein. Auch insoweit liegt aber insbesondere bei einer breitßächigen Ausrichtung ein erheblicher Eingriff in die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten vor, soweit es den Par- 138 BR-Drs. 617/ 01 Beschluss, S Als Rechtsgrundlage für den Erlass eines Verbrauchervertragsgesetzbuches wäre noch an Art. 153 Abs. 3 lit. b EG zu denken. Darin wird der EG eine Zuständigkeit zur Verfolgung einer aktiven Verbraucherschutzpolitik ohne konkreten Binnenmarktbezug eingeräumt. Die Gemeinschaft bleibt insoweit aber auf die Unterstützung, Ergänzung und Überwachung der Politik der Mitgliedstaaten beschränkt. Der Erlass eines Europäischen Verbrauchervertragsgesetzbuchs ist von Art. 153 Abs. 3 lit. b EG daher nicht gedeckt. 140 Verneinend Pechstein (Fn. 62), S. 29. Teilweise wird ein Rückgriff auf Art. 308 EG bereits mit seiner Subsidiarität gegenüber Art. 95 EG begründet (vgl. Kronke, s. Fn. 46, S. 8). Art. 308 EG stellt indes darauf ab, dass die erforderlichen Befugnisse fehlen. Er kann daher auch dann einschlägig sein, wenn eine Ermächtigung zwar besteht, diese aber zur Zielverwirklichung aus materieller Sicht nicht ausreicht [statt vieler Ludwigs (Fn. 4), S. 291]. 141 Vgl. hierzu noch unten V Leible (Fn. 10), EWS 2001, S. 471 (479); Pechstein (Fn. 62), S. 28 f.; Riesenhuber (Fn. 63), S. 182 ff.; Staudinger (Fn. 54), VuR 2001, S. 353 (357). 143 Vgl. zu diesem immanenten negativen Tatbestandsmerkmal des Art. 308 EG: EuGH, Gutachten 2/ 94 (EM- RK), Slg. 1996, I 1759, Rn. 29 ff.; aus der Literatur: Bungenberg, Art. 235 EGV nach Maastricht, 1999, S. 91 ff.; Schmidt-Preuß (Fn. 69), S. 314 f.; Simm (Fn. 81), S. 133 ff.; Streinz, in: ders. (Hrsg.), (Fn. 65), Art. 308 EG Rn EuGH, Gutachten 2/ 94 (EMRK), Slg. 1996, I 1759, Rn. 29 ff.

86 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft teien hiermit ermöglicht wird, die Anwendung der zwingenden Vorschriften des nationalen Vertragsrechts auszuschalten. In rechtstatsächlicher Hinsicht dürfte sich zudem das Einstimmigkeitserfordernis des Art. 308 EG als kaum überwindbare Hürde erweisen 145. V. Der Vertrag über eine Verfassung für Europa Zu klären bleibt schließlich, ob sich an der hier vorgenommenen kompetenzrechtlichen Beurteilung etwas ändert, wenn man den am 29. Oktober 2004 in Rom unterzeichneten nach dem Scheitern der Referenden in Frankreich und den Niederlanden allerdings z.z. auf Eis liegenden Vertrag über eine Verfassung für Europa zugrundelegt Art. III-269 VVE Bezogen auf Art. 65 EG ist zunächst hervorzuheben, dass die Neuregelung in Art. III-269 VVE ihrer systematischen Stellung nach nicht mehr auf Maßnahmen betreffend den freien Personenverkehr beschränkt bleibt. Gleichwohl Þnden sich in Art. III-269 VVE keine Ansatzpunkte für eine Vereinheitlichung des materiellen Zivilrechts. Dies gilt auch für die Generalklausel des Art. III-269 Abs. 2 lit. e VVE, wonach die Union Maßnahmen erlassen darf, die einen effektiven Zugang zum Recht sicherstellen sollen 147. Wie schon bei Art. 65 lit. a-c EG, so folgt auch aus dem Gesamtzusammenhang der in Art. III-269 Abs. 2 lit. a-h VVE aufgeführten Beispiele, dass sich die Zuständigkeit allein auf die Beseitigung von Hindernissen in grenzüberschreitenden Sachverhalten bezieht, die aus prozess- oder kollisionsrechtlichen Normen resultieren. 145 Ebenso Kenny (Fn. 11), ELR 28 (2003), S. 538 (547) unter Hinweis auf die ablehnende Position des Vereinigten Königreichs; s. auch Remien (Fn. 65), EuR 2005, S. 699 (707). 146 Ausführlich zur Kompetenzordnung der EU im Vertrag über eine Verfassung für Europa: von Bogdandy/ Bast/ Westphal, Die vertikale Kompetenzordnung im Entwurf des Verfassungsvertrags, Integration 2003, S. 414; Calliess (Fn. 104), S. 20 ff.; Dashwood, The relationship between the Member States and the EU/EC, CMLR 41 (2004), S. 355 (357 ff., 366 ff., 369 ff.); Davies, The post-laeken division of competences, ELR (28) 2003, S. 686; Di Fabio, The European Constitutional Treaty: An Analysis, German Law Journal 5 (2004), S. 945 (949) ff.); Dougan, The Convention`s Draft Constitutional Treaty: Bringing Europe closer to its lawyers?, ELR (28) 2003, S. 763 (765 ff.); Götz, Kompetenzverteilung und Kompetenzkontrolle in der EU, in: Schwarze (Hrsg.), Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents, 2004, S. 43; Hatje, Die Kompetenz zur Gestaltung des Binnenmarktes in der Verfassung für die Europäische Union, in: Schwarze (Hrsg.), Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents, 2004, S. 189; Ludwigs, Die Kompetenzordnung der EU im Vertragsentwurf über eine Verfassung für Europa, ZEuS 2004, S. 211; Nettesheim, Die Kompetenzordnung im Vertrag über eine Verfassung für Europa, EuR 2004, S. 511; Obwexer, Gesetzgebung im Binnenmarkt die Kompetenzverteilung im Verfassungsentwurf, in: Hatje/ Terhechte (Hrsg.), Das Binnenmarktziel in der europäischen Verfassung, EuR 2004/ Beiheft 3, S. 145; Pernice, Eine neue Kompetenzordnung für die Europäische Union, in: Häberle/ Morlok/ Skouris (Hrsg.), FS für Tsatsos, 2003, S. 477; Schröder, Vertikale Kompetenzverteilung und Subsidiarität im Konventsentwurf für eine europäische Verfassung, JZ 2004, S. 8; Herrmann, in: Streinz/ Ohler/ Herrmann, Die neue Verfassung für Europa, 2005, S. 69 ff.; Wuermeling, Kalamität Kompetenz: Zur Abgrenzung der Zuständigkeiten in dem Verfassungsentwurf des EU-Konvents EuR 2004, S. 216; vgl. auch Remien (Fn. 65), EuR 2005, S. 699 (707 ff.), der auch auf die i.r.. des Konvents eingebrachten Vorschläge zur Zivilrechtskompetenz der Gemeinschaft näher eingeht. 147 Für eine enge Auslegung auch Ohler, in: Streinz/ Ohler/ Herrmann (Fn. 146), S. 108; i.e. ebenso Remien (Fn. 65), EuR 2005, S. 699 (707).

87 396 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa 2. Art. III-172 VVE Die Binnenmarktkompetenz des Art. 95 EG wurde weitgehend unverändert in Art. III 172 VVE übernommen, so dass es auch insoweit weiterhin an einer tauglichen Rechtsgrundlage für eine breitßächig angelegte Harmonisierung der nationalen Zivilrechtssysteme fehlt. 3. Art. I-18 VVE Hinsichtlich der Flexibilitätsklausel des Art. I-18 VVE ist zunächst unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation des Gemeinschaftshandelns hervorzuheben, dass Art. I-18 Abs. 1 VVE im Unterschied zu Art. 308 EG ein Zustimmungsrecht des Europäischen Parlaments statuiert. Überdies scheint die Flexibilitätsklausel insofern weiter gefasst zu sein, als die derzeitige Bedingung in Art. 308 EG, wonach eine Maßnahme im Rahmen des Gemeinsamen Marktes ergeht, nunmehr in Art. I-18 VVE durch Bezugnahme auf die in Teil III festgelegten Politikbereiche ersetzt wurde 148. Der Umstand, dass sich die Vorschrift des Art. I-18 VVE sprachlich aus der Beschränkung auf den Gemeinsamen Markt löst, bedeutet aber jedenfalls dann keine nennenswerte Kompetenzerweiterung, wenn man das Tatbestandsmerkmal im Rahmen des Gemeinsamen Marktes in Art. 308 EG mit der wohl überwiegenden Auffassung im Schrifttum dahin auslegt, dass hiermit allein solche systeminkonformen Rechtsakte verhindert werden sollen, die nicht im Einklang mit den Regeln des Gemeinsamen Marktes stehen 149. Für eine solche Interpretation spricht insbesondere ein Vergleich mit den anderen Sprachfassungen des EG-Vertrags. So deuten etwa der französische ( dans le fonctionnement du marché commun ), der italienische ( nel funzionamento del mercato comune ), der englische ( in the course of the operation of the common market ) und der spanische ( en el funcionamiento del mercado común ) Text des Art. 308 EG gerade nicht auf die starr erscheinende Vorstellung des Rahmens, sondern auf eine funktionale Bedeutung der Wendung im Rahmen des Gemeinsamen Marktes hin. Bezieht man weitergehend auch die unterschiedlichen Sprachfassungen des Vertrags über eine Verfassung für Europa in die Betrachtung ein, so gelangt man zu dem verblüffenden Befund, dass die Wendung im Rahmen der in Teil III festgelegten Politikbereiche in Art. I-18 VVE sogar eine Beschränkung der Flexibilitätsklausel im Vergleich zu Art. 308 EG beinhaltet. Die soeben für Art. 308 EG noch abgelehnte (enge) Vorstellung des Rahmens liegt nunmehr nämlich sämtlichen 148 Hierfür etwa von Bogdandy/ Bast/ Westphal (Fn. 146), Integration 2003, S. 414 (417); Davies (Fn. 147), ELR 28 (2003), S. 686 (688); Dougan (Fn. 146), ELR 28 (2003), S. 763 (766). 149 Schwartz, in: Groeben/ Schwarze (Hrsg.), EU-/ EG-Vertrag, Band 4, 6. Auß. 2003, Art. 308 EG, Rn. 147 ff., 167; Rossi, in: Calliess/ Ruffert (Hrsg.), (Fn. 64), Art. 308 EG, Rn. 23 f.

88 Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa EuR Heft Sprachfassungen zugrunde 150. Das spricht entscheidend für die Annahme einer gegenständlichen Begrenzung des Anwendungsbereichs von Art. I-18 VVE auf die in Teil III festgelegten Politikbereiche. In Konsequenz dessen könnte Art. I-18 VVE daher nicht (mehr) als Grundlage dafür herangezogen werden, den Bereich der Unionsbefugnisse etwa durch die Schaffung neuer Politikbereiche über den allgemeinen Rahmen des Vertrags hinaus auszudehnen 151. Daraus folgt aber, dass die Schaffung eines wie auch immer gearteten Europäischen Vertrags- oder Zivilgesetzbuches nicht von der Flexibilitätsklausel gedeckt wäre, da eine solche GesamtkodiÞkation den Rahmen der in Teil III festgelegten Politikbereiche sprengen würde 152. Dies dürfte auch für ein breitßächig angelegtes optionales Instrument gelten, weil hiermit ein neuer Politikbereich der Gemeinschaft geschaffen würde, was in Art. I-18 VVE gerade ausgeschlossen wird. VI. Gesamtbewertung Die im Gründungsvertrag der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 nur partiell vorhandenen Zuständigkeiten im Bereich des Zivilrechts haben insbesondere mit den Vertragsänderungen durch die Einheitliche Europäische Akte, den Maastrichter Unionsvertrag und den Amsterdamer Vertrag eine erhebliche Ausweitung erfahren 153. Entsprechend zahlreich sind auch die vom sekundären Gemeinschaftsrecht erfassten Sachgebiete des Privatrechts. Sie reichen von A wie Arbeitsrecht 154 bis Z wie Zivilprozessrecht 155. Gleichwohl kennt der EG-Vertrag nach wie vor keine allgemeine Rechtsetzungskompetenz für das Privatrecht. Insbesondere Art. 95 EG kann vor dem Hintergrund der vom Gerichtshof im Tabakwerbeverbotsurteil entwickelten Auslegungskriterien nur in engen Grenzen als Kompetenzgrundlage für eine Harmonisierung der nationalen Vertragsrechte herangezogen werden. Art. 65 EG bildet eine Zuständigkeit für die Vereinheitlichung des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts, erstreckt sich aber nicht auf das materielle Zivilrecht. Art. 308 EG scheidet angesichts des qualitativen und quantitativen Umfangs des Vorhabens jedenfalls als Rechtsgrundlage 150 dans le cadre des politiques déþnies à la partie III (frz.); en el ámbito de las políticas deþnidas en la Parte III (esp.); within the framework of the policies deþned in Part III (engl.); nel quadro delle politiche deþnite nella parte III (ital.). 151 Dougan (Fn. 147), ELR 28 (2003), S. 763 (766); Ludwigs (Fn. 146), ZEuS 2004, S. 211 (238); wohl auch Schwarze, Der Verfassungsentwurf des Konvents Struktur, Kernelemente und Verwirklichungschancen, in: ders., (Fn. 146), S. 489 (512); vgl. auch den Kommentar zu Art. I 18 VVE im Verfassungsentwurf vom 24. Mai 2003, CONV 724/03, Anlage 2, S. 83 f.; a.a. von Bogdandy/ Bast/ Westphal (Fn. 146), Integration 2003, S. 414 (417). 152 Ergänzend ist schließlich darauf hinzuweisen, dass die Union im Rahmen der Verbraucherschutzkompetenz des Art. III 235 Abs. 2 lit. b VVE weiterhin auf die Unterstützung, Ergänzung und Überwachung der Politik der Mitgliedstaaten beschränkt bleibt. 153 Ausführlich hierzu Ludwigs (Fn. 4), S. 349 ff. 154 Vgl. insoweit etwa Neumann (Hrsg.), Europäisches Arbeitsrecht Richtlinien, Verordnungen, Übereinkommen, Vgl. z.b. die Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucher, ABl. 1998, Nr. L 166/ S. 51.

89 398 EuR Heft Ludwigs, Harmonisierung des Schuldvertragsrechts in Europa für den Erlass einer VollkodiÞkation oder eines bindenden Kodexes für grenzüberschreitende Sachverhalte aus. Schließlich erweitert sich der Handlungsspielraum der Gemeinschaft auch durch den am 29. Oktober 2004 unterzeichneten Verfassungsvertrag nicht. Vielmehr schließt namentlich Art. I-18 VVE den Erlass eines breitßächig angelegten optionalen Instruments aus. Denkbar wäre hier allenfalls ein optionales Instrument, welches sich wie etwa ein Modell zum Verbrauchervertragsrecht in den Rahmen der in Teil III festgelegten Politikbereiche einordnen lässt. Die Vision eines Europäischen Vertrags- oder Zivilgesetzbuches ließe sich vor diesem Hintergrund nur durch eine Änderung des Primärrechts verwirklichen. Angesichts der selbst gegenüber einem optionalen Instrument bestehenden Skepsis zahlreicher Mitgliedstaaten erscheint es indes zweifelhaft, ob die hierfür notwendige Einigkeit (vgl. Art. 48 EU und Art. IV-443 VVE) zu erzielen sein wird.

90 EuR Heft RECHTSPRECHUNG Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften/Gericht erster Instanz Kumulative Verhängung von Zwangsgeld und Pauschalbetrag wegen Nichtbeachtung von Vertragsverletzungsurteilen nach Artikel 228 Absatz 2 EG 1. Die in Artikel 228 Absatz 2 EG vorgesehenen Sanktionen für Vertragsverletzungen dienen unterschiedlichen Zwecken und können daher grundsätzlich auch kumulativ verhängt werden. 2. Die Wahl der Sanktion nach Artikel 228 Absatz 2 EG ist Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens und keine der Rechtsprechung des Gerichtshofs entzogene politische Entscheidung. Der Gerichtshof ist insoweit auch nicht an einen Sanktionsvorschlag der Kommission gebunden. (Leitsätze der Redaktion) Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom (Vertragsverletzungsverfahren), Kommission/ Frankreich, Rs. C-304/02 Urteil 1. Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpßichtungen aus Artikel 228 EG verstoßen hat, dass sie nicht die zur Durchführung des Urteils vom 11. Juni 1991 in der Rechtssache C-64/88 (Kommission/Frankreich, Slg. 1991, I-2727) erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat; die Französische Republik zu verurteilen, ab der Verkündung des vorliegenden Urteils bis zur Durchführung des vorgenannten Urteils Kommission/Frankreich an die Kommission auf das Konto Eigene Mittel der Europäischen Gemeinschaft ein Zwangsgeld in Höhe von Euro pro Tag des Verzugs beim Erlass der Maßnahmen zu zahlen, die sich aus dem Urteil Kommission/Frankreich ergeben; der Französischen Republik die Kosten aufzuerlegen. Die Gemeinschaftsregelung Die Regelung im Bereich der Kontrollen [...] Das Urteil Kommission/Frankreich 10. Mit dem Urteil Kommission/Frankreich hat der Gerichtshof für Recht erkannt und entschieden: Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpßichtungen aus Artikel 1 der Verordnung Nr. 2057/82 und aus Artikel 1 der Verordnung Nr. 2241/87 ver-

91 400 EuR Heft Rechtsprechung stoßen, dass sie in den Jahren 1984 bis 1987 keine Kontrollen durchgeführt hat, die die Beachtung der in den Verordnungen Nr. 171/83 und Nr. 3094/86 vorgeschriebenen gemeinschaftlichen technischen Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände gewährleisten. 11. [...] Das Vorverfahren 12. Mit Schreiben vom 8. November 1991 verlangte die Kommission von den französischen Behörden, ihr mitzuteilen, welche Maßnahmen zur Durchführung des vorgenannten Urteils Kommission/Frankreich getroffen wurden. Am 22. Januar 1992 antworteten die französischen Behörden, dass sie alles ihnen Mögliche tun wollten, um den Gemeinschaftsbestimmungen nachzukommen. 13. Bei mehreren Besuchen in französischen Häfen stellten die Inspektoren der Kommission eine Verbesserung der Situation fest, wiesen aber auf mehrere Unzulänglichkeiten bei den Kontrollen der französischen Behörden hin. 14. Nachdem die Kommission die Französische Republik aufgefordert hatte, sich dazu zu äußern, gab sie am 17. April 1996 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie feststellte, dass das vorgenannte Urteil Kommission/Frankreich in folgenden Punkten nicht durchgeführt worden sei: [...] 15. Die Kommission wies auf die Möglichkeit Þnanzieller Sanktionen wegen Nichtdurchführung eines Urteils des Gerichtshofes hin und setzte der Französischen Republik eine Frist von zwei Monaten, innerhalb deren alle zur Durchführung des Urteils Kommission/Frankreich notwendigen Maßnahmen zu ergreifen waren. 16. Im Rahmen eines Schriftwechsels informierten die französischen Behörden die Dienststellen der Kommission über die von ihnen getroffenen und noch zu treffenden Maßnahmen zur Verstärkung der Kontrollen. 17. Parallel dazu wurden Inspektionen in französischen Häfen vorgenommen. Aufgrund von Berichten, die nach Besuchen vom 24. bis 28. August 1996 in Lorient, Guilvinec und Concarneau, vom 22. bis 26. September 1997 in Guilvinec, Concarneau und Lorient, vom 13. bis 17. Oktober 1997 in Marennes-Oléron, Arcachon und Bayonne, vom 30. März bis 4. April 1998 in der Südbretagne und in Aquitanien, vom 15. bis 19. März 1999 in Douarnenez und Lorient sowie vom 13. bis 23. Juli 1999 in Lorient, Bénodet, Loctudy, Guilvinec, Lesconil und Saint-Guénolé erstellt wurden, kamen die Dienststellen der Kommission zu dem Schluss, dass zwei Probleme fortbestünden, und zwar die Unzulänglichkeit der Kontrollen, die den Verkauf untermaßiger Fische ermögliche, und die permissive Haltung der französischen Behörden bei der Verfolgung von Verstößen. 18. Die Berichte der Inspektoren veranlassten die Kommission, am 6. Juni 2000 eine mit Gründen versehene ergänzende Stellungnahme abzugeben, in der sie feststellte, dass das Urteil Kommission/Frankreich in den beiden genannten Punkten nicht durchgeführt worden sei. Die Kommission führte in diesem Zusammenhang aus, sie sehe es als besonders schwerwiegend an, dass in amtlichen Versteigerungsdokumenten unter klarem Verstoß gegen die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 2406/96 des Rates vom 26. November 1996 über gemeinsame Vermarktungsnormen für bestimmte Fischereierzeugnisse (ABl. L 334, S. 1) ofþziell der Code 00 verwendet worden sei. Sie machte auf die Möglichkeit Þnanzieller Sanktionen aufmerksam.

92 Rechtsprechung EuR Heft In ihrer Antwort vom 1. August 2000 machten die französischen Behörden im Wesentlichen geltend, dass es bei den nationalen Fischereikontrollen seit dem letzten Inspektionsbericht erhebliche Veränderungen gegeben habe. Es habe eine interne Umorganisation stattgefunden, bei der zunächst eine Zelle und dann ein Aufgabenbereich für Fischereikontrollen geschaffen und die Kontrollmittel verbessert worden seien, u. a. durch die Bereitstellung von Patrouillenbooten und eines Bildschirm-Überwachungssystems der Schiffspositionen sowie die Verteilung von Anweisungen an das Kontrollpersonal. 20. Bei einem Inspektionsbesuch vom 18. bis 28. Juni 2001 in den Gemeinden Guilvinec, Lesconil, Saint-Guénolé und Loctudy stellten die Inspektoren der Kommission fest, dass es nur geringe Kontrollen gab und dass untermaßiger Fisch unter dem Code 00 verkauft wurde. 21. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2001 übermittelten die französischen Behörden der Kommission die Kopie einer Anweisung an die Regional- und Departementsdirektionen für maritime Angelegenheiten, wonach diese die Verwendung des Codes 00 bis 31. Dezember 2001 abzustellen und ab diesem Zeitpunkt die Wirtschaftsteilnehmer, die sich nicht daran hielten, mit den bestimmungsgemäßen Sanktionen zu belegen hatten. Die Behörden wiesen darauf hin, dass seit 1998 die Zahl der Strafverfolgungen wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über Mindestgrößen zugenommen habe und dass abschreckende Strafen verhängt worden seien. Ferner sei im Jahr 2001 ein allgemeiner Kontrollplan für den Fischereisektor verabschiedet worden, der Prioritäten u. a. bei der Umsetzung eines Planes zur Erholung des Seehechtbestands und der strengen Überwachung der Mindestgrößen setze. 22. Da die Kommission der Ansicht war, dass die Französische Republik das vorgenannte Urteil Kommission/Frankreich noch immer nicht durchgeführt habe, hat sie die vorliegende Klage erhoben. Das Verfahren vor dem Gerichtshof 23. Auf eine vom Gerichtshof im Hinblick auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2004 gestellte Frage hat die Kommission mitgeteilt, dass ihre Dienststellen seit Erhebung der vorliegenden Klage drei neue Inspektionsbesuche vorgenommen hätten (vom 11. bis 16. Mai 2003 in Sète und Port-Vendres, vom 19. bis 20. Juni 2003 in Loctudy, Lesconil, Saint-Guénolé und Guilvinec sowie vom 14. bis 22. Juli 2003 in Port-la-Nouvelle, Sète, Grau-du-Roi, Carro, Sanary-sur-Mer und Toulon). Aus den Berichten über diese Besuche gehe hervor, dass die Zahl der Fälle, in denen untermaßiger Fisch verkauft worden sei, in der Bretagne abgenommen habe, dass aber an der Mittelmeerküste weiterhin Probleme in Bezug auf Roten ThunÞsch bestünden. Aus ihnen gehe ferner hervor, dass Kontrollen bei der Anlandung selten seien. 24. Die Kommission hat ausgeführt, sie benötige, um die Wirksamkeit der Maßnahmen der französischen Behörden beurteilen zu können, Berichte und statistische Erhebungen über die Umsetzung der verschiedenen allgemeinen organisatorischen Maßnahmen zur Fischereikontrolle, auf die die französische Regierung verwiesen habe. 25. Auf die Aufforderung des Gerichtshofes, die Zahl der Kontrollen auf See und an Land, die seit der Erhebung der vorliegenden Klage von den französischen Behörden vorgenommen wurden, um für die Einhaltung der Vorschriften über MindestÞschgrößen zu sorgen, sowie die Zahl der festgestellten Verstöße und deren gerichtliche Folgen anzugeben, hat die französische Regierung am 30. Januar 2004 neue statistische Daten vor-

93 402 EuR Heft Rechtsprechung gelegt. Aus ihnen geht hervor, dass die Zahl der Kontrollen, festgestellten Verstöße und Verurteilungen im Jahr 2003 gegenüber dem Jahr 2002 zurückging. 26. Die französische Regierung hat den Rückgang der Kontrollen auf See mit dem Einsatz der französischen Schiffe bei der Bekämpfung der Verschmutzung durch den Untergang des Öltankers Prestige und den Rückgang der Kontrollen an Land mit der verbesserten Disziplin der Fischer erklärt. Den Rückgang der Verurteilungen hat sie auf die Auswirkungen des Amnestiegesetzes Nr vom 6. August 2002 (JORF Nr. 185 vom 9. August 2002, S ) zurückgeführt, dabei aber betont, dass der Durchschnittsbetrag der verhängten Geldbußen gestiegen sei. Zu der gerügten Vertragsverletzung Zum betroffenen geograþ schen Gebiet [...] Zum maßgebenden Zeitpunkt [...] Zum Umfang der den Mitgliedstaaten im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik obliegenden Verpß ichtungen [...] Zur ersten Rüge: Unzulänglichkeit der Kontrolle Vorbringen der Parteien [...] Würdigung durch den Gerichtshof 44. Ebenso wie das Verfahren des Artikels 226 EG (vgl. in Bezug auf die Nichteinhaltung der Quotenregelung in den Fischereiwirtschaftsjahren 1988 und 1990 Urteil vom 1. Februar 2001 in der Rechtssache C-333/99, Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-1025, Randnr. 33) hängt das Verfahren des Artikels 228 EG von der objektiven Feststellung des Verstoßes eines Mitgliedstaats gegen seine Verpßichtungen ab. 45. Im vorliegenden Fall hat die Kommission zur Begründung ihrer Rüge die Prüfberichte ihrer Inspektoren vorgelegt. 46. Der Argumentation der französischen Regierung in der Gegenerwiderung, dass die Berichte, die die Kommission in ihrer Klageschrift herangezogen habe, nicht als Beweis für den Fortbestand einer Vertragsverletzung verwendet werden könnten, da sie den französischen Behörden nie zur Kenntnis gebracht worden seien, kann nicht gefolgt werden. 47. Die Prüfung der von der Kommission vorgelegten Berichte zeigt, dass alle Berichte aus der Zeit nach 1998, die in vollem Umfang oder in Form umfangreicher Auszüge zu den

94 Rechtsprechung EuR Heft Akten gereicht wurden, auf Protokolle von Sitzungen Bezug nehmen, bei denen die zuständigen nationalen Behörden über die Ergebnisse der Inspektionsbesuche informiert wurden und somit die Möglichkeit hatten, zu den Feststellungen der Inspektoren der Kommission Stellung zu nehmen. In den früheren Berichten, die in Form von Auszügen, die sich auf die tatsächlichen Feststellungen der Inspektoren beschränken, zu den Akten gereicht wurden, fehlt zwar eine solche Bezugnahme, doch genügt insoweit der Hinweis, dass sich die französische Regierung in ihrem Schreiben vom 1. August 2000, mit dem sie auf die mit Gründen versehene ergänzende Stellungnahme der Kommission vom 6. Juni 2000 antwortete, zum Inhalt dieser Berichte äußerte, ohne die Bedingungen ihrer Übermittlung an die französischen Behörden in Frage zu stellen. 48. Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob sich aus den Informationen in den von der Kommission vorgelegten Prüfberichten die objektive Feststellung eines fortbestehenden Verstoßes der Französischen Republik gegen ihre Kontrollpßichten ableiten lässt [...] 51. Diese Anhaltspunkte lassen den Schluss zu, dass mangels eines wirksamen Eingreifens der zuständigen nationalen Behörden eine Praxis des Verkaufs untermaßiger Fische fortbestand, die so dauerhaft und verbreitet war, dass sie aufgrund ihrer kumulativen Wirkung die mit der Gemeinschaftsregelung verfolgten Ziele der Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen ernsthaft zu beeinträchtigen vermochte. 52. Außerdem lassen die Ähnlichkeit und die Wiederholung der in allen Berichten festgestellten Sachverhalte den Schluss zu, dass diese Fälle nur die Folge einer strukturellen Unzulänglichkeit der von den französischen Behörden getroffenen Maßnahmen und folglich einer Verletzung der Pßicht dieser Behörden sein konnten, die nach der Gemeinschaftsregelung vorgeschriebenen wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Kontrollen vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Februar 2001, Kommission/Frankreich, Randnr. 35). 53. Demnach ist festzustellen, dass bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen ergänzenden Stellungnahme vom 6. Juni 2000 gesetzt wurde, die Französische Republik nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Urteil Kommission/Frankreich ergeben, und deshalb gegen ihre Verpßichtungen aus Artikel 228 EG verstoßen hat, indem sie nicht für eine den Anforderungen der Gemeinschaftsbestimmungen entsprechende Kontrolle der Fischereitätigkeiten gesorgt hat. 54. In Bezug auf die Situation zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den Gerichtshof zeigen die verfügbaren Informationen, dass erhebliche Mängel fortbestanden. 55. So fanden die Inspektoren der Kommission bei ihrem Besuch in der Bretagne im Juni 2001 (vgl. Randnr. 20 des vorliegenden Urteils) wiederum untermaßige Fische vor. Eine Verringerung der Zahl von Verkäufen solcher Fische wurde bei einem späteren Besuch in derselben Region im Juni 2003 festgestellt (vgl. Randnr. 23 des vorliegenden Urteils). Dies ist jedoch im Hinblick auf die übereinstimmenden Feststellungen über die mangelnde Wirksamkeit der Kontrollen an Land in den Berichten über die beiden Besuche nicht entscheidend. 56. Da die Kommission hinreichende Anhaltspunkte für den Fortbestand der Vertragsverletzung geliefert hat, ist es Sache des betroffenen Mitgliedstaats, die vorgelegten Angaben und deren Konsequenzen substanziiert und ausführlich zu bestreiten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. September 1988 in der Rechtssache 272/86, Kommission/Griechenland, Slg. 1988, 4875, Randnr. 21, und vom 9. November 1999 in der Rechtssache C-365/97, Kommission/Italien, Slg. 1999, I-7773, Randnrn. 84 bis 87).

95 404 EuR Heft Rechtsprechung 57. Insoweit ist festzustellen, dass die Angaben der französischen Regierung in ihrer Klagebeantwortung zur Verstärkung der Kontrollen im Anschluss an die 2001 und 2002 beschlossenen Pläne in Widerspruch zu den Angaben stehen, mit denen die französische Regierung auf die Fragen des Gerichtshofes geantwortet hat (vgl. Randnr. 26 des vorliegenden Urteils) und aus denen hervorgeht, dass die Zahl der Kontrollen an Land und auf See im Jahr 2003 gegenüber dem Jahr 2002 zurückging. 58. Selbst wenn solche divergierenden Angaben, wie die französische Regierung meint, als Anhaltspunkte für eine Verbesserung der Situation angesehen werden könnten, so ändert dies doch nichts daran, dass die unternommenen Anstrengungen die festgestellten Verstöße nicht entschuldigen können (Urteil vom 1. Februar 2001, Kommission/Frankreich, Randnr. 36). 59. In diesem Zusammenhang kann auch dem Vorbringen der französischen Regierung nicht gefolgt werden, dass die Verringerung der Kontrollen aufgrund einer besseren Disziplin der Fischer gerechtfertigt sei. 60. Wie die französische Regierung nämlich in ihrer Klagebeantwortung selbst vorgetragen hat, sind Maßnahmen, mit denen Verhaltensweisen und Einstellungen geändert werden sollen, nur in einem langwierigen Prozess umsetzbar. Daher ist davon auszugehen, dass der mehr als zehn Jahre bestehende strukturelle Mangel an Kontrollen in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften über die Mindestgröße von Fischen die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer zu Verhaltensweisen veranlasst hat, die nur durch ein längerfristiges Vorgehen korrigiert werden können. 61. Unter diesen Umständen sind die von der französischen Regierung gelieferten Informationen im Hinblick auf die ausführlichen Angaben der Kommission nicht substanziiert genug, um zu belegen, dass die zur Kontrolle der Fischereitätigkeiten getroffenen Maßnahmen effektiv genug sind, um ihrer Verpßichtung zu genügen, die Wirksamkeit der Gemeinschaftsregelung zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen zu gewährleisten (vgl. Randnrn. 37 und 38 des vorliegenden Urteils). 62. Somit ist festzustellen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem der Gerichtshof den ihm unterbreiteten Sachverhalt geprüft hat, die Französische Republik nicht alle Maßnahmen ergriffen hatte, die sich aus dem Urteil Kommission/Frankreich ergaben, und deshalb gegen ihre Verpßichtungen aus Artikel 228 EG verstieß, indem sie nicht für eine den Anforderungen der Gemeinschaftsbestimmungen entsprechende Kontrolle der Fischereitätigkeiten gesorgt hatte. Zur zweiten Rüge: Unzulänglichkeit der Verfolgungsmaßnahmen Vorbringen der Parteien [...] Würdigung durch den Gerichtshof 69. Die Verpßichtung der Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass Verstöße gegen die Gemeinschaftsregelung mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen geahndet werden, ist im Fischereisektor von grundlegender Bedeutung. Sowohl die Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen als auch die einheitliche Durchführung der gemeinsamen Fischereipolitik würden nämlich unterlaufen, wenn die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats die Verfolgung der Verantwortlichen für der-

96 Rechtsprechung EuR Heft artige Verstöße systematisch unterließen (vgl. in Bezug auf die Nichteinhaltung der Quotenregelung in den Fischereiwirtschaftsjahren 1991 und 1992 Urteil vom 7. Dezember 1995 in der Rechtssache C-52/95, Kommission/Frankreich, Slg. 1995, I-4443, Randnr. 35). 70. Was im vorliegenden Fall die Situation bei Ablauf der Frist betrifft, die in der mit Gründen versehenen ergänzenden Stellungnahme vom 6. Juni 2000 gesetzt wurde, so genügt ein Hinweis auf die Feststellungen in den Randnummern 49 bis 52 des vorliegenden Urteils. Da erwiesen ist, dass die nationalen Behörden Verstöße, obwohl sie feststellbar gewesen wären, nicht erfasst und gegen Zuwiderhandelnde keine Protokolle erstellt haben, haben diese Behörden gegen ihre Verfolgungspßicht nach der Gemeinschaftsregelung verstoßen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 1991, Kommission/Frankreich, Randnr. 24). 71. Was die Situation zu dem Zeitpunkt angeht, zu dem der Gerichtshof den Sachverhalt geprüft hat, so ist auf die Feststellungen in den Randnummern 54 bis 61 des vorliegenden Urteils zu verweisen, wonach erhebliche Mängel bei den Kontrollen fortbestanden. Im Hinblick auf diese Feststellungen kann die von der französischen Regierung angeführte Zunahme der Zahl verfolgter Verstöße nicht als ausreichend angesehen werden. Wie die französische Regierung vorgetragen hat, kann nämlich eine rein statistische Prüfung der Zahl verfolgter Verstöße für sich allein nicht die Wirksamkeit einer Kontrollregelung belegen. 72. Außerdem werden, wie die Kommission ausgeführt hat, nach den von der französischen Regierung vorgelegten Informationen nicht alle festgestellten Verstöße verfolgt. Auch werden offenbar nicht bei allen verfolgten Verstößen abschreckende Sanktionen verhängt. So ist die Tatsache, dass zahlreiche Verstöße im Fischereisektor unter das Gesetz Nr Þelen, ein Beleg dafür, dass in all diesen Fällen Geldbußen unter 750 Euro verhängt worden waren. 73. Unter diesen Umständen sind die Informationen der französischen Regierung im Hinblick auf die ausführlichen Angaben der Kommission nicht substanziiert genug, um zu belegen, dass ihre zur Verfolgung von Verstößen gegen die Fischereiregelung getroffenen Maßnahmen die erforderliche Effektivität, Verhältnismäßigkeit und Abschreckungswirkung aufweisen, um ihrer Verpßichtung zu genügen, die Wirksamkeit der Gemeinschaftsregelung zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischereiressourcen zu gewährleisten (vgl. Randnrn. 37 und 38 des vorliegenden Urteils). 74. Daher ist festzustellen, dass sowohl bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen ergänzenden Stellungnahme vom 6. Juni 2000 gesetzt wurde, als auch zu dem Zeitpunkt, zu dem der Gerichtshof den Sachverhalt geprüft hat, die Französische Republik nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Urteil Kommission/Frankreich ergeben, indem sie nicht dafür gesorgt hat, dass Verstöße gegen die Regelung der Fischereitätigkeiten gemäß den Anforderungen der Gemeinschaftsbestimmungen verfolgt werden. Deshalb hat sie gegen ihre Verpßichtungen aus Artikel 228 EG verstoßen. Zu den Þnanziellen Sanktionen der Vertragsverletzung 75. Zur Ahndung der Nichtdurchführung des Urteils vom 11. Juni 1991, Kommission/Frankreich, hat die Kommission dem Gerichtshof vorgeschlagen, gegen die Französische Republik ein tägliches Zwangsgeld ab der Verkündung des vorliegenden Urteils bis zum

97 406 EuR Heft Rechtsprechung Tag der Beendigung der Vertragsverletzung zu verhängen. Im Hinblick auf die besonderen Merkmale der festgestellten Vertragsverletzung hält es der Gerichtshof für angebracht, außerdem zu prüfen, ob die Verhängung eines Pauschalbetrags eine geeignete Maßnahme darstellen könnte. Zur Möglichkeit der Kumulierung eines Zwangsgelds und eines Pauschalbetrags Vorbringen der Parteien und beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen [...] Würdigung durch den Gerichtshof 80. Das Verfahren nach Artikel 228 Absatz 2 EG soll einen säumigen Mitgliedstaat veranlassen, ein Vertragsverletzungsurteil durchzuführen, und damit die wirksame Anwendung des Gemeinschaftsrechts gewährleisten. Die in dieser Bestimmung vorgesehenen Maßnahmen der Pauschalbetrag und das Zwangsgeld dienen beide diesem Zweck. 81. Ob die eine oder die andere dieser beiden Maßnahmen angewandt wird, hängt von ihrer Eignung zur Erfüllung des verfolgten Zweckes nach Maßgabe der Umstände des konkreten Falles ab. Während die Verhängung eines Zwangsgelds besonders geeignet erscheint, um einen Mitgliedstaat zu veranlassen, eine Vertragsverletzung, die ohne eine solche Maßnahme die Tendenz hätte, sich fortzusetzen, so schnell wie möglich abzustellen, beruht die Verhängung eines Pauschalbetrags mehr auf der Beurteilung der Folgen einer Nichterfüllung der Verpßichtungen des betreffenden Mitgliedstaats für die privaten und öffentlichen Interessen, insbesondere wenn die Vertragsverletzung seit dem Urteil, mit dem sie ursprünglich festgestellt wurde, lange Zeit fortbestanden hat. 82. Unter diesen Umständen ist es nicht ausgeschlossen, auf die beiden in Artikel 228 Absatz 2 EG vorgesehenen Sanktionsarten zurückzugreifen, insbesondere wenn die Vertragsverletzung sowohl von langer Dauer war als auch die Tendenz hat, sich fortzusetzen. 83. Dieser Auslegung kann nicht entgegengehalten werden, dass in Artikel 228 Absatz 2 EG die Konjunktion oder zwischen den möglichen Þnanziellen Sanktionen verwendet wird. Wie die Kommission, die dänische, die niederländische und die Þnnische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs vorgetragen haben, kann diese Konjunktion in sprachlicher Hinsicht sowohl alternative als auch kumulative Bedeutung haben und muss deshalb in dem Zusammenhang gesehen werden, in dem sie verwendet wird. Im Hinblick auf den mit Artikel 228 EG verfolgten Zweck ist die Verwendung der Konjunktion oder in Absatz 2 dieser Bestimmung daher in einem kumulativen Sinne zu verstehen. 84. Der insbesondere von der deutschen, der griechischen, der ungarischen, der österreichischen und der polnischen Regierung erhobene Einwand, dass bei der kumulativen Verhängung eines Zwangsgelds und eines Pauschalbetrags derselbe Vertragsverletzungszeitraum zweimal berücksichtigt würde und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem vorläge, ist ebenfalls zurückzuweisen. Da jede Sanktion ihre eigene Funktion hat, ist sie so zu bestimmen, dass diese Funktion erfüllt wird. Folglich wird im Fall einer gleichzeitigen Verurteilung zur Zahlung eines Zwangsgelds und eines Pauschalbetrags die Dauer der Vertragsverletzung als ein Kriterium unter anderen für die

98 Rechtsprechung EuR Heft Bestimmung des angemessenen Maßes von Zwang und Abschreckung herangezogen. 85. Dem insbesondere von der belgischen Regierung vorgebrachten Argument, dass mangels Leitlinien der Kommission für die Berechnung eines Pauschalbetrags die Festsetzung eines solchen Betrages gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Transparenz verstoßen würde, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Solche Leitlinien tragen zwar dazu bei, die Transparenz, Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit des Vorgehens der Kommission zu gewährleisten (vgl. in Bezug auf Leitlinien für die Berechnung des Zwangsgelds Urteil vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland, Randnr. 87), doch hängt die Ausübung der dem Gerichtshof durch Artikel 228 Absatz 2 EG übertragenen Befugnis nicht von der Voraussetzung ab, dass die Kommission solche Regeln erlässt, die den Gerichtshof jedenfalls nicht binden können (Urteile vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland, Randnr. 89, und vom 25. November 2003, Kommission/Spanien, Randnr. 41). 86. Zu dem von der französischen Regierung erhobenen Einwand, dass durch die kumulative Verhängung eines Zwangsgelds und eines Pauschalbetrags in der vorliegenden Rechtssache der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt würde, da dies in den Urteilen vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland, und vom 25. November 2003, Kommission/Spanien, nicht in Betracht gezogen worden sei, ist festzustellen, dass der Gerichtshof in jeder Rechtssache anhand der Umstände des Einzelfalls die zu verhängenden Þnanziellen Sanktionen zu bestimmen hat. Unter diesen Umständen kann die Tatsache, dass in zuvor entschiedenen Rechtssachen keine Kumulierung von Maßnahmen vorgenommen wurde, als solche kein Hindernis für eine derartige Kumulierung in einer späteren Rechtssache sein, wenn sie im Hinblick auf Art, Schwere und Fortdauer der festgestellten Vertragsverletzung angemessen erscheint. Zum Ermessen des Gerichtshofes hinsichtlich der Þnanziellen Sanktionen, die verhängt werden können Vorbringen der Parteien und beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen [...] Würdigung durch den Gerichtshof 89. Zu den auf die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Vorhersehbarkeit, der Transparenz und der Gleichbehandlung gestützten Argumenten ist auf die in den Randnummern 85 und 86 des vorliegenden Urteils vorgenommene Würdigung zu verweisen. 90. Was das Argument der deutschen Regierung angeht, dass dem Gerichtshof die politische Legitimität für den Erlass einer von der Kommission nicht vorgeschlagenen Þnanziellen Sanktion fehle, so ist zwischen den verschiedenen Abschnitten des Verfahrens nach Artikel 228 Absatz 2 EG zu unterscheiden. Sobald die Kommission von ihrem Ermessen hinsichtlich der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens Gebrauch gemacht hat (vgl. u. a. in Bezug auf Artikel 226 EG Urteile vom 25. September 2003 in der Rechtssache C-74/02, Kommission/Deutschland, Slg. 2003, I-9877, Randnr. 17, und vom 21. Oktober 2004 in der Rechtssache C-477/03, Kommission/Deutschland, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 11), ist die Frage, ob der betreffende Mitgliedstaat ein früheres Urteil des Gerichtshofes durchgeführt hat, Gegenstand eines gericht-

99 408 EuR Heft Rechtsprechung lichen Verfahrens, in dem politische Erwägungen unerheblich sind. Der Gerichtshof prüft in Ausübung seiner Rechtsprechungsfunktion, inwieweit die Lage in dem betreffenden Mitgliedstaat dem ursprünglichen Urteil entspricht, und beurteilt gegebenenfalls die Schwere einer fortbestehenden Vertragsverletzung. Folglich können, wie der Generalanwalt in Nummer 24 seiner Schlussanträge vom 18. November 2004 ausgeführt hat, die Zweckmäßigkeit der Verhängung einer Þnanziellen Sanktion und die Wahl der Sanktion, die am besten den Umständen des Einzelfalls angepasst ist, nur im Licht der Feststellungen des Gerichtshofes in dem nach Artikel 228 Absatz 2 EG zu erlassenden Urteil beurteilt werden und sind somit der politischen Sphäre entzogen. 91. Das Argument, dass der Gerichtshof, wenn er von den Vorschlägen der Kommission abweiche oder über sie hinausgehe, gegen einen allgemeinen zivilprozessualen Grundsatz verstoße, wonach das Gericht nicht über die Anträge der Parteien hinausgehen dürfe, ist ebenfalls nicht begründet. Das in Artikel 228 Absatz 2 EG vorgesehene Verfahren ist ein besonderes gerichtliches Verfahren des Gemeinschaftsrechts, das nicht einem Zivilverfahren gleichgestellt werden kann. Die Verurteilung zur Zahlung eines Zwangsgelds und/oder eines Pauschalbetrags zielt nicht auf den Ausgleich irgendeines von dem betreffenden Mitgliedstaat verursachten Schadens ab, sondern soll auf diesen Staat wirtschaftlichen Zwang ausüben, der ihn dazu veranlasst, die festgestellte Vertragsverletzung abzustellen. Die Þnanziellen Sanktionen sind daher nach dem Maß des Überzeugungsdrucks zu verhängen, das erforderlich ist, damit der fragliche Mitgliedstaat sein Verhalten ändert. 92. Was die von der französischen, der belgischen, der niederländischen, der österreichischen und der Þnnischen Regierung hervorgehobenen Verteidigungsrechte angeht, die dem betreffenden Mitgliedstaat zur Verfügung stehen müssen, so ist, wie es der Generalanwalt in Nummer 11 seiner Schlussanträge vom 18. November 2004 getan hat, darauf hinzuweisen, dass das in Artikel 228 Absatz 2 EG vorgesehene Verfahren als ein besonderes gerichtliches Verfahren der Durchführung von Urteilen, mit anderen Worten als ein Vollstreckungsverfahren, anzusehen ist. Die Verfahrensgarantien, die dem fraglichen Mitgliedstaat zur Verfügung stehen müssen, sind daher in diesem Kontext zu beurteilen. 93. Sobald im Rahmen eines kontradiktorischen Verfahrens festgestellt wurde, dass eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts fortbesteht, müssen folglich die Verteidigungsrechte, die dem säumigen Mitgliedstaat in Bezug auf die in Betracht gezogenen Þnanziellen Sanktionen zuzuerkennen sind, dem verfolgten Ziel Rechnung tragen, nämlich dafür zu sorgen und zu gewährleisten, dass die Wahrung der Rechtmäßigkeit wiederhergestellt wird. 94. Was im vorliegenden Fall das tatsächliche Verhalten angeht, das zur Verhängung Þnanzieller Sanktionen führen konnte, so hat die Französische Republik Gelegenheit gehabt, sich während des gesamten vorgerichtlichen Verfahrens, das fast neun Jahre dauerte und zu zwei mit Gründen versehenen Stellungnahmen führte, sowie im Rahmen des schriftlichen Verfahrens und der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2004 in der vorliegenden Rechtssache zu verteidigen. Diese Prüfung des Sachverhalts hat den Gerichtshof bewogen, die Fortdauer eines Verstoßes der Französischen Republik gegen ihre Verpßichtungen festzustellen (vgl. Randnr. 74 des vorliegenden Urteils). 95. Die Kommission, die in den beiden mit Gründen versehenen Stellungnahmen die Französische Republik auf das Risiko Þnanzieller Sanktionen aufmerksam gemacht hatte (vgl. Randnrn. 15 und 18 des vorliegenden Urteils), hat dem Gerichtshof die Kriterien

100 Rechtsprechung EuR Heft genannt (vgl. Randnr. 98 des vorliegenden Urteils), die für die Bestimmung der Þnanziellen Sanktionen herangezogen werden können, mit denen auf die Französische Republik ein hinreichender wirtschaftlicher Druck ausgeübt werden soll, um sie dazu zu veranlassen, ihre Vertragsverletzung so schnell wie möglich abzustellen, und sie hat angegeben, wie diese Kriterien zu gewichten sind. Die Französische Republik hat sich zu den fraglichen Kriterien im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2004 geäußert. 96. Mit Beschluss vom 16. Juni 2004 hat der Gerichtshof die Parteien aufgefordert, sich zu der Frage zu äußern, ob für den Fall, dass der Gerichtshof feststellen sollte, dass ein Mitgliedstaat nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus einem früheren Urteil ergeben, und die Kommission den Gerichtshof ersucht hat, diesen Staat zur Zahlung eines Zwangsgelds zu verurteilen, der Gerichtshof dem betreffenden Mitgliedstaat die Zahlung eines Pauschalbetrags oder gegebenenfalls eines Pauschalbetrags und eines Zwangsgelds auferlegen kann. Die Parteien sind in der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2004 gehört worden. 97. Die Französische Republik war folglich in der Lage, zu allen rechtlichen und tatsächlichen Umständen, die für die Bestimmung von Fortbestand und Schwere der ihr zur Last gelegten Vertragsverletzung erforderlich sind, sowie zu den Maßnahmen, die zur Beendigung der Vertragsverletzung getroffen werden konnten, Stellung zu nehmen. Aufgrund dieser Umstände, die Gegenstand einer streitigen Erörterung waren, hat der Gerichtshof nach Maßgabe des ihm erforderlich erscheinenden Grades an Überzeugung und Abschreckung die angemessenen Þnanziellen Sanktionen zu bestimmen, um für die schnellstmögliche Durchführung des Urteils Kommission/Frankreich zu sorgen und die Wiederholung ähnlicher Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht zu verhindern. Zu den im vorliegenden Fall angemessenen Þ nanziellen Sanktionen Zur Verhängung eines Zwangsgelds 98. Gestützt auf die in ihrer Mitteilung 97/C 63/02 vom 28. Februar 1997 über das Verfahren für die Berechnung des Zwangsgelds nach Artikel [228] EG-Vertrag (ABl. C 63, S. 2) festgelegte Berechnungsmethode hat die Kommission dem Gerichtshof vorgeschlagen, gegen die Französische Republik als Sanktion für die Nichtdurchführung des Urteils Kommission/Frankreich ab der Verkündung des Urteils in der vorliegenden Rechtssache bis zu dem Tag, an dem das Urteil Kommission/Frankreich durchgeführt ist, ein Zwangsgeld in Höhe von Euro pro Tag des Verzugs festzusetzen. 99. Die Kommission sieht die Verurteilung zur Zahlung eines Zwangsgelds als das geeignetste Instrument an, um den festgestellten Verstoß schnellstmöglich abzustellen, und hält im vorliegenden Fall ein Zwangsgeld in Höhe von Euro pro Tag des Verzugs im Hinblick auf Schwere und Dauer des Verstoßes unter Berücksichtigung des Erfordernisses einer wirksamen Sanktion für angemessen. Dieser Betrag ergebe sich aus der Multiplikation eines einheitlichen Grundbetrags von 500 Euro mit einem KoefÞzienten von 10 (auf einer Skala von 1 bis 20) für die Schwere des Verstoßes, einem KoefÞzienten von 3 (auf einer Skala von 1 bis 3) für die Dauer des Verstoßes und einem KoefÞzienten von 21,1 (hergeleitet aus dem Bruttoinlandsprodukt des betreffenden Mitgliedstaats und der Stimmengewichtung im Rat der Europäischen Union), der für die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats stehen solle.

101 410 EuR Heft Rechtsprechung 100. Die französische Regierung trägt vor, es bestehe kein Anlass zur Verhängung einer Geldbuße, da sie die Vertragsverletzung abgestellt habe; hilfsweise macht sie geltend, dass die beantragte Geldbuße unverhältnismäßig sei In Bezug auf die Schwere des Verstoßes habe die Kommission im Urteil vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland, einen KoefÞzienten von 6 vorgeschlagen, obwohl die Vertragsverletzung die öffentliche Gesundheit gefährdet habe und keine Maßnahme zur Durchführung des früheren Urteils ergriffen worden sei; beides sei hier nicht der Fall. Daher sei der von der Kommission in der vorliegenden Rechtssache vorgeschlagene KoefÞzient von 10 nicht akzeptabel Außerdem könnten die zur Durchführung des Urteils Kommission/Frankreich erforderlichen Maßnahmen keine sofortigen Wirkungen entfalten. Angesichts der unvermeidlichen Verzögerung zwischen dem Erlass der Maßnahmen und der Spürbarkeit ihrer Wirkung könne der Gerichtshof nicht den gesamten Zeitraum zwischen der Verkündung des ersten Urteils und der des zu erlassenden Urteils berücksichtigen Insoweit ist zwar klar, dass ein Zwangsgeld geeignet ist, den säumigen Mitgliedstaat zu veranlassen, die festgestellte Vertragsverletzung innerhalb kürzester Frist abzustellen (Urteil vom 25. November 2003, Kommission/Spanien, Randnr. 42), doch können die Vorschläge der Kommission den Gerichtshof nicht binden und stellen nur einen nützlichen Bezugspunkt dar (Urteil vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland, Randnr. 89). Bei der Ausübung seines Ermessens hat der Gerichtshof das Zwangsgeld so festzusetzen, dass es den Umständen angepasst ist und in einem angemessenen Verhältnis zur festgestellten Vertragsverletzung und zur Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats steht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland, Randnr. 90, und vom 25. November 2003, Kommission/Spanien, Randnr. 41) Aus dieser Sicht sind, wie die Kommission in ihrer Mitteilung vom 28. Februar 1997 vorgeschlagen hat, zur Gewährleistung des Charakters des Zwangsgelds als Druckmittel im Hinblick auf die einheitliche und wirksame Anwendung des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich die Dauer des Verstoßes, der Grad seiner Schwere und die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats als Grundkriterien heranzuziehen. Bei der Anwendung dieser Kriterien ist insbesondere zu berücksichtigen, welche Folgen die Nichterfüllung der Verpßichtungen für die privaten und öffentlichen Interessen hat und wie dringend es ist, den betreffenden Mitgliedstaat zu veranlassen, seinen Verpßichtungen nachzukommen (Urteil vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland, Randnr. 92) Was die Schwere des Verstoßes und insbesondere die Folgen der Nichterfüllung der Verpßichtungen für die privaten und öffentlichen Interessen angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass eines der Schlüsselelemente der gemeinsamen Fischereipolitik in einer rationellen, verantwortungsvollen und dauerhaften Bewirtschaftung der Meeresressourcen unter wirtschaftlichen und sozial angemessenen Bedingungen besteht. In diesem Zusammenhang erweist sich der Schutz junger Meerestiere als ausschlaggebend für die Wiederauffüllung der Bestände. Die Nichtbeachtung der durch die gemeinsame Politik vorgesehenen technischen Erhaltungsmaßnahmen, insbesondere der Anforderungen an die Mindestgröße der Fische, stellt somit eine ernsthafte Bedrohung für die Erhaltung bestimmter Arten und bestimmter Fischgründe dar und gefährdet die Verfolgung des grundlegenden Zieles der gemeinsamen Fischereipolitik. 106 Da die von den französischen Behörden getroffenen Verwaltungsmaßnahmen nicht

102 Rechtsprechung EuR Heft wirksam durchgeführt wurden, können sie die Schwere der festgestellten Vertragsverletzung nicht verringern Unter Berücksichtigung dieser Umstände spiegelt der KoefÞzient von 10 (auf einer Skala von 1 bis 20) daher den Grad der Schwere des Verstoßes in angemessener Weise wider Zur Dauer des Verstoßes genügt die Feststellung, dass sie erheblich ist, selbst wenn man sie vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrages über die Europäische Union und nicht vom Zeitpunkt der Verkündung des Urteils Kommission/Frankreich an berechnet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland, Randnr. 98). Unter diesen Umständen erscheint der von der Kommission vorgeschlagene KoefÞzient von 3 (auf einer Skala von 1 bis 3) angemessen Der Vorschlag der Kommission, den Grundbetrag mit einem KoefÞzienten von 21,1 zu multiplizieren, der auf dem Bruttoinlandsprodukt der Französischen Republik und der Zahl ihrer Stimmen im Rat beruht, stellt eine geeignete Methode dar, um die Zahlungsfähigkeit dieses Mitgliedstaats unter Beibehaltung einer angemessenen Differenzierung zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen (vgl. Urteile vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland, Randnr. 88, und vom 25. November 2003, Kommission/Spanien, Randnr. 59) Die Multiplikation des Grundbetrags von 500 Euro mit den KoefÞzienten 21,1 (für die Zahlungsfähigkeit), 10 (für die Schwere des Verstoßes) und 3 (für die Dauer des Verstoßes) ergibt einen Betrag von Euro pro Tag In Bezug auf die Periodizität des Zwangsgelds ist jedoch der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die französischen Behörden Verwaltungsmaßnahmen getroffen haben, die als Rahmen für die Umsetzung der zur Durchführung des Urteils Kommission/Frankreich erforderlichen Maßnahmen dienen können. Die notwendigen Anpassungen gegenüber den früheren Praktiken können jedoch nicht plötzlich erfolgen, und ihre Auswirkung kann nicht sofort wahrgenommen werden. Folglich kann erst am Ende eines Zeitraums, der eine Gesamtbewertung der erzielten Ergebnisse erlaubt, die Beendigung des Verstoßes festgestellt werden Angesichts dieser Erwägungen ist die Geldbuße nicht auf Tagesbasis, sondern auf Halbjahresbasis festzusetzen Nach alledem ist die Französische Republik zu verurteilen, an die Kommission auf das Konto Eigene Mittel der Europäischen Gemeinschaft ein Zwangsgeld in Höhe von 182,5 x Euro, also Euro, für jeden Sechsmonatszeitraum ab der Verkündung des vorliegenden Urteils, an dessen Ende das Urteil Kommission/Frankreich noch nicht vollständig durchgeführt ist, zu zahlen. Zur Verhängung eines Pauschalbetrags 114. In einer Situation, wie sie Gegenstand des vorliegenden Urteils ist, ist angesichts der Tatsache, dass die Vertragsverletzung seit dem Urteil, mit dem sie ursprünglich festgestellt wurde, lange Zeit fortbestanden hat, und im Hinblick auf die betroffenen öffentlichen und privaten Interessen die Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags geboten (vgl. Randnr. 81 des vorliegenden Urteils) Die besonderen Umstände des vorliegenden Falles sind mit der Festsetzung eines Pauschalbetrags von Euro, den die Französische Republik zu entrichten hat, angemessen berücksichtigt.

103 412 EuR Heft Rechtsprechung 116. Die Französische Republik ist daher zu verurteilen, an die Kommission auf das Konto Eigene Mittel der Europäischen Gemeinschaft einen Pauschalbetrag in Höhe von Euro zu zahlen. Kosten 117. Nach Artikel 69 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Französischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

104 Rechtsprechung EuR Heft Neue Auslegung des Art. 228 Abs. 2 EG und ein Zeichen gesteigerter Autorität des EuGH: Erstmalige Verhängung von Zwangsgeld und Pauschalbetrag gegen einen Mitgliedstaat Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich, Rs. C 304 /02 Von Angelika Huck und Felicitas Klieve, Bonn * Die Einführung des Vertragsverletzungsverfahrens in der jetzigen Fassung des Art. 228 EG hat seit dem Vertrag von Maastricht nicht den gewünschten Erfolg in der Zügelung der Mitgliedstaaten vor Vertragsverletzungen gebracht. Die Nichtbeachtung von Vertragsverletzungsurteilen ist seit 1992 nicht wieder zur Ausnahme geworden. 1 Nunmehr greift der EuGH zur nächsten Konsequenz, der additiven Verhängung von Zwangsgeld und Pauschalbetrag und legt damit den Art. 228 Abs. 2 EG neu aus. Dieses Urteil hat sowohl in der Fachwelt als auch im politischen Umfeld erheblichen Diskussionsbedarf ausgelöst. Diese Anmerkung zeigt die rechtlichen und Þnanziellen Auswirkungen auf und will einen Beitrag zur Zwangsgeld-Debatte leisten. I. Geschichte des Art. 228 Abs. 2 EG Ursprünglich hatten die Väter der Verträge nicht damit gerechnet, dass die Mitgliedstaaten, die sich von der Idee Europas tragen ließen, Vertragsrecht nicht beachten könnten. 2 Dennoch musste die Kommission im Jahr 1968 ein erstes Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien beantragen. 3 Es erging ein Feststellungsurteil, das die Beseitigung der Vertragsverletzung durch den Mitgliedstaat verbindlich vorsah. Die aus diesem Urteil erwachsenen Verpßichtungen waren aber nicht zwangsweise durchzusetzen. Optimistische Stimmen gingen davon aus, dass dies den Mitgliedstaaten eine Lehre sein werde und es nicht zu einem weiteren Verfahren kommen würde. 4 Doch seit Mitte der achtziger Jahre haben sich die Fälle der Vertragsverletzung durch die Mitgliedstaaten stark vermehrt. Da es für den Fall der Nichtbeachtung eines Vertragsverletzungsurteils keine speziellen Sanktionsmöglichkeiten gab, blieb der Kommission, die nach Art. 211 EG auch für den Vollzug der Urteile zuständig ist, nur die Möglichkeit, ein neues Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 EG anzustrengen. 5 Mit dem Vertrag von Maastricht wurde dann der heutige Art. 228 Abs. 2 EG eingefügt (Art. 171 Abs. 2 EGV a. F. 1992), der ein zweites Verfahren nach dem Vertragsverletzungsverfahren des Art. 226 EG vorsieht, wenn der Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Vertragsverletzung nicht ergriffen hat. Die Kommission ist nach Abs. 2 die- * Die Autorin Huck ist Referatsleiterin im Bundesministerium für Gesundheit, Bonn, die Autorin Klieve ist Referendarin und wurde im Jahr 2005 ebendort ausgebildet. Sie geben in diesem Beitrag ausschließlich ihre persönliche Ansicht wieder. 1 So noch Heidig, Die Verhängung von Zwangsgeldern nach Art. 228 Abs. 2 EGV, EuR 2000, S. 782 ff., S Vgl. Wägenbauer, Zur Nichtbefolgung von Urteilen des EuGH durch die Mitgliedstaaten, in: FS für Everling, Band II, S ff, S zur Autorität des Richterspruchs. 3 Damals nach Art. 5 EWGV, heute Art. 226 EG. 4 Schlussantrag des GA Lagrange, Rs. 7/61, Slg. 1961, 723, Heidig, (Fn. 1), S. 728.

105 414 EuR Heft Rechtsprechung ser Regelung befugt, den Gerichtshof anzurufen und dabei die Höhe eines zu zahlenden Pauschalbetrages oder Zwangsgeldes zu benennen. Der EuGH stellt sodann nach Abs. 2 Unterabs. 2 fest, dass der Mitgliedstaat dem Ersturteil nicht nachgekommen ist und er kann die Zahlung eines Pauschalbetrages oder Zwangsgeldes verhängen. Zwar gleicht dieses Verfahren auf den ersten Blick einem wenig modiþzierten Verfahren nach Art. 226 EG, dennoch weist es erhebliche Unterschiede auf: Dem Verfahren ist eine außergerichtliche Phase vorgeschaltet, in der die Kommission dem betreffenden Mitgliedstaat zunächst die Möglichkeit der Äußerung bietet und danach eine mit Gründen versehene Stellungnahme abgibt, in der sie aufführt, in welchen Punkten der betreffende Staat einem Urteil des EuGH nicht nachgekommen ist. Sie setzt dem Mitgliedstaat in der Stellungnahme noch einmal eine Frist zur Beilegung des gerügten Verpßichtungsverstoßes. Binnen dieser Frist muss die Kommission Kenntnis erlangen von der Beilegung, was etwa durch die Übersendung eines Bundesgesetzblattes geschehen kann. Führt das vorgerichtliche Verfahren nicht zur Beilegung der Streitigkeit, kann die Kommission den EuGH anrufen. Sie hat insoweit ein Ermessen. Entscheidet sie sich für die Klageerhebung, muss sie sich auch zur Sanktion äußern, nämlich einen Pauschalbetrag oder ein Zwangsgeld und dessen Höhe benennen oder unter Angabe von Gründen auf die Benennung einer Sanktion verzichten, wenn die Umstände es rechtfertigen. Das kann bei einem minder schweren Verstoß der Fall sein. 6 Dieses Verfahren hat sich über den Zeitraum von sechs Jahren nach Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages 1992 als effektiv erwiesen, die Autorität des EuGH zu gewährleisten. In den meisten Fällen löste bereits die Einleitung eines zweiten Verfahrens mit dem Beschluss der Kommission, ein Zwangsgeld zu benennen, auf nationaler Ebene hektische Aktivitäten aus, die selbst in föderalen Staaten zu einer zügigen Regularisierung des festgestellten Vertragsverstoßes führten. 7 Mit der Klageeinreichung fürchteten die Mitgliedstaaten wohl einen Ansehensverlust und haben teilweise regelrechte Frühwarnsysteme entwickelt, um eine zügige Umsetzung der im ersten Urteil gerügten Vertragsverletzungen sicherzustellen. Es kam erstmalig gegen Griechenland 8, sodann einmal gegen Spanien 9 zur Verhängung eines Zwangsgeldes, das von der Kommission beantragt worden war. In einer Reihe von Vertragsverletzungsverfahren hat die Kommission auch ein Zwangsgeld benannt, also dessen Verhängung beantragt, ohne dass es zu einer Verurteilung kam. So konnte die Bundesrepublik Deutschland in vier Fällen bislang der Verurteilung durch zwischenzeitliches Umsetzen der festgestellten Vertragsverletzung entgehen. 10 In der Literatur wurde nach der grammatikalischen Auslegung des Verbs benennen angenommen, dass der EuGH an den Antrag der Kommission gebunden sei und zwar insoweit, als er sich an die beantragte Art der Sanktion zu halten habe und nach dem Grundsatz ne 6 Borchardt, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, Kommentar, Köln, 3. Außage 2003, Art. 228, Rn Karpenstein/Karpenstein, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Kommentar Loseblatt, Bd. III, Stand: 26. Erg.-Liefg. März 2005 Art. 228, Rn EuGH, Urteil vom 4. Juli 2000, Rs. C-387/97 (Kommission/Griechenland), Slg. 2000, I-5047; alle Urteile, Schlussanträge und Klageschriften ab 1997 sind unter Angabe des Datums oder des Aktenzeichens unter www. curia.eu.int. abrufbar. 9 EuGH, Urteil vom 25. Nov. 2003, Rs. C-278/01 (Kommission/Spanien), Slg. 2003, I In den Fällen der festgestellten Nichtumsetzung der Grundwasser-Richtlinie, beantragtes Zwangsgeld: ; der Oberßächengewässerschutz-Richtlinie, beantragtes Zwangsgeld: ; der Vogelschutz- Richtlinie, beantragtes Zwangsgeld: ; der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, beantragtes Zwangsgeld:

106 Rechtsprechung EuR Heft ultra petita lediglich die beantragte Summe in seinem Urteil unterschreiten dürfe. Er sollte also den Klagegegenstand nicht ändern dürfen. 11 Dem wird entgegengehalten, dass eine gegriffene Summe von der Kommission sich nicht einfach auf eine mathematische Formel zurückführen lässt und die Verfahrensgrundlagen der Kommission für die Berechnung des Zwangsgeldes, die in der Form der Mitteilung ergangen sind, nicht rechtsverbindlich seien. 12 Der Berechnung legt die Kommission nämlich auf der Basis eines pauschalierten Belastungsbetrages einen Schwere-KoefÞzienten, einen Dauer-KoefÞzienten und einen Belastungs-KoefÞzienten zugrunde. Er setzt sich zusammen aus einem Faktor für die Wirtschaftskraft des Mitgliedstaates gemessen am Brutto-Inlands-Produkt wobei der geringste 1 ist für Luxemburg und der höchste 26,4 für Deutschland beträgt und aus einem Faktor für die Stimmengewalt im Rat. 13 Gegen die Einbeziehung des Stimmengewichts im Rat wird vorgebracht, dass sie mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten nicht vereinbar sei. 14 Gegen den BelastungskoefÞzienten wird vorgebracht, dass das Brutto-Inlands-Produkt keinesfalls deckungsgleich mit der Zahlungsfähigkeit eines Staates ist und so gerade am Vergleich zwischen Luxemburg und Deutschland die Ungerechtigkeit der Bemessungsgrundlage auffällt. Als Indikator für die Zahlungsfähigkeit sollten Passiva, wie das HaushaltsdeÞzit und die Verschuldung mit eingerechnet werden. 15 Bereits in der Rechtsache C-387/97 (Kommission gegen Griechenland) 16 hat der EuGH ein Zwangsgeld von pro Tag verhängt und ist damit von der von der Kommission beantragten Höhe von abgewichen. Wie sich die Summe seiner Meinung nach zusammensetzt, hat der EuGH offen gelassen. Damit macht der EuGH deutlich, dass die beantragte Summe nicht einfach die nach der mathematischen Formel der Kommission ausgerechnete Zahl zu sein hat, sondern das Ergebnis einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalles ist. Insbesondere betont der EuGH, dass der beantragte Vorschlag der Kommission hinsichtlich der Höhe zwar einen hilfreichen Bezugspunkt darstellt, er aber nicht an den Vorschlag gebunden ist. 17 Auch in der Literatur wurde mehrheitlich die Ansicht vertreten, der EuGH könne entweder ein Zwangsgeld oder einen Pauschalbetrag verhängen. Dies ergebe sich aus der grammatikalischen Auslegung des Art. 228 Abs. 2 Unterabs. 2 EG: so kann er die Zahlung eines Pauschalbetrages oder Zwangsgeldes verhängen als disjunktives oder in Verbindung mit dem systematischen Argument, dass die Kommission die Herrin der Verträge und gemäß Art. 211 EG letzter Spiegelstrich allein zur Wahl der Sanktion befugt sei. 18 Dem entgegenzuhalten ist die Unabhängigkeit des EuGH als Spruchkörper und seine Aufgabe der Sicherstellung der Wahrung des Rechts aus Art. 220 EG, zu der als Annexkompetenz die Wahl der Sanktion gehört. 11 Karpenstein/Karpenstein, (Fn. 7), Rn. 40; Middeke/Szcekalla, JZ 1993, S. 284 ff., S. 287; Wägenbauer (Fn. 2), S So im Ergebnis Gaitanides, in: Von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Kommentar, Band 4, Baden-Baden, 6. Außage 2004, Art. 228 EG, Rn. 19 ff. 13 Vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung von Artikel 228 EG-Vertrag, Abl C 242/6; Verfahren für die Berechnung des Zwangsgeldes nach Artikel 228 EG-Verfahren, Abl C 63/2. 14 Heidig (Fn. 1), S. 788; Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/EGV-Kommentar, Art. 228 EG, Rn Gaitanides (Fn. 12), Art. 228, Rn Siehe Fn EuGH, Rs. C-387/97 (Fn. 8), Rn. 89; So schon Heidig (Fn. 1), S Karpenstein/Karpenstein (Fn. 7), Art. 228, Rn. 40.

107 416 EuR Heft Rechtsprechung II. Wendemarke mit dem Urteil des EuGH vom 12. Juli 2005 Der EuGH hat am 12. Juli 2005 in der Sache C-304/02 (Kommission/Frankreich) festgestellt, dass die Französische Republik nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Urteil vom 11. Juni 1991 in der Rechtssache C-64/88 ergeben. Er verurteilte die Republik Frankreich aufgrund dessen zur Zahlung eines Zwangsgeldes in Höhe von für jedes Halbjahr ab Verkündung des vorliegenden Urteils, an dessen Ende sie das Urteil vom 11. Juni 1991 noch nicht umgesetzt hat. Weiterhin verurteilte der EuGH die Republik Frankreich zur Zahlung eines Pauschalbetrages in Höhe von Dem vorausgegangen war die Klageerhebung der Kommission vom 27. August 2002, in der die Kommission obige Feststellung beantragt hat und als Sanktion ein Zwangsgeld in Höhe von pro Tag des Verzugs benannt hat. Einen Pauschalbetrag hat die Kommission nicht benannt. 1. Vorlauf des Verfahrens Das erste Verfahren erfolgte vor dem Hintergrund, dass der Rat im Jahr 1982 Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereipolitik erlassen hatte. 19 Diese Maßnahmen dienen der Erhaltung der Fischereiressourcen und der gemeinsamen Marktorganisation. Zu diesem Zweck hat jeder Mitgliedstaat die geeigneten Maßnahmen zu erlassen, um die Wirksamkeit der Regelungen sicherzustellen. Dazu gehört es, den Fischfang zu überwachen, die Fischereifahrzeuge und Anlandung, Verkauf und Beförderung zu kontrollieren sowie die Verfolgung und Sanktionierung von Verstößen zu regeln und durchzuführen. Mit dem Ersturteil vom 11. Juni 1991 hatte der EuGH für Recht erkannt, dass die Französische Republik gegen ihre Verpßichtungen aus den Verordnungen zur Erhaltung von Fischbeständen dadurch verstoßen hat, dass sie in den Jahren 1984 bis 1987 keine Kontrollen durchgeführt hat, die die Beachtung der Verordnung gewährleisten. Insbesondere betrifft dies die Kontrolle der Mindestmaschenöffnungen von Fischnetzen, 20 Kontrollpßichten im Bereich der Beifänge 21 und hinsichtlich der Einhaltung der technischen Erhaltungsmaßnahmen, die den Verkauf untermässiger Fische verbieten 22 sowie die Verletzung der Pßicht zur Verfolgung von Verstößen. 23 Mit Schreiben vom 8. November 1991 verlangte die Kommission von den französischen Behörden eine Mitteilung über die Maßnahmen, die inzwischen getätigt worden sind. Am 22. Januar 1992 erhielt sie die Antwort, dass diese alles ihnen Mögliche tun wollten, um das Urteil umzusetzen. Bei mehreren Inspektionsbesuchen in französischen Häfen ergab sich, dass dies noch nicht der Fall war. 24 Die Kommission gab der Republik Frankreich Gelegenheit der Äußerung und gab am 17. April 1996 eine Stellungnahme ab, in der sie feststellte, 19 Verordnung (EWG) Nr. 2057/82 des Rates vom 29. Juni 1982 (Abl. L 220, S. 1) die durch die Verordnung (EWG) Nr. 2241/87 des Rates vom 23. Juli 1987 zur Festlegung bestimmter Maßnahmen zur Kontrolle der Fischereitätigkeit (Abl. L 207, S. 1) aufgehoben und ersetzt wurde. Letztere wurde ihrerseits mit Wirkung vom 1. Januar 1984 durch die Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 des Rates vom 12. Oktober 1993 zur Einführung einer Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik (Abl. L 261, S.1) aufgehoben und ersetzt. 20 EuGH, Urteil vom 11. Juni 1991, Rs. C-64/88 (Kommission/Frankreich), dort Rz. 12 bis EuGH (Fn. 20), Rz. 18 f. 22 EuGH (Fn. 20), Rz. 20 bis EuGH (Fn. 20), Rz EuGH, Urteil vom 12. Juli 2005, Rs. C-304/02 (Kommission/Frankreich), Rz. 12 ff.

108 Rechtsprechung EuR Heft dass das Ersturteil in einigen Punkten nicht durchgeführt worden war. Nach weiteren bestätigenden Kontrollen der Inspektoren gab die Kommission am 6. Juni 2000 eine ergänzende Stellungnahme ab. Weitere Kontrollbesuche von Inspektoren zwischen dem 18. und 28. Juni 2000 ergaben kein neues Bild. Am 16. Oktober 2001 übermittelten die französischen Behörden ein Schreiben, in dem sie vorgaben, die Lage habe sich bereits gebessert und im Jahr 2001 sei ein allgemeiner Kontrollplan verabschiedet worden. 25 Am 27. August 2002 entschied sich die Kommission schließlich zur Klageerhebung vor dem EuGH. 2. Aufgeworfene Fragen des Generalanwalts In dem vorliegenden Verfahren vor dem EuGH gemäß Art. 228 EG hat der Generalanwalt zwei grundsätzliche Fragen aufgeworfen, so dass der EuGH das mündliche Verfahren erneut eröffnet hat und auch einige Mitgliedstaaten durch ihren Prozessbevollmächtigten die Gelegenheit des mündlichen Vortrags vor dem EuGH genutzt haben. Der Generalanwalt hat sich zunächst mit der Frage beschäftigt, ob der Gerichtshof einen Pauschalbetrag festsetzen kann, wenn die Kommission ein Zwangsgeld beantragt hat. 26 Weiterhin nimmt er zu der zweiten Frage Stellung, ob der EuGH sowohl einen Pauschalbetrag als auch ein Zwangsgeld verhängen kann. 27 Hierzu argumentiert er mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 228 EG, die nach seiner Auffassung auf die Sicherstellung zielt, dass die Mitgliedstaaten ihre Vertragsverpßichtungen erfüllen, indem sie Zuwiderhandlungen innerhalb der kürzestmöglichen Frist erfüllen. 28 Besteht die Zuwiderhandlung nach dem ersten Feststellungsurteil fort und untergräbt somit die Effektivität der Gemeinschaftsvorschriften, so dass es zu einem Verfahren nach Art. 228 EG kommt, seien womöglich die Interessen anderer Mitgliedstaaten oder anderer Parteien beeinträchtigt. Unter solchen Umständen müsse die Þnanzielle Sanktion nicht nur geeignet sein, die Pßichterfüllung herbeizuführen, sondern auch eine Präventivwirkung haben. 29 Die Pßichterfüllung herbeizuführen ist das Zwangsgeld 30 geeignet, denn es hat eine Beugefunktion. 31 Es ist an die Bedingung geknüpft, dass der Pßichtverstoß, dem ersten Urteilsspruch nachzukommen, fortdauert. Hierfür setzt die Kommission regelmäßig einen Grundbetrag von 500 pro Tag an, den sie mit den drei oben genannten KoefÞzienten multipliziert und das Endergebnis meist als Zwangsgeldtagessatz für jeden weiteren Tag der Nichtumsetzung benennt. Demgegenüber ist der Pauschalbetrag ein einmaliges Bußgeld, nämlich eine einmalige Þ- nanzielle Sanktion mit punitivem Charakter 32, das von der Dauer der Nichterfüllung unab- 25 EuGH (Fn. 24), Rz. 12 bis Schlussantrag des Generalanwalts (im Folgenden: GA) Geelhoed vom 18. November 2004, Rs. C 304/02 (Kommission/Frankreich), Rz. 13 ff. 27 Schlussantrag des GA Geelhoed (Fn. 26), Rz. 37 ff. 28 Schlussantrag des GA Geelhoed vom 29. April 2004, Rs. C-304/02 (Kommission/Frankreich), Rz Schlussantrag des GA Geelhoed vom 29. April 2004 (Fn. 28), Rz. 86 f. 30 DeÞnition: Die Summe aller Tagessätze, die ein Mitgliedstaat zwischen dem zweiten Urteil und der Behebung des Vertragsverstoßes zu zahlen hat, vgl. Karpenstein/Karpenstein, in: Grabitz/Hilf, (Fn. 7), Art. 228, Rn Gaitanides, in: Von der Groeben/Schwarze (Fn. 12), Art. 228, Rn Karpenstein/Karpenstein, in: Grabitz/Hilf (Fn. 7), Art. 228, Rn. 28.

109 418 EuR Heft Rechtsprechung hängig ist. 33 Der Pauschalbetrag dient also in erster Linie Vergeltungs- und Abschreckungszwecken und verfolgt keine Beugefunktion. 34 Auf den konkreten Fall bezogen plädiert der Generalanwalt, dass Frankreich noch im Jahre 2000 den Verkauf zu kleiner Fische zugelassen hat, was für die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung äußerst schädlich ist, so dass von einer kürzestmöglichen Beendigung der durch Urteil festgestellten Vertragsverletzung, wie der es EuGH fordert, nicht die Rede sein kann. Er weist darauf hin, dass die Kommission erst nach fünf Jahren eine mit Gründen versehene Stellungnahme abgegeben und der Französischen Republik genügende Gelegenheiten gegeben hat, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Die hier zutage getretene strukturelle Säumnis und mangelnde Kooperation müsse dazu führen, dass ein Mitgliedstaat, der eine Situation zulässt, die derart zum Nachteil Angehöriger anderer Mitgliedstaaten ist, empfänglich für die Verhängung einer Strafmaßnahme wird. 35 Mit dem Argument, dass es für das Erreichen der Ziele des EGV wesentlich ist, dass die Mitgliedstaaten ihre Verpßichtungen erfüllen und nicht nur ihren Nutzen aus der Europäischen Gemeinschaft ziehen, geht er davon aus, dass das Fehlen von Leitlinien der Kommission kein Anlass für den Gerichtshof sein sollte, von der kumulativen Festsetzung zweier Sanktionen abzusehen, wenn zwei Zwecke zugleich erreicht werden sollen, nämlich Beugung und Vergeltung. 36 Anderenfalls würden Effektivität und Glaubwürdigkeit der Gemeinschaftsordnung in Frage gestellt, denn die Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften sicherzustellen sei für das Erreichen der Ziele des Vertrages wesentlich. 37 Außerdem spreche für diese Auslegung der Wortlaut des Art. 228 Abs. 2 EG, [die Kommission] benennt, was sie zu zahlen für angemessen hält. Darin sei nicht einmal ein Antrag zu sehen, an den man im kontradiktorischen Verfahren als Gericht gebunden sei, sondern eine Benennung sei eindeutig nur als Hinweis zu bewerten und daher für den Gerichtshof nicht bindend. 38 Gestützt werde das auch durch das systematische Argument, dass zwischen den Unterabsätzen 2 und 3 des Art. 228 EG keine Verknüpfung hergestellt wird. Unterabs. 3 enthalte keinerlei Hinweis auf die Vorschläge der Kommission und lege insbesondere nicht fest, dass die Entscheidung des Gerichtshofes über die Þnanzielle Sanktion auf diese Vorschläge gestützt werden sollte. 39 Darüber hinaus sei es Urteilen zu eigen, dass über Sanktionen nur im Lichte von Urteilsgründen entschieden werden könne, denn es liege völlig im Bereich der richterlichen Aufgabenstellung, die Umstände des Einzelfalles zu bewerten und dann zu einer angemessenen Sanktion zu kommen. Die Entscheidung über eine Sanktion entziehe sich dem Aufgabengebiet der Kommission als Hüterin der Verträge und sei ureigenes richterliches Aufgabengebiet. 40 Demgegenüber verfange nicht das Argument des Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland, dass die Wahl der verhängten Sanktionsart eine politische Entscheidung sei und demzufolge nicht vom Gerichtshof getroffen werden könne. 41 Vielmehr sei das Verfahren, das die Kommission allein beeinßussen könne, das Vorverfahren bis zu ihrer 33 Wägenbauer (Fn. 2), S Wägenbauer (Fn. 2), S Schlussantrag des GA Geelhoed vom 29. April 2004 (Fn. 28), Rz. 92 ff. 36 Schlussantrag des GA Geelhoed vom 29. April 2004 (Fn. 28), Rz Schlussantrag des GA Geelhoed vom 29. April 2004 (Fn. 28), Rz Schlussantrag des GA Geelhoed vom 18. November 2004 (Fn. 26), Rz. 22 und Schlussantrag des GA Geelhoed vom 18. November 2004 (Fn. 26), Rz Schlussantrag des GA Geelhoed vom 18. November 2004 (Fn. 26), Rz Schlussantrag des GA Geelhoed vom 18. November 2004 (Fn. 26), Rz. 25.

110 Rechtsprechung EuR Heft Einreichung der Klage. Ab da gelte das dem Gerichtshof durch Vertrag eingeräumte Ermessen. 42 Der Generalanwalt kommt zu dem Ergebnis, dass der EuGH nach Art. 228 Abs. 2 EG die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, einen Pauschalbetrag festzusetzen, besitzt, auch wenn die Kommission die Verhängung eines Zwangsgeldes vorgeschlagen hat. Art. 228 EG hindere den EuGH auch nicht daran, sowohl einen Pauschalbetrag als auch ein Zwangsgeld gegen einen Mitgliedstaat zu verhängen, wenn er feststellt, dass dieser einem Urteil nach Art. 226 EG nicht nachgekommen ist und zu der Auffassung gelangt, dass die Umstände des Falles die Verhängung einer solchen kombinierten Sanktion rechtfertigen. 43 Der Generalanwalt beantragt schließlich abweichend von der Kommission die Verhängung von beidem Entscheidung des EuGH Der EuGH hatte bereits in zwei Urteilen zu Art. 228 Abs. 2 EG klargestellt, dass er an die Vorschläge der Kommission zu den Þnanziellen Folgen der Feststellung, dass ein Mitgliedstaat ein früheres Urteil des Gerichtshofs nicht befolgt habe, nicht gebunden sei. Diese Vorschläge stellten lediglich einen nützlichen Bezugspunkt für den Gerichtshof bei der Ausübung seines Ermessens nach dieser Vorschrift dar. 45 Die Anwendung dieser Vorschrift falle mit anderen Worten in die unbeschränkte Rechtsprechung des Gerichts. 46 Hinsichtlich der Frage, ob eine Kumulierung der Verhängung von Zwangsgeld und Pauschalbetrag möglich ist, stellt der EuGH die widerstreitenden Argumente dar, nämlich die der Befürworter 47, die davon ausgehen, dass von beiden Maßnahmen eine abschreckende Wirkung ausgehe, sowie die der Gegner, die dem oder in Art. 228 Abs. 2 EG, wie bereits oben erläutert, die Bedeutung des entweder oder beimessen und von einem Verbot der Doppelbestrafung aus dem allgemeinen strafrechtlichen Grundsatz, der hier Anwendung fände, ausgehen. 48 Der EuGH würdigt den Fall dahingehend, dass die wirksame Anwendung des Gemeinschaftsrechts gewährleistet werden muss und es seine Aufgabe ist, einen Verstoß festzustellen. Sollen zu diesem Zwecke aufgrund der Umstände des Einzelfalles zwei Strafzwecke, nämlich Beugung und Vergeltung, erfüllt werden, wenn wie hier eine Vertragsverletzung sowohl von langer Dauer ist als auch die Tendenz hat, sich fortzusetzen, so ist die Verhängung beider Maßnahmen geeignet und angemessen und liegt in seinem Ermessen. 49 Die 42 Schlussantrag des GA Geelhoed vom 18. November 2004 (Fn. 26), Rz Schlussantrag des GA Geelhoed vom 18. November 2004 (Fn. 26), Rz Nämlich einen Pauschalbetrag von und ein Zwangsgeld von je Sechsmonatszeitraum, der mit dem Tag der Verkündung des Urteils in dieser Sache beginnt und für den die Kommission nachweist, dass die Zuwiderhandlung fortbestanden hat, siehe: Schlussantrag des GA Geelhoed vom 29. April 2004 (Fn. 28), Rz EuGH, Urteil vom 4. Juli 2000, Rs. C-387/97 (Kommission/Griechenland), Slg. 2000, I-5047, Rz. 89 und vom 25. November 2003, Rs. C-278/01 (Kommission/Spanien), Slg. 2003, I-14141, Rz So folgert es GA Geelhoed in seiner Stellungnahme vom 29. April 2004, Rs. C-304 /02 (Kommission/Frankreich), Rz Kommission, dänische, niederländische und Þnnische Regierung und die des Vereinigten Königreichs, siehe EuGH, Urteil vom 12. Juli 2005, Rs. C-304/02 (Kommission/Frankreich), Rz Französische, belgische, tschechische, deutsche, griechische, spanische, irische, italienische, zyprische, ungarische, österreichische, polnische und portugiesische Regierung (Hinweis: nicht alle Mitgliedstaaten haben die Gelegenheit der mündlichen Stellungnahme vor dem EuGH genutzt), EuGH, Urteil vom 12. Juli 2005, Rs. C- 304/02 (Kommission/Frankreich), Rz EuGH, Urteil vom 12. Juli 2005, Rs. C-304/02 (Kommission/Frankreich), Rz. 82, 80, 86.

111 420 EuR Heft Rechtsprechung Gegenargumente weist er mit Hinweis auf die zutreffenden Äußerungen des Generalanwalts zurück, denen er sich damit anschließt. 50 Die Frage, ob er von einem Kommissionsvorschlag abweichen kann und also ein eigenes richterliches Ermessen hat, bejaht der EuGH. Er stellt fest, dass die Wahl der Sanktion nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles angepasst und also nur im Licht der Feststellungen des Gerichtshofs in dem nach Art. 228 Abs. 2 EG zu erlassenden Urteil beurteilt werden kann, sie mithin der politischen Sphäre entzogen sind. 51 Auch damit macht sich der EuGH die Argumentation des Generalanwalts zu eigen und verweist ausdrücklich auf sie. 52 Der EuGH bestimmt ein Zwangsgeld, dessen Periodizität er nicht auf die von der Kommission benannte Tagesbasis, sondern auf Halbjahresbasis festsetzt. Er stützt dies darauf, dass Verwaltungsmaßnahmen getroffen werden müssen, deren Anpassungen nicht plötzlich erfolgen können und ihre Auswirkungen nicht sofort wahrgenommen werden können. 53 Weiterhin verhängt er den angesprochenen Pauschalbetrag in Höhe von und begründet dies mit der Tatsache, dass die Vertragsverletzung seit dem Urteil, mit dem sie ursprünglich festgestellt wurde, lange Zeit fortbestanden hat und im Hinblick auf die betroffenen Interessen geboten erscheint Stellungnahme Der EuGH hat mit diesem Urteil grundlegend Recht gesprochen zur Auslegung des Art. 228 EG. Er entzieht die Festlegung von Art und Höhe der Sanktion im Vertragsverletzungsverfahren den politischen Entscheidungsträgern und verleibt sie dem richterlichen Ermessen ein. Dass diese Entscheidung zur richterlichen Kompetenz gehört, ist zwar schon andeutungsweise so vorhergesehen worden, 55 doch war in der Literatur sowie in den Mitgliedstaaten überwiegend von der Übermacht der politischen Kompetenz der Kommission als Hüterin der Verträge auch in dieser Frage ausgegangen worden. Der EuGH hat nunmehr auf der Basis des EGV, durch den er aufgrund des Willens der Mitgliedstaaten geschaffen wurde, ein neues Feld des richterlichen Ermessens für sich erobert. Dies ist eine Stärkung der Autorität des EuGH gegenüber den Mitgliedstaaten. III. Ausblick Die Mitgliedstaaten müssen sich künftig, sollten sie EuGH-Urteile nach Art. 226 EG nicht beachten und ein Verfahren nach Art. 228 EG provozieren, erheblicher Þnanzieller Konsequenzen gewahr werden, da additiv Zwangsgeld und Pauschalbetrag in nicht vorhersehbarer 50 Vgl. Dederichs, Die Methodik des EuGH HäuÞgkeit und Bedeutung methodischer Argumente in den Begründungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, Baden Baden, 2004, S. 127; Generell zur Stellung des GA: Lenz, Das Amt des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof, in: FS für Everling, Bd. I (Fn. 2), S. 719 ff., insbes. S EuGH, Urteil vom 12. Juli 2005, Rs. C-304/02 (Kommission/Frankreich), Rz Nämlich auf Rz. 24 des Schlussantrags vom 18. November 2004 (Fn. 26). 53 EuGH, Urteil vom 12. Juli 2005, Rs. C-304/02 (Kommission/Frankreich), Rz EuGH, Urteil vom 12. Juli 2005, Rs. C-304/02 (Kommission/Frankreich), Rz Wägenbauer, in: FS Everling (Fn. 2), S. 1618: Kommission und Gerichtshof müssen sich entscheiden, sowie S. 1619: Die Formel ( ) besagt nur, dass die Kommission und was sich von selbst versteht der Gerichtshof den für richtig gehaltenen weil angemessen Betrag nach ihrem Ermessen vorschlagen bzw. festsetzen. ; Heidig (Fn. 1), S. 791 f.

112 Rechtsprechung EuR Heft Höhe verhängt werden können. Es stellen sich weitere Probleme: Einmal das der Vollstreckbarkeit und insbesondere in föderalen Systemen wie der Bundesrepublik Deutschland interessant das Problem des innerstaatlichen Ausgleichs. 1. Vollstreckung von Urteilen Nunmehr stellt sich die Frage, inwieweit ein Urteil des EuGH, das gemäß Art. 228 Abs. 2 EG sowohl ein Zwangsgeld als auch einen Pauschalbetrag festsetzt, vollstreckt werden kann. Immerhin ist ein Pauschalbetrag wie vorliegend von eine stattliche Summe, die als Vergeltungsbetrag unabhängig von der raschen Behebung der Vertragsverletzung zu zahlen ist. Der Vertragstext sieht einerseits in Art. 256 Abs. 1 EG vor, dass Entscheidungen des Rates oder der Kommission, die eine Zahlung auferlegen, zwar vollstreckbare Titel seien, dies gelte aber nicht gegenüber Staaten (letzter Halbs. des Art. 256 Abs. 1 EG). Andererseits bestimmt Art. 244 EG, dass Urteile des EuGH gemäß Art. 256 EG vollstreckt werden können. Hierbei stellt sich die Frage, ob Art. 244 EG nur auf die Absätze 2 folgende verweist, in denen geregelt ist, wie die Vollstreckung abläuft, unter anderem, dass die Vollstreckung nach dem Zivilprozessrecht des Staates stattþndet, in dessen Hoheitsgebiet sie stattþndet. Oder ob er auch auf Art. 256 Abs. 1 letzter Halbs. EG verweist und damit eine Vollstreckung gegenüber Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist. In der Literatur wird vertreten, dass keine Vollstreckung gegenüber Mitgliedstaaten stattþnden könne, mit dem Argument, Art. 256 Abs. 1 EG sei lex specialis zu Art. 244 EG. 56 Eine im Vordringen beþndliche Meinung will eine Vollstreckung gegenüber Mitgliedstaaten nicht pauschal ausschließen; dies hänge nur von der materiellen Qualität des Titels ab. 57 Immerhin ist ein Urteil per se ein Vollstreckungstitel, und in Art. 256 EG Abs. 1 ist von Entscheidungen der Kommission und des Rates die Rede. 58 Anderenfalls würden die Sanktionsmöglichkeiten ihrer Effektivität beraubt. 59 Der EuGH hat zu dieser Frage bisher nicht ausdrücklich Stellung genommen, da sich diese Frage noch nicht stellte. Er hat aber in einem Fall, in dem es um eine Zahlungsaufforderung der Kommission aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage ging, festgestellt, dass zwar derzeit das Gemeinschaftsrecht keine ausdrücklichen Vorschriften für die für den Haushalt zuständige Kommission enthält, Ansprüchen auf Zahlung von Gemeinschaftsmitteln die Aufrechnung entgegenzuhalten, dass aber die Aufrechnung ein rechtlicher Mechanismus ist, der mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht 60 und als international anerkannter Modus des Erlöschens zweier gegenseitiger Forderungen angewandt werden darf. 61 Der EuGH geht also davon aus, dass EU-Beihilfen, Fördergelder und sonstige Zahlungen mit Ausständen, die aus Sanktionen herrühren, aufgerechnet werden können. 62 Dies lässt erwarten, dass 56 Härtel, Durchsetzbarkeit von Zwangsgeld-Urteilen des EuGH gegen Mitgliedstaaten, EuR 2001, S. 617 ff., S. 621 m.w.n. 57 Karpenstein/Karpenstein in: Grabitz/Hilf (Fn. 7), Rn. 43 mit Hinweis auf die Voraußage. 58 Gaitanides, in: Von der Groeben/Schwarze (Fn.12), Art. 244, Rn Gaitanides, in: Von der Groeben/Schwarze (Fn.12), Art. 228, Rn EuGH, Urteil vom 10. Juli 2003, Rs. C-87/01 P (Kommission/Ausschuss der Regionen), Rz. 55 f. 61 EuGH, Urteil vom 10. Juli 2003, Rs. C-87/01 P (Kommission/Ausschuss der Regionen), Rz Generell zur Vollstreckung im Gemeinschaftsrecht: Vgl. Teske, Die Sanktion von Vertragsverstößen im Gemeinschaftsrecht, EuR 1992, S. 265 ff., 272 f.; Andere Ansicht: Härtel (Fn. 57), S. 622: Aus Vollstreckungsverbot folge Aufrechnungsverbot. Dies gehe auf das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung zurück.

113 422 EuR Heft Rechtsprechung der EuGH diese Rechtsprechung auch auf die Beitreibung von Zwangsgeldern und Pauschalbeträgen ausweiten wird. 2. Bund Länder Ausgleich Die Tatsache, dass nach außen der Bund für die Erfüllung europarechtlicher Umsetzungsverpßichtungen verantwortlich ist, nach innen aber die Länderkompetenz zu beachten ist, führt oft zu Konßikten: Zahlungspßichtig in einem föderalen System wie der Bundesrepublik Deutschland ist zunächst der Bund. Eine noch ausstehende mögliche Verurteilung zur Zahlung eines Zwangsgeldes und/oder Pauschalbetrages könnte aber darauf zurückzuführen sein, dass ein oder mehrere Bundesländer mit der Umsetzung einer durch EuGH-Urteil festgestellten Vertragsverletzung in Verzug geraten sind. Eine Regresspßicht der Länder kann aber nicht auf Art. 34 GG und 839 BGB, der Amtshaftung, zurückgeführt werden, denn eine Verletzung der Pßicht zur Gesetzgebung ist keine mögliche Amtspßichtverletzung, da es keine Amtspßicht zur Gesetzgebung gibt. 63 In Betracht kommt eine Regresspßicht aus Art. 104a Abs. 5 S. 1, 2. Halbs. GG, nach welchem Bund und Länder einander gegenüber für eine ordnungsgemäße Verwaltung haften. Das nähere bestimmt ein Bundesgesetz (Art. 104a Abs. 5 S. 2 GG). Vorliegend existiert kein Bundesgesetz, das eine Kostenübernahme der Länder regelt. Allerdings ergibt sich aus Art. 104a Abs. 5 S. 1, 2. Halbs. GG unmittelbar schon eine Haftungsgrundlage, die nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig ist. 64 Eine direkte Anwendung dieser Vorschrift ist jedoch ausgeschlossen, da die Norm auf Fehler im innerstaatlichen Verwaltungshandeln zugeschnitten ist. 65 Art. 104a GG knüpft nämlich an Art. 85 GG an. 66 Allerdings beinhaltet der Art. 104a Abs. 5 S. 1, 2. Halbs. GG einen Grundsatz der Finanzierungsverantwortung entsprechend der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes. Das heißt, Bund und Länder haben jeweils eigenverantwortlich die Kosten zu tragen, die sich aus den ihnen obliegenden Aufgaben ergeben. 67 Sinn und Zweck sprechen demnach für eine analoge Anwendung des Art. 104 a Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. GG auf den vorliegenden Sachverhalt. Eine Regelungslücke ist auch gegeben. Ein für die analoge Anwendung erforderlicher vergleichbarer Sachverhalt liegt dann vor, wenn ein Verstoß gegen Primärrecht durch Exekutivhandeln der Länder gegeben ist. Einzig für die Verstöße, die auf Nichtumsetzung von Richtlinien basieren, scheitert die analoge Anwendung an der Vergleichbarkeit. Denn Art. 104a GG regelt ausdrücklich Exekutivgewalt. Zwar bleibt bei der EU-Richtlinienumsetzung oft nur ein enger Spielraum, jedoch bleibt die Umsetzung Legislativaufgabe. 68 Schließlich lässt sich die Zahlungspßicht der Länder aus dem Grundsatz der Bundestreue herleiten. Aus dem Bundesstaatsprinzip folgt ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Bund und Ländern, das zu gegenseitiger Rücksichtnahme verpßichtet. Vor diesem Hintergrund stellt es einen Verstoss gegen das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme dar, 63 BGH NJW 1989, S. 101 f. 64 BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1994, Az. 11 A 1/92, Rz. 33 f.; nicht entschieden, da unzulässig: BVerfGE 39, 96, 116; A.A. Böhm, Der Bund-Länder-Regreß nach Verhängung von Zwangsgeldern durch den EuGH, JZ 2000, S. 382 ff., S Böhm (Fn. 65), S BVerwG, Urteil vom 30. Nov. 1995, Az. 7 C 56/93, Rz Bericht der Bundesregierung über die Kostentragungslast der Bundesländer bei Zwangsgeldforderungen der Europäischen Union, BT.-Drucks. 15/2805, S. 2 f. 68 Böhm verneint pauschal die Vergleichbarkeit, und verkennt, dass auch ein Primärrechtsverstoß in Betracht kommen kann (Fn. 65), S. 386.

114 Rechtsprechung EuR Heft wenn ein Land Rechtssetzungsakte der EU nicht beachtet, denen nur unter Mitwirkung des Landes Geltung verschafft werden kann. Als Ausßuss dieses Pßichtverstoßes haben die Länder die Kostentragungspßicht zu übernehmen. 69 Um die grundsätzliche Regresspßicht der Länder mit einer Anspruchsgrundlage des Bundes zu untermauern, wäre jedoch eine Grundgesetzänderung wünschenswert BT.-Drucks. 15/2805 (Fn. 68), S. 2 f; A.A. Böhm (Fn. 66), S So schon der Entwurf der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, der die Einführung eines Art. 104a Abs. 6 GG vorsieht, Kommissionsdrucks nunmehr nicht zuletzt aufgrund dieses Urteils von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD im Entwurf eines Gesetzes zur Lastentragung im Bund-Länder-Verhältnis bei Verletzung von supranationalen und völkerrechtlichen Verpßichtungen Lastentragungsgesetz aufgegriffen.

115 424 EuR Heft Rechtsprechung Wirtschaftliche und Þnanzielle Sanktionen gegenüber Privatpersonen oder Organisationen ohne hinreichende Verbindung zu einem bestimmten Drittland 1. Der Rückgriff auf die Artikel 60, 301 und 308 EG als gemeinsame Rechtsgrundlage erlaubt es, im Bereich wirtschaftlicher und Þnanzieller Sanktionen das im Rahmen der GASP von der Union und ihren Mitgliedstaaten verfolgte Ziel, das in einem gemeinsamen Standpunkt oder einer gemeinsamen Aktion zum Ausdruck kommt, zu verwirklichen, obwohl der Gemeinschaft keine ausdrücklichen Befugnisse für wirtschaftliche und Þnanzielle Sanktionen gegenüber Privatpersonen oder Organisationen, die keine hinreichende Verbindung zu einem bestimmten Drittland aufweisen, verliehen worden sind. 2. Ein Rechtsakt, der das Einfrieren der Gelder von einer oder mehreren namentlich genannten Personen zum Gegenstand hat, ist gleichwohl eine Verordnung, wenn er sich in allgemeiner und abstrakter Weise an alle Personen richtet, die materiell über die fraglichen Mittel verfügen können. 3. Soweit die Gemeinschaft aufgrund des EG-Vertrags Befugnisse übernommen hat, die zuvor von den Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich der Charta der Vereinten Nationen ausgeübt wurden, ist sie an die Bestimmungen dieser Charta gebunden. Dabei ist die Gemeinschaft nach dem EG-Vertrag selbst verpßichtet, den fraglichen Resolutionen des Sicherheitsrats in ihrem Zuständigkeitsbereich Wirkung zu verleihen. 4. Resolutionen des UN-Sicherheitsrats unterliegen grundsätzlich nicht der Kontrolle durch das Gericht. Das Gericht kann aber die Rechtmäßigkeit der fraglichen Resolutionen im Hinblick auf das Jus cogens, verstanden als internationaler Ordre public, der für alle Völkerrechtssubjekte einschließlich der Organe der UNO gilt und von dem nicht abgewichen werden darf, inzident im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung eines Gemeinschaftsrechtsakts, der ohne jede Ermessensausübung zur Umsetzung einer Resolution des Sicherheitsrats ergangen ist, prüfen. 5. Das Einfrieren der Gelder von Personen und Organisationen, die aufgrund der von den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen übermittelten und vom Sicherheitsrat überprüften Informationen verdächtigt werden, mit Osama bin Laden, dem Al- Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung zu stehen und an der Finanzierung, Planung, Vorbereitung und Durchführung terroristischer Handlungen beteiligt gewesen zu sein, erfüllt nicht den Tatbestand eines willkürlichen, unangemessenen oder unverhältnismäßigen Eingriffs in die Grundrechte der Betroffenen. 6. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wurde insoweit gewahrt, als die fraglichen Resolutionen einen Mechanismus zur Überprüfung der individuellen Fälle einführen, wonach sich die Betroffenen über ihre nationalen Behörden an den Sanktionsausschuss wenden können, um ihre Streichung von der Liste der von den Sanktionen betroffenen Personen oder eine Ausnahme vom Einfrieren der Gelder zu erreichen. Die Gemeinschaftsorgane waren nicht verpßichtet, die Kläger vor dem Erlass der angefochtenen Verordnung anzuhören, da das gemeinschaftsrechtliche Prinzip des Anspruchs auf rechtliches Gehör unter solchen Umständen, unter denen eine Anhörung der Betroffenen das Organ keinesfalls veranlassen könnte, seinen Standpunkt zu revidieren, keine Anwendung Þnden kann.

116 Rechtsprechung EuR Heft Das Recht auf Zugang zu den Gerichten ist nicht absolut. Bestimmte Einschränkungen sind als diesem Recht immanent anzusehen, wie die von der Staatengemeinschaft allgemein anerkannten Beschränkungen aufgrund der Lehre von der Immunität der Staaten und der internationalen Organisationen. Mangels eines für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Rechtsakte des Sicherheitsrats zuständigen internationalen Gerichts stellt die Schaffung eines Organs wie des Sanktionsausschusses und die in den Vorschriften vorgesehene Möglichkeit, sich jederzeit zur Überprüfung jedes Einzelfalls an diesen Ausschuss zu wenden, einen anderen sachgerechten Weg für einen angemessenen Schutz der den Klägern durch das Jus cogens zuerkannten Grundrechte dar. (Leitsätze der Redaktion) Urteil des Gerichts erster Instanz vom (Nichtigkeitsklage), Ahmed Ali Yusuf und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, Rs. T-306/01 Das Urteil des Gerichts erster Instanz vom (Nichtigkeitsklage), Yassin Abdullah Kadi/Rat und Kommission, Rs. T-315/01 ist im Wesentlichen wortidentisch mit dem vorgenannten Urteil. Wegen der Länge der Urteile wurde auf einen Abdruck verzichtet. Die Urteile sind abrufbar auf den Seiten der EU unter htm.

117 426 EuR Heft Rechtsprechung Das EuG konstitutionalisiert die Vereinten Nationen Anmerkung zu den Urteilen des EuG vom , Rs. T-315/01 und T-306/01 Von Christoph Möllers, Göttingen Die genannten Urteile des Europäischen Gerichts erster Instanz (EuG) überprüften die Umsetzung verschiedener Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen durch Verordnungen des Rates und Durchführungsverordnungen der Kommission. In der Sache stoßen hier vor einem europäischen Forum Entscheidungen der internationalen Gemeinschaft auf die Grenzen des internationalen Menschenrechtsschutzes. Das EuG wird zum Agenten der Konstitutionalisierung des Völkerrechts. Damit geht es neue rechtliche Wege und sendet zugleich eine höchst politische Botschaft an die Vereinten Nationen. I. Sachverhalt Lange vor dem 11. September 2001 begann die Staatengemeinschaft mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. In einer Reihe von Resolutionen, die seit dem Jahr 1999 vom Sicherheitsrat beschlossen wurden, 1 verpßichtete dieser die Mitgliedstaaten jeweils für einen begrenzten Zeitraum zur Einfrierung von Geldmitteln bestimmter, im Folgenden durch einen Sanktionsausschuss des Sicherheitsrates namentlich benannter Personen. 2 Erst im Jahre 2002 sah der Sicherheitsrat in einer neuen Resolution vor, die von diesen Entscheidungen Betroffenen zumindest mit einer Þnanziellen Mindestversorgung auszustatten und ein Verfahren einzurichten, in dem die Mitgliedstaaten eine Überprüfung der Maßnahmen beim Sicherheitsrat beantragen können. 3 Die EU erklärte mit Blick auf die Resolutionen in einem Gemeinsamen Standpunkt im Rahmen der GASP ein Tätigwerden der Gemeinschaft für notwendig. Die Resolutionen des Sicherheitsrates wurden vom Rat der Europäischen Gemeinschaft auf Grundlage der Art. 60, 301, 308 EG umgesetzt. Gegen dieses Vorgehen suchten mehrere natürliche und juristische Personen saudi-arabischer Staatsangehörigkeit, deren Gelder auf Konten in der EU festgesetzt waren, gerichtlichen Schutz im Wege einer Nichtigkeitsklage vor dem EuG. II. Kompetenzen von EU und EG Den teilweise erstaunlichen (Tz. 104 ff.) Ausführungen von Rat und Kommission zu den Kompetenzen der EG, namentlich ihr Hinweis auf mögliche Wettbewerbsverzerrungen durch eine rein mitgliedstaatliche Umsetzung, begegnet das Gericht mit unverhohlener Skepsis, ohne aber im Ergebnis anders zu entscheiden. Das Grundproblem der Kompetenzprüfung liegt in der Frage, wie sich die Ziele der zweiten Säule mit den Mitteln der ersten verknüpfen lassen, ohne diese beiden integrierten, aber verschiedenen Rechtsordnungen 1 Vgl. die Resolutionen Doc. S/1999/1267, S/2000/1333, S/2002/1390. Dazu Rosand, The Security Conncil s Effects to Monitor the Implementation of Al Quaeda/Taliban Sanctions, American Journal of International Law 98 (2004), AFG/131 SC/ S/2002/1452.

118 Rechtsprechung EuR Heft (Tz. 120) kompetenziell und verfahrenstechnisch ineinander aufgehen zu lassen. Den entscheidenden Brückenschlag sieht insoweit Art. 301 EG vor, der für Handelssanktionen gegenüber Staaten aufgrund eines gemeinsamen Standpunktes nach EU eine Kompetenz der Gemeinschaft bereitstellt, die sich durch Art. 60 EG auch auf den Kapitalverkehr erstreckt. Aber das EuG stellt klar, dass diese Kompetenzen nur Maßnahmen gegenüber Drittstaaten ermöglichen soll und sich nicht einfach auf die hier in Frage stehenden Sanktionen gegen Individuen übertragen lassen kann. Die hinzu genommene Abrundungskompetenz des Art. 308 EG versieht das Gericht mit weiteren Konturen und lehnt insbesondere eine schlichte Übernahme der Ziele des Art. 11 EU auf das Zielerfordernis in Art. 308 EG ab: Maßnahmen der Terrorbekämpfung sind nicht von den Zielen des EG gedeckt, die Art. 308 EG zur Anwendung der Abrundungskompetenz verlangt. Auch das Zusammenspiel eines Gemeinsamen Standpunkts im Rahmen der Zweiten Säule mit den Art. 60, 301, 308 EG gestattet nur ein kompetenzgerechtes Tätigwerden der Gemeinschaft gegenüber Drittstaaten. Diesem Schritt nach vorn folgt recht unvermittelt der Schritt zurück: Denn so schneidig das Gericht zunächst eine Konturierung der geprüften Kompetenztitel einfordert, so weich wird die Argumentation, wenn es selbst den Versuch unternimmt, doch noch einen sachlichen Zusammenhang zwischen ihnen zu stiften, und im Ergebnis eine Kompetenz bejaht. Die hierzu vom Gericht bemühten Überlegungen zur erweiterten Terrorbedrohung durch nichtstaatliche Akteure (Tz. 133) sollen es nun doch gestatten, eine Kompetenz der Gemeinschaft aus dem Zusammenwirken mit der zweiten Säule zu begründen. Diese Ausführungen stehen den zuvor kritisierten Darlegungen der Gemeinschaftsorgane an Unschärfe in nichts nach. Nach der präzisen Entwicklung der einschlägigen Kompetenznormen hätte dem Gericht kaum etwas anderes übrig bleiben dürfen, als die Kompetenz der Gemeinschaft zu verneinen. Unabsehbare praktische Folgen hätten durch einen entsprechenden Rechtsfolgenausspruch verhindert werden können, so die Mitgliedstaaten bereit gewesen wären zu handeln 4. III. Prüfungskompetenz des EuG Das EuG erkennt zunächst uneingeschränkt an, dass Maßnahmen der Gemeinschaft, die diese ohne eigenen Entscheidungsspielraum zur Erfüllung völkerrechtlicher Pßichten erlässt, nicht von europäischen Gerichten am Maßstab des Gemeinschaftsrechts gemessen werden können. Die hier in Frage stehenden Verordnungen des Rates und der Kommission setzen die Resolutionen ohne jeglichen eigenen normativen Beitrag um. Eine Prüfung der Verordnungen am Gemeinschaftsrecht würde Entscheidungen des Sicherheitsrats den gerichtlichen Verfahren des Gemeinschaftsrechts unterwerfen. Die Mitgliedstaaten der EU sind an die Resolutionen gebunden. Europäische Gerichte haben keine Jurisdiktion zur Beurteilung von Akten der UN. Zudem fehlt es ihnen an materiellen Prüfungsmaßstäben, da die UN nicht an europäische Grundrechte gebunden sind. Anders als im seinerseits schwierigen Verhältnis zwischen EU und EMRK fehlt es im Fall von EU und UN auch an einer Konvergenz der Mitgliedschaft. Eine Überprüfung von Akten der UN am Gemeinschaftsrecht liegt damit fern. Etwas anderes gilt aus Sicht des EuG allerdings mit Blick auf völkerrechtliches jus cogens wie den Schutz der Menschenwürde. Dieses geht allem anderen Völkerrecht im Rang vor 4 Abweichend hierzu: Schmalenbach, Normentheorie vs. Terrorismus, JZ 2006, 349 (350 f.).

119 428 EuR Heft Rechtsprechung und bindet damit auch den Sicherheitsrat. Verstößt dieser gegen jus cogens so sind seine Handlungen nicht bindend. Daher sei das EuG befugt, die Verordnungen daran zu messen. Die Annahme einer solchen Prüfungskompetenz im Falle eines Verstoßes gegen jus cogens ist nicht unproblematisch. Das EuG argumentiert an dieser Stelle der Begründung sehr knapp (Tz. 230 f.). Man mag seinen Argumentationsgang durch den Hinweis ergänzen, dass eine Handlung internationaler Organisationen, die gegen jus cogens verstößt, einen Akt ultra vires darstellt, der keine Bindungswirkungen ausüben kann. Aber natürlich ist das Argument ultra vires als Schluss vom materiellen Recht auf die Kompetenz recht undifferenziert. Denn erst ein zuständiges Gericht kann die Reichweite des materiellen Rechts abschließend beurteilen. Schon mit dem Eintritt in die Prüfung des Aktes einer internationalen Organisation setzt das Gericht also voraus, was es zu prüfen hat, um seine Zuständigkeit zu begründen. Zudem sind die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen jus cogens alles andere als klar. 5 Immerhin ist zuzugestehen, dass mit einem Verstoß gegen elementare Standards des Völkerrechts für die handelnde Organisation die völkerrechtliche Immunität wegfällt, die auch die Vereinten Nationen bei der Ausübung ihrer Funktionen vor einer gerichtlichen Kontrolle durch nationale und regionale Gerichte schützt. 6 Diese Rechtsprechung entspricht der Deutung, die der EuGH der Regelung des Art. 300 Abs. 7 EG hinsichtlich der Wirkung völkerrechtlicher Verträge gibt. Diese wirken im Gemeinschaftsrecht als Völkerrecht. 7 Das Europarecht kennt keinen streng dualistischen Umgang mit völkerrechtlichen Verpßichtungen. Trotzdem mag man sich die Frage stellen, ob es nicht überzeugender gewesen wäre, die Verordnungen zunächst in ihrer formalen Qualität als europäisches Recht ernst zu nehmen, sie an europäischen Grundrechten zu messen und diese Maßstäbe schließlich mit Blick auf die völkerrechtlichen Verpßichtungen der Mitgliedstaaten völkerrechtsfreundlich zu relativieren. Aber auch praktisch-institutionell wird sich das EuG bei der nur mittelbaren grundrechtlichen Überprüfung der Akte anderer Organisationen daran orientieren, wie die Gerichte anderer Organisationen, namentlich der EGMR und mitgliedstaatliche Gerichte ihre Grundrechte auf Akte der EU/EG anwenden. Die materielle Anwendung europäischer Grundrechte auf Akte der UN hätte insoweit unerwünschte Konsequenzen, wenn sich andere Gerichte dieses Vorgehen zum methodischen Vorbild nähmen (dazu sogleich III.). Das Gericht hätte mit diesem Vorgehen zudem den Gehalt beider Rechtsordnungen und ihr Verhältnis zueinander verunklart: Der schonendste Umgang mit dem Völkerrecht ist die völkerrechtsimmanente Prüfung, die das EuG vorgenommen hat. Die Gemeinschaftsgrundrechte hätten in diesem Fall völkerrechtsfreundlich relativiert werden müssen. Will man dem Gericht damit im Ergebnis folgen, so sollte man der der Dramatik dieses Ergebnisses ins Auge schauen: Das EuG nimmt eine gerichtliche Zuständigkeit an, die es letztlich jedem nationalen und regionalen Gericht auf der Welt gestatten würde, Entscheidungen der Vereinten Nationen und anderer internationaler Organisationen auf einen Verstoß gegen jus cogens zu überprüfen. Hier scheint einer jener Quantensprünge vorzuliegen, 5 Sie ist selbst für den in Art. 53 WVRK geregelten Fall eines gegen Jus Cogens verstoßenden Vertrags in der Rechtsfolge umstritten, dazu S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, 324 ff. 6 Aus der seltenen Literatur zu einem anderen Fall einer Verletzung von jus cogens, A. Cassese, International Law, 2. Auß. 2005, 206 f. unter Hinweis auf Princz v. Federal Republic of Germany, 26 F3d 1166 (1994), Wald, J. diss., zit. nach 103 ILR 604 (628). 7 Tomuschat, in: v.d.groeben/schwarze, EU-/EG-Vertrag, Bd. 4, 6. Auß. 2004, Art. 300, Rdnr , insbes. 68, m.w.n.

120 Rechtsprechung EuR Heft für die die europäische Gerichtsbarkeit seit langem berühmt und berüchtigt ist. Anders als bei Vorrang, unmittelbarer Anwendbarkeit oder implied powers ist aber die Nachhaltigkeit der Entscheidungswirkung in diesem Fall ungewiss. Denn die Perspektive eines dezentralen Kontrollregimes, in dem die nicht immer unabhängigen Gerichte politisch interessierter Mitglieder der UN damit beginnen könnten, ihre Bürger vor Entscheidungen der Vereinten Nationen zu schützen, um damit deren Effektivität unter Berufung auf Völkerrecht langsam zu durchlöchern, ist zumindest eine ambivalente Perspektive. So gebietet eine Analyse des Urteils einen Blick auf die verschiedenen Schichten des gerichtlichen Grund- und Menschenrechtsschutzes. IV. Menschenrechtliche Rechtsprechungskonkurrenzen Die Verdichtung internationaler Rechtsetzung und die Verdichtung des internationalen Grund- und Menschenrechtsschutzes verlaufen nicht koordiniert. Dies erzeugt mehr und mehr internationale Rechtswirkungen, die subjektive Rechte beschränken, ohne Grundrechtsstandards zu garantieren. Es erzeugt teilweise aber auch eine übermäßige Verdichtung verschiedener Grundrechtsschichten. Beide Zusammenhänge gebieten es für beteiligte Gerichte, sich wechselseitig zu beobachten und die eigenen Prüfungsmaßstäbe mit der Prüfungspraxis anderer Gerichte zu vergleichen und zu koordinieren. Stabilisierte Strukturen haben sich durchaus langsam sowohl im Verhältnis der nationalen Grundrechtsgarantien 8 als auch der Europäischen Menschenrechtskonvention 9 zum Europäischen Gemeinschaftsrecht ergeben. Für beide Konstellationen lassen sich ähnliche Strukturen erkennen. Die grundrechtliche Kontrolle der Handlungen von EU und EG unterbleibt, soweit die europäischen Gerichte selbst einen gleichwertigen 10 Grundrechtsschutz garantieren. Aber diese Zurücknahme ist nicht endgültig, die Möglichkeit eines Zugriffs behalten sich sowohl EGMR als auch BVerfG vor. Hier zeigt sich eine Struktur, die voraussetzt, dass die handelnde internationale Organisation zumindest über irgendeine gerichtliche Kontrollstruktur verfügt, die ein Minimum an Grundrechtsstandards garantiert. Überträgt man diesen Zusammenhang auf das Verhältnis zwischen europäischen Gerichten und UN, so ergeben sich zwei Konsequenzen: Zum Ersten bietet der Umstand, dass die UN gar keinen Mechanismus der politisch unabhängigen individualrechtlichen Kontrolle kennen, einen guten Grund, in die Kontrolle einzutreten. Zum Zweiten ist das EuG bei dieser Entscheidung nicht völlig frei: Denn ein Kontrollverzicht könnte andere Gerichte auf den Plan rufen, namentlich mitgliedstaatliche Gerichte 11 oder den EGMR und damit auch das Verhältnis zwischen deren Rechtsordnungen und dem Gemeinschaftsrecht neu in Frage stellen. So entsteht mit einer gewissen Notwendigkeit eine Struktur, in der auch die Vereinten Nationen in den arbeitsteiligen Zusammenhang gerichtlicher Grundrechtskontrolle einbezogen werden, nunmehr von EuG, sonst vielleicht von einem anderen Gericht. Keinerlei Inkonsequenzen ergeben sich schließlich zwischen dieser Rechtsprechung und der zurückhaltenden Judikatur des EuGH zu den Wirkungen des WTO- 8 Für den vorliegenden Fall: Tomuschat, Common Market Law Revier 43 (2006), 537 (544 f.).. 9 EGMR v /98, Bosphorus. Zur Entwicklung Schreck, The Relationship between European Courts and Integration through Human Rights, ZaöRV 65 (2005), So die Formulierung des EGMR, oben Fn Vgl. bereits Conseil d Etat v , n , Associations Secours Mondial de France.

121 430 EuR Heft Rechtsprechung Rechts im Gemeinschaftsrecht. 12 Die Subjektivierung des WTO-Rechts im Gemeinschaftsrecht ist allein eine Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts, während sich die Individualrechte im vorliegenden Fall unmittelbar aus Völkerrecht ergeben. V. Jus Cogens als Maßstab Verhältnismäßigkeit als Norm Verfahren als Pßicht Das Gericht erstreckt die Reichweite des Jus Cogens auf drei Garantien: den Anspruch auf eine begründete Entscheidung, einen Minimalmaßstab an Eigentumsschutz und den Anspruch auf gerichtliche Kontrolle. Für alle drei Garantien entwickelt das EuG eine strukturgleiche Linie: Solange der Rechtsentzug nicht endgültig ist und solange die Regeln einen minimalen Verfahrensstandard vorsehen, der die Normanwender dazu verpßichtet, ihre Entscheidungen zu überprüfen, verstoßen diese nicht gegen die menschenrechtlichen Minimalstandards des jus cogens. In einer dem deutschen Verfassungsrecht wohl vertrauten Manier versteht das Gericht also den Kernbestand des jus cogens als eine Garantie verhältnismäßigen Handelns. 13 Hierin ist keine unangemessene Relativierung eines grundrechtlichen Mindestschutzes zu erkennen. Geht es beim jus cogens darum, das Völkerrecht auf die Anerkennung der Personalität menschlicher Individuen zu verpßichten, so ist damit jenseits von Fragen erniedrigender Behandlung gerade keine fest deþnierte Freiheitssphäre umrissen, sondern lediglich ein verfahrensrationaler Umgang mit individueller Freiheit. So ist es folgerichtig, dass am Anfang der Konstitutionalisierung eines personenbezogenen Völkerrechts auch Verwaltungsverfahren stehen, die die Verhältnismäßigkeit von Entscheidungen absichern. 14 Vor dieser Folie sind es erst die später vorgenommenen Ergänzungen der Resolutionen des Sicherheitsrats, die durch die Einführung von Selbstkontrollmechanismen und durch den Schutz eines Minimums an Þnanziellen Mitteln zum Selbstverbrauch die Verhältnismäßigkeit sichern. Ein darüber hinausgehender Grundrechtsstandard kann mit dem völkerrechtlichen jus cogens nicht verbunden werden. Es wäre auch nicht wünschenswert, die genauere Abgrenzung subjektiver Rechtssphären einer positiven Ausgestaltung durch die Staaten zu entziehen und, wie im jus cogens unweigerlich der Fall, der punktuellen richterrechtlichen Entscheidung zu überlassen. Noch am zweifelhaftesten erscheinen vor diesem Hintergrund die Ausführungen des Gerichts zur Reichweite der Garantie eines gerichtlichen Verfahrens selbst. Eine gerichtliche Überprüfung von Freiheitseinschränkungen kann man mit guten Gründen zum Minimalbestand der Anerkennung von Personalität rechnen. 15 Dies zugegeben, wird man sich aber kaum mit irgendeiner gerichtlichen Kontrolle begnügen können, wie das EuG zu meinen scheint. Mit anderen Worten: Es ist nicht schon die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, die den hier erforderlichen Verfahrensstandard erfüllt. Entscheidend ist, und hier liegt eine globale Crux jeder Kontrolle der Terrorbekämpfung auf nationaler und internationaler Ebene dass ein gerichtliches Verfahren diese Standards nur erfüllen kann, wenn es den zugrunde liegenden Sachverhalt kennt. Dies ist hier augenscheinlich nicht der Fall und es ist klar, dass es auch in Zukunft undenkbar erscheint, dass ein europäisches Gericht in irgendeiner 12 Zuletzt EuGH v , Rs. C-377/02, van Parys. So aber wohl L. Harings, EuZW 2005, 705. Allgemein, Tomuschat, a.a.o., Rdnr P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, Dazu grundlegend E. Schmidt-Aßmann, Internationales Verwaltungsrecht, Ms Dazu C. Möllers, Gewaltengliederung, 2005, 41 ff., 95 ff.

122 Rechtsprechung EuR Heft Weise in den nachrichtendienstlichen Kenntnisstand des UN-Sicherheitsrates eingeweiht wird. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Immunitäts- und Jurisdiktionsregeln, die das jus cogens aus guten Gründen unterläuft, ihrerseits gute Gründe für sich haben: Die wirksame gerichtliche Überprüfung politischer Entscheidungen setzt immer eine gemeinsame institutionelle Basis zwischen Gericht und politischen Organen voraus, die zwischen der UN und den europäischen Gerichten nicht entstehen kann mit entsprechenden Folgen für einen effektiven Rechtsschutz. Rechtsschutz gegenüber Entscheidungen des Sicherheitsrats, der diesen Namen verdient, wird auf Dauer nur auf der Ebene der UN entstehen können. VI. Fazit: Die Ambivalenzen der Konstitutionalisierung Das Urteil ist in seiner Bedeutung schwer zu unterschätzen, auch wenn zweifelhaft erscheint, ob dies der Anfang einer nachhaltigen Praxis europäischer Gerichte ist, jus cogens gegenüber internationalen Organisationen anzuwenden. Jenseits konstruktiver Probleme spricht die politische Asymmetrie, die sich ergibt, wenn ein unterinstanzliches Regionalgericht sich der Rechte von Nichteuropäern gegenüber einer globalen internationalen Organisation annimmt, eher gegen eine Verstetigung dieser Rechtsprechung. Sicher aber ist als ein Signal zu verstehen, dass eine dezentrale Überprüfung von UN-Maßnahmen solange notwendig ist, wie die UN selbst keine adäquaten Kontrollmechanismen zur Verfügung stellt, um das Handeln des Sicherheitsrates als neuem Weltgesetzgeber 16 zu überprüfen. Politisch ist das Urteil auch eine europäische Antwort auf die globale Rechtlosstellung von Menschen im Rahmen der Terrorismusbekämpfung, die diesen im Ergebnis freilich ebenso wenig nützt wie die entsprechende Rechtsprechung des U.S. Supreme Court. Verfassungstheoretisch setzt die Entscheidung die Einsicht um, dass jeder Mensch ein Recht auf Rechte, damit aber auch einen Anspruch auf einen gerichtsförmigen Schutz seiner Sphäre hat, der sich gegenüber der institutionellen Arbeitsteilung des internationalen Rechts durchsetzen muss. Die Diskussion um die sogenannte Konstitutionalisierung des Völkerrechts jedenfalls erleidet nun endlich ihre lang verdrängte Dialektik: Menschenrechte durch Völkerrecht müssen auch Menschenrechte gegenüber Völkerrecht sein. Die Einbeziehung des Individuums in das Völkerrecht kann dieses auch bedrohen. 16 Sehr instruktiv: S. Talmon, The Security Council as World Legislature, American Journal of International Law 99 (2005), 175.

123 432 EuR Heft KLEINERE BEITRÄGE, BERICHTE UND DOKUMENTE Die Einbeziehung des Komitologieverfahrens in den Lamfalussy-Prozess Zur Forderung des Europäischen Parlaments nach mehr Entscheidungsteilhabe I. Einleitung Von Klaus Ulrich Schmolke, Bonn * Der Erfolg des Lamfalussy-Prozesses hat die altbekannte Debatte über das demokratische DeÞzit der Rechtsetzung in der Europäischen Gemeinschaft 1 neu entfacht. Dieses nunmehr seit gut fünf Jahren geltende, ursprünglich für die Umsetzung des Aktionsplans Finanzdienstleistungen (Financial Services Action Plan, FSAP) 2 entworfene Rechtsetzungsverfahren 3 ist jüngst auf die Bereiche Banken, Versicherungen und Pensionsfonds erweitert worden. 4 Das Europäische Parlament hat aus diesem Anlass wie schon bei der Einführung des Verfahrens vor fünf Jahren erhebliche Bedenken geäußert. Es befürchtet den Verlust seiner Entscheidungsteilhabe, die mit der Forderung nach ausreichender demokratischer Legitimation der Rechtsetzungsakte und der Wahrung des institutionellen Gleichgewichts verbunden waren und sind. 5 Stein des Anstoßes ist hierbei insbesondere die Einbeziehung des sog. Komitologieverfahrens gem. Art. 202, 3. Spiegelstrich EG auf Stufe 2 des insgesamt vierstuþgen Lamfalussy-Prozesses. Die aktuelle Debatte bietet Anlass, die Berechtigung der vom Parlament geäußerten Kritik am Lamfalussy-Verfahren zu überprüfen. Nach der Darstellung der Diskussion um die Entscheidungsteilhabe des Parlaments bei Einrichtung und Ausweitung des Lamfalussy-Prozesses (III.), beschäftigt sich der vorliegende Beitrag mit der Frage nach der primärrechtlichen Zulässigkeit des Komitologieverfahrens und der Aufteilung der Rechtsetzung auf die verschiedenen Stufen des Lamfalussy-Verfahrens (IV.). Nach dieser Betrachtung de lege lata wird die weitere Frage untersucht, inwiefern die Einbeziehung des Komitologieverfahrens in den Lamfalussy-Prozess de lege ferenda gerechtfertigt ist, wobei insbesondere das LeistungsproÞl exekutiver Rechtsetzung mit den Zielen des Lamfalussy-Prozesses abgeglichen wird (V.). Vor dem Hintergrund dieser Ziele werden DeÞzite der Rechtsetzungspraxis * Der Autor ist Habilitand am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels-, Wirtschafts- und Steuerrecht (Prof. Dr. Fleischer, LL.M., Dipl.-Kfm.) an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Der Beitrag entstand im Rahmen seiner Forschungstätigkeit für das DFG-Graduiertenkolleg Rechtsfragen des europäischen Finanzraums. 1 S. etwa schon Hallstein, Die Europäische Gemeinschaft, 2. Auß. 1974, S. 73 ff. 2 Mitteilung der Kommission, Finanzdienstleistungen: Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan, KOM (1999) 232 vom , abrufbar im Internet unter actionplan/index/action_de.pdf (Zugriffsdatum: ). 3 S. den Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte vom 15. Februar 2001, online: Þnal-report-wise-men_de.pdf (Zugriffsdatum: ). In Anlehnung an den Vorsitzenden dieses Ausschusses, Alexandre Lamfalussy, wird dieses Verfahren kurz Lamfalussy-Prozess genannt. 4 S. dazu noch unten unter III Vgl. zu Äußerungen aus jüngerer Zeit FAZ vom , Nr. 72, S. 19 und Fischer zu Cramberg, AG 2005, Rn. 92; ausführlich unten unter III.

124 Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente EuR Heft bei der Abschichtung der Stufen 1 und 2 des Prozesses aufgezeigt und Vorschläge zur Abhilfe unterbreitet (VI.). Zur besseren Orientierung wird ein kurzer Überblick über das Lamfalussy-Verfahren vorangestellt (II.). II. Überblick über das Lamfalussy-Verfahren Das Lamfalussy-Verfahren für eine beschleunigte Rechtsetzung besteht aus vier Stufen. Auf der ersten Stufe sollen nach dem üblichen Rechtsetzungsverfahren, d.h. nach dem hier einschlägigen Mitentscheidungsverfahren gem. Art. 251 EG, in einem neuen Typus von Richtlinien respektive Verordnungen die politischen Grundentscheidungen getroffen werden, welche die Grundzüge des Regelungsprogramms gleichsam als Rahmen vorgeben. Dabei sind Art und Umfang der auf Stufe 2 zu erlassenden technischen Durchführungsbestimmungen festzulegen. Die Rahmenregelung hat zu bestimmen, inwiefern und inwieweit diese Durchführungsbestimmungen geändert und aktualisiert werden können. 6 Die Kommission soll zur Verbesserung des Informationsaustauschs und der Transparenz Marktteilnehmer und Endnutzer (Emittenten und Verbraucher), die Mitgliedstaaten und ihre Regulierungsbehörden vorab konsultieren. Auch das Europäische Parlament wird informell über künftige Vorschläge informiert, wobei auf frühzeitige Absprachen hingearbeitet werden soll, um Vorarbeiten für Stufe 2 zu erleichtern. 7 Daneben berät auch der neu eingerichtete EU-Wertpapierausschuss (European Securities Committee, ESC) 8 die Kommission bereits auf Stufe 1. 9 Durch die Vorabkonsultationen ergibt sich eine Zweiteilung der ersten Stufe in die Konsultationsphase vor Abgabe des Kommissionsvorschlags und das daran anschließende Mitentscheidungsverfahren. 10 Auf der zweiten Stufe entwirft und beschließt die Kommission unter Mitwirkung des ESC und des Ausschusses der EU-Wertpapierregulierungsbehörden (Committee of European Securities Regulators, CESR) 11 die auf Stufe 1 delegierten Durchführungsbestimmungen. Das Initiativrecht verbleibt bei der Kommission. Diese ersucht nach der Konsultation des ESC den CESR, die technischen Einzelheiten innerhalb einer zu vereinbarenden Frist auszuar- 6 Schlussbericht (Fn. 3), S. 26, 29 f. 7 S. Schlussbericht (Fn. 3), S S. Beschluss der Kommission vom 6. Juni 2001 zur Einsetzung des Europäischen Wertpapierausschusses, 2001/528/EG, ABl. L 191 vom , S. 45 f. Der ESC setzt sich aus hochrangigen Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen. Die Mitgliedstaaten haben entsprechend der Forderung des Ausschusses der Weisen [s. Schlussbericht (Fn. 3), S. 38] Vertreter von Staatssekretärsrang in den ESC entsandt, s. ESC, List of Members, Alternates, Observers as from 1 May 2004, im Internet abrufbar unter (Zugriffsdatum: ). Für weitere Einzelheiten s. Art. 3 Abs. 1 und 2 des Beschlusses 2001/528/EG sowie die erwähnte List of Members. 9 In dieser Beratungsfunktion ersetzt er den Ausschuss hochrangiger Beamter der Börsen- und Wertpapieraufsichtsbehörden, s. Schlussbericht (Fn. 3), S Vgl. Schlussbericht (Fn. 3), S. 34. Der Ausschuss der Weisen sieht als Vorteile dieses neuen Verfahrens auf Stufe 1, dass es demokratisch und ßexibel sei, zugleich den Sachverstand der europäischen Regulierungsbehörden nutze und schließlich die Rechtsetzung beschleunige. Um letzteres noch zu verstärken, solle stärker die Regelungsart der Verordnung sowie das Schnellverfahren genutzt werden [a.a.o., S. 32 f.]. 11 S. Beschluss der Kommission vom 6. Juni 2001 zur Einsetzung des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden, 2001/527/EG, ABl. L 191 vom , S. 43 f. Der CESR setzt sich aus hochrangigen Vertretern der nationalen Wertpapierbehörden zusammen. Für Einzelheiten s. Art. 3 des Beschlusses 2001/527/EG.

125 434 EuR Heft Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente beiten (1). 12 / 13 Der CESR hat vor Abgabe seiner Stellungnahme gegenüber der Kommission in einem offenen, transparenten Verfahren frühzeitig und umfassend die Marktteilnehmer, Verbraucher und Endnutzer [zu konsultieren]. 14 Die Vorschläge des CESR werden dann durch die Kommission geprüft (2) und bei der Erstellung des kommissionseigenen Vorschlags berücksichtigt. Im Zuge dessen veröffentlicht die Kommission Arbeitsdokumente mit ersten Vorstellungen über Durchführungsmaßnahmen der Stufe 2, um den Marktteilnehmern und dem Europäischen Parlament die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. 15 Der Kommissionsvorschlag wird schließlich dem ESC zur Abstimmung vorgelegt (3). Diese Abstimmung nimmt der ESC als Regelungsausschuss i.s. des Modalitätenbeschlusses zu Art. 202, 3. Spiegelstrich EG 16 vor. 17 / 18 Stimmt dieser dem Kommissionsvorschlag zu, kann die Kommission den Erlass der Rechtsvorschriften als Gemeinschaftsrecht beschließen (4). Lehnt der ESC den Entwurf hingegen ab oder gibt er keinerlei Stellungnahme ab, wird der Entwurf an den Rat weitergeleitet. Sollte (auch) von Seiten des Rates eine Stellungnahme unterbleiben, erlässt die Kommission den vorgeschlagenen Rechtsakt (5). Lehnt der Rat den Kommissionsentwurf hingegen ab, hat die Kommission drei Möglichkeiten: sie legt dem Rat einen Änderungsvorschlag für die Durchführungsmaßnahmen vor (a), sie legt erneut ihren ursprünglichen Vorschlag vor (b) oder sie verzichtet auf den Entwurf und legt stattdessen einen Legislativvorschlag auf der Grundlage des EG-Vertrages vor (c). 19 / Die Abstimmung des CESR für die endgültige Empfehlung an die Kommission erfolgt nach dem Mehrheitsprinzip; Einstimmigkeit ist also nicht erforderlich. Abweichende Haltungen sind in der endgültigen Empfehlung zu veröffentlichen. S. dazu Art. 5.5 i.v.m. Art. 5.6 CESR-Satzung. Eine weitere SpeziÞzierung des Mehrheitserfordernisses Þndet sich weder im Beschluss 2001/527/EG der Kommission (Fn. 11) noch in der CESR-Satzung. Der Ausschuss der Weisen hatte das Erfordernis einer qualiþzierten Mehrheit empfohlen, s. Schlussbericht (Fn. 3), S Unter dem Zeitdruck der Fristen für die Umsetzung des FSAP fanden die Arbeiten auf Stufe 1 und 2 teilweise parallel statt [s. dazu Inter-Institutional Monitoring Group (IIMG), Third Report monitoring the Lamfalussy Process vom 17. November 2004, S. 17 f., online: (Zugriffsdatum: )]. Die Kommission hat versucht zu gewährleisten, dass durch ihre vorläuþgen Mandate an den CESR keine Verhandlungen zwischen dem Rat und dem Parlament untergraben werden [Commission Working Staff Document, The Application of the Lamfalussy Process to EU Securities Markets Legislation A preliminary assessment by the Commission services, , SEC (2004) 1459, Tz. 14, online: (Zugriffsdatum: )]. 14 Art. 5 des Beschlusses 2001/527/EG der Kommission (Fn. 11). Die näheren Verfahrensregeln hat der CESR in Art seiner Satzung sowie in einer Öffentlichen Stellungnahme zu den Konsultationspraktiken [Public Statement of Consultation Practices von Dezember 2001, CESR/01-007c, im Internet abrufbar unter dargelegt. 15 Auf die Anregung von Marktteilnehmern hin erstellt die Kommission zudem ein Dokument, dass die bedeutendsten Unterschiede zwischen den Vorschlägen des CESR und den Kommissionsentwürfen erklärt [s. zum Ganzen Commission Working Staff Document (Fn. 13), Tz. 14]. 16 Beschluss des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, 1999/468/EG, ABl. L 184 vom , S. 23 ff. 17 Damit ist auf das sog. Komitologieverfahren verwiesen. S. zu dessen primärrechtlicher Zulässigkeit noch unten unter IV. 18 Soweit der ESC als Regelungsausschuss abstimmt, richten sich die erforderliche Abstimmungsmehrheit und die Gewichtung der Stimmen nach Art. 205 Abs. 2 Unterabsatz 1 und 2 EG i.v.m. Art. 5 Abs. 2 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates (Fn. 16). Der vorsitzende Vertreter der Kommission nimmt an der Abstimmung nicht teil [s. Art. 5 Abs. 2 S. 5 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates (Fn. 16)]. Damit zeichnet die Mehrheitsbildung die Beschlussfassung des Rates bei erforderlicher qualiþzierter Mehrheit nach. 19 Schlussbericht (Fn. 3), S. 35 ff. Dieses Verfahren entspricht dem Regelungsverfahren nach Art. 5 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates (Fn. 16). 20 S. zum Ablauf der Arbeiten auf Stufe 2 am Beispiel der Marktmissbrauchsrichtlinie v. Buttlar, Directors Dealings: Änderungsbedarf aufgrund der Marktmissbrauchsrichtlinie, BB 2003, S. 2133, 2134 f.

126 Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente EuR Heft Zur Absicherung der institutionellen Rolle des Europäischen Parlaments ist dieses über die Arbeiten des ESC auf dem Laufenden zu halten. Vertritt es den Standpunkt, dass der von der Kommission vorgelegte Entwurf der Maßnahmen deren in dem Basisrechtsakt (Stufe 1) festgelegten Durchführungsbefugnisse übersteigt, muss die Kommission den Vorschlag erneut überprüfen. 21 Die folgenden Stufen 3 und 4 betreffen nicht mehr die Rechtsetzung auf Gemeinschaftsebene, sondern die anschließende Umsetzung und Durchsetzung der auf Stufe 1 und 2 erlassenen Vorschriften. Auf der dritten Stufe sollen die im CESR vernetzten nationalen Regulierungsbehörden durch einheitliche Leitlinien, gemeinsame Empfehlungen zu Auslegungsfragen, peer reviews und andere ihrer Natur nach zwar unverbindliche, aber gleichwohl wirksame Maßnahmen 22 eine kohärente und gleichwertige Umsetzung der Rechtsvorschriften von Stufe 1 und 2 gewährleisten. 23 Darüberhinaus sieht der Lamfalussy-Schlussbericht vor, dass der CESR gemeinsame Standards für nicht unter die Rechtsvorschriften der EU fallende Fragen setzen soll. 24 Diese Aufgabenstellung hat der CESR im Oktober 2004 in einem Aktionsplan konkretisiert. 25 Ausgehend von Art. 4.3 und 4.4 der CESR-Satzung 26 hat der CESR drei Hauptbetätigungsfelder auf Stufe 3 identiþziert: Die koordinierte Umsetzung von EU-Recht (coordinated implementation) 27, die Konvergenz der Aufsichtsentscheidungen (regulatory convergence) 28 und die Übereinstimmung der Aufsichtsziele und -instrumente (supervisory convergence) 29/30 21 Schlussbericht (Fn. 3), S. 37 f.; anders insoweit Art. 5 Abs. 5 und 6 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates (Fn. 16): Unterrichtung des Rates, der dann mit qualiþzierter Mehrheit über den Vorschlag beþndet; der Beschluss stellt ausweislich des fünften Erwägungsgrundes allerdings nur unverbindliche Leitlinien auf; s. dazu Lenaerts/Verhoeven, Towards a legal framework for executive rulemaking in the EU? The contribution of the new comitology decision, CMLR 2000, S. 645, 668 f. 22 Vgl. Schlussbericht (Fn. 3), S. 47: Das Ergebnis dieser Arbeiten wäre nicht verbindlich, wenngleich es zweifellos einen maßgeblichen Einßuss hätte. 23 Schlussbericht (Fn. 3), S. 46 ff. Auch in dieser Funktion setzt sich der Ausschuss aus je einem Vertreter pro Mitgliedstaat zusammen. Der Kommissionsvertreter hat Beobachterstatus. Der CESR entscheidet im Rahmen seiner Tätigkeit auf Stufe 3 einstimmig [s. Art. 5.6 CESR-Satzung]. 24 S. Schlussbericht (Fn. 3), S. 46 f.; CESR, The Role of CESR at Level 3 under the Lamfalussy Process Action Plan for 2005, Oktober 2004, S. 3 f., online: 25 CESR-Aktionsplan (Fn. 24). Zu dessen Entstehung s. ebenda, S Dort heisst es: The Committee will foster and review common and uniform day-to-day implementation and application of Community legislation. It will issue guidelines, recommendations and standards that the members will introduce in their regulatory practices on a voluntary basis (Art. 4.3 CESR-Satzung) und The Committee will develop effective operational network mechanisms to enhance day-to-day consistent supervision and enforcement of the Single Market for Þnancial services (Art. 4.4 CESR-Satzung). 27 Die koordinierte Umsetzung betrifft die beratende Beteiligung an der Umsetzung der auf Stufe 1 und 2 legiferierten Regeln, aber auch die eigene Umsetzung durch die Regulierungsbehörden, soweit diese auf mitgliedstaatlicher Ebene auf sie delegiert worden ist, und schließlich die Koordination der täglichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch das Setzen von Standards [s. CESR-Aktionsplan (Fn. 24), S. 7 f.]. 28 Bei der Konvergenz der Aufsichtsentscheidungen geht es um die gegenseitige Verpßichtung auf entscheidungsleitende Empfehlungen und Standards, die zwar kein bindendes Gemeinschaftsrecht darstellen, aber im Laufe der Zeit auf Stufe 1 oder 2 des Lamfalussy-Prozesses aufgegriffen werden könnten [s. CESR-Aktionsplan (Fn. 24), S. 9 f.]. 29 Die Konvergenz der Aufsichtsziele und -instrumente umfasst den Informationsaustausch über die praktische Handhabung der Regelwerke, insbesondere im Hinblick auf gemeinsame Erfahrungen auf dem Gebiet der Rechtsdurchsetzung, aber auch ein internes Mediationssystem zur Lösung von Konßikten unter den Regulierungsbehörden, soweit die gegenseitige Anerkennung der Aufsichtsentscheidungen nicht bereits im Gemeinschaftsrecht vorgesehen ist [s. CESR-Aktionsplan (Fn. 24), S. 10 ff.]. 30 Die Interinstitutionelle Kontrollgruppe hat diese Konkretisierung in ihrem dritten Bericht vom 17. November 2004 weitgehend begrüßt. Andererseits hat sie Vorbehalte gegen das Tätigkeitsfeld Konvergenz der Aufsichtsentscheidungen geäußert, da durch einen derartigen soft law -Ansatz die Balance zwischen den Institutionen beeinträchtigt werden könnte und dieser zudem nur sehr begrenzte demokratische Legitimation besäße [IIMG,

127 436 EuR Heft Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente Die vierte Stufe schließlich soll eine wesentlich verstärkte Durchsetzung der EU-Vorschriften durch die Kommission als Hüterin der Verträge im Zusammenwirken mit den Mitgliedstaaten, ihren Regulierungsbehörden und der Privatwirtschaft leisten. 31 / 32 III. Das Ringen um die parlamentarische Entscheidungsteilhabe im Rahmen des Lamfalussy-Prozesses ein historischer Abriss 1. Entstehungsgeschichte des Verfahrens und Bedenken des Parlaments Für die fristgerechte Umsetzung des FSAP 33 mit seinen 42 Einzelmaßnahmen bis Ende 2005 sah die Kommission das nach Art. 95 EG (= Art. 100a EG a.f.) anwendbare Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EG bekanntlich als zu mühselig und langsam an. 34 Der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der EU (ECOFIN) beauftragte daher den sog. Ausschuss der Weisen unter Vorsitz von Alexandre Lamfalussy, die Regelungspraxis auf die aktuellen Entwicklungen abzustimmen. 35 Der Ausschuss machte in seinem Abschlussbericht die folgenden Hauptprobleme des bisherigen Rechtsetzungssystems aus: Das allgemeine (Mitentscheidungs-)Verfahren sei zu langsam. Es enthalte vielfältige Blockademöglichkeiten. Es sei zu unßexibel, um eine schnelle Rechtsänderung herbeiführen zu können, und produziere überdies Zweideutigkeiten. Schließlich unterscheide das bisherige System nicht zwischen wesentlichen, bleibenden Grundsätzen und praktischen Vorschriften für die tägliche Anwendung, weshalb erstere zu detailliert und letztere zu schwer zu aktualisieren seien. 36 Der Ausschuss schlug daher ein beschleunigtes EU-Rechtsetzungsverfahren vor. 37 Hiervon erwartete er folgende Vorteile: Beschleunigung des Gesetzgebungsprozesses durch die Beschränkung auf wichtige politische Grundentscheidungen im Mitentscheidungsverfahren 38 und Rationalisierung der Produktion der diese konkretisierenden Durchführungsmaßnahmen 39, größere Flexibilität durch individuellen Zuschnitt des Anwendungsbereichs der Durchführungsbefugnisse, Fruchtbarmachung des Sachverstands der europäischen Re- Third Report (Fn. 13), S. 6, 25 ff., 29]. S. ferner zur Kritik an der Arbeit des CESR durch das Parlament und von Seiten der Marktteilnehmer FAZ vom , Nr. 72, S Schlussbericht (Fn. 3), S. 26, 49. Als allgemeine präventive Maßnahmen zur besseren Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht sieht die für diese Stufe zuständige Kommission die Ausrichtung von Treffen zur Besprechung von Umsetzungsproblemen und die Erstellung von Umsetzungsrichtlinien vor [s. CESR-Aktionsplan (Fn. 24), S. 8 unter Hinweis auf die Mitteilung über die bessere Kontrolle der Anwendung von Gemeinschaftsrecht, KOM (2002) 725 Þnal/4 vom ]. 32 Ein kurzer Überblick über die Stufen 3 und 4 Þndet sich auch bei Ferrarini, Contract Standards and the Markets in Financial Instruments Directive (MiFID): An Assessment of the Lamfalussy Regulatory Architecture, ERCL 2005, S. 19, 30 f. 33 Mitteilung der Kommission, KOM (1999) 232 (Fn. 2). 34 Mitteilung der Kommission, KOM (1999) 232 (Fn. 2), S Mandat des Ausschusses der Weisen, das ihm am 17. Juli 2000 vom Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der EU (ECOFIN) übertragen wurde, abgedruckt in: Erster Bericht des Ausschusses der Weisen über die Reglementierung der Europäischen Wertpapiermärkte vom , Anhang 1, wiederum abgedruckt in: Schlussbericht (Fn. 3). 36 S. Schlussbericht (Fn. 3), S. 20 f.; zusammengefasst auch bei Hertig/Lee, Four Predictions about the Future of EU Securities Regulation, working paper series, January 2003, S. 4 f., abrufbar unter ssrn.com (= 3 JCLS 359 ff. (2003)). 37 Zu dessen Inhalt s.o. unter II. 38 Diese Differenzierung auch für das deutsche Parlamentsgesetz und gesetzesakzessorische Rechtssatzformen, namentlich die Rechtsverordnung, befürwortend v. Bogdandy, Gubernative Rechtsetzung, 2000, S S. IIMG, Third Report (Fn. 13), S. 12.

128 Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente EuR Heft gulierungsbehörden sowie größere Transparenz durch offene Konsultation und Information. 40 Nachdem der Schlussbericht vom zuständigen Kommissar Frits Bolkestein begrüßt worden war, 41 stimmte der Europäische Rat diesen Vorschlägen im März 2001 zu und beauftragte die Kommission mit ihrer Umsetzung. Zuvor musste diese sich jedoch verpßichten, ein Tätigwerden gegen vorherrschende Auffassungen, die sich im Rat zur Frage der Zweckmäßigkeit der betreffenden Maßnahmen herauskristallisieren könnten, zu vermeiden (sog. Aerosol-Klausel ). 42 Einige Mitglieder des Europäischen Parlaments hatten jedoch schon frühzeitig Bedenken dahingehend geäußert, dass das vierstuþge Verfahren ihr im EG-Vertrag verankertes Mitentscheidungsrecht verwässern könnte. 43 Der Ausschuss der Weisen ging auf diese Bedenken ein. 44 Er erwog ein mittels interinstitutioneller Vereinbarung einzurichtendes Vorrangrecht des Parlaments ( parliamentary override ), das dem Europäischen Parlament (neben dem Rat) die Möglichkeit gegeben hätte, den Kommissionsvorschlag für die Durchführungsmaßnahmen auf Stufe 2 binnen einer bestimmten Frist abzulehnen, gelangte aber zu der Auffassung, dass der Vertrag die Einführung eines solchen Rechtes nicht vorsieht. Der Ausschuss hat aber auf folgende seiner Ansicht nach ausreichende Alternativinstrumente zur Sicherstellung der Kontroll- und Einßussmöglichkeiten des Parlaments auf die Durchführungsvorschriften in Stufe 2 hingewiesen: Erstens werde das Parlament jederzeit über den Inhalt der neuen CESR-Standpunkte und folglich auch über die Kommissionsvorschläge informiert. Sowohl die Kommission als auch die beiden Ausschüsse ESC und CESR würden einen engen Kontakt mit dem Europäischen Parlament pßegen und ihm alle erforderlichen Unterlagen rechtzeitig übermitteln. Zweitens werde dem Europäischen Parlament genügend Zeit eingeräumt, den Maßnahmevorschlag sowohl vor als auch nach der Abstimmung des ESC auf seine Übereinstimmung mit der Ermächtigung auf Stufe 1 zu prüfen. Sollte das Parlament hierbei zu einem negativen Prüfergebnis kommen und eine entsprechende Entschließung verabschieden, werde die Kommission den Vorschlag drittens erneut prüfen und die Haltung des Parlaments bestmöglich berücksichtigen. 45 Schließlich habe sowohl die Kommission als auch der ESC zu berücksichtigen, dass das Parlament viertens bei künftigen Übertragungen von Durchführungsbefugnissen seiner Unzufriedenheit Ausdruck verleihen könne. Die Kommission trug den Bedenken und Forderungen des Parlaments 46 dadurch Rechnung, dass sie die Einhaltung der obigen Schutzmechanismen zusagte und darüber hinaus unter anderem versprach, vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments zu ihrer Verlängerung die Ermächtigung zum Erlass von Durchführungsbefugnissen auf vier Jahre zu beschränken 40 Schlussbericht (Fn. 3), S. 31 f., S. Pressemitteilung IP/01/215 vom , im Internet abrufbar unter (Zugriffsdatum: ). 42 Entschließung des Europäischen Rates vom 23. März 2001 über eine wirksamere Regulierung der Wertpapiermärkte in der Europäischen Union, ABl. C 138 vom 11. Mai 2001, S. 1 ff. 43 Vgl. Schlussbericht (Fn. 3), S. 28 sub 1 und die dortigen Alternativvorschläge. 44 S. zum Folgenden Schlussbericht (Fn. 3), S. 42 ff. 45 Anders insoweit Art. 5 Abs. 5 und 6 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates (Fn. 16): Unterrichtung des Rates, der dann mit qualiþzierter Mehrheit über den Vorschlag beþndet. 46 Zusammenfassend zu den Forderungen des Europäischen Parlaments v. Wogau, Modernisierung der Europäischen Gesetzgebung, ZEuP 2002, S. 695, 699 f.

129 438 EuR Heft Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente (sog. Sunset-Klausel ). 47 Eine abschließende Neuregelung des institutionellen Gleichgewichts im Rahmen des Art. 202 EG sollte hingegen einer späteren Regierungskonferenz vorbehalten bleiben. 48 Das Europäische Parlament erklärte daraufhin sein Einverständnis zu dem neuen Verfahren. 49 / Ausweitung des Lamfalussy-Verfahrens und Wiederaufßammen des ursprünglichen Konßikts Die allgemein positive Einschätzung des Lamfalussy-Prozesses durch die Kommission sowie die Interinstitutionelle Kontrollgruppe 51, bestärkt durch die rechtzeitige und vollständige Umsetzung des FSAP 52, hat die Kommission zur Ausweitung des Lamfalussy-Verfahrens auf andere Bereiche der Finanzdienstleistungen veranlasst. 53 Am 6. November 2003 hat sie ein Paket von sieben Maßnahmen aufgelegt. 54 Hiernach wird das Lamfalussy-Verfahren auf die Bereiche Banken, Versicherungen und Pensionsfonds ausgedehnt; die Arbeit von ESC und CESR im Wertpapierbereich wird auch den Bereich OGAW 55 einschließen S. im Einzelnen dazu noch unter VI. 48 Vgl. Schreiben von Kommissar Bolkestein vom 2. Oktober 2001 an Frau Randzio-Plath, Vorsitzende des Wirtschafts- und Währungssausschusses des Europäischen Parlaments, im Internet abrufbar unter eu.int/comm/internal_market/securities/docs/lamfalussy/fb-letter _en.pdf (Zugriffsdatum: )); ferner die Rede von Romano Prodi, Implementation of Þnancial services legislation in the context of the Lamfalussy Report, Speech/02/44 vom , im Internet abrufbar unter (Zugriffsdatum: )); zusammenfassend v. Wogau (Fn. 46), S. 699 f. 49 Vgl. v. Wogau (Berichterstatter), Bericht des Ausschusses für konstitutionelle Fragen über die Umsetzung der Rechtsvorschriften im Bereich der Finanzdienstleistungen (2001/2247/(INI)) vom , A5-0011/2002 endg., online: DOC+PDF+V0//DE&L=DE&LEVEL=3&NAV=S&LSTDOC=Y (Zugriffsdatum: )). 50 Zur allgemeinen Debatte um die Beteiligung des Europäischen Parlaments im Bereich der Mitentscheidung s. nur den historischen Abriss bei Hummer/Obwexer, in: Streinz, EUV/EGV, 2003, Art. 202 EGV Rn. 40 ff. 51 S. IIMG, Third Report (Fn. 13), S. 6, 13, 37; Commission Working Staff Document (Fn. 13), Tz. 46 f.; 10. Fortschrittsbericht der Kommission: Finanzdienstleistungen Über den Berg, , S. 14, im Internet abrufbar unter [Zugriffsdatum: )]; ferner Securities Expert Group, Financial Services Action Plan: Progress and Prospects, Final Report, Mai 2004, S. 2, Tz. 12, online: Report.pdf (Zugriffsdatum: ). 52 S. 10. Fortschrittsbericht (Fn. 51), S. 1. Zurückhaltender fällt die Bewertung seitens des Europäischen Parlaments aus, s. van den Burg (Berichterstatterin), Bericht über den derzeitigen Stand der Integration der Finanzmärkte der Europäischen Union vom , A6-0087/2005 endg., S. 14 f., online: omk/sipade3?pubref=-//ep//nonsgml+report+a doc+pdf+v0//de&l=de&leve L=0&NAV=S&LSTDOC=Y (Zugriffsdatum: ): Der Aktionsrahmen für Finanzdienstleistungen ist insofern erfolgreich gewesen, als die für 2004 gesetzte Frist im Großen und Ganzen eingehalten worden ist. 53 Zustimmend S. Securities Expert Group (Fn. 51), Tz S. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 85/611/EWG, 91/675/EWG, 93/6/EWG und 94/19/EG des Rates sowie der Richtlinien 2000/12/ EG, 2002/83/EG und 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung einer neuen Ausschussstruktur im Finanzdienstleistungsbereich vom , KOM (2003) 659 endg., insb. S. 10 f.; vgl. auch 10. Fortschrittsbericht (Fn. 51), S Die Abkürzung im Englischen UCITS bedeutet Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren. 56 S. Commission Working Staff Document (Fn. 13), S. 12, Tz. 41 f.: Das Maßnahmepaket umfasst die Schaffung von vier neuen Ausschüssen: dem European Banking Committee (EBC), dem European Insurance and Occupational Pensions Committee (EIPOC), dem Committee of European Banking Supervisors (CEBS) und dem Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors (CEIOPS). Während EBC und EIOPC vergleichbar dem ESC der Kommission bei der Verabschiedung von Durchführungsmaßnahmen der Stufe 2 assistieren werden, sind CEBS und CEIOPS Gremien der nationalen Aufsichtsbehörden in den Bereichen Bankgeschäfte, Versicherungen und Betriebsrenten/Pensionsfonds.

130 Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente EuR Heft Am 18. Januar 2004 hat sich der ECOFIN-Rat auf die Ausweitung des Lamfalussy-Verfahrens verständigt. 57 Am 30. März 2004 hat das Europäische Parlament dem entsprechenden Richtlinienvorschlag der Kommission zugestimmt, 58 nachdem einige auf die Wahrung des institutionellen Gleichgewichts zielende Änderungswünsche berücksichtigt worden waren. Diese Änderungen umfassten neben der Festschreibung des institutionellen Gleichgewichts in den Erwägungsgründen der Richtlinie die Einfügung des nunmehrigen Artikel 12, der insbesondere klarstellt, dass die Kommission Änderungen der Richtlinie zu prüfen hat, wenn die vertragliche Grundlage des Komitologieverfahrens in Art. 202 EG oder der Komitologiebeschluss 59 geändert werden, spätestens aber bis Ende Zu ihrer Begründung verweist der federführende Wirtschafts- und Währungsausschuss des Parlaments auf sein ultimatives politisches Ziel, die Achtung der demokratischen Legitimität der europäischen Rechtsetzung und insbesondere die Garantie der effektiven Wahrnehmung der Rolle des Europäischen Parlaments bei der Ausweitung des Lamfalussy-Prozesses zu erreichen 61. Unter diesem Aspekt betrachtet das Parlament den gesamten Lamfalussy-Prozess wie auch allgemein das Komitologieverfahren weiterhin mit Skepsis. Das institutionelle Ungleichgewicht manifestiere sich insbesondere in dem Umstand, dass dem Rat mit der sog. Aerosol -Klausel ein echtes Rückholrecht zur Verfügung stehe, während das Parlament lediglich über ein eingeschränktes Rückholrecht verfüge. Ein echtes Rückholrecht auch für das Parlament bleibe Voraussetzung für dessen Zustimmung zur Ausweitung des Lamfalussy-Verfahrens. Eine entsprechende Änderung des Komitologiebeschlusses respektive eine entsprechende Berücksichtigung dieses Standpunktes in dem Vertrag über eine Verfassung für Europa wird angemahnt. Im Anschluss an die Zustimmung des Parlaments hat sich der ECOFIN-Rat am 11. Mai 2004 auf eine entsprechende Richtlinie geeinigt 62. Diese ist am 29. März 2005 in Kraft getreten. 63 Aber auch nach der Zustimmung des Parlaments ist aus dessen Reihen weiterhin die Sorge um das institutionelle Gleichgewicht, konkret: um die Einßussmöglichkeiten des Parlamentes, artikuliert worden. So wurde von Kritikern dieser Ausweitung gefordert, dass die Kommissionsbeschlüsse zur Einsetzung der neuen Ausschüsse sowie die Übertragung der Zuständigkeiten für die OGAW auf den ESC und den CESR 64 solange ausgesetzt würden, bis die vorgeschlagene Richtlinie, die die Verweise auf die bestehenden Ausschüsse in den 57 S. Fischer zu Cramburg, AG 2005, R S. IIMG, Third Report (Fn. 13), S Beschluss 1999/468/EG des Rates (Fn. 16). 60 S. Randzio-Plath (Berichterstatterin), Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 85/611/EWG, 91/675/EWG, 93/6/EWG und 94/19/EG des Rates sowie der Richtlinien 2000/12/EG, 2002/83/ EG und 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung einer neuen Ausschussstruktur im Finanzdienstleistungsbereich vom , A5-0162/2004 endg. 61 Randzio-Plath, Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (Fn. 60), S S. Commission Working Staff Document (Fn. 13), S. 12, Tz. 41; IIMG, Third Report (Fn. 13), S Richtlinie 2005/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2005, ABl. L 79 vom , S. 9 ff. 64 S. Beschlüsse der Kommission vom zur Einsetzung des Europäischen Bankenausschusses (2004/10/ EG), ABl. L 3 vom , S. 36 f., des Europäischen Ausschusses für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (2004/9/EG), ABl. L 3 vom , S. 34 f., des Ausschusses der europäischen Bankenaufsichtsbehörden (2004/5/EG), ABl. L 3 vom , S. 28 f., des Ausschusses der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (2004/6/EG), ABl. L 3 vom , S. 30 f. sowie die Beschlüsse der Kommission vom (2004/7/EG) und (2004/8/EG), ABl. L 3 vom , S. 32 und 33.

131 440 EuR Heft Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente derzeitigen Finanzdienstleistungsvorschriften ersetzt, von Parlament und Rat angenommen sei. 65 Der Wirtschafts- und Währungsausschuss erinnert in seinem vom Parlamentsplenum angenommenen Bericht über den derzeitigen Stand der Integration der Finanzmärkte der Europäischen Union an die Bedingung eines Rückrufrechts in Bezug auf Umsetzungsmaßnahmen auf Stufe 2 im Vertrag als Voraussetzung für die parlamentarische Unterstützung des Lamfalussy-Prozesses und dessen Ausweitung. 66 Auch wird erwogen, einmal exemplarisch einen Rückruf durchzuführen, um Auswüchsen auf Stufe 2 und 3 des Lamfalussy-Verfahrens entgegenzuwirken, die sich nach Ansicht von Beobachtern aktuell besonders deutlich im Bereich der Marktmissbrauchsrichtlinie zeigen. 67 Zumindest Teile des Parlaments wollen also offensichtlich auf die prozedurale Gleichstellung mit dem Rat im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens 68 nicht bis zum ohnehin ungewissen Inkrafttreten des Verfassungsvertrages, genauer von Art. I-36 des Vertrages, 69 und eines daran angepassten Komitologiebeschlusses warten. 70 Weiterhin hat die Regulierungstätigkeit des CESR auf Stufe 2 und 3 den Unmut der Parlamentarier erregt. Der Ausschuss so die Kritik werde immer häuþger tätig, obwohl noch keine Rahmengesetzgebung vorliege. 71 Jenseits des angesprochenen Maßnahmenpakets ist auch die Frage aufgeworfen worden, ob das Lamfalussy-Verfahren nicht auf den Bereich des Gesellschaftsrechts ausgeweitet werden sollte. Auch hier scheinen sich aber Widerstände anzudeuten. 72 Die Kommission hat nunmehr die Post-FSAP-Agenda eingeleitet. 73 Zwischen Parlament und Kommission besteht dabei Einigkeit, dass in den kommenden Jahren eine Konzentration auf die Konsolidierung, Vollendung und Umsetzung anstatt auf weitere umfassende Regulierungen im Sinne eines FSAP II erfolgen soll S. Fischer von Cramburg, AG 2005, R S. van den Burg, Bericht (Fn. 52), S. 16 f. Zur weiteren Forderung nach regelmäßigen Rechenschaftsberichten der Regelungsausschüsse s. ebenda, Tz Vgl. Fischer von Cramburg, AG 2005, R 92, der sich auf Äußerungen des deutschen Europaparlamentariers Klaus-Heiner Lehne bezieht. S. ferner FAZ vom , Nr. 72, S. 19. Das Europäische Parlament versucht ferner über die Verankerung von Sunset-Klauseln in neuen Finanzmarktrichtlinien Druck auszuüben, vgl. FAZ vom 4. Oktober, S. 25 zur Basel II-Richtlinie. 68 S. dazu auch v. Wogau, Bericht des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (Fn. 49), Tz. 19 ff.; ders. (Fn. 46), S Vertrag über eine Europäische Verfassung, ABl. C 310 vom , S. 1 ff.; ferner Commission Working Staff Document (Fn. 13), S. 13, Tz. 45; IIMG, Third Report (Fn. 13), S S. auch die entsprechende Forderung, die Arbeiten über eine Änderung des Beschlusses 1999/468/EG über die Modalitäten i.s. des Art. 202, 3. Spiegelstrich EG fortzusetzen, s. Randzio-Plath, Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (Fn. 60), S. 22. Die beabsichtigte Novellierung des Modalitätenbeschlusses 1999/468/EG sieht vor, dass Einwände des Parlaments (ebenso wie die des Rates) von der Kommission zu berücksichtigen sind, wenn auch nicht notwendig durch Änderung ihres Entwurfs, s. Art. 1 des Geänderten Vorschlags für einen Beschluss des Rates zur Änderung des Beschlusses 1999/468/EG zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse vom , KOM (2004) 324 endg. (= Art. 5a Abs. 5 des ursprünglichen Beschlusses in der geänderten Fassung). 71 S. FAZ vom 29. März 2005, Nr. 72, S. 19, wo vom Regulierungswahn des CESR die Rede ist. Vgl. ferner van den Burg, Bericht (Fn. 52), Tz. 20; FAZ vom 4. Oktober 2005, S S. IIMG, Third Report (Fn. 13), S. 40 f. 73 IIMG, Third Report (Fn. 13), S S. van den Burg, Bericht (Fn. 52), Tz. 2, S. 16, 18; Rede von Binnenmarktkommissar McCreevy vom vor dem CESR, SPEECH/04/515, online: 04/515&language=EN&guiLanguage=en [Zugriffsdatum: ] und insbesondere das Grünbuch der Kommission zur Finanzdienstleistungspolitik ( ), COM (2005) 177, S. 5, online: eu.int/comm/internal_market/þnances/docs/actionplan/index/green_de.pdf. S. ferner Securities Expert Group (Fn. 51), S. 2, Tz. 8: The main emphasis should now shift from introducing and agreeing legislation to implementation and enforcement and the correction of poor legislation.

132 Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente EuR Heft IV. Primärrechtlicher Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens Rechtsgrundlage, institutionelles Gleichgewicht und Demokratieprinzip Die Rechtsgrundlagen der Stufen 1 und 2 des Lamfalussy-Verfahrens werden bereits im Schlussbericht des Ausschusses der Weisen benannt: Die Rechtsetzung auf Stufe 1 erfolgt nach dem Mitentscheidungsverfahren gem. Art. 251 EG; verfahrensrechtliche Besonderheiten ergeben sich auf dieser Stufe nicht. Inhaltlich sollen hier Befugnisse zur Durchführung der Vorschriften i.s. des Art. 202, 3. Spiegelstrich EG an die Kommission delegiert werden. Verwiesen wird damit für Stufe 2 auf das sog. Komitologieverfahren. Hierbei unterstützen Vertreter der Mitgliedstaaten in sog. Komitologieausschüssen die Kommission bei der Wahrnehmung ihrer Durchführungsbefugnisse. 75 Nämliches Komitologieverfahren ist durch den interinstitutionellen Komitologiebeschluss vom Juni 1999 näher ausgestaltet worden. 76 Hiernach wird je nach den Befugnissen des Ausschusses zwischen Beratungs-, Verwaltungs- und Regelungsverfahren unterschieden. 77 Im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens ist der ESC (auch) als Regelungsausschuss installiert worden. 78 Die Zulässigkeit des Komitologieverfahrens ist insbesondere auch unter den miteinander verschränkten Aspekten des institutionellen Gleichgewichts 79 sowie des Demokratieprinzips 80 geklärt. 81 Der EuGH hat die Beteiligung der Komitologieausschüsse am Erlass von Durchführungsvorschriften seitens der Kommission grundsätzlich gebilligt, 82 allerdings bestimmte Anforderungen sowohl an die Ermächtigungsgrundlage als auch an die Durchführungsvorschriften gestellt. So müssen die wesentlichen Elemente in der Ermächtigungsgrundlage (hier: Stufe 1) geregelt werden. 83 Die Ermächtigungsnorm muss ferner grundsätzlich 84 hinreichend bestimmt sein, d.h. vergleichbar der Anforderung in Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG den Umfang der übertragenen Befugnisse klar umreißen. 85 Die Durchführungsnorm 75 S. Schlussbericht (Fn. 3), S. 31 und Erster Bericht des Ausschusses der Weisen über die Reglementierung der Europäischen Wertpapiermärkte vom , Anhang 5, abgedruckt als Anhang 5 des Schlussberichts, a.a.o. Bei dem Komitologieverfahren handelt es sich um Modalitäten i.s. des Art. 202, 3. Spiegelstrich S. 2, 4 EG, s. Langenbucher, Zur Zulässigkeit parlamentsersetzender Normgebungsverfahren im Europarecht, ZEuP 2002, S. 265, Beschluss 1999/468/EG des Rates (Fn. 16). Die Rechte des Europäischen Parlaments sind wiederum weiter konkretisiert in der interinstitutionellen Vereinbarung zu diesem Beschluss, s. ABl. L 256 vom , S. 19 f.; Anlage XII GO-EP, ABl. L 61 vom , S. 115 f. 77 S. Art. 3-5 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates (Fn. 16). 78 S. Erwägungsgrund 11 des Beschlusses der Kommission 2001/528/EG (Fn. 8) sowie Schlussbericht (Fn. 3), S. 35 ff. Dazu bereits oben in II. 79 S. etwa Haibach, Komitologie nach Amsterdam Die Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen im Rechtsvergleich, VerwArch 90 (1999), S. 98 ff., 100, 110 f. 80 S. nur Langenbucher (Fn. 75), S. 276, 279 ff. 81 S. zur Geschichte des Komitologieverfahrens nur Demmke/Haibach, Die Rolle von Ausschüssen in der. Europäischen Gemeinschaft und in der Rechtsprechung des EuGH, DÖV 1997, S. 710 ff.; Langenbucher (Fn. 75), S. 281 f.; s. aber auch die fortbestehenden Bedenken des Europäischen Parlaments in v. Wogau, Bericht des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (Fn. 49), Tz EuGH, Rs. 25/70 (Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel/Köster, Berodt & Co.), Slg. 1970, 1161, 1171 ff.; s. auch Rs. C-303/94 (Europäisches Parlament/Rat), Slg. 1996, I-2943, Rn S. z.b. EuGH Rs. 25/70 (Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel/Köster, Berodt & Co.), Slg. 1970, 1161, Rn. 6; Rs. C-240/90 (Deutschland/Kommission), Slg. 1992, I-5423, Rn. 36; Rs. C-303/94 (Europäisches Parlament/Rat), Slg. 1996, I-2943, Rn. 23; s. auch Demmke/Haibach (Fn. 81), S. 714; Langenbucher (Fn. 75), S Dabei gilt aber ein weiter Begriff der nicht wesentlichen Durchführung, s. EuGH, Rs. C-303/94, aao, Rn. 11 sowie Demmke/Haibach, aao. 84 Anderes gilt nur für den hier nicht weiter interessierenden Agrarbereich; s. dazu Demmke/Haibach (Fn. 81), S. 714 mit Hinweis auf die einschlägige EuGH-Rspr. in Fn Bspw. EuGH, Rs. 291/86 (Central-Import Münster GmbH & Co. KG/Hauptzollamt Münster), Slg. 1988, 3679, Rn. 13; Demmke/Haibach (Fn. 81), S. 714; Langenbucher (Fn. 75), S. 281.

133 442 EuR Heft Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente muss zudem im Grunde eine Selbstverständlichkeit mit der Ermächtigungsgrundlage vereinbar sein. 86 / 87 Gegen diese Rechtsprechung lässt sich auch nicht der Hinweis in Stellung bringen, dass Art. 202, 3. Spiegelstrich EG für den Erlass der Durchführungsbestimmungen den Umstand nicht nachvollziehe, dass für den Erlass der Grundverordnungen und Richtlinien inzwischen weitgehend das Mitentscheidungsverfahren gelte. 88 Der EuGH hat nämlich nach Einführung des Mitentscheidungsverfahrens entschieden, dass die Durchführungsbestimmungen zu den Grundverordnungen bzw. -richtlinien in einem Verfahren erlassen werden können, das von dem für den Grundrechtsakt vorgeschriebenen Verfahren im konkreten Fall richtete sich dies nach Art. 37 EG, dem damaligen Art. 43 EGV abweicht. 89 Nichts aber spricht dafür, dass anderes gilt, wenn der Grundrechtsakt im Mitentscheidungsverfahren erlassen worden ist. Dieses Ergebnis lässt sich auch nicht dadurch in Frage stellen, dass man die unmittelbare parlamentarisch-demokratische Legitimation der Gesetze auch für gemeinschaftsrechtliche Rechtsakte als verbindliche primärrechtliche Vorgabe betrachtet, weil von der Tradition der europäischen Staaten umfasst respektive für die Mitgliedschaft in der EU vorausgesetzt. 90 Der Vertragstext in Art. 202, 3. Spiegelstrich EG ist insofern eindeutig, wenn man nicht analog der These vom verfassungswidrigen Verfassungsrecht 91 vertragswidriges Primärrecht für möglich hält. Überdies müsste, um diesem Argument Durchschlagskraft zu verleihen, die Mitwirkung des Parlamentes im Lamfalussy-/Komitologieverfahren hinter den nationalen Demokratiestandards zurückstehen. Dies aber lässt sich schon mit einem Blick auf Art. 80 GG mit seinen vergleichbaren Anforderungen für die deutsche Exekutiv- Rechtsetzung in Form der Rechtsverordnung verneinen. 92 Allerdings ist zuzugeben, dass der Bundestag die Verordnungsermächtigung jederzeit zurücknehmen kann, während dies dem Parlament zusammen mit dem Rat im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens nur auf Vorschlag der Kommission, und damit des Rechtsetzungsdelegaten selbst (!), möglich ist. 93 Funktional lässt sich dies aber durch eine Bedingung oder Befristung der Ermächti- 86 S. etwa EuGH Rs. C-303/94 (Europäisches Parlament/Rat), Slg. 1996, I-2943, Rn. 30; Demmke/Haibach (Fn. 81), S. 715; Langenbucher (Fn. 75), S. 281; Lenaerts/Verhoeven (Fn. 21), S In der Determinierung der Ermächtigung im Mitentscheidungsverfahren sieht Ferrarini (Fn. 32), S. 29 auch das Demokratieprinzip verwirklicht. 87 S. zu weiteren verfahrensrechtlichen Anforderung an den Erlass der Durchführungsnorm Demmke/Haibach (Fn. 81), S. 715 m.n. aus der EuGH-Rspr. Die durch die EuGH-Rspr. festgelegten Anforderungen Þnden sich nunmehr im Wesentlichen in Art. I-36 Abs. 1 des Vertrages über eine Europäische Verfassung, ABl. C 310 vom , S. 1 ff. wieder. 88 In diesem Sinne aber Randzio-Plath, Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (Fn. 60), S. 14 f. 89 Urt. v , Rs. C-303/94 Europäisches Parlament/Rat, Slg. 1996, I-2943, 2969 Tz Vgl. das Zitat bei Ipsen, Zur Exekutiv-Rechtsetzung in der Europäischen Gemeinschaft, FS Lerche, 1993, S. 425, 431 und S. 437 f. m.w.n. S. zum Erfordernis der demokratischen Legitimation von Gesetzgebung als Bestandteil des gemeineuropäischen Verfassungsrechts Karpen, Gesetzesfolgenabschätzung in der Europäischen Union, AöR 124 (1999), S. 400, 404 f. 91 S. nur Jarass/Pieroth, GG, 7. Auß. 2004, Art. 79 Rn. 6 f. m.w.n. 92 Zu deren hinreichender demokratischer Legitimation s. Jarass/Pieroth (Fn. 91), Art. 80 Rn. 1: Art. 80 ist [...] eine Konkretisierung [...] des Demokratieprinzips ; vgl. ferner Ipsen (Fn. 90), S. 434: Exekutive [...] Normsetzung der Kommission [...] ist im Prinzip dem Verordnungsrecht i.s. des Art. 80 GG vergleichbar und unter dem Gesichtspunkt demokratisch-parlamentarischer Legitimation nicht in Frage zu stellen. Im Hinblick auf diese Vergleichbarkeit wohl anders Jacqué, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, 6. Auß. 2004, Art. 202 EG Rn Vgl. den Verweis auf Widerrufs- respektive Rückholrechte der nationalen Parlamente bei Randzio-Plath, Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (Fn. 60), S. 16. Daher für die Einführung eines parlamentarischen Kontrollrechts aus Gründen des institutionellen Gleichgewichts Wichard, in: Callies/Ruffert, EUV/ EGV, 2. Auß. 2002, Art. 202 EG Rn. 11.

134 Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente EuR Heft gung jedenfalls teilweise kompensieren, wie sie in Form der Sunset-Klauseln 94 auch angewandt wird. Zudem sei an die einem Rückholrecht funktional gleichstehende 95 Aerosol -Klausel zugunsten des Rates erinnert. 96 Dieses andere Legislativorgan ist aber ebenfalls demokratisch legitimiert, was zu dem ergänzenden Hinweis überleitet, dass demokratische Legitimation nicht notwendig allein oder zumindest ganz vordringlichpar-lamentsvermittelt ist. 97 Dies gilt ganz besonders für die Europäische Union, auf die wohl unstreitig die nationalen Muster parlamentarischer Kontrolle nur sehr begrenzt übertragbar sind. 98 Die benannten allgemeinen Anforderungen an das Komitologieverfahren gelten selbstredend auch für die Rechtsetzung im Rahmen des Lamfalussy-Prozesses. Zur Absicherung der institutionellen Rolle des Europäischen Parlaments hat die Kommission durch ihren damaligen Präsidenten Prodi in einer feierlichen Erklärung dem Parlament noch darüber hinausgehende Zugeständnisse gemacht. 99 Das vom Parlament geforderte Rückholrecht auf Stufe 2, wie es Art. I-36 des Vertrages über eine Europäische Verfassung vorsieht, oder die in der Novelle des Komitologiebeschlusses 100 vorgesehene, diesem Rückholrecht angenäherte Rechtsposition ist mithin de lege lata kein primärrechtliches Gebot. V. Die Einbeziehung des Komitologieverfahrens in den Lamfalussy-Prozess de lege ferenda 1. Demokratisch-parlamentarische Legitimation und gutes Gesetz Steht damit die primärrechtliche Zulässigkeit des Lamfalussy-Verfahrens im Hinblick auf das Demokratieprinzip bzw. das institutionelle Gleichgewicht außer Zweifel, stellt sich weiterführend die Frage, inwieweit die durch den Lamfalussy-Prozess produzierten Regeln der zweiten Stufe schlechtere Gesetze sind, weil sie ein DeÞzit an demokratischer Legitimation aufweisen. Insoweit soll der Hinweis auf folgende Erwägungen von Bogdandy zum Zusammenhang zwischen demokratisch-parlamentarischer Legitimation und gutem Gesetz genügen: Die These vom Legitimationsplus des Parlamentsgesetzes gegenüber der Exekutiv-Rechtsetzung beruht nicht nur auf der bereits bezweifelten unitarischen Vision der Demokratie, wonach demokratische Legitimität staatlichen Handelns allein oder doch ganz vordringlich parlamentsvermittelt ist, 101 sondern des Weiteren auf der Prämisse, dass es bei der Legitimi- 94 S. dazu bereits oben unter III. 1 und unten unter VI. 95 S. auch die Einschätzung bei Randzio-Plath, Bericht der Ausschusses für Wirtschaft und Währung (Fn. 60), S S. dazu bereits oben unter III V. Bogdandy (Fn. 38), S. 200 und öfter. 98 S. Lenaerts/Verhoeven (Fn. 21), S. 658 ff.; ausführlich Ipsen (Fn. 90), S. 435 ff. Der Rat ist wenn auch nur indirekt demokratisch legitimiert [s. nur Rittner, Demokratie als Problem: Abschied vom Parlamentarismus?, JZ 2003, 641]; bei ihm bzw. bei dem auch als Ministerrat im Kleinen apostrophierten ESC [s. Hertig/Lee (Fn. 36), S. 7: Council of Ministers writ small ] liegt das Entscheidungsrecht über die Verabschiedung der Durchführungsmaßnahmen [s. oben unter II]. 99 S. dazu näher bereits oben unter III S. dazu die Ausführungen in Fn S. oben unter IV.

135 444 EuR Heft Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente tät allein oder ganz vordringlich auf den demokratischen Aspekt ankomme. 102 Aber auch hierbei handelt es sich um eine unzulässige Verengung. Denn die Legitimität hoheitlichen Handels leitet sich neben dem demokratischen Prinzip wohl unstreitig auch aus dem rechtsstaatlichen und dem funktionalen Prinzip ab. 103 Darüber hinaus lässt sich der Hinweis darauf, dass selbst eine noch so ausgreifende parlamentarische Gesetzgebung unter den zeitgenössischen Erwartungen an staatliche Regelung nicht in der Lage ist, die anderen Staatsorgane in einem Umfang zu determinieren, dass deren Handeln sich inhaltlich auf die Realisierung eines parlamentarischen Willens beschränkte 104, sinngemäß auf das Verhältnis von europäischer Rechtsetzung und europäischer wie mitgliedstaatlicher Exekutive übertragen. 2. Die LeistungsproÞle parlamentarischer und exekutiver Rechtsetzung Nimmt man sodann eine funktionale Betrachtungsweise ein, zeigen sich unterschiedliche LeistungsproÞle eines parlamentarischen Verfahrens einerseits und exekutiver Rechtsetzungsprozesse andererseits. Das Parlamentsgesetz nationalstaatlicher Prägung zeichnet sich in erster Linie durch die Kontrollmöglichkeiten der Opposition und die mit der Kontrolle verbundene Möglichkeit politischer Darstellung aus. Dank seines aufwendigen Verfahrens ist es ein Instrument des Schutzes der politisch organisierten und parlamentarisch vertretenen Minderheiten. 105 Das Parlamentsgesetz ist nach dieser Funktionsbestimmung nur für grundlegende und hochkontroverse politische Entscheidungen sinnvoll. 106 Dies muss umso mehr für die Einbindung des Europäischen Parlaments in die Rechtsetzung auf Gemeinschaftsebene gelten. Denn dort stehen sich keine Regierungs- und Oppositionsfraktionen oder in gleicher Weise und Intensität antagonistisch positionierte Parlamentsteile gegenüber. 107 Zudem genießt die dortige parlamentarische Mitwirkung an der Rechtsetzung in der politischen Öffentlichkeit nicht annähernd die gleiche Aufmerksamkeit, wie dies in den einzelnen Mitgliedstaaten der Fall ist. Auf der anderen Seite kann das parlamentarische Verfahren als solches zu RegelungsdeÞziten führen, da es seiner Natur nach zu langsam für die Regelung sich schnell ändernder Umstände ist. 108 Gerade dieses DeÞzit hatte der Ausschuss der Weisen für das Mitentscheidungsverfahren identiþziert. 109 In dieser Hinsicht ist die exekutive Normsetzung überlegen und daher die sachangemessenere Regelungsart. Zudem wird der Exekutive die Lösung komplexer technischer Probleme dank ihres überlegenen Fachwissens eher zugetraut als dem Parlament. 110 Die Setzung der technischen Durchführungsmaßnahmen der Stufe 2 bei der Kommission anzusiedeln, entspricht damit einer funktionsgerechten und organadäquaten Aufgabenzuordnung V. Bogdandy (Fn. 38), S S. v. Bogdandy (Fn. 38), S. 24 ff. m.w.n.; vgl. ferner G. Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 1999, Rn. 189 ff. zu den Kriterien der Zuteilung von Rechtsetzungsbefugnissen. 104 V. Bogdandy (Fn. 38), S. 200; vgl. auch Lenaerts/Verhoeven (Fn. 21), S. 659 f. 105 V. Bogdandy (Fn. 38), S. 201 f. 106 V. Bogdandy (Fn. 38), S. 202 f. 107 S. nur Ipsen (Fn. 90), S. 440 m.w.n. 108 V. Bogdandy (Fn. 38), S. 209; vgl. auch G. Müller (Fn. 103), Rn. 202 m.w.n. 109 S. oben unter III S. nur G. Müller (Fn. 103), Rn S. zu diesem Topos ebenfalls v. Bogdandy (Fn. 38), S. 209 f. m.w.n.; vgl. ferner G. Müller (Fn. 103), Rn. 199 ff.

136 Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente EuR Heft Das Lamfalussy-Verfahren trägt folglich den genannten funktionalen Eigenarten von Rechtsetzung unter Einbeziehung eines parlamentarischen Verfahrens einerseits und exekutiver Rechtsetzung andererseits Rechnung, wenn es dem Mitentscheidungsverfahren die Entscheidung über die politischen Grundsätze, dem Komitologieverfahren hingegen die Erstellung der technischen Durchführungsvorschriften zuweist. 3. Ziele des Lamfalussy-Verfahrens und Komitologie Neben dem Gewinn an Flexibilität bei der Änderung der Durchführungsbestimmungen auf Stufe 2 hat das Lamfalussy-Verfahren insgesamt die Beschleunigung des Rechtsetzungsverfahrens, die Erhöhung seiner Transparenz und die Steigerung seiner Qualität durch das Einbeziehen externen Sachverstandes zum Ziel. 112 Es lassen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur beschränkte Aussagen machen, wie sich die Integration des Komitologieverfahrens in den Lamfalussy-Prozess auf die Erreichung dieser Ziele ausgewirkt hat. Die Aufteilung der Rechtsetzung in die Grundsätze regelndes Rahmenrecht und die Details statuierende Durchführungsbestimmungen soll im Hinblick auf die spätere Anpassung der Detailregelungen eine Beschleunigung und Flexibilisierung bewirken. 113 Praktische Erfahrungen hierzu fehlen bislang. Aufgrund des vorstehend ermittelten LeistungsproÞls der exekutiven Rechtsetzung sollte die Anwendung des Komitologieverfahrens insofern zielführend sein. Darüber hinaus wird ungeachtet vorhandenen Verbesserungsbedarfs die Erreichung höherer Rechtsetzungsgeschwindigkeit 114 und größerer Transparenz 115 der Rechtsetzung im Bereich der Finanzdienstleistungen durch und im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens allgemein konzediert. 116 Jedenfalls Letzteres wird gerade auch als Vorzug des Komitologieverfahrens angesehen. 117 Gleiches gilt für die Fruchtbarmachung externen Sachverstands, 118 die im Lamfalussy-Prozess durch die Einbindung des CESR und die durch ihn vorzunehmenden Konsultationen der betroffenen Kreise für die Rechtsetzung auf Stufe 2 realisiert wird. Damit lässt sich festhalten, dass die Einbeziehung des Komitologieverfahrens in den Lamfalussy-Prozess das Ziel, die Anpassung der eher technischen Durchführungsbestimmungen an sich verändernde Marktgegebenheiten zu ßexibilisieren, größere Transparenz zu schaffen, sowie externen Sachverstand fruchtbar zu machen, fördert und dabei die Erreichung höherer Rechtssetzungsgeschwindigkeit jedenfalls nicht nachhaltig beeinträchtigt. 112 S. bereits oben unter III S. oben unter III S. etwa Arbeitsdokument der Dienststellen der GD Binnenmarkt vom sub I, comm/internal_market/þn-use_forum/docs/opinion1_en.pdf (Zugriffsdatum: ); Commission Working Staff Document (Fn. 13), Tz. 10 f.; 10. Fortschrittsbericht (Fn. 51), S. 1; FIN-USE Forum, Financial Services, Consumers and Small Businesses A User Perspective, , S. 16, online: (Zugriffsdatum: ); auch FAZ, Nr. 72 vom , S. 19, wo die zügige Umsetzung des FSAP anerkannt wird. 115 Vgl. IIMG, Third Report (Fn. 13), S. 6 sub 1; Commission Working Staff Document (Fn. 13), S. 4 Tz. 7, S. 8 Tz. 15, S. 14 Tz. 47; Securities Expert Group (Fn. 51), Tz Nicht abzustreiten ist allerdings, dass die Übersichtlichkeit des Regelungscorpus durch die Aufspaltung der Regulierung auf mehrere Stufen Rahmenrecht, Durchführungsmaßnahmen und etwaig Rechtsanwendungsstandards der Stufe 3 leidet, zumal die nationalen Umsetzungsregelungen eventuell ebenfalls auf mehreren Stufen noch hinzukommen. 117 S. Lenaerts/Verhoeven (Fn. 21), S S. Ferrarini (Fn. 32), S. 29.

137 446 EuR Heft Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente VI. Kritik an der konkreten Rechtsetzungspraxis und mögliche Verbesserung Neben der am Komitologieverfahren in seiner allgemeinen wie in seiner im Lamfalussy-Prozess angenommenen Gestalt geäußerten Kritik (Mangel an politischer und rechtlicher Kontrolle, Kompliziertheit und Intransparenz, demokratisches DeÞzit), 119 hat es auch Kritik an der konkreten Durchführung des Verfahrens im Rahmen des Lamfalussy-Prozesses gegeben. Problematisiert wurde vor allem die Grenzziehung zwischen Rechtsetzungsakten der Stufen 1 und Insbesondere wird eine ausgreifende Regelungsdichte auf Stufe 1 konstatiert, die für die Stufe 2 zu wenig Regelungsspielraum lasse und die angestrebte Flexibilität bei der Anpassung des gesetzten Rechts an sich verändernde Umstände konterkariere. 121 Die angestrebte Flexibilität bei der Anpassung gesetzten Rechts an sich verändernde Umstände wird hierdurch in der Tat erheblich relativiert. Zudem ist bereits herausgearbeitet worden, dass die Beschränkung auf die Regelung der politischen Grundsätze auf Stufe 1 und die weitere Ausfüllung der Regelungsspielräume auf Stufe 2 durchaus den LeistungsproÞlen des jeweiligen Rechtsetzungsverfahrens entspricht. 122 Zur Behebung dieses Missstands sind keine abstrakten regelhaften Vorgaben dergestalt möglich, dass man die konkrete Norm anhand von Kriterienkatalogen auf ihre Eigenschaft als Rahmenvorschrift überprüfen könnte. Vielmehr ließe sich dies nur vor dem Hintergrund des konkreten Regelungsgegenstands bestimmen, wobei auch dann die Unbestimmtheit des Begriffs Raum für Interpretationsunterschiede und damit Unschärfen eröffnete. 123 Lohnender erscheint daher ein Blick auf die Ursachen der Regelungshypertrophie auf Stufe 1. Als eine solche wird der engagierte Lobbyismus identiþziert, dem das Europäische Parlament ausgesetzt sei. 124 Ferner provozierten schwierige politische Entscheidungen Kompromisse mit hoher Detaildichte. 125 Beide Phänomene lassen sich durch ModiÞzierung des Verfahrens kaum abstellen. Die Interinstitutionelle Kontrollgruppe (IIMG) beschränkt sich daher auf die Hoffnung, dass die praktischen Erfahrungen mit der Regelsetzung auf Stufe 2 das Vertrauen der betroffenen Kreise in diese Regelungsebene stärken, so dass der Druck der Interessengruppen auf das Rechtsetzungsverfahren in Stufe 1 abnimmt, und die Marktteilnehmer in ihrem Verhalten der eigenen Einsicht folgen, dass die Vorschriften der Stufe 1 allein der Regelung der politischen Grundsatzentscheidungen vorbehalten bleiben sollten Vgl. Lenaerts/Verhoeven (Fn. 21), S. 646 f. 120 Vgl. Ferrarini, CE.DI.F. Working Paper Series, WP4-2002, S. 13; ders. (Fn. 32), S. 28 ff., 42 f. und öfter; ferner IIMG, Third Report (Fn. 13), S. 18 sub 4.a). S. zum rechtlichen Rahmen für die Unterscheidung von ermächtigenden Rahmenregelungen und Durchführungsmaßnahmen i.s. von Art. 202, 3. Spiegelstrich EG Lenaerts/Verhoeven (Fn. 21), S. 650 f. 121 S. etwa IIMG, Third Report (Fn. 13), S. 15, 18 f.; Securities Expert Group (Fn. 51), Tz. 39; Europäische Kommission, FSAP Evaluation, Part I: Process and implementation, S. 12, online: (Zugriffsdatum: ); Ferrarini (Fn. 120), S. 13 mit Fn. 44, S. 36 ff., 45, 46 f. mit dem Beispiel des Prospektrichtlinienvorschlags; ders. (Fn. 32), S. 29, 32, 42 f. und öfter v.a. in Bezug auf die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie. Die Kommission sieht dies freilich nicht als überwältigendes Problem (overwhelming problem) an, vgl. IIMG, Third Report (Fn. 13), S. 18 sub 4.a); vgl. ferner die unterschiedlichen Ansichten der Marktteilnehmer in Lamfalussy Review Summary of responses to the consultation organised by the European Commission, April 2005, S. 6 ff., online abrufbar unter: eu.int/comm/internal_market/securities/lamfalussy/index_de.htm (Zugriffsdatum: ). 122 S. oben unter V Für die Aufrechterhaltung dieser Unschärfe aus Flexibilitätsgründen Lenaerts/Verhoeven (Fn. 21), S. 660 f. 124 So IIMG, Third Report (Fn. 13), S. 19 auch unter Berufung auf die Einschätzung seitens der Kommission. 125 IIMG, Third Report (Fn. 13), S. 19 unter Berufung auf den Rat. 126 IIMG, Third Report (Fn. 13), S. 19.

138 Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente EuR Heft Auf eine nahe liegende weitere Ursache für die hohe Regelungsdichte auf Stufe 1 deutet Ferrarini hin. Da das Europäische Parlament durch das Komitologieverfahren auf Stufe 2 seine Rechte aus dem Mitentscheidungsverfahren beeinträchtigt sieht, neigt es zur umfangreichen Regelung auf Stufe 1, um seinen Einßuss zu wahren. 127 Diese Befürchtung und damit die Tendenz zur detaillierten Regelung auf Stufe 1 lässt sich wohl nur durch die Einführung des vom Europäischen Parlament angemahnten Rückholrechts 128 eindämmen. 129 In ihrem geänderten Vorschlag zur Novellierung des Modalitätenbeschlusses von 1999 sieht die Kommission unter weitgehender Berücksichtigung der Standpunkte des Parlaments für das Regelungsverfahren in Mitentscheidungssachen (Art. 251 EG) die Verpßichtung vor, die Einwände des Europäischen Parlaments zu berücksichtigen. Gleichviel kann die Kommission den endgültigen Entwurf einer Rechtsetzungsmaßnahme unverändert annehmen. 130 Ob diese Verbesserungen hinsichtlich der Stellung des Parlaments im Rahmen der Beschlussnovelle das Parlament veranlassen werden, sich stärker auf die Setzung von Rahmenregelungen in Stufe 1 des Lamfalussy-Verfahrens zu beschränken, bleibt abzuwarten. Jedenfalls sollten im Gegenzug die sog. Sunset-Klauseln abgeschafft bzw. nicht weiter verwendet werden. Denn auch durch sie wird die angestrebte Flexibilisierung des Erlasses von Durchführungsbestimmungen auf Stufe 2 gefährdet. 131 Erlischt nämlich gemäß diesen Klauseln die Ermächtigung der Kommission zur Normsetzung auf Stufe 2 nach vier Jahren, wenn nicht vorher eine Verlängerung im Mitentscheidungsverfahren vereinbart worden ist, besteht ungeachtet des ohnehin schon mit dem zusätzlichen Verfahren einhergehenden Zeitverlusts das Risiko, dass nach Ablauf der vier Jahre bzw. im Zuge der Verlängerungsentscheidung erneut grundsätzliche Diskussionen um die in Rede stehenden Regelungen aufbrechen, die das Verfahren weiter verzögern. 132 VII. Zusammenfassung der Ergebnisse Die Debatte um die institutionelle Architektur der Europäischen Union wird auch nach dem möglichen Inkrafttreten des Vertrags über eine Verfassung für Europa weitergehen. Für die Entscheidungsteilhabe des Europäischen Parlaments auf Stufe 2 des Lamfalussy-Prozesses 127 Vgl. Ferrarini (Fn. 120), S. 13; s. ferner ders. (Fn. 32), S. 32, 42, der diesen Missstand am mangelnden politischen Willen der europäischen Institutionen allgemein, d.h. auch des Rates, festmacht, die Regelung an die Stufen 2 (und 3) zu delegieren. 128 S. oben III. 2. Allgemein kritisch zu derartigen Vorbehalten zugunsten des Parlaments im Rahmen der Exekutivrechtsetzung G. Müller (Fn. 103), Rn Die aus ähnlicher Furcht artikulierten Vorbehalte von Marktteilnehmern gegen die parallele Arbeit an Stufe 1- und Stufe 2-Gesetzgebung haben sich mit der Einleitung der Konsolidierungsphase nach Vollendung des FSAP wohl erledigt, da für derartige Parallelarbeiten kein Bedürfnis mehr besteht [gleichsinnig IIMG, Third Report (Fn. 13), S. 17 f.]. Allerdings mag dies für die Rechtsbereiche, auf die das Lamfalussy-Verfahren jüngst ausgedehnt worden ist [s. dazu oben unter III.2], anders sein. 130 S. Art. 1 des geänderten Vorschlags für einen Beschluss des Rates zur Änderung des Beschlusses 1999/468/EG zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (Fn. 70), S. 8 (Art. 5a Abs. 5 des Beschlusses in der geänderten Fassung) und Europäisches Parlament, Zweiter Bericht über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Änderung des Beschlusses 1999/468/EG zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse vom 11. Juli 2003, A5-0226/2003, insb. S S. dazu Karpen, in: Schreckenberger/Merten (Hrsg.), Grundfragen der Gesetzgebungslehre, 2000, S. 11, 22. A.A. offenbar Securities Expert Group (Fn. 51), Tz. 22 a.e. 132 Zur Zeit versucht das Europäischen Parlament die Sunset-Klauseln als Druckmittel zu verwenden, um die Einführung eines Rückholrechts für das Parlament zu erreichen, vgl. die Äußerungen des Europaabgeordneten Radwan in FAZ vom 4. Oktober 2005, S. 25.

139 448 EuR Heft Kleinere Beiträge, Berichte und Dokumente hat die vorliegende Untersuchung gezeigt, dass das dort integrierte Komitologieverfahren nach Art. 202, 3. Spiegelstrich EG der Überprüfung am Primärrecht standhält. Gleichwohl fällt auf, dass ein Rückholrecht nur dem Rat in Form der sog. Aerosol -Klausel zugebilligt worden ist, während sich das Parlament bisher mit der weniger wirksamen Befristung der Rechtsetzungsermächtigung, der sog. Sunset -Klausel, begnügen muss. Jenseits dieser Ungleichbehandlung von Rat und Parlament erweist sich der Verweis auf das institutionelle Gleichgewicht respektive das Demokratieprinzip aber auch de lege ferenda als verkürzt, weil zu einseitig. Die Legitimation einer Norm leitet sich nämlich nicht nur aus dem Demokratieprinzip ab, das überdies nicht allein zumal auf europäischer Ebene durch parlamentarische Teilhabe verwirklicht werden kann, sondern nicht zuletzt auch durch das funktionale Prinzip. Nach dessen Maßstäben aber zeigt sich, dass das parlamentarische Verfahren zwar für grundlegende und hochkontroverse politische Entscheidungen geeignet, der Exekutivrechtsetzung aber unterlegen ist, sofern es um die Regelung sich schnell ändernder Umstände geht, die technisch komplexe Probleme betreffen. Da speziell das Komitologieverfahren aber nicht nur aller Voraussicht zu einer Beschleunigung und Flexibilisierung bei der späteren Anpassung der technischen Durchführungsbestimmungen führen wird, sondern auch die Transparenz und durch die Einbindung des CESR und die durch ihn vorzunehmenden Konsultationen die Fruchtbarmachung externen Sachverstandes fördert, erscheint es für die Erreichung der mit dem Lamfalussy-Prozess verfolgten Ziele besonders geeignet. Den Vorbehalten des Europäischen Parlamentes gegenüber der Integration des Komitologieverfahrens in den Lamfalussy-Prozess ließe sich wohl durch die Einführung eines Rückholrechtes auf Stufe 2 des Verfahrens abhelfen. Ein solches sieht der Vertrag über eine Verfassung für Europa auch für den Rat vor. Hierdurch ließe sich wohl auch der vielfach beklagte Missstand, dass die Ziele des Lamfalussy-Verfahrens durch zu detaillierte Regelungen auf Stufe 1 konterkariert werden, jedenfalls lindern. Im Gegenzug sollten die sog. Sunset-Klauseln nicht mehr verwendet werden, da auch sie die Flexibilität und Schnelligkeit der späteren Anpassung von Stufe 2-Regelungen an veränderte Marktgegebenheiten beeinträchtigen.

140 EuR Heft REZENSIONEN Ulrich Haltern, Europarecht. Dogmatik im Kontext, Mohr Siebeck, Tübingen 2005, 690 S. An europarechtlicher Lehrbuchliteratur besteht auf dem deutschsprachigen Markt kaum ein Mangel. Jeder, der sich mit Grundlagen und -problematiken des Europarechts vertraut machen möchte, Þndet ein breites Angebot an Lehrwerken mit unterschiedlichem Umfang und variabler Tiefenschärfe vor. Hinzu kommt der Umstand, dass mittlerweile gut eingeführte Lehrwerke beinahe im Jahresrhythmus in Neuaußagen erscheinen, mit dem Ziel, der dynamischen Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts möglichst unmittelbar Rechnung zu tragen. Jedes neu auf dem Markt ankommende Lehrbuch sieht sich somit zunächst mit der Frage nach dem Warum konfrontiert. Anders formuliert, abgesehen von potenziell marktrationalem Verhalten der Autoren, welchen wissenschaftlichen Mehrwert vermag ein weiteres Lehrbuch in einem mit einschlägigen Lehrwerken offenbar sehr gut bestückten rechtswissenschaftlichen Forschungsfeld eigentlich noch zu leisten? Bedarf es wirklich eines neuen Buches zu den Grundlagen, das vielleicht nur noch oftmals Gesagtes mit anderer Stimme reformulieren kann? Liest man Ulrich Halterns Europarecht Dogmatik im Kontext, ergeben sich freilich keinerlei Zweifel an der Notwendigkeit des vorgelegten hoch ambitionierten Projekts. Die Antwort auf die Frage nach dem Mehrwert könnte positiver nicht ausfallen als im Falle dieses neuen Buches. Genau besehen, schließt Halterns Europarecht Dogmatik im Kontext eine Lücke in der deutschsprachigen Lehrbuchlandschaft und hebt sich sowohl methodisch als auch in der Tiefe der Problemanalyse von vielen vergleichbaren Werken ab. Bereits im Untertitel Dogmatik im Kontext klingt an, dass es Haltern nicht (nur) um die Vermittlung europarechtlicher Dogmatik oder überspitzt formuliert von in Worten gekleideten Prüfungsschemata geht. Um Missverständnissen vorzubeugen, der Diskussion europarechtlicher Dogmatik und damit letztlich auch von notwendigem Examensrüstzeug wird in Halterns Lehrbuch viel Platz eingeräumt. Angesichts des Umstandes, dass sich Europarecht in den wenigen Jahrzehnten seiner Existenz zu einem hoch komplexen und dogmatisch ausdifferenzierten Regelwerk ausgewachsen hat, dessen Autonomie vom nationalen Recht der EuGH immer wieder betont hat, könnte eine andere Vorgehensweise auch kaum der behandelten Rechtsmaterie gerecht werden. Allerdings bleibt Haltern bei der Darstellung dogmatischer Strukturen nicht stehen. Sein Vorhaben ist ehrgeiziger und zugleich einer sich selbst reßektierenden Europarechtswissenschaft verpßichtet, die mehr sein möchte als ein bloßer Textträger für europarechtliche Primärquellen. Folgerichtig und im Einklang mit jener Schule, die als law in context bekannt geworden ist, vervollständigt das Studium der Kontexte, in denen Europarecht entsteht und sich entfaltet, die dogmatische Analyse. Warum ändert der EuGH in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts seine Rechtsprechung zu den Grundrechten und anerkennt sie seit 1969 in ständiger Rechtsprechung als Bestandteile der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts? Warum steht der EuGH der Annahme einer horizontalen Direktwirkung von Richtlinien so skeptisch gegenüber, wenngleich diese Skepsis gerade in den jüngsten Monaten zusehends abzunehmen scheint? Solche und ähnliche Fragen lassen sich vollständig nur dann beantworten, wenn man die sie umgebenden (rechtspolitischen) Kontexte oder auch zum Beispiel das gelegentlich prekäre Verhältnis zwischen EuGH und nationalen Höchstgerichten in die Betrachtungen mit einbezieht. Lässt man hingegen diese vielschichtigen Bezüge, in denen sich die

141 450 EuR Heft Rezensionen Rechtsprechung des EuGH entfaltet, außer Betracht, bleibt das Verständnis des für das Europarecht so zentralen Fallrechts an der Oberßäche. Ein Studium der Kontexte erscheint gerade im Zusammenhang mit diesem umso notwendiger, als die Begründungserwägungen im Vergleich zu denen nationaler und anderer internationaler Höchstgerichte oft elliptisch bleiben. Was konkret jeweils auf dem Spiel steht und welche Balanceakte zwischen in Konßikt stehenden Entscheidungsalternativen den Urteilen des EuGH innewohnen, kann daher oft erst durch Fruchtbarmachen der Kontexte vollständig ergründet werden. Genau dies demonstriert Haltern auf souveräne Art an vielen Stellen seines Lehrwerkes. Auf welche Weise lädt etwa der EuGH das anfänglich nur zögerlich rezipierte Institut der Unionsbürgerschaft zusehends politisch auf, indem er sie zum grundlegenden Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten erklärt und daraus weitgehende soziale Anspruchsrechte ableitet, und warum tut er dies? Haltern erkennt die Antwort in einem Gleichheitsdiskurs, der sich in der Rechtsprechung zur Unionsbürgerschaft widerspiegelt und letztlich die Finalität des Europäischen Integrationsprozesses gleichsam vorwegnimmt. Indem Haltern immer wieder Schlüsselpassagen aus Urteilen in seinen Text montiert und diese dann kommentierend weiterspielt, greift er auf eine bewährte Methode zurück, die zum Beispiel auch im englischsprachigen Standardwerk zum Recht der Europäischen Union von Craig und de Búrca wirkungsvoll zur Anwendung kommt. Dabei ist Haltern stets bemüht, die rationes decidendi transparent zu machen. Dieser Prozess erfordert zum Beispiel auch das Hinterfragen von mittlerweile nahezu als selbstverständlich hingenommenen effet utile-auslegungen durch den EuGH. Nur wer die Entscheidungsalternativen kennt und deren rechtliche Tragweite abschätzen kann, versteht, wie der EuGH sein Fallrecht entwickelt und über die Zeit verändert. Halterns Werk gliedert sich in sechs große Teile. In einem ersten Teil legt er sein Programm für das Studium des Europarechts offen. Im Sinne dreier konzentrischer Kreise müsse sich die wissenschaftliche Befassung mit dem Europarecht im Analyserahmen von Dogmatik im engeren Sinn, kontextuellen Bezügen und kulturtheoretischen Untersuchungen bewegen. Der dritte Kreis, der auf dem von Haltern konzipierten und propagierten kulturtheoretischen Ansatz der Rechtswissenschaft beruht, wird allerdings im vorliegenden Lehrwerk aus Gründen des beschränkten Umfangs nur am Rande tangiert. Dies beugt einer Überfrachtung des Lehrbuchs vor. Wer sich über diesen Ansatz informieren möchte, wird in Halterns nahezu zeitgleich erschienenem Europarecht und das Politische fündig werden. Im weiteren Verlauf wendet sich Haltern dem politischen System der EU, der Rule of Law in Europa, dem Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht, dem Weg Europas zur politischen Union und letztlich den binnenmarktrechtlichen Bezügen zu, die am Beispiel der Warenverkehrsfreiheit abgearbeitet werden. Unterkapitel beschäftigen sich mit den Grundzügen der europäischen Integration, dem Rechtsschutzsystem, der unmittelbaren Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts, der Staatshaftung und dem Vorrang. Als Belege für den Weg Europas hin zur politischen Union werden die Unionsbürgerschaft und der Grundrechtsschutz einer eingehenden Analyse unterzogen, und schließlich wird die Warenverkehrsfreiheit vor dem breiteren Kontext der wirtschaftlichen Integration dargestellt. Bei dieser Themenauswahl fällt zunächst auf, dass Haltern im Unterschied zu anderen Lehrwerken nicht den Versuch unternimmt, sämtliche Bereiche des Europäischen Gemeinschaftsrechts darzustellen. So Þndet man in gängigen Lehrbüchern die Tendenz, von der Agrarpolitik über das Wettbewerbsrecht bis zum Zollkodex alle vom Gemeinschaftsrecht berührten Bereiche zu vermitteln. Demgegenüber mag es befremden, sich in einer Darstellung des geltenden Europarechts auf ausgewählte europarechtliche Problemkreise zu

142 Rezensionen EuR Heft konzentrieren. Bei näherer Betrachtung erweist sich die getroffene Auswahl freilich als notwendige Beschränkung auf das Wesentliche, die insbesondere an den konstitutionellen Aspekten der Gemeinschaftsrechtsordnung ausgerichtet ist. Während gelegentlich der Stofffülle mittels einer bloßen Beschreibung des Rechtsbestandes beizukommen getrachtet wird, liegt der Vorteil von Halterns Ansatz klar in einem Gewinn an Tiefe. So werden die Grundstrukturen des Gemeinschaftsrechts argumentativ durchdrungen, ohne dabei ein Abgleiten ins Oberßächliche zu riskieren. Wer sich also über die zentralen Regelungsinhalte und Problemstellungen des Europarechts fundiert informieren möchte, wird in Halterns anspruchsvollem Lehrwerk eine Fülle an Informationen Þnden. Einsteigern ins Europarecht mag der Umfang des Buches das Werk umfasst mehr als 650 Textseiten zunächst ein wenig den Atem nehmen. Schwellenängste sind aber unbegründet: Haltern verspricht im Vorwort eine unprätentiöse Sprache, und dieses Versprechen wird auch durchgehend eingelöst. Der klare und narrative Grundton dieses Buches legt in der Tat den Grundstein für die erfolgreiche intellektuelle Durchdringung der oft sehr komplexen Materie. Auch der Anfänger wird also keinesfalls im europarechtlichen Normendickicht allein gelassen, sondern sprachlich souverän durch das Lehrwerk begleitet. Solcherart erschließt sich Halterns Buch ohne größere Probleme; es ist gut und schnell zu lesen und bereitet zudem nicht geringes Lesevergnügen. Zur leichten Lesbarkeit trägt auch der schlank gehaltene Anmerkungsapparat bei, der sich bewusst auf das Wesentliche beschränkt, jedoch wichtige Impulse für vertiefte Studien gibt. Das Verständnis des Europarechts als transnationale Rechtsordnung wird dadurch gefördert, dass sich Haltern vor allem um die Aufarbeitung des englischsprachigen Schrifttums bemüht und dieses einem deutschsprachigen Publikum erschließt. Das von Haltern vorgelegte Buch macht sich um eine intellektuell stimulierende Aufarbeitung des Europarechts verdient, die im Moment aufgrund ihrer dargelegten besonderen Attribute auf dem deutschsprachigen Markt singulär dasteht. Man kann diesem substanzreichen, originellen und hervorragend geschriebenen Werk nur einen größtmöglichen Verbreitungsgrad wünschen. Tatsächlich eignet sich dieses Buch nicht nur als Einstiegslektüre für europarechtliche Novizen. Gerade auch fortgeschrittene Studenten werden entscheidende Einsichten ins Europarecht ebenso wie anregende weiterführende Bezüge aus diesem Buch gewinnen. Darüber hinaus wird dieses Buch aber auch den Rechtsanwendern vielfältige Hilfestellung bei ihrer Arbeit bieten, wobei insbesondere die scharfsinnigen eingehenden Rechtsprechungsanalysen von größtem Interesse sein dürften. Nicht zuletzt wird die europarechtliche Forschung von Halterns Lehrwerk proþtieren können, die sich auch um ihr wissenschaftliches Eigenverständnis ausreichend Gedanken machen muss. Bernhard Hofstötter, Fribourg

143 452 EuR Heft BIBLIOGRAPHIE Zusammengestellt von der Schriftleitung der Zeitschrift Europarecht unter Mitarbeit von Florian Gröblinghoff Bücher und Zeitschriften Abkürzungsverzeichnis AG... Die Aktiengesellschaft AgrarR... Agrarrecht AJDA... L Actualité Juridique Droit Administratif ALJ... Antitrust Law Journal AÖR... Archiv des Öffentlichen Rechts ArbRB... Arbeitsrechts-Berater AuA... Arbeit und Arbeitsrecht AuR... Arbeit und Recht AVR... Archiv des Völkerrechts BayVBl... Bayerische Verwaltungsblätter BB... Betriebsberater Blätter... Blätter für deutsche und internationale Politik CDE... Cahiers de Droit Européen CMLR... Common Market Law Review CRI... Computer und Recht International Verw... Die Verwaltung DB... Der Betrieb DS... DER STAAT DÖD... Der Öffentliche Dienst DÖV... Die Öffentliche Verwaltung DVBl... Deutsches Verwaltungsblatt DVP... Deutsche Verwaltungspraxis ECFR... European Company and Financial Law Review EIPR... European Intellectual Property Review EJIL... European Journal of International Law ELF... The European Legal Forum ELRev... European Law Review EuGRZ... Europäische Grundrechtszeitung EurUP... Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht EuZ... Zeitschrift für Europarecht EuZW... Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWS... Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht GewArch... Gewerbearchiv GmbHR... GmbH-Rundschau GPR... Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht GRUR... Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRUR int... Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht international IHR... Internationales Handelsrecht IIC... International Review of Industrial Property and Copyright Law

144 Bibliographie EuR Heft inte... integration IPG... Internationale Politik und Gesellschaft IPrax... Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts JA... Juristische Arbeitsblätter JB... Juristische Blätter JCMS... Journal of Common Market Studies JuS... Juristische Schulung JR... Juristische Rundschau JRP... Journal für Rechtspolitik JZ... Juristenzeitung Kreditwesen... Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen K&R... Kommunikation und Recht KritJ... Kritische Justiz KritV... Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft LIEI... Legal Issues of Economic Integration LMUR... Lebensmittel & Recht MedizinR... Medizinrecht MDR... Monatsschrift für Deutsches Recht MJECL... Maastricht Journal of European and Comparative Law MJIL... Maastricht Journal of International Law MRM... MenschenRechtsMagazin NdsVBl... Niedersächsische Verwaltungsblätter NILR... Netherlands International Law Review NJ... Neue Justiz NJB... Nederlands Juristenblad NJIL... Nordic Journal of International Law NJW... Neue Juristische Wochenschrift NordÖR... Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland NUR... Natur und Recht NVwZ... Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NWVBl... Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter NZA... Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZG... Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht ÖJ... Österreichische Juristenzeitung OR... Osteuropa Recht OstEur... Osteuropa OstEurW... Osteuropa-Wirtschaft ÖZÖR... Österreichische Zeitschrift für Öffentliches Recht PharmaR... Pharmarecht RabelsZ... Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RdA... Recht der Arbeit RdE... Recht der Energiewirtschaft RDIDC... Revue de Droit international et de droit comparé RdW... Recht der Wirtschaft RIW... Recht der Internationalen Wirtschaft RL... Recht der Landwirtschaft RMCUE... Revue du marché commun et de l Union Européenne RTDE... Revue Trimestrielle Droit Européen RuP... Recht und Politik

145 454 EuR Heft Bibliographie SächsVBl... Sächsische Verwaltungsblätter SEER... South East European Review for Labour and Social Affairs SEW... Tijdschrift voor Europees en economisch recht S+F... Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden SpuRT... Zeitschrift für Sport und Recht SZIER... Schweizer Zeitschrift für Internationales und Europäisches Recht ThürVBl... Thüringer Verwaltungsblätter UPR... Umwelt und Planungsrecht VBlBW... Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg VerwArch... Verwaltungsarchiv VergabeR... Zeitschrift für Vergaberecht VN... Vereinte Nationen VR... Verwaltungsrundschau VuR... Verbraucher und Recht Wbl... Wirtschaftsrechtliche Blätter WiVerw... Wirtschaftsverwaltung WRP... Wettbewerb in Recht und Praxis WuW... Wirtschaft und Wettbewerb ZaöRV... Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZAR... Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik ZEUP... Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZEUPR... Zeitschrift für Europäisches Umwelt und Planungsrecht ZEUS... Zeitschrift für Europarechtliche Studien ZfU... Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht ZfRV... Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht ZFW... Zeitschrift für Wasserrecht ZLR... Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht ZLW... Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht ZNER... Zeitschrift für neues Energierecht ZRP... Zeitschrift für Rechtspolitik ZUM... Zeitschrift für Urheber und Medienrecht ZUR... Zeitschrift für Umweltrecht ZvglRWis... Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft ZWR... Zeitschrift für Wasserrecht ZWeR... Zeitschrift für Wettbewerbsrecht

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153 462 EuR Heft »Wer europäisches Sozialrecht ernsthaft betreiben will, kann auf den Kommentar nicht verzichten.«dr. Michael Gieren, in: NZA 3/01 Europäisches Sozialrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Maximilian Fuchs, Universität Eichstätt-Ingolstadt 4. Auflage 2005, 775 S., geb. mit CD-ROM, 129,, ISBN Der Kommentar zum Europäischen Sozialrecht stellt die zentralen Rechtsquellen des Gebiets umfassend dar und hat seit seinem Erscheinen bei Wissenschaftlern und Rechtsanwendern ein ungeteilt positives Echo gefunden. Eine mitgelieferte CD-ROM enthält alle relevanten Normen des Europäischen Sozialrechts auf ebenfalls neuestem Stand. Nomos Die Zeitschrift EUROPARECHT erscheint sechsmal im Jahr. Schriftleitung: Armin Hatje und Ingo Brinker. Redaktionsanschrift: Prof. Dr. Armin Hatje, Universität Bielefeld, Fakultät für Rechtswissenschaft, Postfach , Bielefeld, Telefon: (0521) , Telefax: (0521) ; RA Dr. Ingo Brinker LL.M., c/o Gleiss Lutz Hootz Hirsch, Prinzregentenstraße 50, München. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden. Printed in Germany. Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, MikroverÞlmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. ISSN Bezugsbedingungen: Erscheinungsweise sechsmal jährlich; Abonnementspreis jährlich 128,- Euro inkl. Jahres-CD-ROM (inkl. MwSt.) zuzüglich Porto und Versandkosten (zuzüglich MwSt.); Preis des Einzelheftes 26,- Euro (inkl. MwSt.); Bestellungen nehmen der Buchhandel und der Verlag entgegen; Abbestellungen vierteljährlich zum Jahresende. Zahlung jeweils im voraus an Nomos Verlagsgesellschaft, Postscheckk. Karlsruhe und Stadtsparkasse Baden-Baden, Konto Anzeigenverwaltung und Anzeigenannahme: Sales friendly, Bettina Roos, Maarweg 48, Bonn, Tel / , Fax 02 28/ , roos@sales-friendly.de Verlag: Nomos Verlagsgesellschaft mbh & Co. KG. Postfach , D Baden-Baden, Telefon (07221) , Telefax

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