Christian Werdin SZENE IM GESPRÄCH. Künstlerisches Selbstverständnis. Bühnenbildner, Ausstatter für Puppentheater, Bildhauer
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- Adolf Sachs
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1 SZENE IM GESPRÄCH Christian Werdin Bühnenbildner, Ausstatter für Puppentheater, Bildhauer Künstlerisches Selbstverständnis JAKOB KNAPP Was liebst Du am Theater? Wie bist Du zum Theater gekommen? Ich bin zufällig zum Theater gekommen. In der DDR gab es für Leute, die sich dem geraden staatstreuen Weg verweigerten, nur wenige Möglichkeiten. Eine war das Theater und darin, noch geschützter, das Puppentheater. Ich hatte das Glück, mit sehr innovativen Leuten arbeiten zu können. Hier konnte ich meine CHRISTIAN WERDIN Eigentlich möchte ich nur mal sehen, wie andere Menschen mit ihren Problemen umgehen, darüber lachen, mit ihnen leiden und nach der Vorstellung sehen, dass es bei mir doch nicht ganz so schlimm ist. technischen Fähigkeiten (Ich war Modellbauer und habe Stahlschiffbau gelernt) anwenden, künstlerische Anlagen entwickeln (Naturstudium - zeichnerisch und plastisch) und besonders Kunstauffassungen und Theatervisionen anderer kennenlernen und eigene Gedanken dazu immer wieder überprüfen.
2 »Faust», Puppentheater Bautzen 2012, Regie: Therese Tomaschke, Kostüm: Marita Bach Siehst Du einen Unterschied zwischen bildender Kunst und der Kunst des Bühnen und Kostümbildners? Im Theater hat man die wundervolle Möglichkeit, sein Bestes zu geben (In meinem Fall die Welt der sichtbaren und unsichtbaren Dinge) und dann im Idealfall zu erleben, dass andere auch ihr Bestes geben und dann etwas herauskommt, was weit mehr als die Summe der einzelnen Leistungen ist: ein Wunder. Wenn man das einmal erlebt hat, strebt man immer wieder danach. Es gibt nichts Größeres. (Na ja ) In der Bildenden Kunst gibt es diese Vergrößerung des eigenen Werkes so nicht, man ist ganz allein Urheber, aber mitunter selbst überrascht, als hätte jemand anderes seine Finger mit im Spiel gehabt. Den ganzen Ruhm kann man aber allein ernten! Welche Funktion hat für Dich ein Bühnenbild / Kostümbild? Es ist immer wieder erstaunlich, wie eine scheinbar gleiche szenische Situation in anderem Ambiente leichter oder schwerer daherkommt, ja selbst die Aussage sich verändert. Der Bühnenraum in Kubatur, Material, Farbe und Licht sollte den Spielern helfen, die angestrebte Verdichtung der Situation zu erreichen. Kostüme haben durch Schnitt und Passform direkten Einfluss auf die Körperhaltung und Beweglichkeit des Trägers, können auch erwünschten Widerstand bieten. Auch der Umgang mit realistischen Requisiten macht das Spiel wahrhaftiger. Alles, was wir auf der Bühne zeigen, erzählt etwas über die Zeit der Handlung und über soziale Bezüge. Und über das Hier und Jetzt des Theaterereignisses!
3 Welche Funktion hat für Dich ein Bühnen-/ Kostümbild? Soll es eine eigene Aussage zum Stück machen? Beeinflusst Deine Sicht die Ideen des Regisseurs und der Darsteller? Es gilt immer, eigene Bildlösungen zu finden, die das Spiel inspirieren und so auf die Regie zurückwirken. Die bloße Aneinanderreihung von Spielorten ist nicht ausreichend, auch wenn damit Regieintentionen genüge getan wird. Kannst Du den Prozess der Annäherung an ein Stück beschreiben? Am Anfang ist ja nur ein Thema oder auch ein Stückvorschlag da. Es gibt spontanes Interesse an nur einem Detail, oder auch eine schon lang gehegte Sehnsucht nach tiefer Untersuchung eines Themas. So fängt man an, Bausteine zu suchen, im Umfeld der Stückentstehung bis zu gegenwärtigen Ereignissen und eigenen Erlebnissen. Manches, was erst gar nicht dazu passen will, wird zur zentralen Inszenierungsidee, anderes scheinbar genau zum Thema gehörendes, erscheint plötzlich fade und überflüssig. Am Besten finde ich Gespräche zu dritt. Man traut sich mehr gedankliche Abwege, wenn man nicht ausschließlich einem Dialog verpflichtet ist und findet manchmal überraschende Querverbindungen. Andere Inszenierungen oder Produktionen des Werkes anzusehen, ist schwierig aber richtig. Gesehene gute Lösungen kann ich nicht übernehmen, kriege sie aber auch schlecht wieder aus dem Kopf. Trotzdem wird das Thema auch durch diese anderen Sichtweisen weiter vertieft. Wenn eine grundsätzliche Theaterform entschieden ist (wo sind die Zuschauer, wo wird gespielt), kann man alle technischen Notwendigkeiten überblicken und davon ausgehend die Szene bilden. Ich arbeite ja überwiegend für Puppentheater, wo dann auch Puppen ins Spiel kommen. Dass dies seriös und adult passiert, ist immer meine größte Sorge. Man kann als Schauspieler nicht ein ernsthaftes Problem mit einer Puppe diskutieren wollen. Es ist nur eine Puppe Wenn diese aber einen eigenen Raum hat, der ihre Lebens- und Erfahrungswelt zitiert, nimmt man sie ernsthafter wahr. Dafür sollte man jedesmal eine gute Lösung finden. Mit welchen Techniken arbeitest Du, wie wichtig ist für Dich der klassische Theaterraum? Wie spiegelt sich die Wahl der Techniken in Deinem Schaffen? Die eigentliche Qualität von Theater ist das analoge Erleben. Richtige Menschen spielen mir in einem richtigen Raum etwas vor und wissen, dass ich da bin. Alles passiert wirklich hier und nur jetzt. Theaterpappe so wenig wie nötig und nur als Theaterpappe. Authentizität ist wichtig, alles auf der Bühne erzählt seine Geschichte. So wird alles, was der Schauspieler macht, reicher und tiefer. In der synthetischen Kunstwelt, die uns zunehmend umgibt, fehlt dieses Futter fürs Unterbewusstsein, was allein Herz und Verstand schulen kann und für den Alltag fit machen. Bei meiner Arbeit versuche ich, ohne Maschinen (fremde Energien) auszukommen und mein Unterbewusstsein über meine Hände in die Dinge fließen zu lassen. Ist manchmal eine Quälerei, zahlt sich aber immer wieder aus: Das entstandene Spielmaterial wird dichter und man braucht weniger überflüssige Füllmaterialien auf der Bühne.
4 TEAMARBEIT Was schätzt Du an der Arbeit im Team? Wie wichtig ist Dir die künstlerische Gleichberechtigung im Team und siehst Du sie im Arbeitsalltag realisiert? Der Theaterbetrieb erfordert eine gewisse Hierarchie, um zu funktionieren. Ich als Bühnenbildner/Ausstatter diene mit meinem Können letztendlich den Ambitionen des Regisseurs. Gut ist es, wenn ich diese zu meinen machen kann oder sie durch mein Zutun entstanden sind. Gespräche sind ergiebiger, wenn sie gleichberechtigt stattfinden. So werden Reibereien auch produktiv. Alle Ansprüche reiben sind an der Wirklichkeit des Theaters, zeitlich, finanziell und technisch. Ich staune aber immer, wieviel dann doch mit Werkstätten und Technik möglich ist. Und wenn etwas nicht geht, muss eine andere Idee her - aber das ist das täglich Brot eines jeden von uns. Puppen in drei verschiedenen Größen Bühne, Kostüme»Verbrechen«(2 Stücke:»Grün«,»Fähner«) Puppentheater Gera 2017 Regie: Stefan Wey Bühne, Puppen, Kostüme»Der mit dem Fuchs spricht«puppentheater Gera 2017 Regie: Caren Pfeil
5 REALISIERUNG Erarbeitest Du Deine Bühnenbilder mit Hilfe eines Modells? Mit welchen anderen Mitteln arbeitest Du? Ehrlich gesagt, zögere ich die ersten Bleistiftstriche lange hinaus und bleibe im offenen Gespräch. Die erste Skizze wird meist nach einigen Umwegen tatsächlich auch die gültige Idee. Wenn der Regisseur ein Modell braucht, baue ich eines. Damit wird aber auch schon viel festgelegt. Was für die große Bühne unumgänglich ist, im kleinen Puppentheater aber so nicht nötig. Hier kann man noch weiter dran arbeiten und präzisieren. Wie groß ist Deine Kompromissbereitschaft, wenn eine praktisch machbare Idee aus theaterinternen Gründen nicht hundertprozentig umgesetzt werden kann? Letzten Endes zählt nur, was zur Premiere auf der Bühne ist, nicht das, was ich mal gedacht habe. Es gibt Spielraum für Notlösungen, aber nicht unbegrenzt (Wenn sich das Ergebnis aber aus theaterinternen Gründen zu weit von meinen Ansprüchen entfernt hat, möchte ich meinen Namen gern davon lösen.) Hast Du Fachwissen in den verschiedenen Handwerken, die am Theater zum Einsatz kommen und wenn ja, hilft Dir das in der Umsetzung? Ich habe in meinem Leben tatsächlich umfangreiche handwerkliche Kenntnisse und Fähigkeiten erworben. Dadurch kann ich Schwierigkeiten bei der Umsetzung meiner Entwürfe vorher kommunizieren. Findest Du Empathie wichtig für Deine Arbeit? Ja, Empathie ist für den gesamten Prozess sehr wichtig, auch für die Umsetzung meiner Ideen. Zu den Kollegen, die zur Entfaltung ihrer Kreativität einen möglichst großen Widerstand benötigen, gehöre ich nicht. Ich möchte gern gebraucht werden und mich nicht aufdrängen müssen. Wie flexibel willst Du sein, wenn es um Änderungen Deines Bildes während der Proben geht? Wenn ich den gedanklichen Hintergrund einer Änderung verstehe, habe ich natürlich nichts einzuwenden. Wenn nicht, müssen Argumente gegeneinander aufgewogen werden. Miniaturpuppen, Kostüme»Menschenskind«Theaterfabrik Gera 2016 Regie: Nanna Przetak
6 REZEPTION Wird die Szenografie Deiner Meinung nach ausreichend in der Theaterkritik berücksichtigt? Wenn die Szenografie das Spiel der Darsteller punktgenau unterstützt und damit Tiefe ermöglicht, wird das von der Kritik meist nicht wahrgenommen. Spektakuläre Bühnenlösungen, die meist plakativ bleiben, dagegen honoriert. Finde ich zu einfach und unbefriedigend. Würdest Du diesen Beruf wiederwählen, wenn Du noch einmal von vorne anfangen könntest? Trotz des geringen Ansehens der Kunst, des Theaters und besonders des Puppentheaters in diesem Auto- und Geldland würde ich es wieder machen. Siehe oben. Wir danken Dir für das Gespräch! BERUFSREALITÄT Wie kommst Du zu neuen Aufträgen und wie gestaltet sich die Vertragsanbahnung? Ich bin in der komfortablen Situation, dass ich doch immer wieder Anfragen bekomme und mich nicht bewerben muss. Ist eine vollwertige Arbeit an einer szenischen Lösung durch Dein Honorar abgedeckt? Ich würde gern besser bezahlt werden, kann das aber nicht an einer richtigen Stelle kommunizieren. Vielleicht lerne ich es ja noch. Bühne, Puppen, Kostüme»Der mit dem Fuchs spricht«puppentheater Gera 2017 Regie: Caren Pfeil
7 »So lange du lügst«, Theater Marburg 2011, Regie: Marc Wortel, Bühne: Hölzernes Hamsterrad für Menschen, D 4m Ihr seid herzlich eingeladen, das Gespräch mit uns zu führen! Fragen und Einsendungen an: dialog@szenografen-bund.de Bund der Szenografen e.v., Berlin 2018
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