Nr. 9 / Dezember 2006

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1 Nr. 9 / Dezember 2006 Inhalt VEREIN Vorschau Berlin 2007 Rückblick Osnabrück 2006 ZUR PERSON Hans Bohnenkamp BEITRÄGE Siebenbrodt: Bauhaus-Museum Stamm: Fakultät für Gestaltung Fechner Mattenklott Reimers Rundgang Jena Auf den Spuren... REICHWEIN SCHULEN Meudt Jena PROJEKTE Filmische Dokumentation Tiefensee LITERATUR PRESSE Ästhetische Bildung lautete das Rahmenthema der vorjährigen Haupttagung des Adolf- Reichwein-Vereins in Weimar/Jena vom Im Zentrum des vorliegenden Heftes stehen die Beiträge dieser Tagung, die zunächst im Neuen Zentrum der Herzogin-Amalia-Bibliothek in Weimar stattfand. Der Beitrag von Michael Siebenbrodt stellt uns das Bauhaus-Museum in Weimar vor. Er hatte die Tagungsteilnehmer damals umsichtig und fundiert durch dieses überschaubare Museum am Theaterplatz geführt. Hermann Stamm informiert über die Ausbildung an der Fakultät Gestaltung an der Bauhaus-Universität Weimar und verdeutlicht den konzeptionellen Zusammenhang zwischen den Bauhaus-Gründern und der heutigen Ausbildung. Gabriele Fechners kurze Notiz reflektiert die ästhetischen Eigenversuche der Tagungsteilnehmer in der Mal- und Zeichenschule Weimar. Gundel Mattenklott leitet dann mit ihrem Beitrag in die reichweinspezifische Thematik ein, während Bettina Irina Reimers einen speziellen Aspekt beleuchtet, nämlich die Zusammenarbeit Walter Dexels mit Adolf Reichwein in der Volkshochschule Jena im Bereich der Kunsterziehung und der ästhetischen Bildung. Das Ende der Tagung fand am in Jena statt. Lothar Kunz berichtet vom Gespräch mit dem jungen Schulleiter des Adolf-Reichwein-Gymnasiums und schildert seine Eindrücke auf dem "Rundgang" zu den Wirkungsstätten Adolf Reichweins in Jena. In der Rubrik "Zur Person" befasst sich Ullrich Amlung dieses Mal mit Hans Bohnenkamp, ein Vorgriff auf die Berichterstattung über die Herbsttagung des Vorjahres, bei der diese schillernde Persönlichkeit im Mittelpunkt stand. Erfreuliches gibt es aus der Schulszene zu berichten: Uns ward ein neues Reichwein-Schulkind geboren: In Meudt (kennen Sie Meudt?) gibt es eine neue Adolf- Reichwein-Schule Lehrerin Anne Müller berichtet. Lothar Kunz hat anschließend Presseausschnitte über die Zukunft des Adolf- Reichwein-Gymnasiums in Jena zusammengefasst und stellt schließlich mit Henning Wehmeyer einige Szenen ihres Films über die Reichwein-Zeitzeugin Margot Hönsch aus Tiefensee vor. Ihr Redaktionsteam

2 2 Ich komm zum Glück aus Osnabrück... Jahrestagung 2007 in Berlin Vorschau bei unserer Mitliederversammlung 2006 in Weimar haben wir entschieden, dass die nächste Jahrestagung vom März 2007 in Berlin stattfinden soll. Aus Anlass des 100. Geburtstages von Helmuth James von Moltke nehmen wir an der Tagung teil, die gemeinsam von der Kreisau Initiative Berlin, der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung, der Evangelischen Akademie zu Berlin und der Stiftung 20. Juli 1944 veranstaltet wird. Im Vordergrund dieser Tagung wird nicht der Widerstandskämpfer Moltke stehen, sondern sein Bildungsweg, der ihn befähigte, klare Vorstellungen einer deutschen und europäischen Politik zu entwickeln, sowie die Frage, was heute zur Bildung politischer Urteilskraft getan werden muss. Am Freitag, 9. März, Uhr werden wir vom Adolf- Reichwein-Verein zudem unsere Mitgliederversammlung durchführen. Das Programm für die Tagung und die Festveranstaltungen am Sonntag werden Sie von der Ev. Akademie erhalten. Sie finden alle Unterlagen auch unter der Internetadresse Wir bitten Sie, sich dort mit der dem Programm beiliegenden Postkarte anzumelden. Sollten Sie ein Privatquartier in Berlin haben, so können Sie natürlich auch als Tagesgast an den Veranstaltungen teilnehmen. Nach Ihrer Anmeldung erhalten Sie von uns eine Bestätigung und die Tagesordnung der Mitgliederversammlung. Wir freuen uns auf diese Tage in Berlin und die Begegnung mit dem wachsenden Kreis der Freunde Kreisaus aus Deutschland und Polen und laden Sie herzlich zur Teilnahme ein. Ullrich Amlung, Uli Jungbluth, Annelies Piening, Klaus Schittko Kurzbericht zur Herbsttagung 2006 vom November in Osnabrück Hans-Peter Thun...nein, das ist nicht der Ausruf eines von der letztjährigen Herbsttagung des ARV zurückkehrenden Vereinsmitglieds, sondern der Werbeslogan der Osnabrücker Tourist Information. Laut der Online-Umfrage des Stern "Perspektive Deutschland", deren Ergebnisse im April 2003 vorgestellt wurden, fanden 87% der Osnabrücker, dass es sich in ihrer Region gut oder sehr gut leben lässt. Das war damals deutscher Rekord, auch wenn es Stimmen gibt, die darauf hindeuten, dass diese Zufriedenheit lediglich durch die gute Luft bewirkt werde, die vom Teutoburger Wald herüberweht. Zum Glück kam niemand auf die Idee, die Stadt nun in Anlehnung an Lutherstadt Wittenberg oder Eisenhüttenstadt in Glücksstadt Osnabrück oder schlicht Glücksstadt umzubenennen. Ob es allerdings glücklicher war, sich jetzt Friedensstadt Osnabrück zu nennen, nur weil man hier und in Münster nach fünfjährigem Diskutieren im Jahre 1648 mit dem Westfälischen Frieden den Dreißigjährigen Krieg beendete, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls konnten sich die insgesamt vielleicht 25 Teilnehmer unserer Tagung ohnehin kein rechtes Bild davon machen, ob die Osnabrücker Eingeborenen nun besonders glücklicher oder friedlicher Natur sind, denn dazu ließ die wie immer pickepacke volle Tagesordnung eh keinen Raum. Ach ja: Die berühmtesten Söhne der Stadt sind der Schriftsteller Erich Maria Remarque und der Maler Felix Nussbaum, Rudolf Seiters (nein, das ist nicht der Torwart des VFL Osnabrück) und Christian Wulf, im Moment der niedersächsische Ministerpräsident. Berühmte Töchter scheint es nicht zu geben. Die Veranstaltung begann am Nachmittag des 3. November mit einer Führung durch das Felix-Nussbaum- Haus. Das erste fertiggestellte Museum des US- Architekten Daniel Libeskind wurde 1998 in Osnabrück eröffnet und beherbergt mit über 170 Arbeiten die welt-

3 weit umfassendste Sammlung von Kunstwerken des jüdischen Malers Felix Nussbaum ( ). Wer an dieser Führung teilnehmen konnte, wird es nicht bereut haben Anhand weniger markanter Exponate der Sammlung wurde hier durch einen jungen Kunsthistoriker Nussbaums Leben und Werk nachgezeichnet und so für die Teilnehmer in knapp eineinhalb Stunden in beeindruckender Weise aus einem Namen ein Menschenschicksal und eine Künstlerpersönlichkeit. Leider konnten das nur 11 Mitglieder erleben, denn der Rest war wegen verspäteter Züge, gestauten Verkehrs und anderer aus der Hauptschule geläufiger Begründungen noch nicht vor Ort. Same procedure as every year. 3 Erfolgsstory und werden mittlerweile auch überregional und international durchgeführt. Nach dem Abendessen stellte Volkshochschuldirektor Dr. Johannes F. Hartkemeyer eine spezielle Variante dieses Projektes vor: Im Dialog mit dem Iran oder, wie es in Anspielung auf die Redewendung eines bekannten Politikers heißt, Die Achse des Guten. Diese Dialogschulung im Iran, die Martina und Johannes Hartkemeyer durchführen, wurde von iranischen Initiatoren angeregt, um den Dialogprozess als Kern einer zivilgesellschaftlichen Weiterentwicklung, z.b. im Bildungswesen, zu verankern. An der ersten Seminarreihe im September 2005 im Teheraner Imam-Ali-Museum nahmen mehr als 20 Personen teil, überwiegend Multiplikatoren aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, die anhand von Übungen mit wesentlichen Zielen und Inhalten des Dialog- Verfahrens vertraut gemacht wurden. Ein zweiter Teil im Februar 2006, ebenfalls in Teheran, soll die Teilnehmenden dazu zu befähigen, selbst Dialoggruppen zu begleiten. Am frühen Abend wurde dann mit den Begrüßungen diese gemeinsame Tagung des ARV, der Adolf- Reichwein-Gesellschaft und Volkshochschule Osnabrück ebendort eröffnet. Die beiden Vereine stellten sich gegenseitig vor, wobei sich der Adolf-Reichwein-Verein quasi sich selbst vorstellte, denn von der Adolf- Reichwein-Gesellschaft waren lediglich vier Personen anwesend, was sich dann allerdings als rund ein Drittel derer Mitglieder erwies. Die ARG ist, im Gegensatz zum ARV, eher ein Förderkreis weniger Personen, der 1982 zum Zwecke der Förderung der Erwachsenenbildung gegründet wurde und im Geiste Reichweins Tagungen und Projekte in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule durchführt. Vor allem sind das neben dem bekannten Dialogprojekt Aktivitäten interkulturellen Lernens und ökologische Projekte. Das Dialogprojekt ist die erfolgreichste Aktivität der Gesellschaft. Es fördert in speziellen Schulungen die Dialogfähigkeit in Anlehnung an die von Zeitzeugen geschilderte Grundhaltung Reichweins im Dialog mit seinen Jenenser Volkshochschülern und Jungarbeitern: Fördern des Dialogs durch Zuhören, Dabeisein, nachfragendes Lenken und miteinander Denken. Auf der eigenen Homepage des Projekts ( dialogprojekt.de/) wird das so formuliert: Der Dialog, den wir meinen, ist ein modernes, an David Bohm und Martin Buber angelehntes Kommunikationsverfahren, in dem es weder um Überzeugen, Rechthaben, Gewinnen geht, noch um rhetorische Brillanz, Eindruck schinden oder Schnelligkeit. Die Dialog-Seminare haben ihre Der zweite Tag der Veranstaltung war dem Freund und Weggefährten Reichweins, Hans ( Hannes ) Bohnenkamp, gewidmet. Ein passendes Thema für diesen Ort, denn er war 1946 erster Direktor der neugegründeten Pädagogischen Hochschule in Celle und maßgeblich mit für die Benennung dieser Hochschule als "Adolf- Reichwein-Hochschule" verantwortlich, die er bis zu ihrem Umzug von Celle nach Osnabrück leitete. Er war auch der erste Betreuer des Adolf-Reichwein-Archivs, das mit ihm und seiner Hochschule dann von Celle nach Osnabrück übersiedelte. Gewiss eine schillernde Persönlichkeit, die sich gerade in unserem Verein dazu eignet, kontrovers und spekulativ zu diskutieren. Nichts für Puristen, die Menschen verschlagworten möchten, wie Bibliothekare ein Sachbuch. Er war, was sich nicht mit Adolf Reichweins pazifistischer Haltung verträgt, mit Überzeugung Soldat, hat in zwei Armeen gedient, einer dritten, der Bundeswehr, beim Aufbau geholfen und, wie sein Enkel im privaten Gespräch verriet, hat Opa Hannes auch noch im großväterlichen Alter gerne mal Schießübungen im Steinbruch veranstaltet. Lag das vielleicht daran, dass ihm im Gegensatz zu Adolf Reichwein traumatische Kriegserlebnisse erspart blieben, hat er im Soldatentum eine Weiterführung der Fähnlein-Fieselschweif-Mentalität der Wandervögel gesehen: Kameradschaft, Entwicklung von Mannestugenden, gemeinsames Erleben und sich bewähren, gegen wen oder was auch immer? Reste eines kaiserzeitlichen Patriotismus? Wir wissen es nicht.

4 Orden und Ehrungen hat der mutige Mann nicht nur von Theodor Heuß, sondern auch vom letzten Kaiser und Adolf Hitler entgegengenommen. Er stellte offensichtlich keine Verbindung zwischen Ehrung und Verleiher her. Welch ein Unterschied zu Rosemarie Reichwein, die eine wohlverdiente Ehrung zurückwies, weil der Verleihende ein ihr nicht genehmer Ministerpräsident war. Und doch: Er war mit Adolf Reichwein befreundet, Pate seines Sohnes, hat sich um Rosemarie Reichwein gekümmert, als ihr Mann von den Nazis zum Tode verurteilt war, hat Adolf Reichweins Andenken gefördert und auch Altbundeskanzler Schmidt war von diesem Mann, den er im Kriegsgefangenenlager kennenlernte, beeindruckt. So schreibt die ZEIT in ihrer Literaturbeilage, Ausgabe 42, vom 9. Oktober 2003: Ein Vortrag des religiösen Sozialisten Hans Bohnenkamp über das Thema Verführtes Volk Anfang Juni 1945 scheint auf ihn die Wirkung eines Befreiungsschlages gehabt zu haben: Schmidt verlor die letzten Illusionen über das System, dem er als Offizier der Wehrmacht gedient hatte. Im Frühjahr 1946 trat er, inzwischen Student der Volkswirtschaft in Hamburg, in die SPD ein. Offenbar war es ein intensives Gespräch mit Bohnenkamp, das den Ausschlag für diese Entscheidung gab. Und Schmidt selbst schreibt Professoren wie er sind mir an der Hamburger Universität, wo ich nach der Entlassung aus der Gefangenschaft studierte, nur wenige begegnet. 1 Wir werden diese Persönlichkeit nicht mehr vollends deuten können, sie lässt sich nicht mit wenigen Charakterisierungen einordnen. Die drei Darstellungen von Ullrich Amlung, Klaus Schittko und Wolfgang Harder konnte man in ihrem Gesamtbild zu Recht als Annäherung an Hans Bohnenkamp bezeichnen. Während die Originaldokumente, die Amlung nach Recherchen in Bohnenkamps Nachlass im Archiv der deutschen Jugendbewegung auf Burg Ludwigstein gefunden hatte und den Zuhörern ohne persönliche Wertung vorstellte (Bohnenkamp und Reichwein in der AV Marburg), noch ein sehr ambivalentes Persönlichkeitsbild abgeben mussten, wurde dieses in den Darstellungen von Klaus Schittko (Einstellungen Reichweins und Bohnenkamps zum NS-Regime, zu Militär und Widerstand) und Bohnenkamp-Schwiegersohn Wolfgang Harder (Vor der Welt die Kinder, vor den Kindern die Welt vertreten) relativiert und differenziert. Die lebhaften Diskussionen taten ein Übriges, um klar zu machen, dass die Menschen der Generation Reichweins nicht mit der oberflächlichen simplifizierenden Messlatte beurteilt werden können, die man heute gerne an Persönlichkeiten und Ereignisse der Geschichte anlegt, um sie in die 1 Helmut Schmidt, - Meine Lehrjahre... - Aufgezeichnet von Dieter Buhl - ZEIT Online 37/ Schubladen gut und böse einordnen zu können. Hier war, zwischen Kaiserreich und NS-Herrschaft, eine ganze Generation gemeinsamen Prägungen unterworfen, die sich in Weltanschauungen, Sprache, Werten und Verhaltensweisen ausdrückt, die allen Menschen dieser Generation gemeinsam sind, auch da, wo sie unterschiedliche Wege gingen, sei es durch andere Erfahrungen oder Einflüsse geleitet oder aus persönlicher Entscheidung. Differenzierte Sicht ist vonnöten, wenn wir Urteile über die Lebenswege dieser Generation fällen. Der Widerstandskämpfer Reichwein hat ebenso Gemeinsames mit irgend einem überzeugten Nationalsozialisten, wie der Soldat Bohnenkamp mit dem Pazifisten Reichwein. Und wenn Hannes Bohnenkamp sich scheinbar mit jeder nationalsozialistischen Organisation, die ihm über den Weg lief, arrangiert hat, freiwillig in die NSDAP eintritt oder mit Überzeugung Soldat ist, sagt dieses nicht, dass er Militarist oder Nazi ist, sondern wir müssen das gesamte Leben dieses Menschen sehr genau ansehen. Diese Aufforderung zur Sorgfalt im Urteil war vielleicht das wichtigste Ergebnis aus den drei Bohnenkamp-Vorträgen und ihren Diskussionen. Karl-Christoph Lingelbach beschloss dann den Tag mit einem Vortrag, in dem er aufzeigte, wie Bohnenkamps Bearbeitung des Schaffenden Schulvolkes 1951 durch Streichen oder Verändern von Textteilen oder Umordnen der Bildreihen auch letztlich das Gesamtbild der Darstellung beeinflusste.

5 Wirklich nur am Rande und als Tipp für künftige Tagungen sei vermerkt, dass das Timing des mittagspäuslichen Gangs zu Stätten, die in Osnabrück den Namen Adolf Reichweins tragen bzw. trugen, sicher nicht so ganz der Vorstellung des Schulmeisters Reichwein hinsichtlich Zucht und Disziplin entsprochen hätte, denn während das Grüppchen der Reichweinianer mit halbstündiger Verspätung noch glücklich und locker durch die Friedensstadt schlenderte, vielleicht fasziniert von der weltweit unähnlichsten Reichwein-Büste, waren leider drei potenzielle Zuhörer, die auf Grund des öffentlich ausgeschriebenen Programms pünktlich zur VHS gekommen waren, um am Nachmittagsprogramm zu partizipieren, bereits nicht ganz so glücklich wieder nach Hause gefahren. Programmae sunt servandae! Ulrich Jungbluth berichtete am letzten Tag über die von Martin Buber angeregte Volksbildungstagung 1919 ( ) "Erneuerung des Bildungswesens in Heppenheim, eine, wie Bettina Irina Reimers anmerkt, von vier Veranstaltungen, auf denen die theoretischen Grundsätze der Bildungsarbeit der Neuen Richtung und die Rahmenbedingungen für die Bildungsarbeit mit Erwachsenen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts festgelegt wurden. 2 5 Ein Kreis von Pädagogen, der sich selbst Arbeitsausschuss für Erneuerung des Bildungswesens nannte (Theo Spira, Martin Buber, Otto Erdmann, Paul Natorp, Alfons Paquet, Eduard Staedel, Georg Koch, und andere), hatte zu dieser Tagung eingeladen. In der Einladung heißt es über das Ziel der Tagung, der Arbeitskreis strebe an Erkenntnis des Ziels und der Wege wahrhafter Erziehung und Vorbereitung einer auf dieser Erkenntnis gegründeten autonomen Organisation des gesamten Bildungswesens. Er setzt sich als Aufgabe, zur Klärung dieser Probleme durch Aussprache und Erörterung beizutragen, sowie geeignete Vorschläge auszuarbeiten und ihre Verwirklichung zu fördern. Die Tagung fand im Hotel Halber Mond in Heppenheim statt. Das Teilnehmerverzeichnis zählt 54 Personen auf, darunter auch Martin Buber und Adolf Reichwein, ferner Paul Natorp, Alfons Paquet, Otto Erdmann, Robert v. Erdberg und den Verleger Kurt Wolff. Themen waren laut Programm: 1. Volkshochschule. Prinzipien und Methoden: Dr. Martin Buber, Entwicklung und Organisation: Pfarrer Dr. Koch. 2. Volksschule. Geistiges Ziel der Volksschule: Hermann Stehr, Einheitsschule: Paul Natorp 3. Höhere Schule. Öffentliche höhere Schule: Dr. Th. Spira, freie Schulen: Otto Erdmann. 4. Universität. Dr. Georg Burckhardt, Dr. H. Schmalenbach. 3 Ulrich Jungbluth wies anhand der Protokolle nach, dass Adolf Reichwein, insbesondere durch Martin Bubers Ausführungen, schon hier in Heppenheim eine ganze Reihe von persönlichen Prägungen und Anregungen erhielt, die seine künftige Einstellung zu Fragen der Erwachsenenbildung beeinflusst haben. Heinz Schernikau erlebte ein Déjà-vue. Es erging ihm exakt wie seinerzeit in Prerow: Trotz des Ausfalls von Vorträgen (hier war es Reichweins Amerika-Bild, da Dieter Wunder verhindert war) ließ ihm das Tagungsprogramm nicht genügend Zeit, seinen Vortrag in voller Länge zu halten. Wieder war er gezwungen, aus dem Stegreif zu kürzen und frei vorzutragen, was der Darstellung aber durchaus zuträglich war, zumal er in Situationen geriet, die der ehemalige Hauptschullehrer souverän zu meistern wusste, wenn es galt, schwatzende Schüler zur Ordnung zu rufen. 2 Reimers, Bettina Irina: Die Neue Richtung der Erwachsenenbildung in Thüringen Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Sozialwissenschaften in der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. 2000, S.31 3 Zu Inhalt und Verlauf siehe auch: Alphei, Hartmut: Martin Buber und die Odenwaldschule eine nicht ganz zufällige Nachbarschaft (Schriftliche Fassung eines Vortrages in der Katholischen Akademie Rabanus Maurus, Frankfurt/M. am 4./ )

6 6 Schernikau stellte nun nur einige dieser Gliederungspunkte vertiefend dar und machte alle diejenigen neugierig auf die Druckfassung, die bereit sind, sich auf Methode und Ansatz einzulassen. Wer Heinz Schernikau kennt, würde sich allerdings wohl nicht wundern, wenn das Erscheinen dieses Werkes sich noch ein wenig verzögerte. Insofern können wir dann doch sagen: Ich komm zum Glück aus Osnabrück. Denn wenigstens wir haben einen gehörigen Informationsvorsprung. Aber: Im nächsten Heft des Forums erfahren auch Sie mehr! Erstmals konnte er das fertige Konzept seiner Arbeit Tiefensee ein Schulmodell aus dem Geist der deutschen Klassik vorstellen, mit dem Untertitel: Weltbild, Methode und Gemeinschaftserziehung in epochalgeschichtlicher Perspektive. Regelmäßige Teilnehmer unserer Tagungen und Leser des Reichwein-Forums haben Teile dieser ebenso faszinierenden wie anspruchsvollen Annäherungen an Reichweins geistige Herkunft bereits kennengelernt. Viele der Gedanken zu Nohl, Herder, Goethe, Alexander von Humboldt, Friedrich Junge, Riehl, Ranke, Treitschke, Campe, Harnisch u.a. sind uns daher bereits vertraut, wurden aber vom Autor noch einmal weitergeführt und vertieft. Die Arbeit gliedert sich in die Teile A. Das Weltbild in der Perspektive seiner klassischen Repräsentanten in seiner fachlichen Gliederung (biologischer Aspekt, geographischer Aspekt, volkskundlicher Aspekt, volks- und kulturgeschichtlicher Aspekt) im fächerintegrierenden Ansatz der Heimatkunde bzw. Lebenskunde B. Die Methode Zur kopernikanischen Wende Zur Lehrkunst Reichweins in den Lenkungsund Gestaltungsformen des Unterrichts Kriterien und Perspektiven für die Einordnung der Reformarbeit Reichweins in der Didaktik der Reformpädagogischen Bewegung C. Die Gemeinschaftserziehung Die Vorhaben-Pädagogik Reichweins und ihr gesellschaftspolitischer Kontext Die Gemeinschaftserziehung nach Fichtes Plan einer Nationalerziehungsanstalt und in Reichweins Schaffendem Schulvolk Hans Bohnenkamp ( ) langjähriger Freund Adolf Reichweins Biographie und Karriere eines Lehrerbildners unter unterschiedlichen zeithistorischen Konstellationen Ullrich Amlung 1. Schulzeit und Studienbeginn im Wilhelminischen Kaiserreich Hans Heinrich Wilhelm Bohnenkamp wurde am 17. April 1893 in Schildesche, einem kleinen Dorf bei Bielefeld (damals zu Preußen, heute zu Nordrhein-Westfalen gehörig) geboren, wo sein Vater Johann Heinrich Bohnenkamp als Hauptlehrer an der Präparandenanstalt arbeitete. Seit 1930 eingemeindet ist Schildesche heute ein Stadtteil von Bielefeld. Heinrich Bohnenkamp, am 2. Januar 1864 in Elverdissen/Kreis Herford geboren, hatte das Königliche evangelische Schullehrer-Seminar zu Petershagen besucht, wo er im August 1883 seine 1. Staatsprüfung zum Elementarschullehrer bestand. 2 Jahre später, 1885, legte er seine 2. Lehrerprüfung vor der Königlichen Prüfungskommission ab und erwarb damit die Lehrbefähigung zum Unterricht in den unteren Klassen höherer Töchterschulen und Mittelschulen. 4 Seit 4 Heinrich Bohnenkamp hat sich später auch im pädagogischen Schrifttum hervorgetan; vgl. Bohnenkamp, Heinrich: Kleine Heimatkunde der Provinz Westfalen. Im Anschluss an die größere Heimatkunde von G. Schulze für die Hand der Schüler. 3.

7 1890 war Heinrich Bohnenkamp mit Klara Hüwendiek verheiratet; 1892 kam die Tochter Frieda zur Welt, ein Jahr später der Sohn Hans. Über die familiäre Sozialisation Hans Bohnenkamps ist wenig bekannt, die politisch-ideologische Atmosphäre im evangelischen Elternhaus wird später von einem Marburger Kommilitonen, dem in einem liberalen Elternhaus in Sachsen aufgewachsenen Theologiestudenten Franz Berthoud, der ihn 1924 einmal zu Hause besuchte, als reichlich deutsch-national 5 geschildert. Nach der Übersiedlung der Familie nach Minden, wo Vater Bohnenkamp Rektor einer Volksschule wurde, wechselte Sohn Hans nach 4jährigem Volksschulbesuch 1903 auf das humanistische Königliche Gymnasium zu Minden, wo er im März 1912 sein Abitur mit insgesamt gutem Erfolg ablegte. Er gehörte während der gesamten Gymnasialzeit im klasseninternen Ranking regelmäßig zu den Top Five. Der im Reifezeugnis vermerkte Berufswunsch: Bohnenkamp will Naturwissenschaften studieren ist ein Hinweis darauf, dass ein bestimmtes Berufsziel zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht feststand. 7 Charakteristik des Schülers Hans Bohnenkamp 1912 und z.t. hohlen Konventionen der wilhelminischen Ära protestierten und selbst einen eigenen, jugendgemäßen Lebensstil und neue Wege mitmenschlichen Verhaltens zu entwickeln suchten wurde er Ortsgruppenführer Minden des Altwandervogels, 1914 war er Inhaber einer Führerausweiskarte für den Wandervogel e.v. (Bund für deutsches Jugendwandern), Gau Westfalen, Ortsgruppe Minden. Charakteristik des Schülers Hans Bohnenkamp 1912 Seit 1909 gehörte Hans Bohnenkamp als Mitglied des Alt-Wandervogels (Bund für Jugendwandern e.v.) zur Jugendbewegung, jener sozialkulturellen Bewegung von Schülern und Studenten, die gegen die starren Normen Aufl. Minden: Hufeland, 1913 (78 S.); ders./h. Wellenbrink: Geschichte für die Mittelstufe (zugleich für wenig gegliederte Schulen) für die evangelischen Schulen des Regierungs- Bezirks Minden. (= Ferdinand Hirts Neues Realienbuch; Nr. 27). Breslau: Hirt, 1913 (58 S.). 5 Brief von Franz Berthoud vom an Hans Bohnenkamp. In: Archiv der deutschen Jugendbewegung, Burg Ludwigstein bei Witzenhausen: Nachlass Hans Bohnenkamp. Zu dieser Zeit hatte Bohnenkamp bereits die ersten Semester seines Universitätsstudiums absolviert: Am 1. Mai 1912 wurde Bohnenkamp als Student der Mathematik und Naturwissenschaften an der philosophischen Fakultät der Philipps-Universität in Marburg/Lahn immatrikuliert. Er studierte insgesamt 4 Semester in Marburg und besuchte in diesen 2 Jahren neben fachwissenschaftlichen Seminaren auch kunst- und musikwissenschaftliche (Johannes Brahms, Franz Schubert) sowie medizinische (Wesen und Ursachen von Geisteskrankheiten bei Prof. Franz Tuczek) und juristische Veranstaltungen (modernes Völkerrecht bei Prof. Walther Schücking).

8 Gleich zu Beginn seines Studiums beteiligte sich Bohnenkamp aktiv an der Gründung der Akademischen Vereinigung Marburg (AV), einer hochschulreformerisch-jugendbewegten Studentengruppe, die sich gegen den elitären Kastengeist der Corpsstudenten richtete. Sie verstand sich selbst als objektive, neutrale Organisation, ihrem programmatischen Motto Selbsterziehung in der Gemeinschaft dienten regelmäßige kulturelle und wissenschaftliche Veranstaltungen. Bohnenkamp gehörte von Anfang an zum Vorstand der AV. Im Oktober 1913 beteiligte er sich mit der AV maßgeblich an dem 8 brachte die Berührung mit Leonhard Nelson prinzipielle Auseinandersetzungen über die Politik. 6 Vom Wintersemester 1914/15 bis einschließlich Wintersemester 1918/19 stand Bohnenkamp als Soldat im Heeresdienst. Er blieb während der gesamten militärischen Dienstzeit an der Göttinger Universität immatrikuliert, allerdings ohne je eine Lehrveranstaltung besucht zu haben. Am 11. August 1914 meldete sich Hans Bohnenkamp als Kriegsfreiwilliger und trat bei der Ers. Abt. Feldartillerie 58 ein. Bereits im Februar 1913 hatte sich Bohnenkamp zum Zwecke der Erlangung des Berechtigungsscheines zum Einjährig-Freiwilligen Militärdienst von der Polizeiverwaltung Minden ein Führungszeugnis und von seiner ehemaligen Schule in Minden ein Zeugnis der Unbescholtenheit ausstellen lassen. Ob Bohnenkamp bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Gedanken gespielt hatte, durch Ableistung seiner Militärzeit in den Rang des gesellschaftlich hoch angesehenen Reserveoffiziers zu gelangen, lässt sich nur vermuten. Gedenktafel Meißnerfest 1913 legendären Treffen verschiedener jugendbewegter Bünde und Gruppen auf dem Hohen Meißner in Nordhessen anlässlich der 100jährigen Wiederkehr der Völkerschlacht bei Leipzig, wo die berühmte Meißnerformel verabschiedet wurde und sich die versammelten Jugendlichen den Namen Freideutsche Jugend gaben. Der Marburger Neukantianer und Sozialpädagoge Paul Natorp hielt als Repräsentant der AV eine viel beachtete Rede. Im Mai 1914 wechselte Bohnenkamp zur Fortsetzung seines Studiums an die Georg-August-Universität in Göttingen. Zusammen mit 2 weiteren Marburger AVern gelang es ihm, auch in Göttingen eine Akademische Vereinigung zu gründen, die sich unter seinem Vorsitz zunächst gut entwickelte, dann aber unter den Bedingungen des Krieges ihre Tätigkeiten einstellen musste. Zusätzlich zu den obligatorischen Fachstudien, u.a. bei dem renommierten Mathematiker Prof. David Hilbert ( ), hörte Bohnenkamp in Göttingen auch Vorlesungen zur Philosophiegeschichte bei Prof. Edmund Husserl ( ) und zur Geschichte der Pädagogik bei Prof. Baumann. Während des einen Göttinger Semesters lernte Bohnenkamp zudem den charismatischen Philosophen Leonhard Nelson kennen. In seiner Selbstdarstellung von 1975 heißt es dazu: Während Husserl das Bewusstsein der Methoden schärfte, 2. Soldat im Ersten Weltkrieg Sein Fronteinsatz begann am 15. Oktober Am 1. Januar 1915 wurde er zum Gefreiten, am 27. Januar 1915 zum Unteroffizier ernannt und am 15. Oktober 1915 schließlich zum Artillerie-Leutnant der Reserve befördert. Bohnenkamp hat an der Erstürmung verschiedener strategisch wichtiger Steinbrüche, Felder und Höhen teilgenommen, war an der Schlacht vor Verdun und verschiedenen Stellungskämpfen in der Champagne beteiligt, ebenso wie an Rückzugsgefechten und an den großen Abwehrschlachten an der Marne und Somme gegen Ende des Ersten Weltkrieges, zuletzt als Führer einer Infanterie-Begleitbatterie (Ernennung am ). 7 Das E.K. II. Kl. erhielt er am 4. Dezember 1915, das der I. Kl. am 23. Dezember Höhepunkt seiner kriegsmilitärischen Karriere war die Verleihung des Ritterkreuzes des Königlichen Hohenzollern-Hausordens mit Schwertern am 23. Juni Jahre später, im Januar 1935, bekam Bohnenkamp für seine militärischen Verdienste im Namen des Führers und Reichskanzlers rückwirkend das Ehrenkreuz für Frontkämpfer verliehen, das von dem Reichspräsidenten Generalfeldmarschall von Hindenburg zur Erinnerung an den Weltkrieg 1914/18 gestiftet worden war. 8 6 Vgl.: Pädagogik in Selbstdarstellungen, Bd. 1. Herausgegeben von Ludwig J. Pongratz. Hamburg 1975, S. 64. Im Folgenden abgekürzt: Selbstdarstellung Kriegsranglisten-Auszug des Leutnants der Reserve Bohnenkamp. In: Archiv der deutschen Jugendbewegung, Burg Ludwigstein bei Witzenhausen: Nachlass Hans Bohnenkamp. Aus dieser Quelle stammt auch der Großteil der Abbildunen 8 Archiv der deutschen Jugendbewegung, Burg Ludwigstein bei Witzenhausen: Nachlass Hans Bohnenkamp.

9 Ritterkreuz des Hohenzollernordens 9 Zahl jener, die, wie etwa der Schriftsteller Ernst Jünger, schon bald nach Kriegsende das Kriegserlebnis zum Mythos hochstilisierten, die Frontkameradschaft, Disziplin, militärisches Führer-Gefolgschafts-Verhältnis idealisierten und auf Soldatenfriedhöfen und an Gedenkstätten einen einzigartigen nationalistischen Gefallenenkult zelebrierten, unvergleichlich höher. Sie standen in heftiger Opposition zur Weimarer Demokratie. Auch bei Hans Bohnenkamp dominierte das militaristisch-nationalistische Kriegserlebnis und führte nachhaltig zu spezifischen Verhaltens- und Einstellungsmustern. Am 21. Juni 1919, zu Sonnwend, sprach er als Repräsentant der Marburger Studenten in der Universitätskirche in Marburg anlässlich der Feier der Philipps- Universität zu Ehren ihrer Gefallenen das offizielle Gelöbnis. Nach dem Trauermarsch von Beethoven sprach er feierlich vom Heldentod als steilen Gipfel der Vollendung, vom Rausch der Schlacht und höchster Steigerung, von heiligem Dienst am Volk. Der Tempel des Vaterlandes sei zerstört. Nun stehen wir in seinen Trümmern und wissen keinen Rat und sehen neuer Bauleute kärgliches Bemühen, die ungefügen Blöcke zu einem Kaufmannsladen zurechtzuschieben, darin armselige Bequemlichkeit sein soll. Da opfert niemand mehr, denn nichts ist, das Opfer fordern könnte. Die Feier schloss mit dem Deutschlandlied. 9 Hans Bohnenkamp war wohl während der mehr als 4jährigen ununterbrochenen Kriegsteilnahme nie ernsthaft verwundet worden, in den Personalnotizen ist lediglich ein einwöchiger Reservelazarettaufenthalt in Minden Anfang November 1918 wegen Grippe und Darmkatarrh vermerkt. Zum 1. Februar 1919 wurde er als hoch dekorierter Offizier (Ritterkreuzträger!) aus dem Heeresdienst entlassen. Ehrenkreuz für Frontkämpfer 3. Karrieresprung eines Republikgegners: Vom Lehrer zum Professor in der Weimarer Republik Während viele der vormals begeisterten Kriegsfreiwilligen während des Kriegsgeschehens früher oder später zu Kriegsgegnern, zu Pazifisten konvertiert sind, war die Gelöbnis Vgl. Programmheft: Sonnwend Den Gefallenen der Universität Marburg zum Gedächtnis. Feier der Philipps-Universität in der Universitätskirche zu Marburg. Samstag, den 21. Juni 1919 vormittags.

10 Jahre später wird von einem ehemaligen Studenten der Hochschule für Lehrerbildung in Elbing mit Sympathie für seinen akademischen Lehrer Bohnenkamp berichtet: Wovon er nicht oder vielleicht nur im engsten Kreise spricht, ist das Erlebnis des Soldatischen. Männlichkeit, Tapferkeit, Opferbereitschaft, Kameradschaft, Pflichterfüllung und Verantwortungsbewußtsein, die Tugenden des Soldaten gehören diesem Menschenbild ja nicht allein. Nur erfahren sie im Krieg ihre größte Zuspitzung und die Möglichkeit höchster Bewährung, eben die Probe auf Echtheit und Wahrhaftigkeit. 10 Unmittelbar nach dem aktiven Kriegsdienst hatte Bohnenkamp sein Studium in Marburg mit dem Frühjahrs- Zwischen-Semester 1919 fortgesetzt mit dem Ziel, Lehrer zu werden. 11 Vom 13. Februar 1919 bis 12. März 1920 war er als Mathematik-Student immatrikuliert. In den vier Semestern (davon 2 Zwischen-Semester für Kriegsteilnehmer) hat er sein Fachstudium intensiviert und nebenher noch je eine Vorlesung in Kunstgeschichte (bei Prof. Richard Hamann) und eine zur Geschichte der Pädagogik (bei Prof. Natorp) besucht. In der Marburger AV war er sofort wieder aktiv und führte in den Ockershäuser Blättern, dem 1916 gegründeten Publikationsorgan der AV, die Chronik des Vereinslebens mit allen wichtigen News. Nahezu die Hälfte aller Marburger AVer war im Ersten Weltkrieg gefallen. Am 17. März 1920 meldete sich Bohnenkamp zur wissenschaftlichen Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen und erhielt zur schriftlichen Bearbeitung die Aufgaben: 1. Es sind die Formeln für Amplituda und Intensität bei der Reflexion von circular und elliptisch polarisiertem Licht aufzustellen und zu diskutieren; 2. Schellings naturphilosophische Weltanschauung (bis 1800 exkl.) und Goethes Verhältnis zu ihr. 12 Wenige Tage nach seiner Examensanmeldung auf dem Prüfungsamt beteiligte sich Hans Bohnenkamp aktiv an der gewaltsamen Niederschlagung von Arbeiteraufständen im benachbarten Thüringen im Anschluss an den Kapp-Lüttwitz-Putsch. Er gehörte zum berüchtigten Studentenkorps Marburg, dem u.a. die Ermordung von 15 Aufständischen bei Mechterstädt zur Last gelegt wurde ein abscheuliches Verbrechen, das in der damaligen Öffentlichkeit reichsweit für Aufregung sorgte. Bohnenkamp, der in die Mordtat selbst nicht unmittelbar involviert war, war, wie aus einer eidesstattlichen Erklärung vom 11. April 1938 hervorgeht, vom Tage der Auf- 10 stellung an bis zum Tage der Auflösung Angehöriger des Marburger Studentenkorps. Herr Bohnenkamp stand beim III. Zug (Führer Oberltn. a.d. Dr. med. dent. Aßmann) der von fachwissenschaftlichen Vereinen, D.C.S.V., Deutsche Akad. Freischar und Akad. Vereinigung Marburg gestellten Kompagnie und hat mit dieser die Aktion in Thüringen mitgemacht. 13 Im Sommersemester 1920 lernte Bohnenkamp den 5 Jahre jüngeren Adolf Reichwein kennen, der zur Fortsetzung seines Studiums von Frankfurt/Main nach Marburg/Lahn gewechselt war und dessen Mentor in der Akademischen Vereinigung Hans Bohnenkamp wurde. Aus dieser Begegnung entwickelte sich zwischen beiden trotz unterschiedlicher politisch-ideologischer Auffassungen - eine lebenslange Freundschaft. 14 Der mündlichen Prüfung in den didaktischen Fächern unterzog sich Bohnenkamp am 30. Juli und am 29. Oktober 1920, unmittelbar danach begann er seinen Vorbereitungsdienst als Studienreferendar am Staatlichen Gymnasium in Minden, seiner alten Penne, wo ihm schon im Mai 1921 die Vertretung einer fehlenden Lehrkraft übertragen wurde. Die pädagogische Prüfung leistete er am 25. Juni 1921 ab. In den Hauptfächern Mathematik und Physik ebenso wie im Nebenfach Chemie schloss er die Prüfungen mit der Note gut ab, die zugleich die Examens-Gesamtnote abgab. 15 Unmittelbar nach Ableistung der pädagogischen Prüfung ließ sich Bohnenkamp beurlauben und ging am 15. Juli vom Vorstand des Deutschen Schulvereins in Rotterdam zum Oberlehrer ernannt - an die Deutsche Schule zu Rotterdam in den Niederlanden. Zum 1. Oktober 1921 wurde ihm vom zuständigen Provinzialschulkollegium in Münster die Anstellungsfähigkeit für das Lehramt an höheren Schulen zuerkannt. Bis 1925 blieb der Studienassessor Hans Bohnenkamp an der deutschen Auslandsschule in Rotterdam. 16 Während dieser Zeit heiratete er am 13. Juli 1923 die Tochter eines oberschlesischen Bergmannes, der es bis zum Obersteiger gebracht hatte, Liselotte Fischer, die am 19. August 1901 in Buchatz, Kreis Tannowitz, geboren wurde. Sie hatte im April 1917 das Lyzeum in Breslau erfolgreich abgeschlossen und sich nach dem Ersten Weltkrieg vom August 1920 an in einem zweijährigen 13 Archiv der deutschen Jugendbewegung, Burg Ludwigstein bei Witzenhausen: Nachlass Hans Bohnenkamp. Interessant ist auch der Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung: In der Weimarer Republik verpönt, war es nach 1933 wieder opportun, sich zu der Mechterstädt-Aktion des Marburger Studentenkorps zu bekennen. 10 Konrad Siebert: Professor Hans Bohnenkamp. In: Elbing- Kreis-Heft 61/April Herausgegeben von der Zentralstelle des Elbing-Kreises, S ; hier S Vgl. Selbstdarstellung 1975, S Vgl.: Archiv der deutschen Jugendbewegung, Burg Ludwigstein bei Witzenhausen: Nachlass Hans Bohnenkamp. 14 Über die Aktivitäten Reichweins und Bohnenkamps im Rahmen der AV wird im nächsten RF-Heft ausführlich von Ullrich Amlung berichtet werden. 15 Vgl.: Archiv der deutschen Jugendbewegung, Burg Ludwigstein bei Witzenhausen: Nachlass Hans Bohnenkamp. 16 Vgl.: ebd.

11 Lehrgang an der Loheland-Schule für Körperbildung, Landbau und Handwerk in der Rhön im Kreis Fulda zur Lehrerin in klassischer Gymnastik (nach der Methode von Rohden-Langgaard) ausbilden lassen. Im Mai 1922 hat sie das Lehrerinnenexamen erfolgreich absolviert und damit die Erlaubnis erworben, die Körperbildung nach der Lehrweise von Rohden-Langgaard unterrichtend zu vertreten. Gleichzeitig wurde sie aufgenommen in den Lohelandbund e.v. 17 Reisepass Liselotte Bohnenkamp 1953 Es ist möglich, dass sich Liselotte und Hans Bohnenkamp bei einer geselligen Veranstaltung der AV kennen gelernt hatten, zu denen der Rohden-Langgaard- Tanzkreis häufiger eingeladen wurde. Die beiden Brüder Gotthold und Heinz von Rohden gehörten zu den ersten Mitgliedern der AV Marburg; beide sind im Ersten Weltkrieg gefallen. Später kam auch ihr jüngerer Bruder Wilhelm zur AV. Überhaupt scheint die AV für die Bohnenkamp-Geschwister eine ganz besondere Bedeutung gehabt zu haben: Im November 1919 wird in den Okkershäuser Blättern berichtet, dass Frieda Bohnenkamp, Hannes ein Jahr ältere Schwester, und Fritz Hattenhauer geheiratet haben. Beide hatten sich beim Pfingstfest der AV im selben Jahr kennen gelernt. Aus der Ehe zwischen Hans und Liselotte Bohnenkamp gingen 4 Kinder hervor: Konrad (geb. 1924), Johanna (geb. 1928), Eleonore ( ) und Ulrike (geb. 1936). Von 1925 bis 1927 war Hans Bohnenkamp als Studienassessor an der Pestalozzischule-Staatliche Aufbauschule in Unna/Westfalen tätig, ehe er im April 1927, nachdem er von der Bremischen Senatskommission für das Unterrichtswesen zum 1. April 1927 zum Studienrat ernannt worden war, an das städtische Oberlyzeum Kippenberg in Bremen wechselte. In diese Zeit fallen Planungen Bohnenkamps für das Projekt Schuljahr zu Schiff : Unterprimaner aus verschiedenen hanseatischen Schulen sollten auf einem Segler oder kleinen Dampfer für die Dauer eines Jahres eine Weltreise machen 17 Vgl.: ebd. 11 Wohl wegen nicht bewilligter Gelder konnten die Pläne nicht verwirklicht werden Jahre später, zum 1. April 1930, wurde Bohnenkamp von dem erst seit kurzem amtierenden preußischen Kultusminister Adolf Grimme als Professor für Mathematik und Praktische Pädagogik (Besoldungsgruppe C 3) an die neu gegründete und von Otto Haase geleitete Pädagogische Akademie (PA) in Frankfurt/Oder berufen. Otto Haase war zuvor Leiter der Trüperschen Erziehungsheime in Jena (Sophienhöhe) gewesen und als Vorsitzender der VHS-Jena gut bekannt mit dem seinerzeitigen Jenaer VHS-Leiter Adolf Reichwein. Nach Bohnenkamps eigener Aussage hatte Reichwein, der 1929/30 persönlicher Referent des preußischen Kultusministers C.H. Becker, Grimmes Amtsvorgänger, war und in dieser Funktion maßgeblich an den Vorbereitungen zur Gründung der vier 1930 eingerichteten Pädagogischen Akademien beteiligt war, den Kontakt zwischen Bohnenkamp und Haase hergestellt, der als Akademiedirektor bei der Zusammenstellung des Dozentenkollegiums relativ freie Hand hatte. 19 Bohnenkamp war weder promoviert, noch hatte er bis zu diesem Zeitpunkt nennenswerte wissenschaftliche Publikationen in den von ihm vertretenen Fachrichtungen vorzuweisen. Abschied aus Frankfurt/Oder 1932 Im Juni 1931 hält Bohnenkamp auf der Konferenz der Direktoren und Erziehungswissenschaftler der Pädagogischen Akademien im Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung in Berlin erstmals ein Referat über den Aufbau des erziehungswissenschaftlichen Studiums an der PA Frankfurt/Oder. 20 Nach der Schließung 18 Vgl. Konrad Siebert: Professor Hans Bohnenkamp. In: Elbing-Kreis-Heft 61/April Herausgegeben von der Zentralstelle des Elbing-Kreises, S Vgl. Selbstdarstellung 1975, S. 65f. 20 Der Vortrag ist abgedruckt in: Zwei Jahre Lehrerbildung. Dokumente aus der Arbeit der Pädagogischen Akademie Frankfurt a.d. Oder Langensalza, Berlin, Leipzig: Beltz, 1933, S ; wieder abgedruckt in: Helmuth Kittel (Hrsg.): Die Pädagogischen Hochschulen. Dokumente ihrer Entwicklung (I). Darmstadt 1965, S

12 dieser Akademie am Ende des WS 1931/32 im Zuge der preußischen Sparmaßnahmen - Bohnenkamp hatte bei der Abschlussprüfung der Studierenden kraft Ernennung durch den preußischen Kultusminister den Vorsitz des Prüfungsausschusses inne - war er bis 1934 als C2- Professor für Mathematik und Philosophie bzw. Praktische Erziehungswissenschaft an der PA bzw. (seit 1933) der Hochschule für Lehrerbildung (HfL) in Elbing tätig. 12 Vom 1. April 1941 bis Mai 1945 war er Professor mit Planstelle eines Studienrats an der nun so genannten Lehrerbildungsanstalt Cottbus. 21 Hans Bohnenkamp war seit Mitglied der SA; seine Dienststellung war (seit ): Sachbearbeiter für Sport beim Sturmbann I/Sta. 52, Gruppe: Oder; seit lautete sein Dienstgrad: SA-Sturmführer; zuletzt (seit ) SA-Hauptsturmführer (in besonderer Anerkennung für seinen tapferen Einsatz bei den schweren Kämpfen um Stalingrad). 22 Seit dem war Bohnenkamp NSDAP-Mitglied. 23 Sein Partei-Aufnahme-Antrag stammt vom , so dass der Eintrittstermin offenbar zurückdatiert worden ist. Bohnenkamp mit Vater und Sohn Lehrerbildner und Soldat in der Zeit des Nationalsozialismus 1934 wurde Bohnenkamp an die wiedereröffnete HfL in Cottbus versetzt, wo er seit 1. April 1934 als Professor für Erziehungswissenschaft tätig war. Im Juni 1935 wurde Hans Bohnenkamp vom Reichserziehungsminister Bernhard Rust zum Ermittlungsführer in Verfahren ernannt, die gemäß der neu eingeführten Strafordnung gegen Studenten der Hochschule eingeleitet werden. NSDAP-Aufnahmeantrag Der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) gehörte er seit August 1933, dem Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) seit September 1934 und dem NS- Altherrenbund seit 1937 an. 24 Im Juni 1938 bekommt Bohnenkamp in Anerkennung für 25jährige treue Dienste das silberne Treudienst- Ehrenzeichen vom Führer und Reichskanzler verliehen. Zum 1. Mai 1939 wird er innerhalb des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) an der HfL Cottbus zum Hochschulringführer berufen. Im August 1939, vor Stilllegung der Cottbuser HfL am , wurde Bohnenkamp als Hauptmann d. Res. und Kommandeur der Artillerie-Offiziersschule in Jüterbog zur Wehrmacht einberufen, wo er als Lehrer für Waffendienst tätig war. Der Wehrmacht gehörte er seit 1937 an, seine letzte Militärübung hatte er 1938 abgelei- 21 Vgl.: Archiv der deutschen Jugendbewegung, Burg Ludwigstein bei Witzenhausen: Nachlass Hans Bohnenkamp. 22 Bundesarchiv (ehem. Berlin Document Center): Personenbezogene Unterlagen zu Hans Bohnenkamp. Wehrpass In seinem Entnazifizierungsverfahren gibt er 1946 an, dass er sowohl im November 1932 als auch im März 1933 SPD gewählt habe. 24 Bundesarchiv (ehem. Berlin Document Center): Personenbezogene Unterlagen zu Hans Bohnenkamp.

13 stet, bei der er zum Hauptmann der Res. befördert wurde. 25 Während seiner einjährigen Lehr- und Ausbildungstätigkeit in Jüterbog verfasste Bohnenkamp für die Reichsstelle für den Unterrichtsfilm, seit 1940 Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht in Berlin, die beiden Unterrichtsbeihefte: - Ein Kampftag an der Westfront. Aufnahmen aus dem Weltkrieg. (Beihefte der Reichsstelle für den Unterrichtsfilm; F 204). Stuttgart, Berlin: Kohlhammer, 1939 (31 S. mit Abb.). - Eine Batterie geht in Stellung. (Beiheft der Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht; F 13 Ritterkreuzträger und SA-Hauptsturmführer 215). Stuttgart, Berlin: Kohlhammer, 1940 (32 S.). Im November 1940 kam Hans Bohnenkamp zum Militärdienst nach Frankreich (bis April 1941). Seitdem gehörte er zum Artillerieregiment 295. Im Juni 1941 wurde er Kommandeur einer Artillerieabteilung. Am bekam er im Namen des Führers und Obersten Befehlshabers der Wehrmacht die Spange zum Eisernen Kreuz 1. Klasse verliehen. Am wurde er zum Major der Res. befördert. Seit war er Major und Bataillonsführer des Artillerie-Regiments 295 vor Stalingrad, wo er am verwundet wurde. Dafür bekam er noch am selben Tag im Felde das Verwundetenabzeichen in schwarz. Dem Untergang der 6. Armee vor Stalingrad entging er dadurch, dass er ins Reservelazarett ausgeflogen wurde. Am 22. Dezember 1942 wurde ihm vom Oberstleutnant und Kommandeur des Artillerie- Regiments 295 Neuberg das Sturmabzeichen verliehen. Am wurde Bohnenkamp als Kommandeur des III. Bataillons, Artillerie-Regiment 295, mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet. Er war damit der 151. Ritterkreuzträger aus den Reihen der SA. 25 Vgl.: Archiv der deutschen Jugendbewegung, Burg Ludwigstein bei Witzenhausen: Nachlass Hans Bohnenkamp Von März bis Juni 1943 war er Kommandeur der Artillerieschule der 18. Armee. Ab Juli 1943 kam er als Kommandeur eines Artillerieregiments (A.R. 332) erneut nach Russland an den Orel- Bogen. Am wurde er zum Oberstleutnant befördert, ehe er erneut verwundet wurde. Anfang 1944 kam Oberstleutnant Bohnenkamp zur Deutschen Heeresmission in der Slowakischen Republik (Tiso-Regime) in Bratislava (Preßburg) und schließlich im November 1944 als militärischer Leiter an die Panzertruppenschule in Bergen in der Lüneburger Heide. 26 Hier geriet er im Frühjahr 1945 in britische Kriegsgefangenschaft und wurde dann in einem Lager bei Ostende (Belgien) interniert. In der Lagerakademie lernte er den Oberleutnant Helmut Schmidt kennen, den späteren SPD-Bundeskanzler. Schmidt hat in Gesprächen und Interviews wiederholt auf die Bedeutung Bohnenkamps für seinen eigenen Weg in die SPD hingewiesen, zuletzt in der Zeit (2001, H. 37) und im Spiegel (2006, H. 1). Darin heißt es u.a.: Wichtige Erkenntnisse ganz anderer Art habe ich in britischer Gefangenschaft gewonnen. Wir kampierten auf belgischem Boden, unter freiem Himmel, hatten nichts zu essen und sahen einer ungewissen Zukunft entgegen. Um keine Verzagtheit aufkommen zu lassen und die bleiernen Tage zu nutzen, haben wir wie das in vielen deutschen Gefangenenlagern geschah eine Art Lehrbetrieb aufgemacht. Mehrere von uns hielten Vorträge; ich redete über eine Sitzung des berüchtigten Volksgerichtshofes, zu der ich als Zuschauer abkommandiert worden war. - Von denen, die vortrugen, beeindruckte mich ein Mann besonders, der etwa 20 Jahre älter war als ich, ein Oberstleutnant der Reserve, hoch 26 Alle Angaben zur militärischen Laufbahn während des Zweiten Weltkriegs zusammengestellt nach Unterlagen aus: Archiv der deutschen Jugendbewegung, Burg Ludwigstein bei Witzenhausen: Nachlass Hans Bohnenkamp. Vgl. auch: Alexander Hesse: Hans Bohnenkamp. In: Ders.: Die Professoren und Dozenten der preußischen Pädagogischen Akademien ( ) und Hochschulen für Lehrerbildung ( ). Weinheim 1995, S

14 dekoriert, Ritterkreuz, wahrscheinlich sogar mit Eichenlaub. Vor dem Krieg hatte Hans Bohnenkamp als Professor Pädagogik gelehrt. Jetzt analysierte er für uns junge Zuhörer aus einer christlichen und sozialen Grundhaltung heraus, was in den vergangenen Jahren an Furchtbarem geschehen war, und sprach darüber, wie sich Deutschland verändern müsse. Bohnenkamp hat mir beigebracht, was Demokratie und Rechtsstaat bedeuten. Unter seinem Einfluss bin ich im Gefangenenlager zum Sozialdemokraten geworden aus unter dem Titel: Behauptung der Person 31, 10 Jahre später zum 80. Geburtstag erschien von den selben Herausgebern - zusammen mit Bohnenkamps Tochter Johanna Harder - eine Sammlung von Aufsätzen aus der Feder Bohnenkamps Lehrerbildner, Bildungspolitiker und Bürger in Uniform nach 1945 in der BRD Ende August 1945 wurde Hans Bohnenkamp nach Lamspringe bei Hildesheim, wo sich auch seine Familie aufhielt, entlassen. 28 Schon kurze Zeit nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft wurde er Direktor der Pädagogischen Hochschule (PH) in Celle und Professor für Pädagogik und Philosophie. 29 Diese PH sie erhielt im Oktober 1946 auf Vorschlag Bohnenkamps hin von Adolf Grimme, dem nunmehrigen niedersächsischen Kultusminister, den Namen Adolf-Reichwein-Hochschule verliehen - wurde 1953 nach Osnabrück verlegt. Nicht nur in seiner Lehrtätigkeit hat sich Bohnenkamp sehr um die Erinnerung an seinen 1944 hingerichteten Freund Adolf Reichwein bemüht, er hat auch 1946 den Freundeskreis Adolf Reichwein ins Leben gerufen und das Adolf- Reichwein-Archiv gegründet und selbst über Jahrzehnte hinweg geleitet trat Prof. Bohnenkamp in den Ruhestand, hatte jedoch danach noch bis 1963 einen Lehrauftrag für Schul- und Kulturpolitik an der PH Osnabrück und war bis 1968 Mitherausgeber der Zeitschrift für Pädagogik. Zu seinem 70. Geburtstag am 17. April 1963 gaben seine Freunde und Kollegen Helmuth Kittel und Horst Wetterling ihm zu Ehren eine Festschrift her- PH Celle 1946 Neben seiner akademischen Lehrtätigkeit war er auch in mehrfacher Hinsicht bildungspolitisch aktiv. Von 1950 bis 1958 war er Vorsitzender der Konferenz der Pädagogischen Hochschulen Niedersachsens, von 1952 bis 1958 auch Vorsitzender des bundesweiten Arbeitskreises Pädagogischer Hochschulen gehörte Bohnenkamp zu den Unterzeichnern der Tutzinger Empfehlungen, die auf einer Tagung der Studienkommission für Lehrerbildung in der Evangelischen Akademie Tutzing im März d.j. verfasst wurden. Von 1953 bis 1965 war Bohnenkamp Mitglied im Deutschen Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen 33 und zusammen mit Erich Weniger von 1958 bis bzw. 2. Sprecher des Beirats für Fragen der Inneren Führung der Bundeswehr (Wolf Graf von Baudissin) im Verteidigungsministerium. 27 Die Zeit, 2001, H. 37. Bohnenkamp hielt in dem Gefangenenlager, wie sich Schmidt an anderer Stelle erinnert, einen Vortrag mit dem Titel Verführtes Volk, in dem er eine Generalabrechnung mit den Nazis versuchte. Das führte dazu, dass die Mehrheit der jüngeren Offiziere uns für Nestbeschmutzer hielt. Da die Engländer Spione im Lager hatten, bekamen sie das mit, und wir wurden entlassen, und die anderen mussten noch zwei Jahre in französischen Bergwerken arbeiten. (Der Spiegel, 2006, H. 1, S. 51). 28 Auch wenn verschiedentlich behauptet wurde, Bohnenkamp sei nach 1945 der SPD beigetreten (Hesse 1995, S. 187), so konnten bisher keine Hinweise auf eine SPD-Mitgliedschaft gefunden werden. (Auskunft Friedrich-Ebert-Stiftung, Archiv der sozialen Demokratie vom ). 29 Über das Entnazifizierungsverfahren von Bohnenkamp wird Klaus Schittko im nächsten RF-Heft berichten. 30 Das von Bohnenkamp konstruierte Reichwein-Bild hat die Reichwein-Rezeption bis zum heutigen Tag maßgeblich geprägt. Karl Christoph Lingelbach wird im nächsten RF-Heft darüber berichten. 31 Behauptung der Person. Festschrift für Hans Bohnenkamp zum 70. Geburtstag am 17. April Hrsg. von Helmuth Kittel u. Horst Wetterling. Weinheim: Beltz, Herausgefordert. Aufsätze aus 25 Jahren von Hans Bohnenkamp. Hrsg. von Johanna Harder u. a. (Osnabrücker Schriften zum Bildungswesen; Bd. 10).Osnabrück: Fromm, Vgl.: Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen: Empfehlungen und Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen Gesamtausgabe. Im Auftrage des Ausschusses besorgt von Hans Bohnenkamp, Walter Dirks und Doris Knab. Stuttgart: Klett, S.

15 15 Die Jahrestagung 2006 in Weimar und Jena Bericht und Beiträge Reisepass 1952 Für seine bildungs- und kulturpolitische Tätigkeit erhielt er 1958 das Große Verdienstkreuz des Bundesverdienstordens sowie 1963 das Große Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens, schließlich im Dezember 1967 die Justus-Möser-Medaille der Stadt Osnabrück. 34 Reisepass 1964 Am 1. Februar 1977 ist Hans Bohnenkamp in Schanzendorf, Kreis Ottersberg bei Bremen, gestorben. Er ruht neben seiner Frau Liselotte, die am 25. Oktober 1972 verstorben ist, auf dem Heger Friedhof in Osnabrück. 34 Über Bohnenkamps bildungspolitisches und pädagogisches Wirken nach 1945 wird im nächsten RF-Heft Wolfgang Harder ausführlich berichten. Das Bauhaus-Museum in Weimar Michael Siebenbrodt Das Bauhaus-Museum der Klassik Stiftung Weimar vermittelt mit mehr als fünfhundert Exponaten einen Einblick in die Kunst- und Kunstschulentwicklung Weimars von 1900 bis 1930, in deren Mittelpunkt das Staatliche Bauhaus Weimar 1919 bis 1925 steht wurden die Bauhausstätten in Weimar und Dessau zum UNESCO- Weltkulturerbe erklärt. Am 1. April 1919 gründete Walter Gropius das Staatliche Bauhaus Weimar als Zusammenschluss der ehemaligen Großherzoglich Sächsischen Hochschule für bildende Kunst und der Großherzoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule. An diese neuartige Hochschule für Gestaltung berief Gropius bis 1923 bedeutende internationale Künstler wie Lyonel Feininger, Johannes Itten, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Gerhard Marcks, László Moholy-Nagy, Georg Muche und Oskar Schlemmer. Wie kaum eine andere Bildungseinrichtung war das Bauhaus eng mit den sozialökonomischen, politischen und kulturellen Entwicklungen in der Weimarer Republik von 1919 bis 1933 verbunden. Das belegen die politisch motivierten Ortswechsel nach Dessau 1925 und Berlin 1932 ebenso wie die Direktorenwechsel zu Hannes Meyer 1928 und Ludwig Mies van der Rohe 1930, die stets auch mit programmatischen und strukturellen Veränderungen der Hochschule verbunden waren. Das Bauhaus wurde zu einem der wichtigsten Treffpunkte der europäischen Avantgarde und zum Synonym für die gesamte Moderne in Deutschland. Ausgehend vom Manifest und Programm des Bauhauses mit Feiningers Titelholzschnitt Kathedrale der Zukunft entwickelten die Bauhausmeister ein neuartiges Lehrprogramm mit dem Vorkurs Ittens, der Formen- und Farbenlehre von Klee und Kandinsky sowie der Aus-

16 bildung in verschiedenen Werkstätten bis hin zur Bühne und Architektur. Die Vision von einer neuen Einheit aller künstlerischen Disziplinen unter der Führung der Architektur und von der Ausbildung aller Talente der Studierenden mit Kreativitätstraining und Teamwork prägten das Bauhaus. Hier wurden durchschnittlich 150 Lyonel Feininger bis 200 Studierende ( ) - Kathedrale in zehn Werkstätten ausgebildet, bis zu 50 % weibliche und 30% ausländische Studenten. Im Mittelpunkt stand der Mensch, wie dies in den Bauhaus-Signets von Karl Peter Röhl und Oskar Schlemmer zum Ausdruck kommt. Während das Sternenmännchen Röhls mit der Pyramide, der Swastika als Sonnensymbol und dem als Jing-Jang-Motiv stilisierten Kopf die Visionen der frühen Bauhausjahre zum Ausdruck bringt, weist Schlemmers Signet mit seinem berühmten Profilkopf in strengen geometrischen Formen ab 1921 auf die intensive Auseinandersetzung mit der Industriegesellschaft hin, die in die Leitidee von Gropius Kunst und Technik eine neue Einheit mündete. Den Höhepunkt der Weimarer Jahre bildete die große Bauhaus-Ausstellung im Sommer 1923 mit der Präsentation von künstlerischen Werken in den Staatlichen Kunstsammlungen zu Weimar, von kunsthandwerklichen und Designobjekten in den Schulgebäuden und im Haus Am Horn, der ersten internationalen Architekturausstellung der Moderne, mit Theater- und Musikaufführungen in Jena und Weimar, mit internationalen Vorträgen sowie der künstlerischen Ausgestaltung der Schulgebäude durch Schlemmer, Gropius, Bayer und Joost Schmidt. Das Bauhaus nutzte die Weimarer Kunstschulbauten, die von 1904 bis 1911 nach den Entwürfen Henry van de Veldes errichtet wurden, aber bald nicht mehr genügend Platz für die steigenden Studentenzahlen boten. So wurden bereits ab 1920 Ideen für einen Schulneubau mit Werkstätten und Siedlung von Walter Determann entwickelt. Wegen der Nachkriegskrise und Inflation konnte von den nachfolgenden Planungen lediglich das Musterhaus Am Horn von Georg Muche 1923 ausgeführt werden, bevor in Dessau ab 1925 das Bauhausgebäude und die Meisterhäuser errichtet wurden. Das private Architekturbüro von Gropius wurde zum praktischen Ausbildungsfeld und vermittelte Aufträge an die Bauhauswerkstätten vom Modellbau in der Bildhauerwerkstatt 16 über farbige Raumgestaltungen durch die Wandmalereiwerkstatt bis hin zu Glasfenstern, Möbeln, Metallarbeiten und Textilien. Johannes Itten ( ) - Turm des Feuers, 1920; Rekonstruktion von Michael Siebenbrodt, Johannes Itten entwickelte auf der Grundlage seiner Studien bei Adolf Hölzel in Stuttgart den Vorkurs am Bauhaus. In diesem Probesemester sollten die Studierenden testen, ob sie für einen gestalterischen Beruf geeignet sind und welche Materialien sie bevorzugen. Mit Konzentrations- und Rhythmusübungen wurden mentale Grundlagen gelegt, während mit Material- und Kontrastübungen die Sensibilität vom Sehen bis zum Tasten erhöht werden sollte. Josef Albers vermittelte ab 1923 in der Vorlehrewerkstatt Grunderfahrungen zu Materialeigenschaften, Konstruktionen und Technologien in ihren Wechselwirkungen zur Form. Moholy-Nagy brachte in den Vorkurs solche Fragestellungen wie Gleichgewicht, Bewegung und Transparenz ein und orientierte ihn stärker auf die Belange der Industrieformgestaltung mit präziser Materialbearbeitung und formaler Strenge. Im Zentrum der Praxis orientierten Ausbildung standen in Weimar die Keramik-, Holz-, Metall-, Textil- und Wandmalereiwerkstatt, ergänzt um die Bildhauer-, Glasmalerei- und Buchbindereiwerkstätten. Nach dreijähriger Ausbildung sollten die Studierenden ihren Gesellenbrief vor der Handwerkskammer erwerben. Bereits ab 1922 forderte Gropius alle Lehrkräfte auf, die Werkstätten zu Laboratorien für die Industrie umzuwandeln,

17 den wichtigen Schritt von handwerklichen zu industriellen Herstellungsverfahren zu gehen. Diese Entwicklung lässt sich besonders gut an den mehr als 160 Werkstattarbeiten nachvollziehen, die gemeinsam von Gropius und Museumsdirektor Köhler 1925 aus tausenden Exponaten ausgewählt und den Staatlichen Kunstsammlungen zu Weimar übergeben wurden. Sie bilden heute den Kernbestand des Bauhaus-Museums, der durch zahlreiche Stiftungen, Schenkungen und Dauerleihgaben überwiegend aus dem Besitz von Bauhäusler-Familien auf mehr als Exponate angewachsen ist. Diese Werkstattarbeiten wurden überwiegend von Studierenden ausgeführt. Viele von ihnen gelten heute als Designklassiker des 20. Jahrhunderts. Während der Teppich für ein Kinderzimmer von Benita Koch-Otte wie ein abstraktes Gemälde wirkt, experimentierten Gunta Stölzl und Hedwig Jungnik mit unterschiedlichen Materialien und Webtechniken, um Stoffe für verschiedene Anwendungsfelder als Meterware zu entwickeln. Eines der herausragenden Objekte der Bauhaus-Tischlerei ist der Prototyp der Bauhaus-Kinderwiege von Peter Keler Peter Keler ( ) - Kinderwiege, 1922 Sie illustriert die Diskussion um die Zuordnung der Primärfarben Blau, Rot, Gelb zu den mathematischen Grundformen Kreis, Quadrat und Dreieck, definiert aber zugleich das Thema Kinderwiege mit viel Bewegungsfreiheit, guter Lüftung und tief gelegtem Schwerpunkt funktionell neu. Zu den programmatischen Entwürfen dieser Werkstatt gehören auch der Lattenstuhl von Marcel Breuer und die Kinderzimmermöbel von Alma Siedhoff-Buscher, die auch als Puppenbühne, Bauspiel und mit wachsende Sitzmöbel genutzt werden können. Aus der Metallwerkstatt wird noch heute die Tischlampe von Carl Jakob Jucker und Wilhelm Wagenfeld produziert, aber auch eine Kollektion von Aschenbechern von Marianne Brandt oder Teedo sen von Wilhelm Wagenfeld. Die Stahlrohrmöbel entstanden dagegen ab 1925 in der Dessauer Tischlereiwerkstatt unter Leitung von Marcel Breuer, der wie die anderen Bauhausabsolventen 17 Stölzl, Bayer, Scheper oder Albers als Jungmeister die Ausbildung in den Werkstätten übernahmen. Das Bauhaus-Schachspiel von Josef Hartwig gehört ebenso zu den bekannten Bauhausprodukten wie die Keramiken von Theodor Bogler und Otto Lindig. Bei seiner Kombinationsteekanne (L 1) variierte Bogler die Funktionselemente einer Kanne wie Griff, Schneppe und Eingussöffnung, um mit wenigen vorgefertigten Teilen Marianne Brandt ( ) - Teekanne, 1924 unterschiedliche Formvarianten zu erzeugen. Trotz dieser weit reichenden Designstrategien blieben die Erzeugnisse mit ihrer ungewöhnlichen geometrischen Formensprache weit hinter den Verkaufserwartungen zurück. Der soziale Anspruch, Produkte zu entwickeln, die formschön, funktionell, langlebig und preiswert mit einem Minimum an Material, Energie und Arbeitskraft hergestellt werden sollten, blieb uneingelöst. Deshalb setzte bereits 1923 in allen Bauhauswerkstätten eine Neuorientierung ein, die formale Dogmen zugunsten einer organischeren Gestaltung überwand und 1928 in die Aufforderung von Hannes Meyer Volksbedarf statt Luxusbedarf mündete. Die Bühnenwerkstatt des Bauhauses unter Leitung von Oskar Schlemmer hatte für die ganzheitliche Erziehung der Studierenden eine besondere Bedeutung. In ihr wurden praktisch alle Talente auf dem Gebiet der darstellenden Künste gefördert: Theater, Pantomime, Tanz, Musik, Bühnenexperimente. An den vielgestaltigen Bühnenprojekten beteiligten sich Studenten der verschiedenen Bauhauswerkstätten, so am Triadischen Ballett von Schlemmer, dem Mechanischen Ballett von Kurt Schmidt, den Reflektorischen Lichtspielen von Kurt Schwerdtfeger oder den Farben-Lichtspielen von Ludwig Hirschfeld-Mack. Die Bauhaus-Bühne und die berühmten Bauhaus-Feste wurden zu besonderen Trainingsfeldern für die Fach übergreifende Gemeinschaftsarbeit, für Teamwork. Zum kulturellen Leben am Bauhaus zählten auch regelmäßige Vorträge und Tanzabende der Bauhaus-Kapelle unter Leitung von Andor Weininger, die sich zu einer gefragten Jazz-Band in Deutschland entwickelte.

18 Die Rolle der bildenden Künste am Bauhaus erscheint ambivalent. Die Bauhauskünstler Itten, Klee, Kandinsky oder Schlemmer unterrichteten Gestaltungsgrundlagen mit Kursen zur Formen- und Farbenlehre als Basis für die handwerkliche und Designausbildung. Karl Peter Röhl ( ) Große Frankfurter Folge, Blatt 20, 1926 Eine reguläre Malereiausbildung fand am frühen Bauhaus nicht statt und erübrigte sich nach der Neugründung der Weimarer Kunsthochschule Freie Malklassen unter der Leitung von Klee und Kandinsky wurden erst 1927 am Bauhaus in Dessau gegründet. Auch die Bildhauerausbildung wurde bis 1925 von immer weniger Studierenden angenommen. Auf der anderen Seite beschäftigten sich fast alle Bauhausstudenten mit bildkünstlerischen Projekten und nutzten die freie Kunst zur Ausprägung der eigenen gestalterischen Handschrift und als Kreativitätspotenzial für die Arbeit in den Werkstätten. Die druckgrafische Werkstatt unter Leitung von Feininger stand für alle Lehrenden und Studierenden offen. Hier wurden die Mappenwerke Bauhaus-Drucke/Neue Europäische Graphik mit Unterstützung der Studierenden hergestellt, die dadurch die Gelegenheit hatten, bedeutende Arbeiten zeitgenössischer italienischer, französischer, russischer und deutscher Künstler kennen zu lernen. Theo van Doesburg hielt im Sommer 1922 im Atelier von Röhl seinen De Stijl-Kurs, der die Profilierung des Bauhauses beschleunigte. Schließlich stellten insbesondere Itten und Muche um 1921 ihre bisherige künstlerische Entwicklung in Frage und distanzierten sich von einseitiger Betonung der gegenstandslos abstrakten Kunst. So trugen die bildenden Künstler wesentlich zum offenen, pluralistischen Konzept des Bauhauses und dem internationalen Ideenaustausch mit der europäischen Moderne bei. Die bedeutende Kollektion mit Werken der Klassischen Moderne an den Staatlichen Kunstsammlungen zu Weimar wurde bereits 1930 aufgelöst und die verbleibende Sammlung in der Aktion Entartete Kunst 1937 beschlagnahmt und weit gehend vernichtet. Mit dem Gemälden Dröbsdorf von Feininger und Wasserpark im Herbst von Klee, mit der Schenkung von Muche mit Gemälden und Grafiken sowie dem beachtlichen Bestand an Druckgrafik von Feininger kann heute wieder ein bescheidener Einblick in das Schaffen der Bauhaus- 18 Künstler gegeben werden, der durch eine umfangreiche Sammlung von Werken der Studierenden ergänzt wird, aus der die Karl Peter Röhl Stiftung herausragt. Zum wichtigsten Vorläufer des Bauhauses entwickelte sich das 1902 von Henry van de Velde gegründete Kunstgewerbliche Seminar, das er 1907 zur Großherzoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule ausbaute. Bemerkenswert erscheint die moderne Ornament- und Farbenlehre, die von Henry van de Velde, Dora Wibiral und Dorothea Seligmüller unterrichtet wurde. Nicht Nachahmung von Musterbüchern und Vorlagen stand im Vordergrund der Ausbildung, sondern eigenständige Produktentwicklung in den Werkstätten. Das belegen auch die Entwürfe van de Veldes, die Gestaltungsimpulse aus Wasser- und Gasleitungen aufnehmen - wie beim Frisörsalon Haby - oder die Greiflinie der Hände zum Ausgangspunkt von Schreibtischformen macht. In den Werkstätten wurde bereits begonnen, zu industriellen Technologien Henry van de Velde ( ) Hängelampe, um 1906 überzugehen, so bei Gussmodellen für Keramik und Metall oder dem Einsatz von Schrauben im Möbelbau. Henry van de Velde gehörte zu den Mitbegründern des Deutschen Werkbundes 1907, in dem erstmals Industrielle und Gestalter gemeinsam die sozialen und kulturellen Probleme der Industriegesellschaft lösen wollten. Zu architektonischen Hauptwerken van de Veldes zählen in Weimar neben den Kunstschulbauten (UNESCO- Weltkulturerbe Bauhaus), das Nietzsche-Archiv und sein eigenes Wohnhaus Hohe Pappeln, die für Besucher offen stehen. Mit der Staatlichen Hochschule für Handwerk und Baukunst unter Leitung von Otto Bartning konnten Bauhausideen ab 1926 in Weimar fortgeführt werden. Bartning war bereits 1918 gemeinsam mit Gropius im Berliner Arbeitsrat für Kunst an der Ausarbeitung von Reformideen beteiligt, die in das Bauhausprogramm mündeten. An die Bauhochschule wurden überwiegend Absolventen und ehemalige Mitarbeiter des Bauhauses berufen, u.a. Ernst Neufert, Otto Lindig, Erich Dieckmann, Wilhelm Wagenfeld, Otto Dorfner und Ludwig Hirschfeld- Mack. Teilweise wurden Bauhaus-Ideen früher und effizienter umgesetzt als am Bauhaus selbst, so bei der Entwicklung und dem Vertrieb von Typenmöbeln oder bei der Einrichtung einer regulären Architektur- und

19 Städtebauausbildung. Mit dem Bau des Studentenhauses und des Abbeanums in Jena konnten bedeutende Universitätsbauten errichtet werden, die heute - denkmalgerecht saniert - besichtigt werden können. Die Schließung der Hochschule 1930 auf Betreiben des Thüringer Innen- und Volksbildungsministers Wilhelm Frick (NSDAP) markiert den Beginn der politischen Verfolgung der Moderne in Deutschland. Das 1995 gegründete Bauhaus-Museum in Weimar wirkt heute mit Unterstützung zahlreicher Bauhaus-Freunde aus aller Welt im engen Verbund mit der Bauhaus- Universität Weimar, der Stiftung Bauhaus Dessau und dem Bauhaus-Archiv Berlin. Die Ausbildung an der Fakultät Gestaltung der Bauhaus- Universität Weimar Hermann Stamm Die Fakultät Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar wurde 1993 also in den Nachwendejahren im Zuge der notwendig gewordenen Umstrukturierungsmaßnahmen der ehemaligen Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar gegründet. Dabei spielte die bis zur Goethezeit zurück reichende Tradition der Künstlerausbildung in Weimar eine bedeutsame Rolle, die im ruhmreichen Bauhaus kulminierte. Daran wollte man anknüpfen, doch nicht im Sinne einer Traditionspflege, sondern indem man ein für die heutigen Verhältnisse ähnlich revolutionäres Konzept zu verwirklichen trachtete, wie es seinerzeit das Bauhaus realisiert hatte. Auch wenn sie Teil einer universitären Struktur ist und vielerlei Verbindungen zu den anderen Fakultäten unterhält, nimmt die Fakultät Gestaltung de facto die Aufgaben einer Kunsthochschule des Landes Thüringen wahr und ist Mitglied der Rektorenkonferenz deutscher Kunsthochschulen. Sie verfügt über die Studiengänge Freie Kunst, Visuelle Kommunikation, und Produktdesign, den international ausgerichteten Masterstudiengang Kunst im öffentlichen Raum 19 ebenso wie den Studiengang Kunsterziehung an Gymnasien (in Kürze als Doppelfach Kunsterziehung, was die Ausbildung eines reinen Kunsterziehers ermöglicht). Neunzehn Professoren und einundzwanzig wissenschaftlich/künstlerische Mitarbeiter betreuen die Lehre der annähernd 600 Studenten. Dieses Lehrangebot wird von vielerlei Werkstätten ergänzt, in denen ebenfalls Kurse angeboten werden. Die Fakultät Gestaltung startete im Wintersemester 2003/04 zusätzlich einen Modellversuch zur Einführung eines Junior Teachers of Art, in dem ehemaligen Absolventen in die Lehre eingebunden werden. Dieses Studium endet mit dem Diplom (beim Studiengang Kunsterziehung an Gymnasien mit dem ersten Staatsexamen), das nach neun Semestern erworben werden kann. Dagegen setzt der Masterstudiengang als Aufbaustudium bereits einen einschlägigen Studienabschluss (z. B. das Diplom) voraus und vergibt den Titel eines Masters of Fine Art. Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge sind für 2007 in der Fakultät Gestaltung geplant. Aufnahmevoraussetzungen sind die allgemeine Hochschulreife (in der Regel durch das Abitur nachzuweisen) sowie der durch eine Aufnahmeprüfung zu erbringende Nachweis künstlerischer Eignung. Wie an Kunsthochschulen üblich, kann beim Vorliegen besonderer künstlerischer Begabung auf das Abitur verzichtet werden. Der Ruf der Stadt, der Ruf der Schule In Weimar gelegen, weiß die Fakultät Gestaltung die Möglichkeiten des Standortes zu nutzen. Einerseits ist Weimar eine Kleinstadt von etwa Einwohnern, was kurze Wege und eine familiäre Atmosphäre mit sich bringt, andererseits ein symbolischer Ort par excellence, in dem sich bedeutende deutsche Geschichte abspielte und die Deutschen sich und den Anderen erklären, was deutsche Identität im guten wie im schlechten Sinn ausmacht. Cranach, Wieland, Herder, Goethe, Schiller, Liszt, Nietzsche, van de Velde und das Bauhaus gehören ebenso wie die Hinterlassenschaft der Nazibarberei zum kulturellen Erbe. Als Touristenort muss man Weimar fast schon in eine Kategorie mit Salzburg und Venedig rechnen, weil kulturell weit mehr geboten wird, als die meisten Großstädte aufzuweisen haben. Es gibt bedeutende Museen, Gedenkstätten, Stiftungen, ein Nationaltheater, eine Musikhochschule und ständig Kulturereignisse, die sich an ein internationales Publikum wenden. Auch die Fakultät Gestaltung muss sich überregional definieren und bewähren, und da ist die am Ort notwendige und praktizierte Auseinandersetzung mit der Eventkultur ein guter Prüfstein. MFA, Kunst im öffentlichen Raum Autor: Anna Kling Was uns unterscheidet Die Fakultät weist als einem Reformkonzept verpflichtete Neugründung gegenüber den klassischen Kunsthochschulen einige Besonderheiten auf. Hervorzuheben ist

20 die freie Wählbarkeit der angebotenen Projekte für Studierende aller Studiengänge. Projekt Satyrn-Fliegen-Rokoko Freie Kunst-Tafel Autor: Steffen Wolfrum Betreuung: Prof. Elfi Fröhlich Dr. Anne Hoormann Christine Schmerse Die Kooperation der Lehrenden, der Einbezug der theoretischen Disziplinen in die Projekte und die Möglichkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit aller Fakultäten der Bauhaus-Universität können als ein Bauhaus-Erbe angesehen werden. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang auch die besonders ausgestatteten Werkstätten, denen die Fakultät einen Gutteil ihrer Ressourcen widmet. In der Komplexität der Arbeitsmöglichkeiten in Fotostudio, Labor, Videostudio, Druck-, Holz-, Metallund Kunststoffwerkstatt sowie aufgrund der qualitativen Ausstattung mit digitalen Pools kann die Fakultät den Vergleich mit anderen Kunsthochschulen bestens aufnehmen. Das integrierte Projektstudium und die angestrebte Balance der Studiengänge machen im Wesentlichen das Weimarer Modell der künstlerischen und gestalterischen Ausbildung aus. Programmatisch grenzt sich die Fakultät Gestaltung jedoch von den historisch gewordenen Bauhaus-Lehren ab. Die einzelnen Studiengänge und der Bereich der Theorie stehen in künstlerischer, gestalterischer und theoretischer Hinsicht im zeitgenössischen Diskurs und am Puls der Zeit. Projektstudium in Weimar heißt, dass die Lehrenden jedes Semester ein thematisch gebundenes, möglichst praxisnahes Angebot machen, aus denen die Studierenden frei auswählen können. Das bedeutet zunächst einmal, dass es in Weimar keine Klassenstruktur gibt, sondern den Studierenden eine freie Wahl der Lehrenden (eingeschränkt nur durch die vorhandenen Kapazitäten) eingeräumt wird. Die Lehre ist also um die Projekte organisiert, die zentrale Lehrform darstellen. Daneben gibt es Seminare, Übungen, Vorlesungen, Workshops, Kurse und Exkursionen, die der Ergänzung und der Unterstützung der Projektarbeit dienen. 20 Zum Verhältnis von Kopf und Werkzeug Der Projektunterricht geht von der Annahme aus, dass die kulturelle Entwicklung zu rasch voranschreitet, als dass einmal gelerntes Wissen, Techniken, gestalterisches Know How oder künstlerische Strategien ein Leben lang angewendet werden könnten. Das Problem für KünstlerInnen und GestalterInnen besteht darin, dass sie sich rasch auf wechselnde Anforderungen einstellen müssen. Sie müssen also gewissermaßen das Lernen lernen und zu permanentem Umdenken bereit sein. Dies hat zur Folge, dass die Fähigkeit zu generalisieren anhand exemplarischer Beispiele und Themen entwickelt wird. Praktika, Projekte und Ausstellungen ausserhalb der Hochschule und über Weimar hinaus ergänzen das Studium. Gesellschaftlich relevante Bezüge der zukünftigen Berufsbilder werden in der Lehre ebenso reflektiert wie spezifische praxisnahe Arbeitsformen. Fachkurs Plakate für das Neue Museum Weimar, Sammlung Paul Maenz Autor: Markus Goldammer Betreuung: Peter Heckwolf Besonders in den Studiengängen Visuelle Kommunikation und Produktdesign gilt es, sich in angemessener Zeit in ein neuartiges Problem zu vertiefen und im Team zu arbeiten. Natürlich gilt die Berührung mit der sozialen Realität ebenso für die Freie Kunst, betrachtet man etwa den zunehmenden Trend, Künstler mit Aufgaben im öffentlichen Raum zu betrauen. Im Gegensatz zum alten

21 21 den Problemen der Kunst im öffentlichen Raum zu befassen. Ebenso wäre es denkbar, sich innerhalb der Werbung auf Marketingkommunikation zu spezialisieren und auch die Leistungen in den Theoriefächern auf den gewählten Studienschwerpunkt abzustimmen. Welche Wahl auch getroffen wird: Das Studium in Weimar setzt eine gewisse Fähigkeit und Bereitschaft zur Eigenverantwortung der Studierenden voraus, die wir für sehr wichtig halten, da sie den späteren beruflichen Anforderungen an Künstler und Gestalter entgegenkommt. Bauhaus gibt es in der Fakultät keine verpflichtenden Werkstattgrundlagen und keine so genannte Grundlehre, sondern die Studierenden gehen von einer durch die in den Projekten angeregten eigenen Fragestellung aus, die einer innovativen und intelligenten Lösung bedarf. Erst wenn konzeptuell herausgearbeitet ist, dass eine Aufgabenstellung etwa mit den Mitteln der Malerei oder als Videoinstallation, in Kunststoff oder Beton oder grafisch bewältigt werden soll, sucht man die nötige Kompetenz in der Materialbeherrschung zu erlangen. Da unsere Lehre nicht nach den klassischen Gattungen organisiert ist, werden diese konzeptuell behandelt. Deshalb sollte, wer sich als konventioneller Maler, Bildhauer oder Plakatkünstler verstehen möchte, sich vielleicht andernorts umtun. Innovative Lösungen für neue Probleme erfordern einen anderen Umgang als das Memorieren des Bekannten. Unsere Ausbildung will ein Denken schulen, das vom Konzept ausgeht und sich dann erst den Fragen der Ausführung zuwendet. Daher gibt es an der Fakultät Gestaltung kein rigides Curriculum, keine Abfolge aufeinander aufbauender Lehrinhalte. Das bedeutet auch, dass der experimentellen Arbeit und der Intensität der selbstbestimmten künstlerischen und gestalterischen Auseinandersetzung großer Raum gegeben wird. Für die Studienanfänger hat es sich in den vier grundständigen Studiengängen als erfolgreich erwiesen, im ersten Studiensemester ein spezielles Einführungsprojekt bestehend aus einer Reihe von Kurzprojekten und Workshops zu offerieren, dass von allen Lehrenden der jeweiligen Fachrichtungen betreut wird. Im Laufe des Studiums werden kontinuierlich diverse Fachkurse und Workshops angeboten. Hier können spezielle Fachkenntnisse erworben werden, doch gibt es keine Vorschrift in der Studienordnung, in welcher Reihenfolge die Projekte und Kurse zu absolvieren sind. Jeder Studierende kann und muss also sein individuelles Curriculum zusammenstellen. Dabei hat er nur quantitativen Regeln zu folgen, wie viele Leistungen in einem gewissen Zeitraum zu erwerben sind. Im Prinzip ist es also möglich, sich entweder in interdisziplinärer Breite auszubilden oder aber sich zu spezialisieren und während des gesamten Studiums beispielsweise nur mit digitalen Medien zu arbeiten oder sich ausschließlich mit Nichts ist so praktisch, wie eine gute Theorie Verglichen mit anderen Kunsthochschulen ist im Lehrangebot der Fakultät Gestaltung ein ungewöhnlich hoher Theorieanteil zu verzeichnen. Fünf Professoren, die durchaus auch in den Projekten mitarbeiten, bieten die einschlägige Lehre an. Dies entspricht nicht nur einem konzeptuellen Ansatz, wonach die Durchdringung der Idee einer Realisierung vorangehen kann, sondern trägt der Tatsache Rechnung, dass ein Schwergewicht der gestalterisch/künstlerischen Arbeit sich verlagert hat: Um ihre Arbeiten realisieren zu können, müssen Künstler und Gestalter auch andere von der Bedeutung ihrer Vorhaben überzeugen können. Das setzt eine überzeugende Begründung und fundierte Darlegung ihrer Ideen voraus. Das Einwerben von Mitteln, die Gewinnung potentieller Partner, die Überwindung bürokratischer Hindernisse sind ebenfalls Teil der beruflichen Qualifikation. Deshalb wird bei den Projekten und insbesondere bei der Diplomverteidigung auch Wert auf eine professionelle Präsentation gelegt. An die hundert Veröffentlichungen, die aus der Fakultät inzwischen hervorgegangen sind, zeigen, dass unser Lehrkonzept ohne den angemessenen Einsatz diskursiver Mittel nicht denkbar ist. Die Fakultät verfügt über das Promotions- und Habilitationsrecht und macht davon nicht nur bei der Ernennung des Künstlers Hans Haacke zum Ehrendoktor durchaus Gebrauch. Ziel ist, insbesondere Absolventen künstlerisch/gestalterischer Studiengänge die Möglichkeit zur Promotion einzuräumen. In der Regel erfolgt nach dem Diplom ein vorbereitendes Ausbaustudium, ehe mit dem eigentlichen Promotionsstudium begonnen werden kann.

22 Eigentlich ein Schlusswort Nicht zuletzt wegen des Namens erfreut sich die Fakultät Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar eines guten internationalen Renommees. Sie hat seit ihrer Gründung eine Fülle von Kooperationen mit ausländischen Hochschulen abgeschlossen und darf ihrerseits als gesuchter Partner gelten. Inzwischen hat sich die Fakultät aber auch durch ihre Leistung innerhalb der konkurrierenden deutschen Kunsthochschulen einen sehr guten Ruf erworben, der sich in diversen Rankings niedergeschlagen hat, wo wir stets einen der vorderen Plätze belegen. Die Fakultät ist Mitglied der Rektorenkonferenz deutscher Kunsthochschulen, ihre Absolventen haben bereits eine Reihe von Preisen gewonnen und können sich im Berufsleben gut etablieren. Auch als Stätte der Ausbildung des Nachwuchses von Hochschullehrern können wir uns als ungewöhnlich erfolgreich bezeichnen. Auch wenn andere Schulen andere Vorzüge aufzuweisen haben, so ist es doch unser Stolz, unsere Fakultät für ein künstlerisches und gestalterisches Studium empfehlen zu können. 22 erfahrungsgemäß die meisten) dem geht es nicht besser als einem Skifahrer am Steilhang nach 20jähriger Pause. Deshalb schien es angebracht eine Hilfestellung zu geben, um die Kraft des musisch-schöpferischen Aktes erfahrbar werden zu lassen. Im Ästhetischen kann man grob zwei Wirkkomplexe unterscheiden: den der Farbe und den der Form. Um die malerische Aufgabe leichter zu machen, wurde die Form in Ansätzen vorgegeben: einmal als historische Weimaransicht und als Alternative einem Werk von Walter Dexel entlehnt. Es mag der Auseinandersetzung des Tages geschuldet sein, dass die meisten Teilnehmer sich für die Vorlage nach Walter Dexel entschieden eine klare, sachliche Flächenaufteilung einer Stadtansicht. Ästhetische Erziehung : die Praxis zur Theorie Gabriele Fecher Was wäre die Praxis ohne Theorie und umgekehrt die Theorie ohne die Praxis. Gut ineinander verzahnt, bereichern sie sich, verdeutlichen, schließen sich gegenseitig auf. Über die musische Seite nicht nur in Vorträgen hören, sondern sie auch durch eigenes Malen selbst ausüben dies war Anliegen des letzten Programmpunktes zum Ausklang eines inhaltsreichen und informativen Tages. Die vorausgegegange Führung im Bauhaus-Museum verwies auf einen zweiten Strang, der die Theorie mit der Praxis verbindet. Am Morgen waren Arbeiten von Walter Dexel vorgestellt worden, deren ästhetische Sprache die enge Beziehung zum Vokabular des Bauhausdesign deutlich werden ließ. Aber auch die reformpädagogischen Ideen, wie sie am Bauhaus vor allem von dem Maler und Pädagogen Johannes Itten vertreten wurde, schlugen den Bogen zum Gedankengut Reichweins und der praktischen Arbeit an der Staffelei. Am Anfang braucht es Mut! Das ist nicht zu unterschätzen und zu honorieren. Wer das letzte Mal in seiner Schulzeit einen Pinsel in der Hand hatte (und das sind Die Vorgabe der Form ermöglichte die Freiheit, sich ganz auf die individuelle Farbgebung und Ausführung konzentrieren zu können. Auf der Basis des Ittenschen Farbkreises war die Wahl persönlicher Farbkombinationen für den Einstieg zu treffen die Weiterentwicklung ergibt sich daraus meist von selbst. Die persönliche Handschrift eines jeden Einzelnen kommt auch im Bild zum Tragen selbst für den ungeübten Betrachter prä-

23 sentieren sich die Bilder so individuell wie ein persönlicher Brief. So entstanden trotz der engen Vorgabe individuelle und unverwechselbare Werke: von transparenter Aquarelltechnik hin zu deckend aufgetragenen Farbschichten, von pastellig zarten atmosphärischen Bildern hin zu kraftvoll leuchtenden Farbkontrasten, von feinen Pinselstrichen hin zu breiten pastosen Farbaufträgen reiht sich die Vielfalt der individuellen bildnerischen Handschriften. Das Künstlerische tun, das Musische erleben, entspannen durch Konzentration auf das Tun, die Einheit von Kopf und Hand, von Denken, Fühlen und Tun ein reformpädagogisch orientierter Tagesausklang im besten Sinne. Ästhetische Bildung im Werk Adolf Reichweins Gundel Mattenklott 23 der in Weimar 1926, nach der Vertreibung des Bauhauses, zum Direktor der Nachfolgeinstitution, der Staatlichen Bauhochschule, berufen wurde, war an den Gründungs-Manifesten des Bauhauses beteiligt gewesen, förderte aber in Weimar eine heimat- und handwerksorientierte Architektur in deutlicher Gegenposition zur Technikbegeisterung des Bauhausdirektors Gropius. Heute möchte ich in vielem an meinen Beitrag von 1996 anknüpfen, lege aber meinen Schwerpunkt auf die Frage, ob und inwiefern die Spuren ästhetischer Bildung in Reichweins pädagogischem Werk produktive Hinweise für heutiges Nachdenken über diesen Gegenstand geben können. Während die Literatur über Reichwein meist die ungeminderte Aktualität seiner Schriften beschwört, erfahre ich sie auch bei wiederholter Lektüre als fremde Gedanken- und Sprachwelt, die dennoch Schlaglichter auf pädagogisches Denken und Handeln heute zu werfen vermag, vielleicht gerade, weil sie, verfremdet durch veraltete Begriffe, unseren derzeit modisch abgegriffenen Formulierungen entkommt und der Lektüre Widerstand bietet. Ich werde drei Begriffe, die mir besonders aufgefallen sind, in den Mittelpunkt meiner Überlegungen stellen: Die Schule des Sehens, das Werk und die Form. Schule des Sehens Als ich vor zehn Jahren anlässlich der Berliner Präsentation der Freiburger Reichwein-Ausstellung über Aspekte ästhetischer Erziehung bei Reichwein geschrieben habe, legte ich den Schwerpunkt auf Reichweins schwierige Position zwischen Avantgarde und Regression: 35 Einerseits war der Automobilist, Flieger und Fürsprecher des Rundfunks und des Films als sinnvoll einzusetzender didaktischer Medien leidenschaftlich engagiert für Modernisierung und technischen Fortschritt, andererseits blieb er einer Vorstellung von Volkskunst als Erbe agrarischer Traditionen verhaftet, die bereits damals nicht nur als politische Position fragwürdig war. Ich habe 1996 betont, dass Reichwein diese prekäre Zwischenstellung mit künstlerischen Avantgarden des ersten Jahrhundertviertels teilte: So entdeckten die Künstler des Blauen Reiter, voran Kandinsky und Gabriele Münter, um das Jahr 1910 die bäuerliche bayrische Hinterglasmalerei und ließen sich von ihr als ethnographischer Kunst nicht weniger anregen als von Kinderzeichnungen. Auch das Bauhaus, zu dem Reichwein in der Jenaer Zeit Kontakte hatte, ist vom Hin-und- Her zwischen Innovation und Rückwendung nicht frei und kreuzt ein romantisches Mittelalter- und Handwerksbild ( Bauhütte ) mit dem Interesse an modernsten Techniken und strikter Funktionalisierung. Otto Bartning, 35 Gundel Mattenklott: Aspekte ästhetischer Erziehung im Werk Adolf Reichweins. Ein Pädagoge zwischen Avantgarde und Regression. In: Lothar Kunz (Hg.): Adolf Reichwein ( ). Oldenburger Vordrucke Der Begriff taucht bei Reichwein im ersten Kapitel der 1938 erschienenen Schrift Film in der Landschule. Vom Schauen zum Gestalten auf. 36 Das Kapitel ist überschrieben: Von der Anschauung Schule des Sehens. Das Interesse der Pädagogik an der Anschauung und an der Bedeutung von Bildern für das Lernen ist alt und geht bis auf Comenius zurück. Im Rahmen der pädagogischen Reformbewegung hatte Alfred Lichtwark als ein Protagonist der Kunsterziehungsbewegung die Notwendigkeit betont, dass das Sehen gelernt und geübt werden müsse. Seine Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken 37 können als Einführung in eine Schule des Sehens bezeichnet werden. Während Lichtwarks museumspädagogisches Modell auf die Betrachtung von Gemälden begrenzt bleibt, bezieht Reichwein 40 Jahre später Fotografie und die neuen Medien der Diaprojektion und des Films ein. Anders als bei Lichtwark steht bei ihm nicht die Erfassung des Bildinhalts oder der Bildgegenstände im Vordergrund; vielmehr zielt seine Schule des Sehens auf die Entwicklung strukturellen Sehens. 36 Heute kennen wir den Text unter dem Titel Film in der Schule. Die Änderung hat Heinrich Lenzen anlässlich der 2. bearbeiteten Auflage von 1967 vorgenommen. Ich zitiere aus: Adolf Reichwein: Schaffendes Schulvolk Film in der Schule. Die Tiefenseer Schulschriften - Kommentierte Neuausgabe, hg. von Wolfgang Klafki, Ullrich Amlung, Hans Christoph Berg, Heinrich Lenzen, Peter Meyer, Wilhelm Wittenbruch. Weinheim und Basel 1993.

24 Ehe ich diese Zielsetzung näher erläutere, werde ich Reichweins Argumentationsweg nachzeichnen das heißt: aus dem erzählerisch angelegten Text, in dem der Autor nicht jeden Gedankengang strikt verfolgt, vielmehr häufig abbricht und ohne Erläuterung zu anderen übergeht, die systematischen Aussagen vorsichtig von ihren Anwendungsbeispielen lösen und dabei den Bezug zur Unterrichtspraxis nicht aus den Augen verlieren. Peter Meyer hat zu einer solchen Systematisierung des Textes bereits Wichtiges beigetragen, dennoch scheint mir das Potential des Textes noch nicht erschöpft. 38 Das Kapitel beginnt mit einem Hinweis auf den Vorrang der unmittelbaren Begegnungen mit den großen Wirklichkeiten des Lebens 39. Die Schule soll dem Kind die nächste Nähe, die Heimat, in originaler Begegnung erschließen. Diese Heimat aber, als unmittelbare Welt, weitet sich zum großen Ganzen Deutschlands, und Deutschland mündet mit seinem Streben in die weiteren Räume Europas. Deutschland als Ganzes und seine lebendige Verknüpfung mit der größeren Welt entzieht sich der Wirklichkeitsanschauung des Kindes. Wir brauchen darum Künder dieser entfernteren Wirklichkeit: Sprache und Bild. 40 Auch Sprache und Bild will Reichwein nicht als Medien verstanden wissen, vielmehr sollen sie wiederum dem Kind unmittelbar begegnen. Der Erzieher soll nicht vorwegnehmend, erklärend, zerpflückend zwischen das Kind auf der einen, Sprache und Bild auf der anderen Seite treten. Erst wenn das Kind das Neue unmittelbar und persönlich in sich aufnehmen konnte, setzt die nachprägende Arbeit des Erziehers ein, der mit seiner Deutung hilfreich eingreift und die empfangenen Eindrücke geistig ordnet und dem Bewußtsein des Kindes verbindet. 41 Beim lebendigen Wort des Kindes, das seine eigene Sprache spricht, scheint es selbstverständlich, dass es keines Mittlers bedarf. Reichwein bezieht nun aber die Sprache der Dichtung ein, die er als ein Wiedertönen der Welt der Dinge in der Welt des Wortes versteht: Sprache malt die Dinge nicht ab, sondern gestaltet sie neu; sie legt ihr Wesen frei: den 24 Herbstmorgen, den Wind im Rohr. 42 Die hohe Sprache in Vers und Prosa gehört ebenso zur Schule des Sehens wie die unmittelbare Wirklichkeit, in die sie tiefer ] hineinführt und deren Hintergründe und Wesen sie erschließt. 43 Das dichterische Wort ist die höchste Form von Wirklichkeit, wenn es Klang wird. 44 Der verdichtete Sprachzauber 45 steht in Reichweins Schule des Sehens an erster Stelle. Wenn wir versuchen, diese heute ungewöhnlich anmutende Position der Dichtung 46 in eine begriffliche Sprache zu übersetzen, liegt Susanne K. Langers Unterscheidung zwischen diskursiven und präsentativen Symbolen nahe. 47 Die Sprache hat an beiden symbolischen Modi Anteil: als logisch eindeutige ist sie linearer Ordnung und diskursiv, als Dichtung gehört sie der simultanen Ordnung präsentativer Symbole an wie das Bild. Gedichte sind für Reichwein keine Bilder, aber beide haben eines miteinander gemein: die Einhelligkeit der gleichen, klaren und tiefen Empfindung, beide gehen gleichermaßen aufs Unmittelbare [ ] auf den bildhaft gefaßten Ausdruck einer Wirklichkeit, kurz auf Anschauung 48 Ganz anders verknüpft im nächsten Abschnitt der Schule des Sehens der Bildbericht Sprache und Bild. Neben eine Reihe von Bildern setzen z.b. Zeitschriften oder Sachbücher einen knappen wegweisenden Text. 49 Auch hier liegt eine Verdichtung der Sprache vor, aber nicht die des Gedichts oder der poetischen, sondern der journalistischen Prosa. Reichwein bezeichnet den Bildbericht als thematisch klar umrissene, im wesentlichen erschöpfende Darstellung einer bestimmten Wirklichkeit und vergleicht ihn mit einem Querschnitt. Der Text zu den Bildern ergänzt die Bildreihe inhaltlich, beantwortet Fragen, die sich aus den Bildern ergeben und vertieft deren Wirkung. Er nimmt, wie Reichwein schreibt, auf knappstem Ort verdichtet, die Gestalt einer Summe an. Daher eignet sich der Bildbericht als anfänglicher Hinweis oder als abschließende 42 Ebd. S Ebd. 37 Alfred Lichtwark: Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken. Dresden Vgl. Peter Meyer: Film in der Landschule. Reichweins medienpädagogisches Konzept zur Schulung des Sehens. In: Jürgen Hüther (Hg.): Vom Schauen zum Gestalten. Adolf Reichweins Medienpädagogik. München 2001, S , insbesondere S Reichwein (vgl. Anm. 36) S Ebd. S Ebd. S Ebd. S Ebd. S Die wohl auch deshalb z.b. bei Meyer unberücksichtigt bleibt. 47 Susanne K. Langer: Philosophie auf neuem Wege. Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst. Aus dem Amerikanischen von Ada Löwith. Frankfurt a. M Vgl. Kapitel 4: Diskursive und präsentative Formen. 48 Reichwein (vgl. Anm. 2) S. 211 f. Hervorhebungen S. 212 im Original. 49 Ebd. S. 221.

25 Zusammenfassung im Rahmen eines größeren Unterrichtsvorhabens. 50 An der Bildreihe, die den Bildbericht in der Regel kennzeichnet, erläutert Reichwein das, was Meyer treffend die erste Grundform der Seherziehung 51 genannt hat: die vergleichende Bildbetrachtung. Sie erzieht zur gleichzeitigen Erfassung verschiedener Bildinhalte. 52 Das Nebeneinander von Darstellungen heterogener, aber motiv- oder formähnlicher Gegenstände ermöglicht es dem Betrachter Zusammenhänge und Wesensmerkmale zu erkennen, die sich aus dem isolierten Bild nicht erschließen lassen. Reichwein führt im Text das Beispiel der Abbildung einer Schlange und eines Wikinger- Schiffsschnabels in Drachengestalt an das Kind erkenne so mit dem vergleichenden Blick auf beide Bilder die Dämonie des Schlangenwesens selbst und die Faszination, die es seit jeher auf Menschen ausgeübt hat. 53 Im Bildteil gibt der Autor ein (unkommentiertes) weiteres Beispiel: Ein frühneuzeitlicher Holzschnitt zeigt den Wagner bei der Arbeit der Radherstellung. 25 der lehnen an der Wand. Daneben stellt Reichwein ein Foto aus einer zeitgenössischen Werkstatt. Hier arbeitet ein Lehrling an einem senkrecht stehenden Rad, in dessen Speichen er greift. 54 Bildkomposition und dargestellte Situation sind verschieden, die gleich bleibende Radform jedoch weist auf die Motivgleichheit hin. Der Kreis mit der Nabe im Mittelpunkt und den radial ausstrahlenden Speichen zieht die Aufmerksamkeit durch mehrfache Wiederholung auf sich und prägt sich signalhaft ein über alle Unterschiede der dargestellten Situation hinaus zeigt sich das Rad in seiner geometrischen und funktionalen Vollkommenheit und formalen Klarheit. In beiden Beispielen fordert das Zusammenspiel von Kontrastierung und Ähnlichkeit der Bildmotive die genaue Betrachtung heraus und regt den detaillierten Vergleich an. In der Mitte der Werkstatt liegt ein Rad auf dem Boden, darüber beugt sich der arbeitende Meister; andere Rä- Die vertiefende Bildbetrachtung, in Meyers Terminologie die zweite Grundform, soll das Kind durch bewußte Übung dahin bringen, aus einem Bild so viel wie möglich herauszuholen; nicht nur den Inhalt richtig zu lesen, sondern auch seine Bedeutung zu erkennen. 55 Als Beispiel weist Reichwein auf physiognomische Studien zum deutschen Gesicht hin. Hier werden nicht nur motivgleiche Darstellungen untersucht Reihen von Porträts, sondern auch verschiedene Bildgenres: die Handzeichnung und das Foto-Porträt. Im Wechsel zwischen den Zeichnungen der Dürerzeit und den modernen Fotos werden gleichsam unter der Hand Gemeinsamkeiten und Unterschiede der künstlerischen Verfahren erkennbar, und es wird über die trennenden Jahrhunderte hinweg Bleibendes in den porträtierten Gesichtern deutlich die Runen eines Gesichts, wie sie Reichwein als Trotz aus der Furchung um Nase und Mund, als Besinnlichkeit und Nachdenklichkeit aus Falten über dem Auge, als Festigkeit aus den geschlossenen Lippen her- 50 Alle Zitate ebd. Hervorhebungen im Original. 51 Vg. Meyer (siehe Anm. 4) S Reichwein (vgl. Anm. 2) S Ebd. S. 212 f. 54 Ebd. S Ebd. S. 222.

26 ausliest. 56 Fesselte beim Rad die formale Gleichheit die Aufmerksamkeit, so sind es hier sprechende Details der Mimik und Physiognomie, das Drohende einer schwellenden Stirnader etwa, die in den verschiedenen Porträts über die Jahrhunderte und die Unterschiede in der Bildherstellung hinweg wiedergefunden, verglichen und interpretiert werden. Als dritte Grundform nennt Reichwein das sondernde Sehen. Wir verstehen darunter das Besondern, das optische und gedankliche Gliedern des Bildgefüges (der Komposition ). 57 Hier spielen technische Medien eine wichtigere Rolle als bei den ersten beiden Grundformen: Mikroskop und Teleobjektiv sind notwendig, um den Gegenstand ans Auge heranzuholen. 58 Auch hier ist die Bildreihe unerlässlich. Sie erlaubt in einem Bild das Ganze zu zeigen, in weiteren Bildern Details und vergrößerte Ansichten. Reichwein führt das Beispiel einer Bildtafel zur Sonnenblume an mit Gesamtaufnahme des Blütentellers, Teilausschnitten und unterschiedlich starken Vergrößerungen: das Nebeneinander zwingt unser Auge, vom Besonderen zum Ganzen hin und her zu wandern, und eines im anderen zu erkennen. 59 Das Auge muss die Sehstruktur der Linse nachvollziehen und wird für diese Anstrengung mit einem Erkenntnisgewinn über die Struktur des Blütentellers belohnt. Ähnlich eine Bilderfolge mit Gesamtaufnahme eines zugefrorenen Sees und Nahaufnahmen von Eisblumen: Was aus der Entfernung tatsächlich weißen Blumen ähnelt, entpuppt sich in der Nähe als ein fast mathematisch aufgebautes Gefüge von Kristallen. 60 Wo erst ein Bild sichtbar war, das zur Analogiebildung reizte ( Eisblumen ), enthüllt die Nahaufnahme die Kristallstruktur, die elementare Form, wie Reichwein erläutert. Den pädagogischen Gewinn solcher Studien sieht er im Wecken der Freude an kleinen Dingen, in der Aufmerksamkeit für das Unscheinbare, den Erkenntnisgewinn im Entdecken der Strukturen. An dieser Stelle wird besonders deutlich, dass die Schule des Sehens eine Einübung in die Abstraktion darstellt. Von der unmittelbaren leiblich-sinnlichen Begegnung mit der wirklichen Welt, der nahen Natur und Menschenwirklichkeit, vom nicht minder unmittelbaren Erleben der Dichtung als einer eigenen, höheren Wirklichkeit 61 spannt sich der Bogen des Lernens in dieser Schule bis zum Erkennen der elementaren Form, der 56 Ebd. S Ebd. 58 Ebd. 59 Ebd. S Ebd. S Struktur, mit Hilfe der sondernden und vergrößernden Linse. Dabei ist hier kein linearer Weg gezeichnet, der dies Lernen als sukzessive Folge von Lernschritten darstellen würde, und es gibt auch kein optimales Ziel, bei dessen Erreichen die vorangegangenen Schritte abgetan und vergessen würden. Vielmehr vollzieht sich dies Lernen in einem komplexen, am besten als Spirale darzustellenden Prozess gleichzeitiger oder paralleler Entfaltungen. Ohne die Gegenwärtigkeit des leibsinnlichen und des poetischen Erlebens würden der vergleichenden, vertiefenden und sondernden Betrachtung die Energien der Deutung fehlen. Wie der Betrachtende den ständigen Wechsel zwischen Detail und Gesamtansicht vollzieht, weil das Eine nicht ohne das Andere zu verstehen ist, kehrt er auch immer wieder aus der Welt der Bildmedien und technischen Geräte in die Wirklichkeiten von Natur und Dichtung zurück doch begegnet er ihnen nun mit einer vertieften Kenntnis dessen, was sie im Innersten zusammenhält. Wir haben einer solchen Schule des Sehens heute wenig entgegenzusetzen. Beschwörungsformeln wie Bilderflut, vage Slogans wie Lernen mit allen Sinnen und die Offenheit für Assoziationen der Schüler bei Bildbetrachtungen verdecken kaum eine Hilflosigkeit im Umgang mit Bildern, dem es oft an systematischer und methodischer Klarheit fehlt. Im musikalischen Bereich hat strukturelles Hören als Lernziel seinen Platz, wenn es auch vor allem in der Grundschule zu selten berücksichtigt wird. Strukturelles Sehen wird kaum als Lernziel formuliert, noch viel weniger aber die wechselseitige Durchdringung von unmittelbarem Erleben und sorgfältig reflektierter und angeleiteter Einübung ins abstrahierende und erkennende Sehen, die Reichweins Schule des Sehens auszeichnet. Exkurs zum Begriff Schule des Sehens Ehe ich zu meinem nächsten Begriff fortschreite, möchte ich an dieser Stelle eine Bemerkung zur Formulierung Schule des Sehens einfügen. Es ist mir leider nicht gelungen, das früheste Auftauchen der Wendung festzumachen. Kokoschka gründete 1953 in Salzburg Hinweisen zufolge im bewussten Rückgriff auf die Pädagogik des Bildes bei Comenius eine Schule des Sehens als Sommerakademie für Bildende Kunst, die allen Menschen offen stehen sollte veröffentlichte Max Burchartz einen reich bebilderten Band mit dem Titel Schule des Schauens. 62 Burchartz war Künstler und Gestalter, in den zwanziger Jahren und später nach 1949 Lehrer an der Folkwangschule. In seinem letzten Buch er starb bevor die Schule des Schauens erschien bemühte er sich um eine breitgefächerte Darlegung der psychophysischen Grundlagen der Bildenden Kunst. In seinem Vorwort beruft er sich auf Goethe, in 61 Ebd. S Max Burchartz: Schule des Schauens. München 1962.

27 dessen Tradition morphologischer Betrachtung der Natur- und Kunstphänomene er sich positioniert. Er zitiert das Lied des Türmers Lynceus: Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt. Heute haben verschiedene Gruppen die Formulierung Schule des Sehens wieder aufgegriffen: So nennt sich das Folgeprojekt des kunstwissenschaftlichen Funkkollegs Geschichte der Kunst im Wandel ihrer Funktionen, eine digitale Institution der Erwachsenenbildung, getragen von kunsthistorischen Instituten verschiedener Universitäten und vom Bildarchiv Foto Marburg. Auch eine Gruppe von Architekten aus dem Umkreis des Fachbereichs Architektur der Fachhochschule Frankfurt am Main bezeichnet ihre Aktivitäten als Schule des Sehens. 63 Vieles weist darauf hin, dass die Formulierung wesentlich älter ist als ihre Verwendung durch Reichwein, Kokoschka und Burchartz. Wahrscheinlich ist sie zuerst bei Itten, im Bauhaus oder im Umkreis des Bauhauses aufgetaucht, auch hier im Rückgriff auf Goethe, dessen Emphase des Sehens oder Schauens gegenüber der abstrakten Begriffswelt der modernen Physik damals vielfach rezipiert wurde. Dietfried Gerhardus schreibt im Vorwort zu seiner Bibliographie grundlagen des gestaltens : Parallel zu seiner Thematisierung in Philosophie und Wissenschaft tritt das an Kunsthochschulen wieder zu etablierende Arbeitsgebiet Grundlagenforschung seit 1900 unter recht verschiedenen Titeln auf: Schule des Schauens, Bildnerische Formenlehre, Vorkurs, Gestaltungslehre, bildnerische Grundlehre oder schlicht Sehen. 64 Seine Bibliographie umfasst gestalt- und wahrnehmungspsychologische Werke, Arnheims berühmte kunstpsychologische Arbeiten und Gestaltungslehren Kunst und Sehen ; Die Macht der Mitte u.a.), Ittens, Klees und Kandinskys kunstpädagogische Schriften, um nur einige der bekanntesten Schriften zu nennen. Schule des Sehens bezeichnet hier eine große Gruppe interdisziplinärer Untersuchungen, vielfach von Künstlertheorien, die eines gemeinsam haben: das Interesse, das Sehen und Wahrnehmen selbst als theoria im antiken Sinn, als Wesensschau zu erfassen, aus ihm die elementaren Gesetze des Sehens und der Bildenden Kunst abzuleiten, die abstrakten Grundlagen im Konkreten selbst aufzuspüren. Damit sind sie Goethe verpflichtet: Das Höchste wäre: zu begreifen, daß alles 27 Faktische schon Theorie ist. [ ] Man suche nur nichts hinter den Phänomenen; sie selbst sind die Lehre. 65 Werk Ich verlasse die Schule des Sehens ohne auf ihre Anwendung in der Didaktik des Unterrichtsfilms einzugehen nicht, weil ich den Film als Gegenstand ästhetischer Bildung ignoriere, in die er selbstverständlich ebenso gehört wie Bild, Musik, Literatur, Tanz und Theater, sondern weil bei allem Interesse, das Reichweins Filmdidaktik zu Recht entgegengebracht wird, sie dennoch durch die Entwicklung der technischen Medien weit gründlicher überholt ist, als das Modell der Lernwege zum abstrahierenden Wahrnehmen und Denken, das er als Schule des Sehens bezeichnet. Faszinierend an diesem Modell ist nicht zuletzt die praktische Konsequenz, mit der er seinen Unterricht in diesem Sinn gestaltet hat. Nichts wird dabei dem Zufall überlassen. Bilder- und Textsammlungen werden vom Lehrer und seinen Schülern über Jahre hin auf Vorrat angelegt, so dass eine offensichtlich sorgfältig katalogisierte Sammlung entsteht, auf die im Unterricht jederzeit zurückgegriffen werden kann. Bereits das Sammeln gehört zur Schule des Sehens und Deutens, wie es viel später Gunter und Maria Otto als erste Phase des Auslegens wieder aufgreifen. 66 Selbstverständlich werden die Schüler eingeübt in das, was heute als Medienkompetenz bezeichnet wird vom Verdunkeln des Klassenraums bis zum Reparieren der empfindlichen Filmstreifen können sie alles selbst bewerkstelligen, was sie brauchen, um sich im Rahmen ihrer Vorhaben zu informieren, anregen und weiterbilden zu lassen. Ich bezweifle nicht, dass Reichwein weit über solche Fertigkeiten hinaus all die Fähigkeiten, auf die seine Schule des Sehens zielt, bei seinen Schülerinnen und Schülern aufgebaut hat. Und dies geschieht ohne die zahlreichen Instrumente, die die heutige Schule für unabdingbar hält, um ihre Ziele zu erreichen ohne Standards und Tests oder Vergleichsarbeiten. Worin besteht das Geheimnis dieses offensichtlichen pädagogischen Erfolgs in Tiefensee, wenn man einmal absieht von der Wirkung der charismatischen Persönlichkeit? Um dies zu ergründen, versuche ich nun einzelne Aspekte des komplexen Werkbegriffs herauszupräparieren, der seine Arbeit als roter Faden durchzieht. Im Schaffenden Schulvolk findet sich das bekannte Modell der Formen kindlichen Ausdrucks und ihre Verwirkli- 63 Vgl. Gutschow, Kirpichev, Neis, Rang u.a.: schule des sehens. Zum Wahrnehmen und architektonischen Entwerfen. Frankfurt Dietfried Gerhardus (Hg.): Grundlagen des Gestaltens: Material und Mittel, Gestaltungslehren, Programme und Manifeste. Versuch einer bibliographischen Übersicht ab In: Kunst. Gestaltung. Design. Saarbrücken: Hochschule der bildenden Kunst Saar 1997, H vom Johann Wolfgang Goethe: [Beobachten und Denken] in: Sämtliche Werke Band 17 (= Naturwissenschaftliche Schriften Zweiter Teil). Zürich/München 1977, S Otto, Gunter und Maria: Ästhetische Erziehung als Praxis des Auslegens in Bildern und des Auslegens von Bildern. Seelze 1987.

28 chung im Werk. 67 Ich möchte besonders eingehen auf das 5. Feld: Gestaltung der Dinge im Werk durch gesammeltes Können. Es ist evident, dass hier, wie so oft in Reichweins Schulschriften, die Systematik nicht konsequent ist. Denn zwar entspricht der Melodie (sinnvoller wäre hier vom Singen zu sprechen) das Musische als Verwirklichungsfeld, der Gestik und Mimik das Laienspiel, der Handschrift und dem Zeichnen die Dingerfahrung durch Anschauung und sinnbildhafte Darstellung der Dinge in Schrift und Zeichnung, aber offensichtlich geht Feld 5 weit über das gestaltende Bauen des Kindes hinaus. Diese Gestaltung der Dinge im Werk durch gesammeltes Können wirkt wie die sentenzenhaft verkürzte Summe der gesamten Schulschrift. 28 bindliche und abgeschlossene Form. 71 Das heißt jedoch nicht, dass erst das herangewachsene Kind, das alle Spiel- und Versuchsreihen durchlaufen hat, zum Werk als einem krönenden Abschluss emporsteigt. Wir sprechen heute mit Recht und Betonung schon im ersten Schuljahr vom Schriftwerk, weil wir vom ersten Tage an das Schreiben nicht nur als Vorgang und Tätigkeit begreifen, sondern als Gestaltungsvorgang und gestaltendes Tun, das auf einen bestimmten Formwert gerichtet ist. 72 Die Abfolge Spiel Versuch Werk ist offensichtlich keine lineare und sukzessive, auch hier scheint Reichwein ein spiraliges Entfaltungsgeschehen weit eher vor Augen zu schweben als ein Stufenmodell. Jedes Alter hat seine Werkaufgaben. Der Begriff Werk ist heute in vielen Bereichen, in denen er früher selbstverständlich war, aus der Mode gekommen. In der Kunst ist die Stabilität und Abgeschlossenheit, auch die Abgehobenheit vom Leben, die dem Werkbegriff anhaftet, suspekt. Prozesshaftes, Performatives und Ephemeres finden weit mehr Aufmerksamkeit. In Pädagogik und Didaktik ist die Tendenz ähnlich. Zwar sprechen Vertreter des handlungsorientierten Unterrichts von den Vereinbarungen, gemeinsam ein Produkt herzustellen, aber sie wählen bewusst den technisch nüchterner, funktional klingenden Begriff aus der industriellen Warenfabrikation, der weit weniger Emphase vermittelt als das pathetisch anmutende Werk. Häufig ist, insbesondere im Bereich der Kunstpädagogik, ohnehin mehr vom Prozess die Rede als selbst auch nur vom Produkt, dem ein Geruch von Verdinglichung anhaftet, noch lange nachdem dieser Begriff seinerseits aus der Mode gekommen ist. Was heißt Werk bei Reichwein? Als die verbindliche und abgeschlossene Form bezeichnet er es im Schaffenden Schulvolk 68, als die endgültige, ausgereifte Lösung einer Aufgabe und als das schließlich gewonnene nützliche Ding 69. Vorausgegangen sind dem Werk in der spontanen Entwicklung des Kindes das Spiel, im schulischen Lernprozess die Beschäftigung mit dem, was Montessori das autodidaktische Material nennt, dessen Kontrolle das Kind selbst bedient 70, viele Arten von Lern-: Schreib-, Rechen- und Zeichenspiele; dann die Skizze. All diese einfachen Formen ordnet Reichwein unter dem Oberbegriff des Versuchs. Tatsächlich weiten sie sich bei fortschreitendem Alter des Kindes zu naturkundlichen Versuchsreihen und Versuchsketten aus. Spiel und Versuch münden schließlich ins Werk: Aus Spiel und Versuch wächst das Werk als die ver- In erster Linie ist das Werk ein Schaffen mit der Hand, Handwerk. Als solches fordert es kontinuierliche Übung. Ob Handschrift, Zeichnung, Faltspiele, Holzkonstruktionen und textile Handarbeit immer muss der Umgang mit Material und Werkzeug eingeübt werden, und es müssen Haltungen erarbeitet werden, die dem Kind ermöglichen, den Werk-Aufgaben gerecht zu werden. Reichwein bezeichnet solche Haltungen und Einstellungen als Sitte, ein Begriff, der heute unverständlich geworden ist. Umrissen sind damit Haltungen und Verhaltensweisen, die wir als Sekundärtugenden bezeichnen. Das kleine Kind entwickelt spontan einen elementaren Sinn für Ordnung. Auf ihm aufbauend erweist sich Ordnung, sowohl im Sein der Dinge untereinander, wie im Umgang mit ihnen als die beste Gewähr [ ] für Gelingen. Zur Ordnung gehört, daß Begonnenes fertiggemacht und nichts auf halbem Wege liegengelassen wird. Diese strikte Forderung des Erziehers begründet Reichwein darin, dass Unfertiges Unbehagen hinterlässt und die Lust zu neuem Ansatz zerstört. 73 Denn Lust und Eifer sind weitere Tugenden ( Sitten ), die das Werkschaffen voraussetzt. Das Kind bringt sie mit in die Schule, sie können dort aber verkümmern, wenn sie nicht gefördert werden ein negativer Prozess, den wir an vielen Kindern heute bald nach der Einschulung beobachten können. Um dies zu vermeiden ist auch vom Lehrer eine Sitte gefordert: die Fähigkeit, die richtigen, angemessenen Aufgaben zu stellen. Reichwein verdeutlicht in seinem Schulbericht, wie viel genaue Reflexion und Planungsarbeit diese Tugend im differenzierenden jahrgangsübergreifenden Unterricht vom Lehrer fordert. Vom Kind wiederum sind Sorgfalt im Kleinen und sparsame Sachlichkeit zu fordern. 74 Hier tritt im pädagogischen Prozess das Material (oder, wie Reichwein es oft bezeichnet, der Werkstoff) als Erzieher auf, eine 67 Reichwein (vgl. Anm. 36) S Ebd. S. 115 f. 69 Ebd. S Ebd. S Ebd. S. 115 f. 72 Ebd. S Alle Zitate ebd. S Ebd. S. 37.

29 Vorstellung, die Reichwein mit anderen Reformpädagogen teilt, mit Montessori, Steiner, Freinet - sie alle haben großes Vertrauen in die erzieherische Wirkung von Materialien. Reichwein schreibt im Aufsatz über Handwerksfilme der RWU volkskundlich gesehen von 1943: Schon das Eingehen auf den Werkstoff ist, von seiner Bedeutung her begriffen und betrachtet, ein sittliches Verhalten; [...] Die besondere Art des Werkstoffs der Ton im Töpferfilm, das Holz im Spielzeugfilm, die Hanffaser im Film vom Seiler usw. ist vorgegeben. Sie will hingenommen und geachtet werden. Der Werkstoff wehrt sich wie jedes Geschöpf gegen Vergewaltigung. Er verträgt hartes Zupacken, Schnitt und Schlag, wenn sie nur in seinem Sinne liegen und ihm die Form geben helfen, die seiner Art entspricht [...]. Die wüchsige Form kann nur aus dem Wuchs des Werkstoffs entwickelt werden. Den Sinn für Werkstoffe in ihrer naturgegebenen Eigenart wieder zu wecken, gehört zu den Hauptanliegen unserer Arbeitserziehung, die eine neue Sittlichkeit der Arbeit und des Werkschaffens begründen soll. 75 Und im Schaffenden Schulvolk : Zur Sorgfalt [...] gehört auch die sparsame Sachlichkeit. [...] Das heranwachsende Kind erfährt, daß jede Sache, selbst ein Abfall von Holz oder Papier, Wert hat und darum wie eine Seltenheit genommen und achtsam behandelt werden soll. Diese Schätzung führt von selbst zur Sparsamkeit. Es wird zur Kunst, fast aus dem Nichts zu gestalten. [...] So spürt das Kind schon die Weihe des Stoffes, ohne daß es einen Begriff dafür besäße. 76 Ähnlich hat Josef Albers, ehemals Volksschullehrer, wie Konrad Wünsche betont, im Bauhaus über die Materialökonomie der Studenten gewacht. 77 Weit über bloße Sparsamkeit hinaus spricht die Rede von der Weihe des Stoffes dem Material eine geradezu religiöse Würde zu, die auch aus der Emphase tönt, mit der im ersten Jahrhundertdrittel im Umkreis von Werkbund und Bauhaus der Begriff Materialgerechtigkeit verwendet wird - vergleichbar steht daneben nur noch die Forderung nach Funktionalität. Bei aller Bedeutung, die Reichwein dem handwerklichen Schaffen in der Schule zumisst, versteht er jedoch unter Werk mehr als das, was er als Werkunterricht oder Schulfach Werken nicht aufgehört hat zu fordern und 29 zu fördern. 78 In diesem Werken, das der Definition von Ludwig Pallat zufolge nur ein Werk der Hand sein kann und zwar ein Werk, das in körperlicher Form zu einem bestimmten Zweck gestaltet wird 79, geht Reichweins Werk-Begriff nicht gänzlich auf. Vielmehr sind mit Werk allgemein Gestaltung und Form aufs engste verbunden unübersehbar Begriffe aus dem Bereich ästhetischer Bildung. Die sprachliche Gestaltung im Laienspiel, im Verfassen von Reimen und in der Berichterstattung von Wanderfahrten erweitert das Spektrum ebenso wie das freie Zeichnen, in dem das Kind die Bilder seiner inneren Welt in Darstellungen zum Ausdruck bringen kann. 80 Auch die Schule des Sehens hat in ihrer sorgfältigen Ordnung und systematischen Steigerung der Ansprüche etwas vom Werkschaffen. Um das Werk in der Schule besser zu verstehen, müssen neben den Vorformen Spiel, Übung, Versuch und den Begriffen Gestaltung und Form die des Könnens und der Leistung berücksichtigt werden. Das Werk, als die angestrebte Form unseres Schaffens, als die wertvollste Bestätigung unseres Könnens, [ ] gilt auch dem Kind schon als die Höchstform der Leistung. 81 Das Werk wird dem kindlichen Bedürfnis nach Leistung und Leistungssteigerung, nach Können und Könnensbewußtsein gerecht, das uns so Reichwein in einer seiner späteren museumspädagogischen Schriften als die einzig mögliche Form des Selbstbewußtseins erscheint. 82 In Reichweins Könnensbewußtsein klingt an, was später Erik H. Erikson in seinem Aufsatz Wachstum und Krisen der gesunden Persönlichkeit für das Grundschulalter als die Entwicklungskrise zwischen Werksinn und Minderwertigkeitsgefühl bezeichnet: Das Kind braucht das Gefühl auch nützlich zu sein, etwas ma- 78 Vgl. den Brief Reichweins an Ludwig Pallat von Ostern 1944: Übrigens hat die wenn ich so sagen darf stille und hintergründige Arbeit an den werkerzieherischen Aufgaben in der jüngsten Zeit eine Reihe recht erfreulicher Früchte getragen; meine Taktik war in den letzten Jahren ja so angelegt, daß ich durch Vorträge und Lehrgänge draußen im Lande ständig Unruhe schuf, die Augen und Gedanken der Zuständigen darauf hinlenkte, daß im Kreis der musischen Erziehung noch der volle Einbau der Werkerziehung fehle, daß es hier um den gegenständlichsten Ausschnitt der gesamten Ausdruckspädagogik gehe und daß hier jetzt der Bewegungskampf der pädagogischen Bewegung sein nächstes großes Aufgabenfeld finde [ In: Ullrich Amlung: in der Entscheidung gibt es keine Umwege Adolf Reichwein Reformpädagoge, Sozialist, Widerstandskämpfer. 2., verbesserte und erw. Auflage, Marburg 1999, S RWU ist die Abkürzung für Reichsstelle für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht. Text zitiert aus: Adolf Reichwein. Ausgewählte pädagogische Schriften. Paderborn S. 170 f. 76 Reichwein (vgl. Anm. 36) S Konrad Wünsche: Bauhaus. Versuche, das Leben zu ordnen. Berlin S. 72 f. 79 Ludwig Pallat: Werkerziehung. In: Handbuch der Pädagogik. 3. Band: Allgemeine Didaktik und Erziehungslehre. Langensalza S Reichwein (vgl. Anm. 36) S Ebd. S Adolf Reichwein. Ton und Töpfern (1939). In: Museumspädagogische Schriften. Museum für Deutsche Volkskunde Berlin S. 50.

30 chen zu können und es sogar gut und vollkommen zu machen; [ ] es entwickelt Fleiß, d. h. es paßt sich den anorganischen Gesetzen der Werkzeugwelt an. [ ] Es entwickelt eine Lust an der Vollendung eines Werkes durch Stetigkeit und ausdauernden Fleiß. 83 Diesen Werksinn des Kindes angemessen zu berücksichtigten, ist vordringliches Interesse Reichweins und vielleicht die für heute wichtigste Lektion aus seinen Schulschriften. Denn mit dem Verzicht auf handwerkliches Arbeiten in der Schule und auf das Fach Werken ebenso wie in der grundsätzlich erfreulichen, wenn auch oft einseitig ausgelegten Konzentration auf die kognitive Entwicklung haben wir in unserer Schule die Übung als mechanischen Drill disqualifiziert und die Leistung zur unsichtbaren und unüberschaubaren Forderung gemacht, die das Kind einschüchtern und verzagt machen muss. Wir können diese Entwicklung nicht zurückdrehen mit einem Rückgriff auf handwerklichen Unterricht die Begründung durch die notwendige Wiedergeburt der Volkskunst war bereits zu Reichweins Zeit obsolet. Wir sollten uns aber dessen bewusst sein, was wir damit unseren Kindern vorbehalten, und es scheint mir eine vordringliche Aufgabe unserer Pädagogik heute, andere Möglichkeiten des Aufbaus eines Könnensbewusstseins zu erforschen und unterrichtspraktisch umzusetzen. Die viel beschworene Medienkompetenz allein reicht sicher nicht aus, denn ihr fehlt, was das Handwerk auszeichnet: dass mit der Übung der Hand zugleich begriffen wird, was man macht. Der Computer kann perfekt bedient werden, ohne dass ein Begreifen sich einstellt. Hier kommt der Kunst-, Musik- und Theaterpädagogik eine führende Position zu. 30 Das Vorhaben ist die einzige Form, in der das Kind sich weder verliert - wie auf der endlosen Straße eines <punktuellen> Unterrichts -, noch in seinem Könnensbewußtsein durch die Bilder eines ungruppierten und ungeformten Einzelwillens erdrückt wird. Im Gegenteil, das Vorhaben mit seiner Forderung nach Plan, einer in sich aufgebauten Leistungsfolge, schafft allein jenes Könnensbewußtsein, das sich nur aus einer Kette von Arbeitserfolgen ergeben kann. Das Vorhaben ist nur die letzte Probe auf das Können, seine Bewältigung schafft jene Erfolgsfreude, die im Kinde Impulse zu weiterem Schaffen entbindet. 85 Es gehören also nicht nur die Materialien und Gegenstände, die Regeln und Formvorbilder, nach denen in der Schule Werke geschaffen werden, in den Bereich des Ästhetischen, sondern die Methoden und Verfahren des werkschaffenden Unterrichts, besonders das Vorhaben, sind selbst als Gestalten und Formen und das heißt ästhetisch zu verstehen. Herausgehoben aus dem Einerlei des Unterrichtsalltags nimmt das Vorhaben eine eigene und vom Kind wahrnehmbare ästhetische Gestalt an, ähnlich wie das Fest oder die Wanderfahrt: Wie ein Kristall, indem wir unser Bestes zur Darstellung bringen, hebt sich auch das Fest aus dem ebenmäßigen Profil unseres Werklebens. Das Fest ist für das Kind ein wirklicher Höhepunkt seines Daseins. Man nehme dies wörtlich: Nicht nur ein Grund zum Sichfreuen, sondern ein Anlaß zu gesteigertem Sein. Darin liegt seine erzieherische Kraft! Es erhebt das Kind, nicht im sentimentalen, sondern im wirklichen Sinn, über den üblichen Stand des Lebens. 86 Aus Reichweins Schrift ist ein Weiteres zu lernen: Das Werk, das dem Kind seine eigene Leistung als Form und Gestalt anschaubar und begreifbar macht, ist Resultat einer Methode, die ihrerseits dem Kind als Gestalt anschaulich vor Augen tritt, des Vorhabens: Das Vorhaben ist eine Arbeitsform des erziehenden Unterrichts, die Mannigfaltiges zur Ganzheit fügt, zu einem Gefüge rafft und webt, was sich sonst als einzelner Faden im Strom des Unterrichts verlöre, zu einer Gestalt, die wie jede lebendige Einheit vom Kinde <angeschaut> und auf seine kindliche Weise auch begriffen werden kann. [...] Das breit und tragfähig begründete Vorhaben - von uns weiter gefaßt als der Begriff der <unterrichtlichen Ganzheit> - ist eine Form, die sich dem Kinde nicht als eine Summe abstrakten Einzelwissens anbietet, sondern als Ganzes aufgebaut und angeschaut werden kann. 84 Bei Reichwein verdeutlicht die Metapher des Kristalls den ästhetischen Charakter des Festes als Gestalt vor dem Grund des alltäglichen Werklebens, vergleichbar dem Vorhaben, das übrigens häufig in der Vorbereitung und Durchführung eines Festes besteht. Beide sind Bestandteile des Schullebens, in denen sich das alltägliche Gewebe des Lernens und Werkens kristallisiert zur Form. Form Daß künstlerische Erziehung Erziehung zur Form bedeutet, wird freilich noch vielfach verkannt. schreibt Ludwig Pallat in seinem Beitrag Die Kunsterziehung zum Handbuch der Pädagogik von Erziehung zur Form diese Wendung kehrt in seinem Aufsatz im- 85 Ebd. S Erik H. Erikson: Wachstum und Krisen der gesunden Persönlichkeit. (zuerst 1950) In: Identität und Lebenszyklus. Frankfurt 1973, S. 102 f. Hervorhebung S. 103 im Original. 84 Ebd. S Ebd. S Ludwig Pallat: Die Kunsterziehung. In: Handbuch der Pädagogik. 3. Band: Allgemeine Didaktik und Erziehungslehre. Langensalza S.416.

31 mer wieder: Form ist gestalteter Ausdruck 88 ; Werke werden in Form gebracht, aber auch Menschen: Der heranwachsende Mensch soll befähigt werden, nicht nur gestaltete, d.h. in Form gebrachte Werke und Menschen zu verstehen und zu würdigen, sondern auch und vor allem sein eigenes Schaffen und schließlich sich selbst und seine Umgebung in Form zu bringen. 89 Obgleich Pallat immer wieder diese und ähnliche Wendungen einsetzt, fällt es mir schwer zu verstehen, was mit Form gemeint ist. 90 Auch Reichwein operiert viel und gern mit diesem Wort. Ich möchte zum Abschluss meines Vortrags versuchen, den Sinn zu entschlüsseln, der diesem viel gebrauchten und selten präzis definierten Wort in seinem pädagogischen Denken zukommt. In der klar umrissenen, kristallinen Form des Unterrichtsvorhabens erscheint das Begriffsverständnis klar: Hier ist ein Schaffensprozess deutlich vom alltäglichen Leben abgehoben, in sich gegliedert und geschlossen; eine mit Arbeit und vielfältigen Lern- und Erkenntnisvorgängen, vielen Einzelaufgaben erfüllte Zeit bleibt dennoch ein Ganzes, das dem Erzieher immer als solches gegenwärtig ist und den Kindern am Ende sich erschließt, wenn ihre Beiträge zusammenfließen und zur rundenden Darstellung werden. 91 Das Vorhaben erscheint wie eine Insel im Lebensstrom. Den Vergleich mit einer Insel entnehme ich dem Text eines anderen Autors und erlaube mir damit, zwei von unterschiedlichen Autoren beschriebene Phänomene zusammenzubringen, weil sie mir verwandt zu sein scheinen und weil diese Annäherung ein erhellendes Licht auf den Begriff Form zu werfen vermag, wie ihn Reichwein versteht. Die Annäherung ist nicht gänzlich willkürlich, denn ich spreche von Georg Simmel; die Lebensphilosophie, als deren prominentester Vertreter in Deutschland Simmel gelten kann, hat die pädagogische Reformbewegung stark beeinflusst. In seinem Essay Das Abenteuer aus seiner 1911 erschienenen Sammlung Philosophische 31 Kultur 92 sieht Simmel als die allgemeinste Eigenschaft des Abenteuers, daß es aus dem Zusammenhange des Lebens herausfällt. 93 Zwar ist es mit dem Zentrum unserer Existenz irgendwie verbunden 94, aber es schwebt dennoch weit jenseits des kontinuierlichen Alltagslebens, ist ein Außer-der-Reihe-Sein 95. Ein Grund dafür ist seine Abgeschlossenheit: In einem viel schärferen Sinne, als wir es von den anderen Formen unserer Lebensinhalte zu sagen pflegen, hat das Abenteuer Anfang und Ende. 96 Und weiter: Es ist wie eine Insel im Leben, die sich ihren Anfang und ihr Ende nach ihren eigenen Bildungskräften und nicht, wie das Stück eines Kontinents, zugleich nach denen ihres Diesseits und Jenseits bestimmt. 97 Diese Inselhaftigkeit teilt das Abenteuer mit dem Kunstwerk, dessen Wesen es ist, daß es aus den endlos kontinuierlichen Reihen der Anschaulichkeit oder des Erlebens ein Stück herausschneidet, es aus den Zusammenhängen mit allem Diesseits und Jenseits löst und ihm eine selbstgenügsame, wie von einem inneren Zentrum her bestimmte und zusammengehaltene Form gibt. 98 Mit dieser Auffassung des Abenteuers als eines dem Kunstwerk ähnlichen, als eines ästhetischen Lebensphänomens löst Simmel es aus inhaltlichen Bestimmungen und kennzeichnet es als eine Form des Erlebens. 99 Als eine Form des Erlebens kann, wie ich meine: ohne Verfälschung auch Reichweins Vorhaben bezeichnet werden. Wie im Abenteuer das übrigens bei Reichwein im besonderen Vorhaben der Großen Fahrt inszeniert wird 100 nähert sich im Vorhaben das Leben (hier das des lernenden Kindes bzw. der lernenden Gruppe) der selbstgenügsamen, wie von einem inneren Zentrum her bestimmten und zusammengehaltenen Form, die das Kunstwerk ausmacht. Form wäre dann ein Wesensmerkmal der Kunst, das aber auch einzelne Lebensphänomene zu bestimmen vermag. Pallats seltsam vage und ungewiss wirkende Rede von der Kunsterziehung, die zur Form der Kunst und des Lebens zu erziehen 88 Ebd. 89 Ebd. S Auf die morphologische Tradition, die auch den Formbegriff zweifellos mit bestimmt hat, bin ich in meinem Beitrag von 1996 eingegangen. Vgl. dazu auch: Wilfried Huber: Der Perversion reformpädagogischer Begriffe im Nationalsozialismus unter Berücksichtigung der Sprache von Adolf Reichwein. In: Christian Salzmann (Hg.): Die Sprache der Reformpädagogik als Problem ihrer Reaktualisierung. Dargestellt am Beispiel von Peter Petersen und Adolf Reichwein. Heinsberg Bei Huber vor allem S. 334: Richtiger [als von Evolution. G.M.] scheint es uns, hier im Blick auf Reichwein von einer zentralen morphologischen Komponente seines Welterfahrens und begreifens zu sprechen: Gestalt bzw. Form, ganzheitlich/ Ganzheit, wachstümlich, aber auch (steigernde) Metamorphosen sind dafür aufschlußreiche Kernbegriffe schon der Weimarer Zeit:[ 91 Reichwein (vgl. Anm. 36) S Georg Simmel: Philosophische Kultur. Über das Abenteuer, die Geschlechter und die Krise der Moderne. Gesammelte Essais. Mit einem Nachwort von Jürgen Habermas. Berlin Ebd. S Ebd. 95 Ebd. S Ebd. 97 Ebd. 98 Ebd. S Ebd. S Zu Simmels Abenteuer-Begriff und zum Abenteuer bei Reichwein vgl. auch meinen im Internet veröffentlichten Aufsatz: Insel im Leben. Zur Ästhetik des Abenteuers. Berlin

32 habe, würde dann verständlich als eine buchstäblich doppelte Aufgabe: Sie habe die Formen der Kunst zu vermitteln und zugleich (dadurch?) den Schüler in die Lage zu versetzen, das Leben als Form zu gestalten. Diese Doppelaufgabe kann auch aus der vagen Schreibweise und dem vieldeutigen Gebrauch des Worts Form, die Reichweins Schriften nicht weniger als die Pallats in vielen Passagen prägt, herausgelesen werden. An einigen Textstellen möchte ich diese These zum Schluss bekräftigen. Ein großes Kapitel des Schaffenden Schulvolks ist überschrieben: Von den Einfachen Formen. 101 Die Majuskel des Adjektivs Einfach verweist darauf, dass Reichwein hier eine Formulierung verwendet, die er als feststehend verstanden haben möchte. Mir ist der Begriff bekannt aus André Jolles berühmtem Buch Einfache Formen, das 1930 erschienen war. Der Literaturwissenschaftler hatte in diesem Buch seine These entwickelt, die kleinen traditionellen literarischen Formen des Märchens, der Sage, Legende, des Rätsels u. a. seien jeweils aus einer spezifischen Geistesbeschäftigung des kollektiven Lebens hervorgegangen. Dem breit gebildeten Reichwein mag die Formulierung von Jolles bekannt gewesen sein. Wie dem sei auch seine Einfachen Formen changieren zwischen Leben und Kunst. Einfache Formen sind im Unterricht geordnet einzusetzen, sie bilden jedoch kein System, obgleich sie lehrbar sind, denn sie sind dem schaffenden, erfinderischen und handwerklichen Geist jedes Erziehers als selbstschaffender Persönlichkeit anheimgegeben. 102 Hier wird der Lehrer bzw. Erzieher selbst zum Künstler (eine reformpädagogisch beliebte Vorstellung), der sein eigenes Formenrepertoire entwickelt allerdings in enger Wechselbeziehung mit dem Kind. Denn auch das Kind hat seine eigenwüchsigen Formen, die eigentlichen, ursprünglich schöpferischen Formen des Kindes selbst, die es im Gespräch mit seiner Umwelt, als Echo auf ihre Fragen, gefunden hat. Reichwein bezeichnet diese Formen des kleinen Kindes als Wirkformen und als Formen seiner Selbstdarstellung. 103 Bereits das kleine Kind gestaltet offensichtlich sein Leben schöpferisch, vermag Formen der Selbstdarstellung zu finden. Ihnen kommt der Lehrer mit seinen Formen entgegen, überträgt sie auf das Kind als Hilfsformen, um dessen eigene Formen zu steigern. 104 Das Spiel mit Gegenständen, so führt Reichwein aus, ist eine der Eigenformen des Kindes. Als erzieherische Hilfsformen korrespondieren ihm schulisch initiierte Spiele, Selbstbeschäftigungsformen, Lernspiele, die Vermittlung von Werktech- 101 Reichwein (vgl. Anm. 36) S Ebd. 32 niken, Versuch und Übung, Skizze. Aus ihnen wiederum wächst das Werk als die verbindliche und abgeschlossene Form. 105 Alle diese Wirk- und Hilfsformen beziehen ihre lernfördernde Energie wiederum aus anderen Formen aus den geometrischen Formen, den Formen der Natur, dem überlieferten Formenschatz der Volkskunst, aus den Formen, wie sie in der gegenständlichen Welt vorgegeben sind und als Erbe zu erwerben sind. Die Verwendung des Formbegriffs changiert also ständig zwischen den vorgegebenen Formen aus Mathematik, Natur und Kunst einerseits, den Lebensformen, die spontan oder durch erzieherische Einwirkung entstehen und sich ausbilden andererseits. Im Werk und im Vorhaben laufen beide Begriffslinien zu einem Ganzen zusammen, das als Form des Erlebens dem Kind wie dem Lehrer kommensurabel wird. Beide gelangen offensichtlich in diesem kristallinen Ganzen zu einer gesteigerten Form der Selbstdarstellung, d.h. ihr Leben hat selbst eine Form gefunden, in der es sich ansehen und darstellen kann. In diesem Sinn sind Pallats Kunsterziehung und Reichweins umfassend angelegte ästhetische Bildung als Erziehung zur Form oder als Erziehung des Menschen zum geformten Ausdruck seiner selbst 106 zu verstehen. Der Lehrer ist Bildner im genauen Wortsinn, aber nicht diktatorisch in der Realisierung seines Willens gegenüber dem passiven Material des educandus; vielmehr schafft er im Dialog und in der Arbeit am gemeinsamen Lern-Werk mit dem Kind dessen Lebensform und Selbstdarstellungsgestalt. Die Zusammenarbeit von Adolf Reichwein und Walter Dexel Konzepte der Kunsterziehung und ästhetischen Bildung in der Erwachsenenbildung in Thüringen (Weimar und Jena) Bettina Irina Reimers Erziehung, die formen will, muß sich auf den ganzen Menschen richten. Sie darf das Gegenständliche nicht geringer werten als das Begriffliche, die Sinne nicht geringer als den Intellekt und das Gefühl nicht geringer als den Verstand; sie muß positiv ausgedrückt, stets eine Einheit des körperlichen, geistigen und sittlichen Menschen vor Augen haben. Ihr Erfolg aber wird wesentlich davon abhängen, ob es ihm gelingt, den heranwachsen- 103 Ebd. 104 Ebd. S Ebd. S Pallat (vgl. Anm. 87) S. 427.

33 den Menschen in seiner Arbeit an geistigen und konkreten Stoffen und nicht zum wenigsten in der Arbeit an sich selbst zu Leistungen zu bringen, in denen er Sinn und Wert der Form, des gestalteten Ausdrucks bewußt erlebt. 107 So formulierte Ludwig Pallat prägnant Ziele und Aufgaben einer Kunsterziehung, die einem ganzheitlichen Bildungsansatz verpflichtet ist. Obwohl eine solch dezidierte Äußerung von Adolf Reichwein zur Bedeutung der ästhetischen Bildung in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht überliefert ist, war seine praktische Bildungsarbeit genau dieser Maxime verpflichtet. Reichweins Ideen zum Wert ästhetischer Bildung erschließen sich, indem man seine pädagogische respektive erwachsenenbildnerische Praxis analysiert. Daher dienen als Quellen zum Verständnis der ästhetischen Positionen Reichweins die Dokumente zur praktischen Bildungsarbeit, aus denen nachvollzogen werden kann, welche theoretischen Ansätze und Überlegungen der praktischen Arbeit zu Grunde lagen. Der Blick in die Programme einzelner Volkshochschulen in Thüringen Reichwein war seit 1923 Geschäftsführer des Dachverbandes Volkshochschule Thüringen e.v. und daran anschließend der gezielte Blick in die Veranstaltungspläne der Volkshochschule Jena nach 1925 vermitteln eine Vorstellung davon, wie umfassend die Gebiete waren, an denen ästhetische Bildung vermittelt werden konnte. Diese waren: Architektur und Baukunst, Plastik, Malerei, Grafik und Gebrauchsgrafik, Kalligraphie, Kunsthandwerk (dazu zählten Werken, Buchbinderei, Tischlerei, Schneidern), Kunstgewerbe und Kunstpflege im häuslichen Bereich (also: Einrichtung, Gestaltung der Wohnräume, des Hausrats und der Kleidung), hinzu kamen Musik, Theater, Tanz und Gymnastik respektive rhythmische Körperschulung. 33 ästhetischen Bildung als Bestandteil der Bildung des ganzen Menschen. Die Volkshochschule nahm im Bereich der ästhetischen Erziehung reformpädagogische Ansätze und die Impulse der Kunsterziehungsbewegung 108 auf und formte sie den Anforderungen des Erwachsenenunterrichts entsprechend um. Die in der Volkshochschule tätigen Dozenten waren überwiegend Kunsterzieher und Künstler, Tänzer und Gymnastiklehrerinnen sowie Musiker und Musikpädagogen aus Jena und Umgebung. Sie versuchten zunächst in Theorie und Praxis aufzuzeigen, was Ästhetik ist, und darauf aufbauend bei den Teilnehmern ein ästhetisches Bewusstsein zu wecken, Wahrnehmungsfähigkeiten anzuregen und schließlich schöpferische Potentiale zu entfalten. Angebote gab es in den drei großen Bereichen Kunst, Musik, Theater und Tanz. Dabei stand Altes und Neues, Traditionelles und Modernes immer gleichberechtigt nebeneinander: Neben den Angeboten zum Volkstanz existierten Kurse im modernen Ausdruckstanz nach Rudolf von Laban; neben den Angeboten zur Ausgleichsgymnastik gab es rhythmische Gymnastik 109 ; neben Angeboten zum Chorsingen alter Madrigale gab es Übungsgruppen für einen modernen Sprechchor; neben der Instrumentalgruppe, die Bach und Beethoven probte, gab es die Instrumentalgruppe, die beispielsweise Symphonien des in Wickersdorf tätigen Musikpädagogen August Halm 110 einstudierte; neben der Auseinandersetzung mit den Kunstwerken des Mittelalters erfolgte die Annäherung an die zeitgenössische Kunst, den Expressionismus, den Konstruktivismus sowie andere moderne Strömungen. 111 Das Angebot hielt für jeden Interessierten etwas bereit, wollte Neugierde und Interesse wecken Um die eben beschriebene Bandbreite des Programms zur ästhetischen Erziehung wird es im ersten Teil des Beitrags gehen. Im zweiten Teil wird der Schwerpunkt auf den vier Arbeitsbereichen liegen, die eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Adolf Reichwein und Walter Dexel in Jena veranschaulichen. Diese sind: erstens die bildende Kunst, zweitens die Gebrauchsgrafik, drittens die Gestaltung des Alltags, und schließlich viertens die Theaterarbeit und hier speziell die modernen Bühnenbilder, die Walter Dexel entwarf. Das musisch-ästhetische Programm der Volkshochschule Das musisch-ästhetischen Programm der Volkshochschule Thüringen zu Reichweins Amtszeit erlaubt Rückschlüsse auf das von Reichwein vertretene Konzept der 107 Ludwig Pallat: Kunsterziehung. In: Herman Nohl/Ludwig Pallat (Hrsg.): Handbuch der Pädagogik, Band 3 Allgemeine Didaktik und Erziehungslehre, Langensalza 1930, S , hier S Siehe weiterführend Diethart Kerbs: Kunsterziehungsbewegung. In: Ders./Jürgen Reulecke (Hrsg.): Handbuch der deutschen Reformbewegungen Wuppertal 1998, S Zum Ausdruckstanz siehe den Beitrag von Gabriele Brandstetter im Handbuch der deutschen Reformbewegungen [wie FN 108], S Zu Körperkultur und Tanz in der Volkshochschule Thüringen siehe Bettina I. Reimers: Die neue Richtung der Erwachsenenbildung in Thüringen Essen 2003, S August Halm (geb in Großaltdorf, gest in Saalfeld) war nach dem Studium der Theologie und Komposition in Tübingen und München von 1903 bis 1906 als Musiklehrer am Lietz schen Landerziehungsheim Haubinda tätig. Zusammen mit Gustav Wyneken ging er 1906 nach Wickersdorf, wo er bis 1910 als Musiklehrer in der Freien Schulgemeinde wirkte. Nach 1910 war er zunächst als Dirigent in Ulm, dann seit 1914 als Musikerzieher an der evangelischen Lehrerausbildungsanstalt in Esslingen beschäftigt kehrte er nach Wickersdorf zurück, pflegte intensive Kontakte zur Volkshochschule Thüringen und leitete mehrere Musikwochen. Zu den verschiedenen Formen der Musikpflege in der Volkshochschule siehe Reimers [wie FN 109], S Zur Vermittlung der bildenden Kunst in der Volkshochschule siehe Reimers [wie FN 109], S

34 und erlaubte es jedem, sich seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechend selbst zu betätigen. Das nicht unterrichtsorientierte Programm der Volkshochschule war für viele Volkshochschulbesucher der erste Kontakt mit dieser Bildungseinrichtung. Die breite Palette der Freizeitgestaltung war geeignet, Berührungsängste gegenüber der Schule abzubauen und Neugierde auf andere Stoffgebiete zu wecken. Vor allem aber ergab sich in den schöpferisch-künstlerischen und musischen Kreisen in stärkerem Maße als in den Unterrichtskursen und Arbeitsgemeinschaften die Möglichkeit zu der von den Initiatoren angestrebten Geselligkeitsund Gemeinschaftspflege. Hier sollten die seelischen Kräfte durch Spiel, Gesang, Tanz und künstlerischschöpferische Tätigkeit gestärkt und eine Möglichkeit zur Erholung vom Arbeitsalltag geboten werden. Alle Angebote der Volkshochschule standen ganz im Zeichen der sinnvollen, aber auch freudvollen Freizeitgestaltung und der Verbindung von Wissen und Leben. Die in der städtischen Abendvolkshochschule Jena teilweise schon seit 1919 tätigen Jenaer Kunsterzieher und Künstler Martha Bergemann-Könitzer, Christoph Natter, Friedrich Körner, Georg Kötschau, Friedrich Blau und Walter Dexel weckten bei den Teilnehmern durch theoretische und praktische Ausbildung ein ästhetisches Bewußtsein, schulten deren Farb- und Formsinn und versuchten auf dieser Basis die schöpferischen Potentiale der Teilnehmer zu entfalten. Die Künstler beschritten in der im Jenaer Volkshaus eingerichteten Malschule (Christoph Natter, Friedrich Körner, Georg Kötschau) und im eigenen Atelier (Martha Bergemann-Könitzer) die neuen Wege der Kunsterziehung. Mit ihren praktischen Kursen eröffnete die Volkshochschule zahlreichen Menschen eine Möglichkeit zur künstlerischen und schöpferischen Arbeit außerhalb von Akademien und Kunsthochschulen. Ebenso wie die Kinder in der Schule, sollten die Teilnehmer der praktischen Kurse in der Volkshochschule nicht vorgegebene Formen nachbilden, sondern durch sinnliche Wahrnehmung der Natur und ausgewählter Kunstgegenstände zunächst Neusehen lernen und ihren Farb- und Formsinn ausprägen, um dann zum freien, kreativen Zeichnen, Gestalten und Formen zu gelangen. Dahinter stand, wie Ludwig Pallat es 1930 formulierte, die Idee, sein eigenes Schaffen und schließlich sich selbst und seine Umgebung in Form zu bringen. 112 Auch Adolf Reichwein räumte der Form und der Formgebung im Schaffenden Schulvolk eine zentrale Bedeutung für die ästhetische Bildung ein: Beim Einfachsten beginnt es. Eine neue Sicherheit im Erfassen von Formen und in der Formgebung muß gewonnen werden. 112 Ludwig Pallat [wie FN 107], S Die Schlichtheit und innere Geschlossenheit, die überzeugende Formkraft allen Geräts, vergangenen Hausbaus, landeigener Kleidung kann nur durch die Erziehung zu einfachen Formen erneuert werden. Und zwar muß dies vom Kinde her geschehen. Der Zerfall des Wertgefühls für Farbe und Form ist in den Dingen so vollkommen, daß es von Grund auf neu erworben werden muß. [ ] Unsere Kinder sollen wieder formenkundig werden und die Schönheit einfacher, im Stoff begründeter Formgebung erleben. [ ] Wir erproben diese einfachen und grundlegenden Einsichten in die schöne Gesetzmäßigkeit der Form und des Formens im eigenen Schaffen [ ]. Denn eine Formenkunde kann natürlich noch weniger als anderes Wissen nur aus der Betrachtung gewonnen werden. 113 In dieser erst 1937 publizierten Aussage Reichweins wird deutlich, was er schon in Jena und dann später in Tiefensee intendierte. Hier formuliert er sein eindeutiges Bekenntnis zur Verbindung von Anschauung und Kreativität als Voraussetzung für das Gelingen ästhetischer Bildung überhaupt. Eine Forderung, die ebenso auf den Unterricht in der einklassigen Volksschule in Tiefensee zutrifft wie auf den Erwachsenenunterricht in der Volkshochschule. Diese Forderung nach Verknüpfung von Anschauung und Tätigsein ist auch heute noch gültig. Ziele der ästhetischen Bildung waren und sind noch heute die Schulung einer bewussten sinnlichen Wahrnehmung: Sinne öffnen, sehen lernen, hören lernen, bewegen lernen, fühlen lernen. Das Angebot der Volkshochschulen in Weimar und Jena umfasste in der 1920er Jahren neben der praktischen, schöpferischen Arbeit auch eine stärker theoretisch ausgerichtete ästhetische Schulung. Im Vordergrund standen dabei erstens die Anleitung zur genaueren Wahrnehmung der Umwelt und zweitens eine Hinführung zur Ästhetik und zur Ausbildung des Kunstgeschmacks. Ziel dieser Kurse war die Weckung des Sinnes für Ehrlichkeit und Echtheit in der Darstellung. 114 Durch die Anleitung hofften die Dozenten, eine natürliche Ablehnung von Kitsch und Hausgreul zu fördern und so schließlich einen Beitrag zur Hebung des Geschmacks zum Besten von Stadtbild, Hausbau, Zimmerschmuck, Kleidung, Buchkunst zu leisten. Dem Direktor der Baugewerkeschule in Weimar, Professor Paul Klopfer, gelang mit seinen Kursen in Jena und Weimar die unmittelbare Verknüpfung von Bildung und Leben. Er forderte die Teilnehmer auf, die sie umgebenden Gegenstände des 113 Adolf Reichwein: Schaffendes Schulvolk Film in der Landschule. Die Tiefenseer Schulschriften Kommentierte Neuausgabe. Herausgegeben von W. Klafki, U. Amlung, H.C. Berg u.a. Weinheim/Basel 1993, S Leitsätze zum künstlerischen Unterricht an der Volkshochschule von Dr. Rohrbach (Gotha). ThHStAW, Volkshoch-

35 täglichen Gebrauchs, also Geschirr, Einrichtungs- und Dekorationsgegenstände, Wäsche, Kleidung, Schuhwerk und Schmuck, in den Unterricht mit zu bringen. Er verband demnach die ästhetische Erziehung mit der unmittelbaren Anschauung der Gegenstände. Um den Blick der Teilnehmer für künstlerisch gestaltete Gebrauchsgegenstände zu schärfen, nahm die Volkshochschule Thüringen Verbindung zur Thüringer Künstlerkammer und zum Wirtschaftsverband Weimarer bildender Künstler auf. Die Organisationen erklärten sich bereit, Wanderausstellungen für angeschlossene Volkshochschulen zur Verfügung zu stellen. Die Auswahl der Exponate erfolgte in Zusammenarbeit mit den Künstlern, die natürlich auch daran interessiert waren, ihre Werke zu verkaufen. 115 Mit der Organisation von Verkaufsausstellungen für die Hörer und den Aufrufen zum Erwerb guter Hauskunst (darunter verstand man Bilder und Dekorationsgegenstände), Bucheinbänden und Handwerkserzeugnissen wurde der Verein Volkshochschule Thüringen zum Kunstförderer und Kunstvermittler. Er unterstützte so ansässige Künstler, Kunsthandwerker und Betriebe. Trotz des großen Gewichts, das auf die Ausbildung des Kunstgeschmacks und die künstlerische Gestaltung des Alltags sowie auf die Vermittlung eines Bewusstseins für gutes Kunsthandwerk gelegt wurde, kam die Vermittlung der hohen Kunst nicht zu kurz: Die Kunst des Mittelalters, der Klassik und der Romantik wurde einem breiten Teilnehmerkreis mit Hilfe von Exkursionen (Naumburg, Erfurt, Bamberg, Würzburg), bei Besuchen verschiedener städtischer Museen, des Weimarer Schlossmuseums 116 und des dortigen Landesmuseums 117 und auch schule Thüringen und Deutsche Heimatschule Thüringen Nr In der ersten Ausstellung wurden Arbeiten (vornehmlich Radierungen) der Weimarer Künstler Linzen, Schniewind, Riege und Olbricht ausgestellt. Volkshochschulen, die an diesem Ausstellungsprojekt interessiert waren, wurden gebeten, sich mit der Geschäftsstelle der Volkshochschule Thüringen in Jena in Verbindung zu setzten. Siehe: Blätter der Volkshochschule Thüringen 5 (1923/24) 1, S Nach der Umgestaltung der Räumlichkeiten 1922/23 wurde das neu eingerichtete Schlossmuseum zugänglich gemacht. Das Schlossmuseum enthielt Bestände zum Mittelalter, zur Romantik, zu zeitgenössischer Kunst und Kunstgewerbe sowie eine Galerie der Moderne mit einer eigenen Abteilung Kunst der Lebenden. Zudem waren die historischen Räume und die Bildergalerie, die von Großherzogin Maria Paulowna in Auftrag gegebenen Dichterzimmer (Herder, Wieland, Schiller, Goethe), zu besichtigen. Zu den umfangreichen Sammlungen des Schlossmuseums siehe Rolf Bothe (Hrsg.): Kunstsammlungen zu Weimar: Schloßmuseum, Gemäldegalerie. München Das Weimarer Landesmuseum wurde in der Weimarer Republik ebenso wie der Jenaer Kunstverein zu einem Ausstellungsort der Avantgarde. Zum Ausstellungsprofil des Landesmuseums in der Weimarer Republik siehe weiterführend Gerda Wendermann: Das Landesmuseum Weimar ein umstrittener Ort der Avantgarde In: Rolf 35 durch Bildvorträge nahe gebracht. Die Vermittlung des Geistes der Weimarer Klassik, die seit der Vereinsgründung ein fester Bestandteil der Kulturarbeit der Volkshochschule Thüringen war, wurde vornehmlich vor Ort betrieben. Seit Sommer 1923 hatten die Mitglieder der Volkshochschule Thüringen freien Eintritt zu den Kunstund Erinnerungsstätten Weimars. Durch dieses vielseitige Angebot von praktischen Kursen, Besichtigungen und Vorträgen wie durch die enge Zusammenarbeit mit Kunstvereinen, Museen und Kunstschaffenden wurde die Volkshochschule Thüringen zu einer Institution, die eine Vermittlerrolle zwischen Künstlern, Kunstkennern und Laien übernahm und so die Verbindung zwischen Kunst und Leben förderte und das kulturelle Klima der Region mitprägte. Das ästhetische Programm der Volkshochschule macht deutliche, dass der ganzheitliche Ansatz ernst genommen und auch die richtige Methode gewählt worden war, um den ganzheitlichen Bildungsansatz zu verwirklichen: Kunstbetrachtung, Kunstvermittlung und schöpferische Tätigkeit gingen Hand in Hand, bauten aufeinander auf und ergänzten sich. Ergebnis dieser konsequenten Umsetzung einer Idee zur ästhetischen Bildung war, dass die Selbsttätigkeit der Kursteilnehmer gefördert wurde und sie dadurch die für die Ausbildung der Individualität prägende Erfahrung machen konnten, auch schöpferisch tätig zu sein. Im hier aufgezeigten Bildungsansatz wurde die theoretische Fundierung und Wissensvermittlung sinnvoll mit der Persönlichkeitsbildung und der praktischschöpferischen Arbeit verbunden. Das heißt Anschauung und Selbsttätigkeit wurden zusammengeführt; Kunst und Alltag wurden in Beziehung gesetzt; ästhetische Bildung und Leben wurden unmittelbar miteinander verknüpft und gewannen so Selbstverständlichkeit. Ziel all dieser Bestrebungen war die breitenwirksame Annäherung an Kunst auch moderne Kunstströmungen und Kunsthandwerk einerseits und die Entfaltung der eigenen Kräfte durch die künstlerische Betätigung andererseits, das heißt die Hilfestellung zur Formgebung oder Entwicklung und Gestaltung der eigenen Form, der eigenen Persönlichkeit. Die Zusammenarbeit zwischen Adolf Reichwein und Walter Dexel An diesem Punkt nun gehen die pädagogischen Bemühungen Adolf Reichweins mit den Bestrebungen Walter Dexels als Initiator und Kurator der Ausstellungen Hand in Hand. Als Geschäftsführer des Jenaer Kunstvereins 118 Bothe: Neues Museum Weimar: Geschichte und Ausblick. München/Berlin 1997, S Zum Jenaer Kunstverein siehe Volker Wahl: Jena als Kunststadt. Begegnungen mit der modernen Kunst in der thüringischen Universitätsstadt zwischen 1900 und Leipzig 1988.

36 kooperierte er bereits seit 1921 mit der Volkshochschule Jena. In den folgenden Jahren wurde Dexel angeregt durch die persönliche Freundschaft mit Adolf Reichwein auf verschiedenen Ebenen für die Volkshochschule Jena tätig. Genau an diesen Kreuzungslinien der praktischen Zusammenarbeit zwischen Walter Dexel und Adolf Reichwein wird sichtbar so meine These wie ähnlich die ästhetischen Konzeptionen beider waren, die darauf abzielten, ein ästhetisches Empfinden auch bei den Menschen zu wecken, bei denen in Erziehung und Ausbildung bisher kein ästhetisches Bewusstsein gefördert worden war. Ebenso wie bei Reichwein sind auch von Dexel keinerlei Äußerungen überliefert, die eine dezidierte Aussage über die Bedeutung enthalten, die die ästhetische Bildung für die eigene volksbildnerische Arbeit hatte. Dexel war, obwohl er im strengen Sinne keine praktische künstlerische Ausbildung genossen, sondern Kunstgeschichte studiert hatte, als Maler und Grafiker ein Mann der Praxis. Seine kunstpädagogischen Intentionen können daher anhand seiner praktischen Tätigkeit und der überlieferten Werke seines künstlerischen Schaffens nachvollzogen werden. Erste Kontakte zwischen der Volkshochschule Jena und Walter Dexel sind für das Jahr 1921 belegt, wobei nicht nachweisbar ist, ob die Initiative zur Zusammenarbeit von Dexel selbst oder von der Volkshochschule ausging. Sicher ist aber, dass es Dexel in seiner Funktion als Ausstellungsleiter und später als Geschäftsführer des Jenaer Kunstvereins um die Vermittlung der Moderne ging. In der lokalen Volkshochschule sah er den geeigneten Partner für die Realisierung seines Ziels. Wie sehr Walter Dexel daran gelegen war, die Verbindung zwischen Kunstverein und Volkshochschule zu festigen, zeigen die zahlreichen Einladungen der Volkshochschüler zu Ausstellungsbesuchen, die Sonderführungen und Vorträge. Einladungen ins Prinzessinnenschlösschen ergingen regelmäßig. Hervorzuheben sind die Ausstellungen der bedeutendsten Bauhauskünstler und Konstruktivisten: Oskar Schlemmer (14. Dezember 1924 bis 11. Januar 1925), Wassily Kandinsky (15. März bis 12. April 1925), Alfred Kubin (3. bis 31. Mai 1926), Karl Hofer (von 18. April bis 16. Mai 1926), Lovis Corinth (25. September bis 24. Oktober 1926), Gerhard Marcks (20. März bis 3. April 1927), Lyonel Feininger (9. Oktober bis 2. November 1927), Werner Burri und Franz Esser (12. Februar bis 11. März 1928). Hinzu kamen Sonderausstellungen zur Neuen Reklame (22. Mai bis 12. Juni 1927) mit Arbeiten berühmter Künstler wie Josef Albers, Herbert Bayer, László Moholy-Nagy, Oskar Schlemmer, Jost Schmidt, Willi Baumeister, Walter Dexel, Theo van Doesburg, Kurt Schwitters und eine Sonderausstellung zur Photographie (25. März bis 6. Mai 1928). Seit ergingen ausdrückliche Einladungen an die Volkshochschüler, so zu den Ausstellungen mit Aquarellen und Grafiken von Lovis Corinth (25. September bis 24. Oktober 1926) und mit Gemälden, Aquarellen und Grafiken des Bauhauskünstlers Lyonel Feininger (9. Oktober bis 2. November 1927). Ein Höhepunkt der Zusammenarbeit zwischen Kunstverein und Volkshochschule war die gemeinsam konzipierte Ausstellung der Plakate, Handzeichnungen und Grafiken von Käthe Kollwitz (15. Januar bis 4. Februar 1928). Das Schaffen der sozialkritischen Künstlerin hatte in der Volkshochschule einen besonderen Stellenwert, ihre Arbeiten waren Zeugnisse für wichtige Strömungen unserer Zeit 119 und immer wieder ein bevorzugter Gegenstand der Auseinandersetzung in Arbeitsgemeinschaften. Dass der Jenaer Kunstverein unter Walter Dexel als Ausstellungsorganisator zu einem Forum für moderne, expressionistische Malerei, Graphik und Photographie wurde, zeigen die Ausstellungsankündigungen deutlich. Auffällig ist auch, dass die Bauhausmeister in Jena und nicht in Weimar ausstellten. Dexel organisierte nicht nur Ausstellungen bekannter Künstler, sondern stellte der Volkshochschule Jena die Räume des Kunstvereins für eigene Ausstellungen zur Verfügung. Unter dem programmatischen Titel Neue Wege zur Kunsterziehung wurden 1921 und 1925 die in der Volkshochschule entstandenen Arbeiten von teilweise beachtlicher Qualität einem breiten Publikum präsentiert. Die Organisation der jeweils dreiwöchigen Ausstellungen hatten die Kunstpädagogen Christoph Natter und Walter Dexel übernommen. Gezeigt wurden Aquarelle, Zeichnungen, Portraits, Radierungen, grafische Arbeiten, Exlibris und Plastiken. 120 Dexels Verdienst besteht einerseits darin, dass er durch die Zusammenarbeit mit der Volkshochschule das Interesse für die Ausstellungen des Kunstvereins Jena auch in der Arbeiterschaft weckte und sie so an zeitgenössische, moderne Kunst heranführte. In den Ausstellungen konnten die Kunstpädagogen und Kursteilnehmer vor den Originalen einen Diskurs über die Gegenwartskunst führen und gleichzeitig Anregungen für die eigenen Arbeiten in Malerei, Druckgrafik und Plastik gewinnen. Dexels Verdienst ist andererseits darin zu sehen, dass er in der thüringischen Provinz die Auseinandersetzung mit avantgardistischen Kunstströmungen überhaupt erst ermöglichte. Im Juli 1928 schied Walter Dexel aus dem Vorstand des Jenaer Kunstvereins aus. Die Ausstel- 119 Buchwald, Reinhard: Zu unserm Bilde. In: Blätter der Volkshochschule Thüringen 9 (1927/28) 3, S Einige Schülerarbeiten konnten im Nachlass von Fritz Körner, der im Romantikerhaus Jena verwahrt wird, ermittelt werden. Dabei handelt es sich um Radierungen, Aquarelle sowie eine umfangreiche Sammlung von Exlibris.

37 lungskooperation zwischen Kunstverein und Volkshochschule wurde von seiner Nachfolgerin, der Kunsthistorikerin Johanna Stirnemann (eingesetzt im Juni 1930), fortgesetzt. 121 Um einen Einblick in die vielfältige Mitwirkung Walter Dexels in der Volkshochschule Jena zu geben, kehren wir noch einmal in das Jahr 1925 zurück. 122 Nachdem Adolf Reichwein die Leitung der Volkshochschule Jena von seinem Vorgänger Wilhelm Flitner übernommen hatte, wollte er den Wechsel in der Führungsposition nicht nur durch eine neue inhaltliche Ausrichtung Bekenntnis zur Arbeiterbildung und Jugendvolkshochschule 123, sondern auch äußerlich durch eine moderne, öffentlichkeitswirksame Werbung für die städtische Volkshochschule deutlich machen. Mit der Umgestaltung der Mitteilungen, Volkshochschulprogramme und der Blätter der Volkshochschule Jena betraute er seinen, inzwischen als Werbefachmann in Jena und darüber hinaus bekannten Freund Walter Dexel. 37 KNAPP KLAR DESHALB VON GRÖSSTER WIRKSAMKEIT. 124 Bei der Neugestaltung der Mitteilungen und Programme der Volkshochschule Jena folgte Dexel diesem Motto, ging aber behutsam vor, um die eingeschliffenen Sehgewohnheiten langsam abzubauen und das Publikum schrittweise zur modernen Gestaltung hinzuführen. Dieser Prozess wird am Beispiel der grafischen Neugestaltung des Lehrplans der Volkshochschule Jena evident: Die Titelseite der Programmhefte hatte seit 1919 die Darstellung des Heiligen Georg geschmückt er ist auch im Stadtwappen von Jena enthalten. Der Georg war also sechs Jahre lang das Aushängeschild, das Markenzeichen der Volkshochschule Jena gewesen. Das Emblem war schon für Schriften der deutschen Jugendbewegung verwendet worden und 1914 für die Werbebroschüre der Kriegsflugblätter des Eugen-Diederichs Verlages. 125 Auch zierte es die Titelseite der Tat-Flugschriften, die ebenfalls in Jena bei Ebenso wie schon die Ausstellungsplakate des Jenaer Kunstvereins sind auch die grafischen Arbeiten für die Volkshochschule Jena und später die Volkshochschule Thüringen Dexels Gestaltungsidee verpflichtet inserierte der Werbegrafiker Dexel in der seinen Druckerzeugnissen eigentümlichen Schrifttype und mit dem prägnanten Motto, das zur Maxime seiner künstlerischen Arbeit geworden war: SACHLICH 121 Vom 21. April bis 12. Mai 1929 waren im Kunstverein Schülerarbeiten aus Natters Kursen ausgestellt; vom 1. bis 22. Mai 1932 wurden in einer kunstpädagogischen Ausstellung die Ergebnisse aller Kunstarbeitsgemeinschaften präsentiert. 122 Bettina I. Reimers: Walter Dexel und die Volkshochschule Jena. In: Dexel in Jena. Herausgegeben von Maria Schmid in Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung Jena und den städtischen Museen Jena. Jena 2002, S Bettina I. Reimers: Die Entwicklung der Jugendvolkshochschule Jena unter dem Einfluß von Adolf Reichwein. In: Martha Friedenthal-Haase (Hrsg.): Adolf Reichwein. Widerstandskämpfer und Pädagoge. Erlangen/Jena 1999, S Diederichs erschienen. Im Januar 1926 war die Zeit reif für ein moderneres Gewand der Vereinspublikationen. Dexel ersetzte im ersten Schritt die Frakturschrift durch Antiqua und gestaltete den Schriftzug neu. Das tradierte Symbol verschob er aus der Mitte an den Rand des Titelblattes. Die Veranstaltungsankündigungen selbst erschienen nun in neuer, klarer Schrifttype. Denn Schnellste und beste Lesbarkeit ist unser oberstes Gesetz und unsere beste Schrift ist die, die jeder sofort ent- 124 (Jenaer) Biographie Walter Dexels. In: Dexel in Jena [wie FN 16], S Zur Bedeutung des Eugen Diederichs Verlags für die Volksbildungsarbeit siehe Bettina I. Reimers: Der Verleger als Erzieher. Eugen Diederichs und die Thüringer Volksbildungsbewegung. In: Justus H. Ulbricht / Meike G. Werner (Hrsg.): Romantik, Revolution und Reform. Der Eugen Diederichs Verlag im Epochekontext Göttingen S

38 ziffert. 126 Die Seiten wurden übersichtlich gegliedert und durch Absätze strukturiert. Bereits im Programmheft des darauf folgenden Trimesters (April bis Juni 1926) war der Heilige Georg vom Titelbild verschwunden. Übrig blieben der sachliche Schriftzug und die konstruktivistisch geprägte Gestaltung. Mit unterschiedlich farbigen Titelblättern erschienen die Programmhefte in dieser Schrift und Form bis zum Sommer Dexel begründete die Wahl der Typographie: Eine gut gelungene, sinngemäß geformte Typographie vermittelt über den Inhalt hinaus einen erfreulichen Eindruck von Ausgeglichenheit und Harmonie, der zwar nicht Sache der Kunst ist, wohl aber des Könnens und jeder Qualitätsarbeit anhaftet. 127 Der Feldzug für die Moderne ging weiter: Seit dem Winter-Trimester 1926 war Dexel auch als Dozent an der Volkshochschule tätig. Hier stellte er die Ideen des Neuen Bauens und der funktionalen Raumgestaltung vor. Die Veranstaltung als Jahreskurs über drei Trimester geplant firmierte unter dem schlichten Titel Das Bauen. 128 Dexel verband theoretische Unterweisung Plakat Kurse für Frauen an der Volkshochschule Jena und praktische Anschauung der Bauhausarchitektur miteinander. Er besuchte mit den Teilnehmern zwei vom Baubüro Walter Gropius in der Stadt Jena seit 1920 errichtete Gebäude. Eine Exkursion führte in das 1922 eröffnete Stadttheater, eine weitere zu dem von Walter Gropius und Adolf Meyer entworfenen Wohnhaus des Ehepaars Anna und Felix Auerbach 129 in der Schaeffer- 126 Walter Dexel: Was ist neue Typographie? [Zeitungsartikel o.d.] Abgedruckt in: Dexel in Jena [wie FN 122], S Walter Dexel: Was ist neue Typographie? [Zeitungsartikel o.d.] Abgedruckt in: Dexel in Jena [wie FN 122], S Lehrplan der Volkshochschule Jena, Januar März 1926, S Der ordinierte Physiker Felix Auerbach und seine Frau Anna waren Mitglieder des Kunstvereins und mit einigen Hauptvertretern der Volkshochschule in Jena freundschaftlich verbunden. Um die Baugenehmigung für das Wohnhaus aus schlichten weißen Kuben, in denen die Wohnund Arbeitsräume strikt vom Wirtschaftsbereich getrennt waren, hatte es 1924 heftige Diskussionen gegeben. Einige 38 straße 9. Am Beispiel der schlichten Bauhausarchitektur erklärte Dexel die Ideen des Neuen Bauens und erläuterte die Bedeutung der Farbgebung für Innenräume als mitgestaltendes Element. Im anschließenden Theorieteil fertigte er mit den Teilnehmern Zeichnungen und Modelle, mit deren Hilfe er Raumplastik und Statik veranschaulichte. In einem Beitrag über das Jenaer Ortsbauamt machte Dexel seinem Ärger über die Behinderung der modernen Architektur in Jena Luft und erklärte: Im neuen Geiste bauen heißt, ein Haus also letzten Endes eine Wohnmaschine ebenso praktisch, zweckmäßig und schön durcharbeiten wie ein Flugzeug oder ein Schiff durchgearbeitet werden, und dazu gehört eine erhebliche Arbeitsleistung; darüber hinaus heißt es, die notwendigen Gegebenheiten: Wandflächen, Türen, Fenster und Dach in ein harmonisches, künstlerisch befriedigendes Verhältnis zu setzen. Schlechte Türen und Fenster mit Zieraten [sic] bedecken ist keine Kunst, sondern eine üble Gewohnheit, die der Baumeister von heute als Unehrlichkeit empfindet und womit er nichts zu schaffen haben will. Bauen heißt Gesinnung haben, sagt Goethe irgendwo. 130 Im Herbst 1927 kündigte Dexel eine zweite Veranstaltungsreihe unter dem Titel Neues Bauen 131 an. Gegenstand der Beschäftigung war nun das architektonische Konzept der in Stuttgart neu errichteten Mustersiedlung auf dem Killesberg; damals ein architektonisches Großereignis von internationalem Interesse. Da eine Exkursion nach Stuttgart nicht möglich war, nutzte Dexel Lichtbilder. Ihm ging es darum, die Wahrnehmung für die Einfachheit und Zweckmäßigkeit der Architektur am konkreten Beispiel zu schulen und gegenwärtige Strömungen in der internationalen Architektur sinnfällig zu vermitteln. Von der Architektur ging es in einem weiteren Schritt zur Innenarchitektur des Neuen Bauens 132 : Dexel erklärte die Bedeutung flexibler Innenräume und erörterte die funktionalen und gestalterischen Qualitätsmerkmale guter Industrie- und Serienmöbel. Er versuchte in seinen Arbeitsgemeinschaften alle Elemente des Neuen Bauens aufzugreifen und die Teilnehmer durch die Anschauung und die Erklärung der Funktionen an das Neuartige heranzuführen. In der Auseinandersetzung mit dem neuen Bauen, der modernen Gebrauchsgrafik und der Typographie war es Dexels Anliegen, den Teilnehmern folgenden Grundsatz zu vermitteln: Ein Minimum an Form ermöglicht ein Maxi- Jenaer Bürger, die der Moderne weniger aufgeschlossen gegenüberstanden, hatten das Gebäude mit einem Flachdach als Provokation empfunden und erklärt, es passe nicht in das Stadtbild. 130 Walter Dexel: Der Werdegang neuer Ideen (1926). Abgedruckt in: Dexel in Jena [wie FN 122], S , hier S Lehrplan der Volkshochschule Jena, Oktober Dezember 1927, S Lehrplan der Volkshochschule Jena, Januar März 1928, S. 6.

39 mum an Freiheit, ein Maximum an Gestaltungsfreiheit. Sachlichkeit und Klarheit in der äußeren Gestaltung sind Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Inhalte. Ein weiteres Betätigungsfeld für Dexel war das Jungarbeiterheim der Volkshochschule Jena am Beuthenberg. 133 Dort setzte er seine Ideen zur Konstruktion funktionaler und gut gestalteter Möbel seit 1926 in Zusammenarbeit mit den Schülern des Heims in die Praxis um. In den Räumen des Heims war eine Tischlerwerkstatt eingerichtet worden. Hier schreinerten die jungen Arbeiter nach Dexels Entwürfen für Serienmöbel die für die Einrichtung des Hauses benötigten funktionellen und schlichten Gebrauchsmöbel und Lampen. Die Entwürfe 39 der Bühnenbildgestaltung. Die Konzeption moderner Bühnenbilder hatte den jungen Dexel schon während des Studiums intensiv beschäftigt, seit dem Frühjahr 1928 setzte er seine Ideen um und entwarf die Bühnenbilder 134 für die Laienspielgruppe der Volkshochschule Jena. Eine Laienspielschar der Volkshochschule Jena 135 existierte seit 1920, sie führte zunächst Schwänke von Hans Sachs und Jahreskreisspiele bei Volkshochschulfesten auf. Eine zweite Gruppe, der überwiegend jugendliche Volkshochschüler und Jugendliche des Ernst- Abbe-Heims 136 angehörten, eignete sich ein modernes Repertoire an. Ihre Mitglieder wirkten 1924 bei der Aufführung von Ernst Tollers Masse Mensch am Meininger Theater im Massenchor mit. Als sich im Frühjahr 1926 unter Leitung von Gerhart Sieveking der erste Sprechchor der Volkshochschule konstituierte, war der Grundstein für die Hinwendung zu zeitgenössischen Kunstformen im Theater gelegt. Mit der Aufführung des satirischen Lustspiels Mann ist Mann von Bertolt Brecht wurde eine neue Phase der Theaterarbeit der Volkshochschule Jena eingeleitet. Denn erstmals versuchte sich eine Laienspielgruppe an der Aufführung eines modernen Theaterstücks auf einer öffentlichen Bühne. 137 Für dieses gewagte Projekt fand die Gruppe in Walter Dexel einen idealen Partner. Er hatte sich seit 1915 intensiv mit Fragen der Bühnengestaltung auseinandergesetzt. Sein ursprüngliches Promotionsthema, das er 1915 an der Universität Jena angemeldet hatte, lautete Die künstlerischen Prinzipien der Bühnendekoration unter besonderer Berücksichtigung der neueren Zeit. 138 Bucheinband Das Wohnhaus von heute Prometheusverlag 1928 bestechen durch ihre Reduktion und Konzentration auf das Wesentliche. Bei der praktischen Umsetzung der Entwürfe achtete Dexel auf die genaue handwerkliche Ausführung. Der Sessel, der in der Bibliothek am Beuthenberg stand, findet sich ebenso wie die einfachen Bücherregale in dem von Walter und Grete Dexel 1928 herausgegebenen Buch Das Wohnhaus von heute. Besonderes Aufsehen in Jena erregte Walter Dexels Engagement für die Volkshochschule auf dem Gebiet 133 Siehe hierzu Ullrich Amlung: Adolf Reichwein Ein Lebensbild des Reformpädagogen, Volkskundlers und Widerstandskämpfers. Frankfurt a.m. 1999, S Volker Wahl: Walter Dexel Theaterarbeit in Jena 1928/29. Eine Dokumentation. In: Walter Dexel Bild Zeichen Raum. Hrsg. vom Kunstverein Bremen e.v. Berlin 1919, S Lisa Kerstin Kunert: Bühnen brauchen keine Maske, sondern ein Gesicht. Zu Walter Dexels Wirken für Theater und Volkshochschule. In: Dexel in Jena [wie FN 122], S Zum Laienspiel und zum avantgardistischen Theater in der Volkshochschule siehe Reimers [wie FN 109], S Das Ernst-Abbe-Jugendheim wurde bis 1923 von Walter und Elise Fränzel geleitet. Weitere Untersuchungen zur dort geleisteten Jugendbildungsarbeit stehen noch aus. 137 Die Leitung des Projektes hatten der Germanistikstudent Helmut Spieß, der erste Regieerfahrungen in Gera gesammelt hatte, und der theaterbegeisterte Dozent Hans Zurawski übernommen. 138 (Jenaer) Biographie Walter Dexels. In: Dexel in Jena [wie FN 122], S. 11.

40 Nun konnte Dexel seine Vorstellungen von einem Bühnenbild der neueren Zeit in die Realität umsetzen. Die aktuelle bühnenbildnerische Praxis müsse so Dexels 40 Die Formensprache (konzentrische Kreise und Halbkreise, wagerechte und horizontale Farbfelder, oftmals gestaffelte Farbfelder) und die Farbgebung (leuchtende und prächtige, keine grellen Farben), die Dexel in seinen frühen Bildern bereits erkennen lässt, sind in den Bühnenbildern in ihrer höchsten Vollendung d.h. Klarheit, Sachlichkeit und Prägnanz zu sehen. Bühnenbildentwürfe 1915 Ansatz in der Promotionsskizze die traditionelle Auffassung von Dekoration als Ambiente hinter sich lassen. Es könne auf der Bühne nicht mehr um die Vortäuschung eines Schauplatzes gehen. Die Schmuckfülle Regiebesprechung Mann ist Mann 1928 müsse aufgegeben werden. Klare Sachlichkeit sei notwendig, damit der dramatische Text und die stimmliche und gestische Gestaltung der Figuren durch den Schauspieler zur Geltung kommen könnten. Von Bedeutung seien zudem der Einsatz des Lichtes und der Bühnentechnik. Die Umsetzung dieser Vorstellungen ist deutlich an den Bühnenbildentwürfen und Szenenfotos zu Mann ist Mann von Bertolt Brecht zu sehen. Bühnenbildentwürfe Mann ist Mann 1928 Dexel schuf für die Volkshochschulaufführungen Bühnenbilder, in denen er die schlichte Formensprache des Kubismus umsetzte. Architektur und Natur werden abstrakt dargestellt, die Bühnenaufbauten sind dem Konstruktivismus verpflichtet, die Dekorationen sind eher spärlich. Die Raumgestaltung erfolgt durch die Farbgebung und das Licht.

41 41 und Gesten intensivieren. Schlichte, karge Hintergründe schaffen Raum für die Bewegungen der Laiendarsteller. Die spärliche Dekoration und Ausstattung minimiert zudem den Aufwand für den Bühnenumbau. Ein sprechendes Beispiel dafür ist der Bühnenbildentwurf zu dem Stück Die Rückkehr des verlorenen Sohnes von André Gide, das anlässlich der Weihnachtsfeier der Volkshochschule Jena 1928 im Stadttheater aufgeführt wurde. Das Plakat hatte selbstverständlich Walter Dexel entworfen. Wie es Euch gefällt, Bühnenbild und Szene, 1929 Das Anfertigen der Bühnenbilder nach den Entwürfen Dexels war wie auch das Agieren auf der Bühne eine kollektive Arbeit. Die Bühnenbilder, die Dekorationen wie auch die Kostüme, die seine Frau Grete Dexel 139 entworfen hatte, wurden von den Volkshochschülern selbst gefertigt. Bei der Umsetzung der Entwürfe zu Bühnenbildern verlangte Dexel solide handwerkliche Arbeit und Präzision, sodass Kunst und Handwerk bzw. handwerkliche Umsetzung Hand in Hand gingen. Bühnenbild Der verlorene Sohn 1928 Dem Bühnenbild soll das Wesen der Handlung inne wohnen, es soll Handlungsräume eröffnen und nicht von der Handlung ablenken. Im Vordergrund steht die nackte Konstruktion ohne Requisiten und Vorhänge; der Phantasie aller Beteiligten (Regisseur, Schauspieler, Zuschauer) sollen keine Grenzen gesetzt werden. Die Abstraktion auf der Bühne soll die Bedeutung der Worte An den vorgestellten Beispielen wird deutlich, dass der praktischen Arbeit, die Adolf Reichwein und Walter Dexel in Jena gefördert und selbst umgesetzt haben, eine Auffassung von ästhetischer Bildung zugrunde lag, die wenigstens bezogen auf die Bildungsarbeit mit Erwachsenen meines Wissens einmalig war. Beide haben mit 139 Grete Dexel: Zur Inszenierung von Shakespeare Wie es Euch gefällt. In: Walter Dexel Bild Zeichen Raum. Hrsg. vom Kunstverein Bremen e.v. Berlin 1919, S

42 ihrer Arbeit nicht nur die Forderungen zur ganzheitlichen Bildung des Menschen erfüllt, sondern darüber hinaus auch eine damals wie heute nicht selbstverständliche Hinwendung zu der und Auseinandersetzung mit der modernen Kunst bewirkt. Dabei richteten sie ihr Augenmerk nicht nur auf die avantgardistische bildende Kunst der klassischen Moderne, sondern auch auf diejenigen Erscheinungsformen der modernen Kunst, die dazu beitragen konnten, den Alltag neu zu gestalten und zu formen. Abbildungsnachweis: Lehrplan der VHS Jena 1925 (Reimers) Lehrpläne und Blätter der Volkshochschule Jena nach der Umgestaltung (Reimers) [Blätter der vhs jena 1926, Blätter der vhs jena, Herbstarbeit der Volkshochschule 1925, Volkshochschule Jena 1927, Sequenz] Plakat Kurse für Frauen an der Volkshochschule Jena (Reimers 2003, S. 507) Bibliothek des Jungarbeiterheims am Beuthenberg [Ich danke Ullrich Amlung für die Überlassung dieses Fotos. Es stammt von Werner Weißbach, Leipzig; einem ehemaligen Lehrgangsteilnehmer im Volkshochschulheim am Beuthenberg] Bucheinband Das Wohnhaus von heute (Dexel in Jena, S. 154) Bühnenbildentwürfe von Walter Dexel, 1915 (Dexel in Jena, S. 37) Regiebesprechung zu Mann ist Mann 1928 (Reimers 2003, S. 436) Bühnenbildentwürfe zu Mann ist Mann 1928 (Dexel in Jena, S. 34/35) Bühnenbildentwürfe zu Die Rückkehr des verlorenen Sohnes 1928 (Reimers 2003, S. 438) Bühnenbildentwürfe zu Wie es Euch gefällt 1929 (Reimers 2003, S. 440) Szenenfoto Wie es Euch gefällt 1929 (Reimers 2003, S. 441) Auf den Spuren von Adolf Reichwein in Jena Lothar Kunz Die vorjährige Haupttagung des ARV fand wie schon erwähnt - vom in Weimar und Jena statt. Nach den Beiträgen von Gundel Mattenklott, Bettina Reimers und über das Bauhaus in Weimar, will ich hier 42 einen Beitrag zum abschließenden Besuch in Jena am Sonntag, dem , anfügen. Der Schulleiter, Jürgen Haaß, sprach am Vormittag zuerst über das Adolf-Reichwein-Gymnasium auf dem Weg zur Kooperativen Gesamtschule ; im Anschluss daran war ein Stadtrundgang zu den Wirkungsstätten Adolf Reichweins geplant. Auf beide Programmpunkte war ich neugierig. Wird die Kooperative Gesamtschule den Namen Adolf Reichweins weiter tragen und wie wirkt die Stadt Jena auf mich, in der Adolf Reichwein vom bis zum Sommer 1929 zunächst als Geschäftsführer der Volksschule Thüringen und dann als Leiter der Volkshochschule Jena gewirkt hat? In einem kleineren Saal im Haus auf der Mauer referierte Jürgen Haaß über den gegenwärtigen Planungsstand einer Institution, die sich aus der bisherigen Ostschule (Regelschule) und dem bisherigen Adolf- Reichwein-Gymnasium zusammensetzt und den Betrieb zum Schuljahr 2006/07 aufnehmen wird. Die beiden Zweige Regelschule und Gymnasium werden dabei als getrennte Bildungsgänge geführt und beibehalten. Allerdings werden die jeweiligen Übergangsmöglichkeiten zwischen den Schulzweigen erleichtert. Ein breites Bildungs- und Freizeitangebot mit dem gemeinsamen Technikbereich einer Bibliothek, einer guten Computerausstattung, einem Schulchor, einem Schultheater und den gemeinsamen Sportstätten stehen der Kooperativen Gesamtschule zur Verfügung, deren Name noch nicht feststeht. Das 92-jährige Gebäude ist grundsaniert und renoviert worden und mit der umgebauten Aula steht nun ein Saal zur Verfügung, der über die Schule hinaus genutzt werden kann. Die Anmeldezahlen für das Schuljahr 2006/2007 sind zufriedenstellend. Ob langfristig eine eigene Oberstufe weiter existieren kann, ist ungewiss. Bilder der renovierten Schule, die an der Wöllnitzstraße liegt, rundeten die Präsentation des Schulleiters ab. Er war reichlich irritiert, als vehemente Nachfragen zur Namensgebung kamen. Jürgen Haaß konnte daraufhin nur entgegnen, dass er sich persönlich für den Namen Adolf Reichwein einsetzen wird. Klaus Schittko unterstrich die Bereitschaft des Reichweinvereins bei der Unterstützung der Namensgebung und überreichte allen Sängerinnen und Sängern des Schulchors, der die Begegnung schwungvoll musikalisch umrahmte, den Sonderdruck des Reichwein-Vereins Hungermarsch durch Lappland. Schon auf der Hinfahrt nach Weimar am Freitag (05.05.) bekam ich erste Eindrücke von Jena, da wir, Renate Steinchen und ich, wegen eines Staus auf der Autobahn

43 über die Bundesstraße nach Jena und weiter nach Weimar weitergefahren sind. Jena-Neu-Lobeda ist zunächst eine Trabantenstadt direkt an der Autobahn mit klotzigen Plattenbauten. Danach blickt man auf die Stadtmitte mit dem modernen Hochhausturm, heute Teil der Schiller-Universität und dem kleineren Turm der Michaelskirche mit seiner barocken Turmhaube. Im Vordergrund streift man die Saale-Auen mit Sportplätzen und Grünanlagen. Die Stadt wird von Bergen umgeben, die zunächst hoch erscheinen. Der Landgraf, der Hausberg und der Jenzig sind jedoch nicht über 400 m hoch, während die Saale- Aue 144 m über dem Meeresspiegel liegt. 140 Im Stadtführer liest man ferner, dass Jena schon um 1220 das Stadtrecht erhielt und auch schon 1548/58 eine Universität gründete. Jena war ab 1429 eine wohlhabende Handels- und Gewerbestadt mit ausgeprägtem Weinbau (700 ha Anbaufläche). Viel Unglück, Einquartierungen, Plünderungen und Pest brachten der Dreißigjährige Krieg für Jena, wenn auch Schutzbriefe für die Universität das Schlimmste verhinderten. 141 Um 1700 stand Jena im Buch- und Verlagswesen an zweiter Stelle nach Leipzig in Deutschland. Schon 1553 wurde die Luther-Bibel in Jena gedruckt. Eine geistige Blütezeit erlebte Jena zwischen 1785 und 1819, als mit Friedrich Schiller (Professor der Geschichte ), J. G. Fichte (Professor der Philosophie ), F. W. v. Schelling (Professor der Philosophie ), A. W. Schlegel (Professor der Philosophie ) und F. Hegel (Professor der Philosophie ) bedeutende Persönlichkeiten an der Universität Jena lehrten und Schiller und Goethe im Haus am Markt in Jena Freundschaft geschlossen hatten Ich hatte Gelegenheit, die heutige Wiesen- und Felderlandschaft des damaligen Schlachtfeldes vom Auto aus zu sehen. Gelbe Löwenzahnwiesen und blühende Obstbäume lenkten den Blick ab von der guten Dokumentation auf Hinweistafeln hatte der Universitätsmechaniker Carl Zeiss die feinmechanisch-optische Werkstätte gegründet, und erst nach 1871 entwickelte sich Jena langsam zur Industriestadt. Ernst Abbe hat 1889 mit der Carl-Zeiss-Stiftung einen weiteren Grundstein zur Weiterentwicklung der Zeiss-Werke hin zu einer weltbekannten Firma gelegt, die zu DDR-Zeiten Menschen beschäftigt hatte. 144 Vorbei an schönen Gärten und Villen, die sich am Hang des Landgrafen hochziehen, fuhren wir entlang des Mühlentals aus Jena hinaus, dessen Innenstadt eng und sehr verkehrsbelastet wirkt. Die Stadtführung am , die Kurt Meinl für Renate Steinchen und mich mit dem Auto exklusiv durchführte, begann am Haus auf der Mauer ; daneben konnten wir das Johannestor, einen noch erhaltenen Stadtturm, bewundern. Wir gingen gegenüber noch kurz in die Wagnergasse, eine belebte Altstadtgasse mit vielen Studentenkneipen und einem jungen Publikum. Vor der Geschäftsstelle der VHS Jena am Carl-Zeiss-Platz 3 war es menschenleer, und wir konnten in Ruhe die Gedenktafel für Adolf Reichwein lesen: 1806 nach der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt und den folgenden Befreiungskriegen nahm die Stadt einen erneuten geistigen, politischen und wirtschaftlichen Aufschwung. Die Stadt gedenkt in diesem Jahr mit einer Veranstaltungsreihe Rendezvous mit Napoleon in Jena des 200- jährigen Jubiläum der Doppelschlacht. Konzerte, Filme, Ausstellungen, Lesungen, eine Ringvorlesung an der Universität sowie die Dauerausstellung im Museum 1806 in Jena-Cospeda (Vorgeschichte und Verlauf der Schlacht) werden angeboten. 143 ADOLF REICHWEIN GEBOREN 1898 HINGERICHTET 1944 VON DEN NATIONALSOZIALISTEN LEITER DER VOLKSHOCHSCHULE THÜRINGEN UND JENA REFORMPÄDAGOGE WISSENSCHAFTLER WIDERSTANDSKÄMPFER 140 Jena Der Stadtführer, Jenzig-Verlag Gabriele Köhler, Jena 2005, S Ebenda, S Stichwort Jena im Reiseführer Deutsche Demokratische Republik, VEB Tourist-Verlag Leipzig 1978, S Vgl. Faltblatt Jena Kultur ( 144 Reiseführer DDR, a.a.0., S. 285.

44 44 Der Kauf seines Flugzeugs und zahlreiche, zum Teil abenteuerliche Flüge ab 1928 mit seiner kleinen Klemm. Diese Ereignisse können hier nicht ausführlicher dargestellt werden. Ullrich Amlung hat sie ausführlich auch im Zusammenhang mit Reichweins inhaltlicher und organisatorischer VHS-Arbeit in Jena und Umgebung beschrieben. 147 Diese wurde nach der Wende im Beisein von Rosemarie Reichwein und Max Kessler an einem regnerischen Tag eingeweiht. Aus Max Kesslers Erinnerungen an Adolf Reichwein wissen wir, dass sich in der Geschäftsstelle auch ein Raum befand, in dem Reichwein vor vielen jungen Zuhörern an Vortrags- und Diskussionsabenden politische und weltwirtschaftliche Themen zuspitzte. 145 Das dreigeschossige Haus ist auch gegenwärtig in einem guten baulichen Zustand. In seinen Briefen hat sich Adolf Reichwein über das Haus der Geschäftsstelle nicht geäußert. 146 In Adolf Reichweins Jenaer Zeit fielen: - das Aufwachsen und der unglückliche Tod des Sohnes Gert ( ) - die Trennung von seiner ersten Frau Eva Hillmann (Scheidung am ) - die Reise nach Amerika, Mexiko und China 1926/ die Fahrt mit den Jungarbeitern des VHS-Heims nach Lappland und Skandinavien Sommer 1928 Gegenüber der Geschäftsstelle sahen wir am Carl- Zeiss-Platz 15 das Volkshaus, ein repräsentatives Gebäude, das aus Mitteln der Zeiss-Stiftung auf Initiative Ernst Abbes vom Architekten Rossbach gebaut wurde. Es enthält die Ernst Abbe-Bücherei mit Lesesaal, einem großen und kleinen Konzertsaal und weiteren Räumlichkeiten. Das Volkshaus war und ist eine wichtige Veranstaltungsstätte in der Stadtmitte von Jena. So fand dort 1921 der Reichsparteitag der KPD statt, auf dem sich die Partei vom Linksputschismus lossagte. 148 Auch der politische Kongress, den Adolf Reichwein mit vorbereitet hatte, fand Ostern 1925 im Volkshaus statt; ebenso auch viele Veranstaltungen der Abendvolkshochschule und der Jugendvolkshochschule. 149 Ebenfalls am Carl-Zeiss-Platz sahen wir das Denkmal für Ernst Abbe ( ). Ein achteckiger Tempel, den Henry van de Velde schuf und der 1911 eingeweiht wurde. Ernst Abbe war von Professor für Mathematik und Physik an der Schiller-Universität in Jena, trat als Mitunternehmer in die Zeiss-Werke ein, wo er 145 Max Kessler: Die Volkshochschule Jena meine Lehrjahre bei Adolf Reichwein, in: Adolf Reichwein: Widerstandskämpfer und Pädagoge Gedenkveranstaltung an der Friedrich-Schiller- Universität Jena, 15. Oktober 1998, hrsg. von Martha Friedenthal-Haase, Palm und Enke-Verlag Erlangen und Jena 1999, S. 193/ Die Jenaer Zeit hat Adolf Reichwein in den Briefen Nr. 35- Nr. 99 bearbeitet. Vgl. Adolf Reichwein: Pädagoge und Widerstandskämpfer Ein Lebensbild in Briefen und Dokumenten, hrsg. von Gabriele Pallat, Roland Reichwein und Lothar Kunz, Schöningh-Verlag Paderborn 1999, S (Reichweinbriefband 1999). 147 Ullrich Amlung: Adolf Reichwein : Ein Lebensbild des Reformpädagogen, Volkskundlers und Widerstandskämpfers, dipa-verlag Frankfurt/Main 1999, S Jürgen John: Thüringen und Jena in den 1920er Jahren. Zum landes- und kommunalpolitischen Wirkungskreis von Adolf Reichwein, in: Friedenthal-Haase (Hrsg.), a.a.o., S Vgl. Reichweinbriefband 1999, Brief Nr. 47 an Theodor Bäuerle vom , S. 68/69. Thema war Politik, Wirtschaft und die Erziehung, Ort der Zusammenkunft das hiesige Volkshaus.

45 als Wissenschaftler zahlreiche optische Geräte erfand und weiterentwickelte. Er übernahm 1888 nach Cal Zeiss Tod die Firma und wandelte sie 1889 in eine Stiftung um. Abbe war als 45 Die nächste Etappe galt den Bauhausbauten in Jena. Zuerst fuhren wir an der Mensa der Universität vorbei, die ebenso wie das Abbeanum, ein Institut der Universität Jena, vom Architekten Neuffert entworfen wurde, zwei sachliche Zweckbauten mit formstrengen Fensterfronten. weitsichtiger Wissenschaftler und Unternehmer am Fortkommen des Betriebes ebenso interessiert wie an der Förderung des Gemeinwohls und der Lösung der Arbeiterfrage. Durch diese Umwandlung wurden die Zeiss- Werke auch Eigentum der Arbeiter. Am Jahresende wurde jeweils eine Gewinnbeteiligung ausgeschüttet. Ein fester Grundlohn wurde auch bei Kurzarbeit gewährt, und schon am 1. April 1900 wurde der Achtstundentag eingeführt. Mit beträchtlichen Mitteln unterstützte die Carl-Zeiss-Stiftung die Bildung der Arbeiter, das Volkshochschulwesen und den Ausbau der Universität sowie andere Einrichtungen der Stadt Jena. Ernst Abbe war mit August Bebel befreundet, den er öfter im Urlaub in der Schweiz traf und von dessen sozialpolitischen Vorstellungen er stark beeinflusst war. Abbe war eine gut ausgebildete Stammarbeiterschaft wichtig. Nicht selten waren Väter und Söhne bei Zeiss beschäftigt. Mit den Glaswerken Schott gehörte eine weitere wichtige Fabrik in Jena zur Carl-Zeiss-Stiftung. Sie produzierte u.a. qualitatives Rohmaterial für die Mikroskope und die weiteren optischen Geräten von Zeiss. 150 Aus einem Brief an den Vater vom geht hervor, dass sich auch Adolf Reichwein intensiv mit Ernst Abbe beschäftigt hat. Er hatte im Winter eine größere Arbeitsgemeinschaft über Abbe, Ford und Rathenau und diese drei zu jenem Zweck damals gründlich studiert. 151 Die Auerbach-Villa liegt am Fuße des Landgrafen in einer luftigen Gartensiedlung. Sie wurde von Gropius und Meyer gebaut und war bis 1933 im Besitz der jüdischen Familie Auerbach. Nachdem Auerbachs 1933 in den Freitod gingen, kaufte Peter Petersen, der Leiter der Jena-Plan-Schule und Pädagogik-Professor, die Villa Dies passt in mein kritisches Petersen-Bild, der sich doch zu sehr auf die Nazis eingelassen hatte. Nach meiner Information hatte Adolf Reichwein nur wenig Kontakt zum Kollegen Petersen. Nach einer längeren Strecke, vorbei an den Zeiss- Werken, die in den 1970er Jahren gebaut wurden, steuerten wir das Volkshochschulheim am Beuthenberg an, nicht ohne auf die Situation der Zeiss-Werke zu sprechen zu kommen. Lothar Späth, der bekannte Retter der Zeiss-Werke hat nach der Wende, an einem Tag Zeiss-Arbeiter entlassen, berichtet Kurt Meinl. Im Stadtführer wird betont, dass nach der Wende 1989 große Teile des Zeiss-Hauptwerkes abgerissen wurden. Andere Teile wurden saniert und stehen größtenteils der Universität zur Nutzung zur Verfügung. Die Carl-Zeiss Jena GmbH habe ihren Sitz nun in der Tatzendpromenade. Im alten Zentrum (und in Göschwitz) residiert die Jenoptik AG, die sich unter Lothar Späth zum größten Konzern in den neuen Bundesländern entwickelt hat Vgl. Walter Dornfeldt: Ernst Abbe ( ) Forscher und sozialer Organisator, in: Forscher und Wegbereiter, Denken und Wissen, lebenskundliche Quellen- und Lesehefte, Heft 5, GEWE-Verlag Berlin-Schöneberg 1960, S Reichweinbriefband 1999, S. 72/ Jena. Der Stadtführer, a.a.o., S. 7. Der DDR-Reiseführer charakterisiert dagegen den VEB Carl Zeiss als einen Betrieb, der sehr eng mit der Universität Jena zusammenarbeite, allein 2000 Wissenschaftler beschäftige und in der feinmechanischoptischen Industrie eine einmalige Geltung erreicht habe. Er produziere optisch-physikalische Messgeräte, Mikroskope, astronomische Instrumente, Vermessungs- und Bildmessgerä-

46 Sie beschäftige zur Zeit nur noch 5000 Menschen, informierte uns Kurt Meinl. Im Internet habe ich folgendes dazu gelesen: Rund Mitarbeiter des Jenoptik-Konzerns erzielten 2005 in den drei Sparten Laser & Optik, Sensorik und Mechatronik und der Holding einen Umsatz von 410,1 Mio Euro und ein Betriebsergebnis von rund 25 Mio Euro. Hauptsitz des Technologiekonzerns ist Jena, einer der wichtigsten Standorte für optische Technologien Europas und weltweit bekannt für German engineering im Bereich der Präzisionsoptik und Feinmechanik. Der Konzern ist 1991 aus der JENOPTIK Carl Zeiss Jena GmbH hervorgegangen. Seit Juni 1998 ist die JENOPTIK AG an der Frankfurter Wertpapierbörse notiert und wird im TecDax geführt. 46 Kennzahlen 2005 auf einen Blick. Umsatz 1.914,4 Millionen Euro Anteil Inland 40 % Anteil Ausland 60 % Netto-Wertschöpfung 456,6 Millionen Euro EBIT -9,8 Millionen Euro Ergebnis nach Steuern 69,4 Millionen Euro Mitarbeiterzahl am Bilanzstichtag Das Jungarbeiterheim der VHS Jena befindet sich an einem steilen Hang mit einer gepflasterten Straße, so dass ich als Gehbehinderter große Stehschwierigkeiten hatte. Das Haus wurde zuerst angemietet und dann von der Carl-Zeiss-Stiftung schließlich gekauft. Das Jungarbeiterheim wurde am 1. Mai 1926 eröffnet. Unter der Anleitung von Walter Dexel bauten die Jungarbeiter einfache, formschöne Möbel. Im Keller befand sich die Werkstatt, betonte Kurt Meinl. Das zweistöckige Haus besitzt einen großen Balkon und im Dachgeschoss mehrere Kammern. Über eine Treppe erreicht man den Hauseingang. Der Garten ist durch Stützmauern zur Straße hin abgegrenzt. Man muss vom Balkon und den Räumen aus einen herrlichen Blick auf Jena haben. Wie bekannt, hat Reichwein dort zusammen mit 12 Jungarbeitern und einer Hauswirtschafterin in einer Hausund Wohngemeinschaft gelebt. Seit das Heim wieder im Gange ist (10.08.), stehe ich morgens 5.30 Uhr mit den Jungen auf, wir duschen gemeinsam, ich habe einen langen Tag vor mir und gehe abends früh zu Bett, betont Adolf Reichwein am in einem Brief an die Familie. 153 Im Brief an Wilfried Schüler erfährt man sechs Tage später, dass Reichwein eine neue Haushälterin für das VHS-Heim sucht: Weißt Du jemand, nicht mehr zu jung, in der Lage für 14 Leute zu kochen, das Haus in Ordnung zu halten, daneben aber, worauf ich besonderen Wert lege, das zu bilden, was man Atmosphäre nennt. 154 Schließlich schreibt er im Brief an seine Mutter am 28. November 1927: Draußen im Heim spiele ich jetzt manchmal Geige zum Liedermitsingen (wir sind 3 Geiger). Wir bereiten uns auch damit auf unsere nächstjährige Studienreise nach Skandinavien vor. Morgen beginnt zu gleichem Zweck unser schwedischer Unterricht. 155 Im Brief an die Familie am erfährt man dann: Mir geht es gut jetzt hier. Einleitend beschreibt Adolf Reichwein auch die Treffen der Hörerräte und des Helferkreises der VHS im Heim, das ein wichtiges Kommunikationszentrum geworden ist. 156 Zum Abschluss der Stadtführung auf Adolf Reichweins Spuren fuhren wir auf den gegenüberliegenden Hang am Hausberg. Der Weg führte uns über eine Saale- Brücke, vorbei am Adolf-Reichwein-Gymnasium in der Wöllnitzstraße. Am Burgweg 38 angekommen, standen wir vor einem kleineren Haus aus rotem Klinker, umgeben von einem Garten, den wir nicht so recht einsehen konnten. Reichwein hatte das Haus auf Kreditbasis gekauft und nach der Trennung von Eva Hillmann wieder verkauft. Da wir das Haus und den Garten nicht betreten konnten, spekulierten wir auch nicht darüber, an welcher Stelle im Garten der Sohn Gert 1925 unbeaufsichtigt in einer Regentonne ertrank. te, medizinische Geräte und Geräte der Hochvakuumtechnik, a.a.o., S. 284/ Reichweinbriefband 1999, Brief Nr. 85, S. 97/ Ebenda, Brief Nr. 80, S Ebenda, Brief Nr. 80, S Ebenda, Brief Nr. 89, S. 101.

47 Im Vergleich zu den Villen am Landgraf kam uns dieses Häuschen am Hausberg bescheiden vor. In einem Brief an seinen Vater Karl vom hat sich Adolf Reichwein auch zu diesem Haus geäußert: Im übrigen sitzen wir aber hier oben und es ist herrlich hier. Zwei Kammern haben wir vermietet, den Rest behausen wir selbst. Zwei Zimmer sind neu gestrichen (grün und violett). Mein Arbeitszimmer ist eingerichtet. Es ist sehr ruhig. Wir sehen von oben auf die Stadt, sind in zwei Minuten im herrlichen Wald. Der Garten ist so weit bestellt. Eingangs schilderte er die Finanzierungsschwierigkeiten beim Hauskauf und die Versuche des Landeswohnungsamts Weimar, das Haus zwangszuräumen Berlepsch-Valendas das Volkshochschulwesen im Land Thüringen auszubauen. 158 Martha Friedenthal-Haase hat in ihrem Beitrag Beobachtungen zu Adolf Reichweins Stil als Erwachsenenbildner zu recht auch darauf hingewiesen, dass er sich vielleicht als einziger seiner Generation die nachschulische Bildung von Jugendlichen und Erwachsenen als Ziel seiner künftigen Arbeit gesetzt hat 159 In demselben Brief führt er über Jena noch aus: Jena ist ein sehr schönes Städtchen, anregend in jeder Beziehung, landschaftlich, menschlich (Universität, Eugen Diedrichs- Verlag, der viele Menschen vorübergehend hinzieht, Zeiss-Werke usf.) 160 In einem weiteren Brief an seinen Vater vergleicht er am , schon in Jena, die beiden unterschiedlichen Welten in Berlin und Jena, die beide schön seien, aber gar nichts miteinander zu tun hätten. Er empfindet Jena als eine viel ruhigere und sicherere Welt. Die Dauerhaftigkeit, Gründlichkeit und Schwere des ländlichen Lebens, die gleichzeitig aber auch Borniertheit ist sei es nun in Rosbach oder Jena sieht er im Gegensatz zur Weltstadt Berlin, die auf so unsicherem und vergänglichem Grund gebaut sei. 161 Doch schon ein Jahr später erkennt Adolf Reichwein, dass auch die politische Situation in Thüringen in Bewegung ist. An seinen Freund Rolf Gardiner schreibt er am : Thüringen, das gestern noch sozialistische, ist so schwarz reaktionär, dass wir nicht wissen, wie lange man uns noch arbeiten lässt. 162 Abschließend will ich mich noch mit den Überlegungen Adolf Reichweins, von Berlin nach Jena zu gehen, befassen und dessen landes- und kommunalpolitisches Wirkungsmilieu in Thüringen und Jena in den 1920er Jahren etwas beschreiben. Noch in Berlin schreibt Adolf Reichwein am einen Brief, wieder an seinen Vater, in dem er den Wechsel an die Volkshochschule nach Jena im Oktober ankündigt. Er sieht in diesem geplanten Wechsel einen neuen Lebensabschnitt mit seiner Frau Eva, die in Bälde ein Kind erwartet. Ich trete so langsam wieder den siegreichen Rückzug in die Heimat an, nachdem ich lange genug hier oben im Norden die Stellung gehalten habe. Er hofft, dass das Kleine von vorne herein nicht die Berliner Stadtluft atmen muss und dass er in Jena die fast zwei Jahre Berlin verdauen kann. Doch am stärksten lockt ihn die Aufgabe, zusammen mit dem Schweizer Jürgen John verdeutlicht in seinem schon erwähnten Beitrag, dass der Weimarer Volkshochschulreferent des Landes Thüringen, Reinhard Buchwald, Adolf Reichwein zum Leiter der Volkshochschule Thüringen zu einem Zeitpunkt berufen habe, als noch die linke Landesregierung Fröhlich/Greil (aus SPD und USPD bestehend) toleriert von der KPD, das Sagen hatte. Nach den Landtagswahlen im Februar 1924 übernahmen die rechtskonservativen Par-teien des Thüringer Ordnungsbundes die Landesregierung. Da Adolf Reichwein ab 1925 von Wilhelm Flitner die Leitung der Volkshochschule Jena übernahm, wirkte sich dieser Machtwechsel nicht so fatal auf Reichweins Wirken aus. Die Stadt Jena blieb eine linke Hochburg im Land. Von war mit dem Oberbürgermeister Elsner ununterbrochen ein Mitglied der liberalen DDP 158 Ebenda, Brief Nr. 35, S Vgl. Friedenthal-Haase, a.a.o., S Ebenda, Brief Nr. 35, S Ebenda, Brief Nr. 36, S Ebenda, Brief Nr. 40, 61/ Ebenda, Brief Nr. 38, S. 60.

48 kommunalpolitisch maßgebend. Im Gegensatz zu Weimar kam die NSDAP in Jena zu der Zeit nicht so auf. 163 Die Landesmittel für die Volkshochschulen flossen spärlicher, doch die Jenaer Volkshochschulvereine waren ungebunden und wurden auch von der Carl-Zeiss- Stiftung unterstützt, wie ich das schon am Beispiel des VHS-Jungarbeiterheims dargelegt habe. Der Rechtsruck des Landes Thüringen wurde also in Jena abgefedert, betont Jürgen John % der Hörerschaft der VHS Jena waren Arbeiter und Facharbeiter der Firma Carl-Zeiss und der Schott- Werke. Adolf Reichwein nennt eine Hörerzahl von 1000 im November Abschließend möchte ich mich bei Kurt Meinl bedanken, der uns in kurzer Zeit in Jena viel gezeigt und erläutert hat. Für mich war Jena ein guter Abschluss der diesjährigen Reichwein-Tagung, die auch durch den Gegensatz der Städte Weimar Jena an Kontur gewann. Fotos: Renate Steinchen War das Jenaer Arbeitermilieu der Jenaer Richtung der Volkshochschulbewegung gegenüber aufgeschlossen, so traf das für das Universitätsmilieu nicht zu. Nur eine Minderheit der Jenaer Professorenschaft engagierte sich wie Heinrich Weinel und Wilhelm Rein für den Volkshochschulgedanken. 166 Seit der Wirtschafts- und Staatskrise 1929/1930 nahm auch die NSDAP in Jena zu. Im Frühjahr/Sommer 1932 ging sie als wählerstärkste Partei (30 %) aus den Wahlen hervor. Der Landesdurchschnitt lag für diese Partei bei 42,5 %. 167 Adolf Reichwein-Grundschule in Meudt im Aufbau und Aufbruch Anne Müller Adolf Reichwein verließ Jena 1929, um persönlicher Referent beim preußischen Kultusminister Carl Heinrich Becker zu werden. Am Ende meiner Jena-Exkursion hatten die Menschen in Jena am noch keinen neuen Oberbürgermeister gewählt. Erst im zweiten Wahlgang am gewann Dr. Albrecht Schröter (SPD) mit 54,5 % in einer Stichwahl gegen den CDU-Kandidaten Christoph Schwind (45,6 %). Offensichtlich haben im zweiten Wahlgang viele PDS-Wähler den SPD-Kandidaten unterstützt. Kristallisiert sich in Jena wieder eine ähnliche politische Konstellation wie in den 1920er Jahren heraus? Die Stadt hat inzwischen Einwohner. Die Zahl der Student(inn)en an der Schiller-Universität ist auf angestiegen, und der FC Carl Zeiss-Jena ist in die zweite Bundeslia aufgestiegen und kämpft in der Saison 2006/2007 vermutlich um den Klassenerhalt. Möge man sich in Jena und an der Kooperativen Gesamtschule für den Namen Adolf Reichwein entscheiden. 163 Vgl. Jürgen John, a.a.o., S Ebenda, S Reichweinbriefband 1999, Brief Nr. 56, S Jürgen John, a.a.o., S. 45. Kinder unserer Umwelt-AG bei der Vorbereitung für Düngeversuche (mit `Westerwälder Kompost) und Bodenanalysen 1. Motive für die Namensgebung...der hat unsere Kinder frei gemacht (Bohnenkamp 1949, S. 16f.), so äußerte sich einmal ein Vater, befragt nach seinen Erfahrungen mit dem Lehrer Adolf Reichwein`. Diese Aussage ist wohl mit das größte Kompliment, das man einer Pädagogin oder einem Pädagogen aussprechen kann, und gleichzeitig auch eines der erstrebenswertesten Ziele einer jeden Erziehung. Ergo rücken folgende Fragen ins Blickfeld: Wie hat Reichwein das geschafft? und vor allem Können wir von ihm lernen und Elemente seiner Arbeit heute in unserer Arbeit mit den Heranwachsenden verwirklichen? 167 Ebenda, S. 48.

49 Die Antwort auf die zuletzt gestellte Frage lautet, gleich vorweggenommen, klar: Ja! Je tiefer wir uns mit Reichwein und seinem Wie beschäftigen, je deutlicher kristallisiert sich heraus, dass seine Grundideen ohne Zweifel ebenso wie sein praktisches Wirken an Aktualität und Bedeutsamkeit nichts verloren haben. 49 reflektierend auf unsere konkrete Schul-Wirklichkeit mit ihren Kindern, Eltern und Lehrerinnen abgestimmt in kleinen Schritten beginnend leben und verfolgen: Angstfreie Erziehung zu Kinder frei zu machen und sie damit ernst zu nehmen bleibt eine die Zeiten überdauernde zentrale Aufgabe von Schule und Gesellschaft, der wir uns in der Grundschule Meudt auch durch die Namensgebung Adolf Reichwein-Grundschule mit Überzeugung stellen möchten! 2. Angedachte Folgerungen der Namensgebung für die Praxis Uns, dem Kollegium der Adolf Reichwein-Grundschule in Meudt, wurde deutlich, dass wir nun nicht alle zu kleinen Reichweins mutieren bzw. seine Arbeit kopieren können. Das wäre seinen Idealen geradezu gegenläufig, weil wir dann selbst nicht mehr frei wären. Aber die Umsetzung pädagogischer Schwerpunkte von Reichweins Wirken stellt in heutiger Bildungs-Welt geradezu eine Notwendigkeit dar, auch und gerade in der Grundschule. Je früher Kinder in lebendigen, humanen, demokratischen, angstfreien, motivierenden Schaffensund Lernumgebungen mit ebenso lebendigen, humanen, demokratischen, angstfreien, motivierenden Lehrerinnen und Lehrern agieren können, je dauerhafter und wirkungsvoller ist der Erfahrungsschatz, auf dem mit zunehmenden Jahren und Begegnungen immer weiter aufgebaut werden kann. Außerdem brauchen Kinder Vorbilder, die ihnen im Gewirr der Zeit beim Entwickeln der eigenen Identität helfen. Reichwein kann für sie zu solch einem Vorbild werden, da er authentisch das gelebt hat und für das eingetreten ist, was dem Leben dient, - konsequent, bis zur eigenen Hinrichtung. Rückt man Reichweins Kerngedanken seiner pädagogischen Arbeit Was die Hand geschaffen hat, begreift der Kopf um so leichter (Reichwein in: Amlung/Jungbluth 2000, S. 12) in den Mittelpunkt der Überlegungen zur konkreten Umsetzung, so entwickeln sich die Folgerungen für das eigene Agieren fast wie von selbst. Willy Brandt sagte einmal: Es ist wichtiger, etwas im kleinen zu tun, als im großen darüber zu reden. Auf der Grundlage dieser Aussage möchten wir im kleinen anfangen und die folgenden spät-reformpädagogischen Ideen, die Reichwein in seiner Dorfschule in Tiefensee/Brandenburg umsetzte, zwar nicht kopieren, aber durch - Freiheit - Selbstbestimmung / Eigenverantwortlichkeit Die Geschichte braucht mehr Menschen, die etwas tun, als Leute, die vorschlagen, was getan werden könnte, Karel Capek) - sozialer Verantwortung und Toleranz Der Wert eines Menschen wird oft mit seiner Verwertbarkeit verwechselt, Heinz Körber) - Einsatzbereitschaft und Zivilcourage Energielose Menschen lassen die Dinge laufen, wie sie mögen, und hoffen, dass alles gut gehen wird, Marie Jeanne de Riccobonie) - aus Neugierde und nicht aus Noten- Druck erwachsendes projekt- und problemorientiertes, ganzheitliches, entdeckendes, forschendes werkstattorientiertes Lernen mit Haut/Hand, Herz und Kopf (vgl. Pestalozzi) - soziales Lernen, differenzierendes, jahrgangsübergreifendes Helfersystem, Sorge für Kinder mit individuellem Hilfs- /Förderbedarf Wert und Wirksamkeit jeder Erziehungsgemeinschaft ist untrüglich am Stande ihrer Sorgenkinder abzulesen, Reichwein 1937, S. 123) - Lernen außerhalb des Schulgebäudes, auf dem Schulgelände, in der Natur, auf Schulwanderungen, mit Experten etc.; also: Lernen im `richtigen Leben - Feste, Schulfahrten und Exkursionen als Höhepunkte im Schul-Leben - Mitgestalten von Dorffesten - Einsatz neuer Medien - freie, nachmittägliche Arbeits-Angebote

50 3. Aufbau und Nutzung einer Lernwerkstatt zum Bereich Natur und Umwelt 50 Für unsere eineinhalbzügige Schule mit 120 Kindern und 9 Lehrerinnen relativ nahe an Feldern und Wald gelegen, hat sich aufgrund zweier, im Folgenden aufgeführten Zitate Reichweins neben der Leseerziehung im Besonderen der Bereich Natur und Um-Welt als sinnvoll anzugehendes Aufgabengebiet herausgestellt. Dieses schließt automatisch die eben unter Punkt 2 genannten sozialen, inhaltlichen und methodischen Intentionen - wie in Reichweins Pädagogik intrinsisch mit ein und ermöglicht eine erfahrungsreiche Zusammenarbeit zwischen der Adolf Reichwein-Grundschule in Meudt, dem Adolf Reichwein-Studienseminar in Westerburg und der Universität in Koblenz. Reichwein schrieb: Da wir heute schon wieder jenseits des Irrglaubens leben, daß Technik eine Befreiung von der Natur sein und Erfindung die Empfindung ersetzen könne, wissen wir, daß die Technik (...) niemals den Bindungen des Natürlichen entfliehen darf, weil sie auf die Dauer nicht entfliehen k a n n. Wir denken nur richtig, wenn wir innerhalb der uns aufgegebenen Sache denken. (...) Mit ihr (der Natur) gemeinsam zu leben, ist unser Schicksal. Leben wir gegen sie, so läßt die Rache, trotz Maschine und künstlichem Dünger, trotz durchdachtester Kiefernforstung, nicht auf sich warten. Reizen wir die Natur zur Gegenwehr, so unterliegen wir immer (Reichwein 1937, S. 22). Alles ländliche Schaffen empfängt seine tiefen Anregungen von der Natur. Es ist an Rhythmus gebunden, weil die Natur sich dem Schaffenden rhythmisch offenbart. Der natürliche Jahreskreislauf spiegelt sich in der Schöpfung zwischen Herbst und Wiederherbst (Reichwein 1937, S. 21). Von diesen beiden Zitaten bewegt und gestärkt befinden wir uns in den Anfängen des Aufbaus einer kleinen Lernwerkstatt zu Natur und Umwelt sowie in der Gestaltung des Außengeländes. Im Zentrum sollen dabei die Grundelemente: Luft und Erde, Feuer (Einrichtung einer Feuerstätte in Planung) und Wasser (Forscher- Kistchen für das natürliche Bestimmen von Wasserqualitäten, Aquarium) stehen. Die Arbeiten/Projekte sollen konkrete Selbsterfahrungen an aktuellen Problemstellungen ermöglichen, die die Interessen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ernst nehmen und von hier aus zu gemeinschaftlicher, intensiver, eigenständiger und bildungswirksamer Arbeit führen. Ein solches haut- und natur-nahes Er-leben und Begreifen wird davon bin ich überzeugt - tief bewegen. Wasser marsch! Die Kinder in Aktion bei der Einrichtung unseres Aquariums. Hautnah Fühlt sich das gut an, Frau Müller. Eine erste projektorientierte Aktion mit der in der Schule fest eingerichteten, jahrgangsübergreifenden Umwelt- AG, in der sofort mit der Hand geschaffen wurde und wird, lautet Wir bauen Nisthilfen und Tierwohnungen (für Vögel, Igel, Ohrwürmer, Florfliegen, Bienen, Fledermäuse, Schmetterlinge und Marienkäfer). Die (Vogel-) Nistkästen, im Winter vorsorglich gebaut, sammeln eine Vogelschar (Reichwein 1937, S. 26) und weitere Tiere, deren Lebenskampf und Lebensaufbau, bis zum spätsommerlichen Abzug der jungen Generation, fast täglich neue Möglichkeiten bietet, zu beobachten, zu fragen und festzustellen (ebd.).

51 Das Pflegen und Erhalten der Nisthilfen gehört ebenso dazu wie das Bestimmen der Vogelarten, Erstellen einer `Vogelarten-Bestimmungsecke mit Vogelpräparaten, Nestern, Eiern, Abbbildungen, Informationstexten, Spielen, Kassettenaufnahmen etc. im noch einzurichtenden kleinen Lernwerkstatt-Innenraum, der leider zudem als Förderraum und Elternsprechzimmer genutzt werden muss. Exkursionen in Wald und Flur mit einem Vogelexperten und Eltern bereichern und erweitern die Erfahrungs- und Lernräume. 51 Die ganze Schule bei der Kartoffelernte. Hier wird geschafft! Kinder nach einer Exkursion bei vertiefenden Vogel- Erkundungen. Weg von der Flachware hin zum `Objekt! Ein weiteres Aufgabenfeld unserer Natur-Lernwerkstatt im Aufbau bildet zusammen mit von der Dorfgemeinschaft zur Kartoffelanpflanzung bereitgestellten Feldern - unser kleiner Schulgarten, der mit dem Bau eines Gewächshauses im Frühjahr 2007 bereichert wird. Reichwein erklärt: Der Umgang mit der Natur während der warmen Jahreszeit stellt die Werkaufgaben, in denen die Beobachtung kristallisiert, ganz von selbst. Mit der ersten Frühlingssonne stoßen wir im Gewächshaus auf die Anfänge des Keimens und Wachsens, einfache Bodenanalyse und Düngungsversuche bilden den Ausgangspunkt für die Beobachtung der Pflanze auf ihr Verhalten zur Umwelt. Der offene Schulgarten bietet ein selbstverständliches Ergänzungsfeld. Keimversuche führen zu den grundlegenden Einsichten in den Ernährungskreislauf der Pflanze. (...) Durch die eigenen Pflanzversuche stoßen wir dann zu den ersten Fragen der Pflege und Züchtung, der pflanzlichen Lebensgemeinschaften unter sich und mit dem Menschen. Und mit der Pflanze tritt zugleich das Tier in den engsten Bereich des Menschen (Reichwein 1937, S. 25f.). Kinder beim Betrachten von Maikäfern Im Insektenhotel, das zur Zeit `eingerichtet wird und durch die Nisthilfen sollen die Kinder Leben ermöglichen, beobachten, dokumentieren, bestaunen, Ekel abbauen, Rhythmen und Lebenskreisläufe erkennen, um von `kleinen Lebewesen/Gemeinschaften/Staaten ausgehend größere Zusammenhänge/Systeme verstehen zu können.was mit dem bloßen Auge nicht zu sehen ist, kann `unter die Lupe genommen und mit dem Mikroskop sichtbar gemacht werden. Denkbar wäre längerfristig betrachtet eine anschließende Erweiterung des Blickfeldes mit Teleskop und weiter beim `Sternengukken. Eindrücklicher könnte der Weg zum verständnis-

52 vollen `über den Tellerrand hinausschauen kaum geebnet werden (Idee von Dr. Uli Jungbluth in Planung). 52 Die Kinder nehmen Baumrinde unter die Lupe und unter das Mikroskop Erziehungserfolg ist personenabhängig. Ein Kind braucht Beispiel und Liebe. Es merkt sehr schnell, ob es jemand aufrichtig ernst meint oder nicht, ob es wirklich Vertrauen haben kann und offen sein darf. Stimmen diese Faktoren nicht, nutzt die beste Methodenvielfalt, der beste Unterricht nichts. Deswegen möchten wir uns als Kollegium ebenfalls durch natur- und haut-nahe Fortbildungen begleiten lassen, wie kürzlich z. B. durch eine Fortbildung mit einem Naturschutzreferenten. An diesen Veranstaltungen können nach Absprache auch interessierte Kinder, Eltern, Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter sowie Praktikantinnen und Praktikanten teilnehmen. Überdeutlich geworden ist uns, dass wir noch einen langen Weg zur Umsetzung unserer Ziele vor uns haben. Noch deutlicher geworden ist aber ebenso: Es lohnt sich in kleinen Schritten die Arbeit anzugehen statt im großen darüber zu reden. Kleine und Große mit ausgeschaltetem Gesichtssinn nehmen ihre Eindrücke nach dem Beschreiten eines Barfußpfades noch einmal tief in sich auf, bevor sie mit wieder `eingeschaltetem Gesichtssinn die Weite der Natur genießen. Das geht unter die Haut! Abschließen möchte ich mit einem Text einer ehemaligen Lehramtsanwärterin, Frau Christa Theis, den sie nach einer gemeinsamen Veranstaltung des Fachseminars Grundschulpädagogik mit Umwelt-AG-Kindern zum naturbezogenen Lernen in Anlehnung an die Pädagogik Reichweins verfasst hat:

53 ... schreiben Sie einen kurzen Text über ihre Eindrücke... Einen kurzen Text? Aber wo zum Salatkopf fängt der kurze Text an? Und am Ende schlimmer noch: wo hört er auf, der kurze Text? Setzt er seine ersten grünen Buchstaben am steinumfangenen Schulgarten in den feuchten Grund? Beginnt er bei den zitronig duftenden Melissenkräutern, dem dunkelgrünglänzenden Mangold, dem zartblättrigen Estragon, den stämmig strotzenden Mohrrüben, dem geheimnisvoll-unscheinbaren Tombinambur? Schreibt er sich weiter zur umsummten Gartenarche am sonnenheiß-steinigen Mäuerchen? Durchs trokkene Gras hin zum Wildbienennest und zum Krötenhügel, seinem Namen zum Trotz kein Hügel aus Kröten... Vielleicht kratzt er, der kurze Text, mit seiner Feder über den bunten Schulhof und verharrt. Ein Schulhof? Ach, mehr als das! Ein Rutsch- versteck-entdeck-spiel-kletter-blumen-hof- Gelände! Und ab ins Schulhaus und die Treppe hinunter und ins Eingemachte. Soll er, der kurze Text, von dem erzählen, was sich hier spröde Lernwerkstatt nennt und so viel bietet? Bücher, sich hinein zu versenken, Kästen zum Entdecken und Betrachten, Werkzeuge zum Forschen und Arbeiten, Bilder, Zeichnungen, Federn, Nester, Steine, und, und, und... Aber nein, wahrscheinlich soll der Text vom Nachmittag erzählen! Von den Kindern, die die Großen Staunen machten. Ihnen Wegesrand und Wald erklärten. Mit Lust und Herz und Verstand Neues erlebten, entdeckten, erfuhren, lernten. Genau, das soll er sein, der kurze Text: ein kleiner Ausschnitt aus dem Sirren der Luft, dem Staub auf der Straße, den Steinen unter den Füßen, der Neugierde der Kinder und ihrer ernsten Wissbegierigkeit. Ein Ausschnitt, in Plexiglas gefasst, der Grashüpfer und Heupferde ganz groß macht, der das Zirpen der Zikaden zeigt, `Christi Blut rötlichbraun am Finger, nackte Füße in kühlem Schlamm, Tasten im stillen Wald und Kichern, wenn ein zarter Ast das Bein kitzelig streift. Und das soll er sagen, der kurze Text: wie überdeutlich die grünen Buchstaben ihre Spur hinterlassen. Auf dem Papier. Und im Herzen sowieso Literaturverzeichnis Amlung, Ullrich/Jungbluth, Uli: Seminarwerkstatt Offener Unterricht am Beispiel Adolf Reichweins lernen. Studientexte für das Lehramt, Bd. 3, herausgegeben von Eiko Jürgens, Neuwied, Kriftel 2000; hier: Amlung, Ullrich: Historisierung >>Was die Hand geschaffen hat, begreift der Kopf um so leichter<<. Bohnenkamp, Hans: Gedanken an Adolf Reichwein. (= Pädagogische Studien. Schriftenreihe der Pädagogischen Hochschulen Niedersachsens, H. 1). Braunschweig, Berlin, Hamburg Reichwein, Adolf: Schaffendes Schulvolk. Stuttgart Hinweis: In Forum 7 hatten wir auf eine andere Schule hingewiesen, die nun den Namen Reichweins trägt, die Adolf- Reichwein-Grundschule Beltheim. Hierzu sei angemerkt, dass ein Teil des Textes von der Homepage dieser vorbildlichen Schule stammt. Schauen Sie doch selbst einmal vorbei: Schulnetzplan und Adolf-Reichwein-Gymnasium (ARG) in Jena Aufgrund zurückgehender Schülerzahlen und der Notwendigkeit von Sparmaßnahmen hat die Stadt Jena einen Schulnetzplan beschlossen, der u.a. von den ursprünglich vier Gymnasien nur noch drei bestehen lässt. Das bisherige ARG wird zusammen mit der Ostschule (Regelschule) eine Kooperative Gesamtschule bilden. "Nun ist 'Ruhe' für die kommenden 15 Jahre" heißt es dazu in der Ostthüringer Zeitung vom In derselben Zeitung begründet der Oberbürgermeister von Jena, Dr. Peter Röhlinger (FDP) am , warum die Schülerzahl nur drei staatliche Gymnasien erlaubte. Die eingesparten sollen der Jugendarbeit in der Stadt zugute kommen. Am titelt dasselbe Blatt im Lokalteil Jena: "ARG wird schönste Schule Jenas" und berichtet stolz über die Sanierungsarbeiten am ARG, der künftigen Kooperativen Gesamtschule. Das ARG wurde 1914 großzügig gebaut und soll nun wieder im alten Glanz restauriert bzw. modernisiert werden. "Die Tatsache, dass an der Schule die reformpädagogische Arbeit, wie sie mit Adolf Reichwein begonnen wurde, fortgesetzt wird, hat jedoch bei Eltern Unsicherheiten hervorgerufen, wie gestern Schulleiter Haaß und Schulamtsleiter Frank Schenker berichteten."

54 Die Angst der Eltern bezieht sich jedoch auf die Abschlusszeugnisse der jetzigen Achtklässler. Im Zeugniskopf müsse weiter das ARG stehen, nicht die Kooperative Gesamtschule. Im Artikel wird auch betont, dass die gymnasiale Oberstufe, also die Klassen 11 und 12, gar nicht an der KGS absolviert werden. "Fürs Abitur müssen sie (die Schüler, L. K.) an ein anderes Gymnasium wechseln." "Von nun an zusammenlaufen - heute starten Lehrer aus Ostschule und Reichwein-Gymnasium in Kooperative Gesamtschule" heißt es am in der Ostthüringer Zeitung. Schulleiter Haaß betont erneut die termingerechte Sanierung der Schule, die mit 63 Lehrer(inne)n und 463 Schüler(inne)n 2006/07 gut vorbereitet beginnen könne. Auch die Fachräume für das Werken und die Hauswirtschaft im Regelschulbereich seien optimal ausgestattet. Ängste von ehemaligen Eltern der Ostschule seien nicht berechtigt. In keinem der Pressebeiträge wird auf die Frage des zukünftigen Namens der Kooperativen Gesamtschule eingegangen. Wie schon dargestellt, war dies jedoch Thema beim Gespräch des Reichwein-Vereins mit Schulleiter Haaß am letzten Tag der Reichwein-Tagung in Weimar/Jena. Die Redaktion dankt Kurt Meinl (Jena-Isserstedt) für die Zusendung der Presseausschnitte. Lothar Kunz 54 damaligen Schule und gibt interessante Auskünfte über ihren Lehrer, welchen sie sehr schätzte. Der Film beginnt mit der Fahrt in einem Triebwagen der Ostdeutschen Eisenbahn und zeichnet anschließend den Weg vom Bahnhof, entlang der stark befahrenen Adolf-Reichwein-Straße, zum ehemaligen Schulhaus nach. Das Schulhaus wird heute von einer munteren Schar von Kindern der örtlichen Kindertagesstätte bevölkert, die in den ehemaligen Räumen der Lehrerwohnung und des Klassenzimmers spielen, essen und schlafen. Außerdem dient es als Bürgermeisteramt. Im Anschluss sieht man Aufnahmen des Gamensees, welche mit schwarz-weiß Standbildern aus dem Schaffenden Schulvolk ergänzt werden. Die Dokumentation (Laufzeit: 67 min.) ist als DVD für die Mitglieder des Reichwein Vereins zu einem Unkostenbeitrag von 10 unter der -Adresse Henning.Wehmeyer@gmx.de oder telefonisch unter zu bestellen. L.K. und Henning Wehmeyer (H.W.) Auf den Spuren Adolf Reichweins in Tiefensee Eine filmische Dokumentation Die im Reichweinforum Nr. 7 angekündigte filmische Dokumentation der Exkursion nach Tiefensee ist inzwischen fertig gestellt (vgl.: Kunz, Lothar: Ein Reichweinprojekt an der Universität der Künste Berlin, Reichweinforum Nr. 7, S ). Auf den Spuren Adolf Reichweins in Tiefensee sind Henning Wehmeyer, Sophia Grevesmühl und Ivo Harms der Zeitzeugin Margot Hönsch begegnet und haben die ehemalige Schülerin Adolf Reichweins in einem Interview ausführlich zu Wort kommen lassen. Die heute 76jährige schildert ihre vielfältigen positiven Erfahrungen mit Adolf Reichwein, bei dem sie von die einklassige Dorfschule besuchte. Lebendig berichtet sie von den Örtlichkeiten und den inhaltlichen Abläufen der Lingelbach, Karl Christoph: Wege aus der Unmündigkeit im Globalisierungsprozess: Adolf Reichweins Werkpädagogik und Paulo Freires Pädagogik der Unterdrückten. In: Wolfgang Keim/Gerd Steffens (Hrsg.): Bildung und gesellschaftlicher Widerspruch. Hans-Jochen Gamm und die deutsche Pädagogik seit dem Zweiten Weltkrieg. Frankfurt/M. u.a.: Lang Verlag, 2006, S Link, Jörg-W.: Pädagogischer Widerstand? Adolf Reichweins Schaffendes Schulvolk im Kontext nationalsozialistischer Landschulreform. In: Gisela Miller-Kipp/Bernd Zymek (Hrsg.): Politik in der Bildungsgeschichte Befunde, Prozesse, Diskurse. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 2006, S Lex, Theresia: Die Reformpädagogen John Dewey und Adolf Reichwein, pädagogische Konzeptionen im Vergleich. Universität Dortmund, Fachbereich Erziehungswissenschaften und Soziologie. Diss. phil., 2006.

55 Lernen mit neuen Medien (RP) Die Stadt Hilden hat in den vergangenen sechs Jahren rund eine Million Euro ausgegeben, um die 15 städtischen Schulen ans Netz zu bringen. Lehrer berichteten im Schulausschuss über den Einsatz im Unterricht. Mit veralteten Landkarten müssen sich Michael Tries, Erdkunde und Informatik-Lehrer am Helmholtz- Gymnasium, und seine Schüler nicht mehr herumschlagen: Dann hole ich mir eine aktuelle Karte aus dem Internet. In den vergangenen sechs Jahren erhielt die Oberschule, ebenso wie die übrigen 14 städtischen Schulen in Hilden, Anschluss ans weltweite Datennetz. Für über eine Million Euro ließ sich die Kommune ihre Bildungsanstalten mit modernster Multimediatechnik ausstatten.... Ach die Grundschulen seien mit Computern und Programmen mittlerweile bestens ausgestattet, freute sich Dagmar Schmid, Leiterin der Adolf-Reichwein-Schule: Die Möglichkeiten, die die Stadt geschaffen hat, werden auch genutzt. rp online Grundschüler präsentierten eine Menge "Savoir vivre" Vierter deutsch-französischer Tag an der Neu- Anspacher Adolf-Reichwein-Gesamtschule NEU-ANSPACH (cju). Mehr als 300 Grundschüler der Rhein-Main-Region, darunter auch solche, die an den Grundschulen Hasenberg oder Wiesenau oder der Limesschule Wehrheim erste Kontakte mit der französischen Sprache haben, gaben sich anlässlich des vierten deutsch-französischen Tages der Schulen gestern in der Aula der Adolf-Reichwein-Gesamtschule ein Stelldichein. In einem zweistündigen Programm zeigten sowohl Grundschüler aus dem Usinger Land, was sie im Rahmen ihrer Arbeitsgemeinschaften schon vom "Savoir vivre" gelernt haben wie auch die Älteren der Gastgeberschule, wie charmant die Sprache daher kommt. Zudem waren Schülerinnen und Schüler der Grundschule Lindheim mit Chansons und Po Zmes, also Gedichten, der Fried-Lübbecke-Schule Frankfurt, der Wallschule aus Langen, der Diesterwegschule Frankfurt und des Lycée 55 Victor Hugo Frankfurt mit Programmpunkten eine Bereicherung des Nachmittags. Mit ihren T-Shirts, die mit blau, weiß und rot die Trikolore nachempfanden, betrat als erste Schule im Veranstaltungsreigen eine dritte Klasse der Hölderlinschule Bad Homburg die Bühne. "Seit zehn Stunden, eine Stunde pro Woche, lernen die Schüler Französisch und sind sehr aufgeregt", musste Christiane Fasoli Hemler dem Publikum mitteilen, zudem sei auf dem Weg in den Taunus die Gitarre verstimmt worden. Geklappt hat dennoch alles, vom Begrüßungslied "Bonjour ca va!" bis hin zum Zug, der sich mit verschiedenen "Anhängern" über die Bühne bewegte. Immer noch mit viel Spaß dabei, Französisch als erste Fremdsprache lernend, waren die Schülerinnen und Schüler der Adolf-Reichwein-Schule, die nach der Begrüßung der Gäste durch Schulleiterin Kristina Huttenlocher, Schmetterlinge über die Bühne flattern ließen, sich ihrer Haut wehrten, als die Schmetterlingsjäger in ihren Garten eindrangen, um sie aufzuspießen und so - ein Lehrstück im laisser faire - sich untereinander einigten. Der deutsch-französische Freundschaftsvertrag, 1963 von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer unterzeichnet wurde zum 40. Jahrestag erneuert. Am 22. Januar 2003 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Jacques Chirac bekam er durch den Tag der Schulen neue Impulse. Durch das Erlernen einer Sprache, die als schwierig gelte, durch Freundschaften und Austausch auf Schulebene werde er mit Leben erfüllt, so Ministerialrätin Wiltrud Lortz vom Hessischen Kultusministerium. Es sei gut, dass 50 bis 60 Grundschulen in Hessen bereits den spielerischen Umgang mit der Sprache ermöglichten. Frankreich und Deutschland seien nicht nur Keimzelle des heutigen Europas, sondern auch kulturell und wirtschaftlich eng verbunden, so die Ministerialrätin. Dass die Städtepartnerschaft mit St. Florent sur Cher inzwischen Silberstatus hat und am 18. Mai gefeiert wird, wusste Bürgermeister Klaus Hoffmann beizusteuern. Ihre Wurzeln hat sie aus einer Schulpartnerschaft, die von der Adolf-Reichwein-Schule ihren Ausgang nahm. Auch die Gastgeberschule pflegt regen Austausch mit französischen Schulen und bietet zudem Französisch als 1. Fremdsprache an. An den Grundschulen der Kleeblattgemeinde wird seit einigen Jahren der erste Kontakt mit der französischen Sprache in Form von Arbeitsgruppenunterricht angeboten. Usinger Anzeiger Elterninfo ARS Nürnberg zum abgeschlossenen Wettbewerb "Schulhaus-Neubau" Unser bestehendes Schulgebäude in der Rollnerstraße wurde 1971 in Fertigbauweise errichtet und entspricht nicht mehr den Ansprüchen an eine zeitgemäße Anlage; ein Erhalt des Gebäudes ist auch wirtschaftlich nicht mehr haltbar. Zudem wird die Schule gerade auf die

56 neue sechsstufige Realschulform mit Ganztagsbetrieb ausgerichtet. Der Adolf-Reichwein-Schulverein hat sich als neuen Standort ein Grundstück bzw. Anwesen am Schleifweg ausgewählt. Entscheidend für diese Wahl war das Potential der vorhandenen Industriearchitektur, da es sowohl räumlich als auch vom Volumen her gute Voraussetzungen für das pädagogische Konzept unserer Schule birgt. Ganztagsschule nach der Pädagogik Adolf Reichweins bedeutet Zusammenleben von Lehrkräften und Schülern; es begleiten und betreuen die gleichen Personen die Schülerinnen und Schüler durch den gesamten Tag. Eine Trennung von Alt und Jung und die strikte räumliche Trennung zwischen Unterricht und Freizeit (bzw. "Vormittagsschule" und "Tagesheim") finden im Gegensatz zu üblichen Schultypen nicht statt. Die Kommunikation aller am Schultag Beteiligten muss stets ebenso gegeben sein wie die Möglichkeit des Rückzugs in besondere pädagogische Einzelgesprächssituationen. Der Wechsel zwischen Anstrengung und Muße ebenso wie zwischen Ruhe und lebhafter Aktion soll in einem Klima von Sicherheit und Geborgenheit in und außerhalb des Klassenraums möglich werden. 56 Die bauliche Planung musste also das Prinzip einer Lebensschule ganzheitlicher Prägung berücksichtigen. Die Atmosphäre eines traditionellen Altbaus kommt diesem Bedürfnis sehr entgegen und sollte weitgehend erhalten leiben. Die erkennbaren räumlichen Möglichkeiten der bestehenden Gebäude sollten genutzt werden, eventuelle Anbauten mussten diesem Prinzip entsprechen. Auch die Freiflächen unterliegen vergleichbaren Prämissen. So sollte der Garten Ruhezonen für Mensch und (Klein-)Tier ausweisen, das Pausengelände Bewegungs- (Hartplatz) und Ruheraum (Liegewiese, Grünnischen) bieten und alle Sinne aller an Schule Beteiligten ansprechen. Ein harmonischer Übergang von Innen- zu Außenfläche war uns wichtig. Der Sieger des nun abgeschlossenen Wettbewerbes hat es verstanden, unter vollständiger Integration der Programmvorgaben in dem Bestand ein inneres Gefüge zu entwickeln, das zugleich den Nutzungsanforderungen und dem Wunsch nach einer attraktiven und lebendigen Atmosphäre für Lernen und Lehren gerecht wird. Dabei ist es gelungen, sämtliche Räume und Nutzungsflächen im Volumen des Altbaus unterzubringen, der natürlich im Inneren und außen vollständig saniert wird. Durch diese Lösung bleiben großzügige Freiflächen erhalten, die noch zu gliedern sind. Hier werden unsere Kinder ein kräftiges Mitspracherecht haben. Der Zugang zum Schulhaus erfolgt mittig über eine elegante Terrasse, die beiden Außengebäude werden im Gegensatz zum zentralen Kernbau ihr Erscheinungsbild durch die neue Fassade vollkommen verändern. Eine große Pausenhalle (Aula) über zwei Stockwerke mit einer klugen Belichtung über Dach entlang der Gebäuderückwand gibt dem Schulinnenraum einen besonderen Charakter. Die Erschließung (Nutzung) des Gebäudes in allen fünf Ebenen erfolgt übersichtlich, gut durchdacht und zentral von der Halle aus. Die teilweise Anhebung der Dachfläche rundet die neue Silhouette des Gebäudes ab und erhöht die Innenhelligkeit. Über offene Treppenbereiche wird das Licht bis in die unteren Gebäudeteile geführt. Die Aufteilung des Innenraums kommt dem Schulkonzept insgesamt entgegen ohne dabei z.b. die aktuellen Förderrichtlinien zu sprengen. Zeitplan zur Entwicklung des Projekts Schulneubau nach dem abgeschlossenen Architektenwettbewerb: Spätsommer bis Herbst 2003: Das Fachplanerteam für Haustechnik, Elektrotechnik, Statik, Brandschutz, Bauphysik, Sicherheit und Außenanlagen findet sich. Spätherbst bis Januar 2004: Erarbeitung der Planungsunterlagen zur Eingabe bei den Genehmigungsbehörden. Frühjahr 2004: Genehmigungsphase August 2004: Baubeginn Ostern 2007: Fertigstellung, Umzug in das neue Schulgebäude Adolf R. versus Kastanienbaum Einem Artikel aus der Westerwälder Zeitung Nr. 155 vom Freitag, über die Namensgebung der Grundschule Meudt entnehmen wir folgende Sätze, die zeigen, dass der doch etwas unbekannte Adolf R., dessen Name sich offenbar auch nicht so sehr für eine Grundschule eignet (!!) beinahe einem Kastanienbaum unterlegen wäre. Es gibt noch viel zu tun...

57 Ursprünglich waren dem Schulausschuss von den Vertretern der Schule vier Namen vorgeschlagen worden: Adolf-Reichwein- beziehungsweise Ottfried-Preuß1er- Grundschule Meudt sowie Grundschule Meudt am Kastanienbaum beziehungsweise zum Natureck.... Seitens der Schule wurde der Name Adolf-Reichwein-- Grundschule wegen des direkten Zusammenhangs des Wirkens von Adolf Reichwein und dem Qualitätsprogramm der Meudter Bildungseinrichtung favorisiert. Auch der Schulausschuss hatte dem Verbandsgemeinderat grundsätzlich empfohlen, der Schule den Namenszusatz Adolf Reichwein zu verleihen. Dieser Empfehlung hatte sich auch der Haupt- und Finanzausschuss angeschlossen.... Nicht für eine Grundschule passend und für etwas unbekannt hielt Roland Weimer (FWG) den Namen Adolf Reichwein. Lasst den Kastanienbaum auch im Namen stehen! - dafür sprach sich deshalb Aloisius Nink (FWG) aus Meudt aus. Bei fünf Gegenstimmen (FWG und Grüne) und einer Enthaltung sprach sich der Rat dann mehrheitlich für den Namenszusatz Adolf Reichwein aus. Zu Besuch bei Adolf Reichwein in Rosbach Von der Homepage der ARS Friedberg Einen Tag nach dem 108. Geburtstag von Adolf Reichwein, dem Namensgeber unserer Schule, unserem diesjährigen Adolf- Reichwein-Tag, begaben sich zwei 5.Klassen mit ihren Klassenlehrerinnen Frau Schossau und Frau Uhrig auf die geschichtlichen Spuren Reichweins in Rosbach. Hätte das regnerische Wetter die Fußwege nicht matschig werden lassen, wären die Kinder zu Fuß von Friedberg nach Rosbach gelaufen. So musste man für Hin- und Rückfahrt den Zug nehmen. Empfangen wurden die wissbegierigen Klassen von einem rührigen Rosbacher Geschichtsverein am Platz vor dem alten Rathaus, an dem auch das Lehrerhaus, in dem Adolf Reichwein von gewohnt hat, gelegen ist. Reichwein wurde am 3.Oktober 1898 in Bad Ems geboren. Sein Vater war Lehrer zog er mit den Eltern 57 nach Ober-Rosbach um und sie bekamen wegen des väterlichen Berufes eine Wohnung im Lehrerhaus. Seine Schulausbildung fand in Ober-Rosbach, Bad Nauheim und Friedberg statt, wo er 1917 seine Reifeprüfung als Externer ablegte. Eine weitere Station auf den Rosbacher Spuren von Adolf Reichwein, der in lebensgeschichtlicher Reihenfolge mit 18 Jahren Kriegsfreiwilliger im 1.Weltkrieg war, mit 20 in Frankfurt Philosophie studierte, mit 25 in Marburg zum Dr.phil. promovierte, und im Alter von 32 Jahren 1930 in Halle Professor für Geschichte und Staatsbürgerkunde wurde. Am Grabstein seiner Eltern und mit dem Hinweis auf die seitlich davon aufgestellte Gedächtnisplatte, erläutern uns die Vorstandsmitglieder des Rosbacher Geschichtsvereins, dass sie die Bedeutung Adolf Reichweins in erster Linie in seiner engagierten Mitgliedschaft im Kreisauer Kreis, einem der wichtigsten Widerstandsgruppen gegen Adolf Hitler, sehen. Adolf Reichwein trat 1930 in Halle seine Professorenstelle an, im selben Jahr wurde er Mitglied der SPD. 3 Jahre später, im April 1933, wurde er vom NS-Regime mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Er wird Lehrer an einer einklassigen Volksschule. Er bleibt jedoch seiner reformpädagogischen Arbeit treu und veröffentlicht in der Folgezeit zahlreiche Denkschriften zu Fragen von Erziehung und Schule. Er ist als Bildungsexperte anerkannt und führt Vortragsreisen im In- und Ausland durch. Bestätigt ist, dass es 6 Jahre später, Anfang 1939 zu einem Kontakt mit einer Widerstandsgruppe, dem Kreisauer Kreis um Graf von Moltke, kommt. In den folgenden Jahren wächst er in diesen Kreis hinein und wird dessen anerkanntes Mitglied. Die Zusammenkunft mit einer kommunistischen Widerstandsgruppe im Berlin führt dann 1944 zu seiner Verhaftung und nach einem Schauprozess durch den Volksgerichtshof zu seiner Hinrichtung am 20.Oktober Am Ende der Rosbacher Zeitreise lädt der Rosbacher Geschichtsverein alle Beteiligten zu einem Stärkungstrunk ins alte Rathaus ein. Die zahlreichen Erlebnisse werden noch einmal in Erinnerung gerufen und mit dem frischen Bündel neuen Wissens verabschieden sich die Klassen mit herzlichem Dank an die so überaus engagierten und spendablen Fremdenführer des Geschichtsvereines.

58 58. DRESDNER APPELL Nach der Schreckensherrschaft des Nazi-Regimes haben die Verfasser des Grundgesetzes Wahrung und Schutz der Menschenwürde in Artikel 1 festgeschrieben. Die Demokratie ist die einzige Staatsform, die die Menschenrechte sichert. Heute werden Demokratie und Menschenwürde durch Rechtsextremismus bedroht. Es mehren sich die Beispiele für erschreckende Entwicklungen. Ein Jahr vor der Wiedererrichtung der Frauenkirche in Dresden ist die NPD in den Sächsischen Landtag eingezogen ist sie auch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vertreten. In nunmehr vier Landesparlamenten und in einigen Kommunalvertretungen sind heute rechtsextreme Parteien tätig. In Sachsen-Anhalt wurde bei einem Dorffest das Tagebuch der Anne Frank verbrannt. An einer Schule wurde ein Junge mit einem antisemitischen Schild gedemütigt. Gerade jetzt haben in Frankfurt/Oder Extremisten den Ort und das Zeichen des Gedenkens an jüdische Opfer geschändet. Die Zahlen rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten steigen stetig an. Bei uns sind wieder Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihrer politischen oder religiösen Ansichten oder ihrer Herkunft an Leib und Leben bedroht. Dies alles ist unerträglich. In wachsendem Maß erobern Rechtsextremisten im bürgerlichen Gewande lokale Räume. Sie versuchen, im Bildungs- und Sozialwesen, in Kultur- und Jugendarbeit Fuß zu fassen. Es gelingt ihnen dort, wo sie im Alltag mit einfachen Angeboten und scheinbaren Lösungen die Verunsicherung durch soziale und gesellschaftliche Veränderungen aufgreifen. Wir alle, ob Politiker oder Gewerkschafter, ob Vertreter der Kirchen und Vereine, ob Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, ob Arbeitsloser oder Rentner sind aufgefordert dazu beizutragen, diese Umtriebe, die unsere Demokratie gefährden, zu beenden. Die auf unsere Verfassung vereidigte Polizei darf nirgendwo wegsehen, wenn Extremisten Gewalt ausüben oder planen. Gerichte müssen rechtsextremistische Gewalttaten zügig aburteilen und die Strafen für die Täter am hohen Wert orientieren, den unsere Verfassung der Demokratie und der Würde jedes Einzelnen zuspricht. Schulen und Universitäten sind gefordert, aktiv die Grundwerte unserer Gesellschaft und unseres Staates zu vermitteln. Bund, Länder und Kommunen dürfen die Unterstützung von Initiativen zur Aufklärung und Wertevermittlung nicht kürzen. Die Programme müssen ausgebaut werden, bevor die neuen Nazis zur Normalität werden. Es ist Zeit, sich solidarisch zu bekennen für Demokratie und gegen Vergessen. Dresden, 11. November 2006 reichwein forum IMPRESSUM Herausgegeben im Auft rage der Mitgliederversammlung des Adolf-Reichwein-Vereins e.v. als Informationsblatt für die Mitglieder. Erscheinungswei se: zweimal jährlich Redaktionsteam: U llrich Amlung (U.A.), Lothar Kunz (L.K.), Hans-Peter Thun (hpt) Telefon: Beiträge an: uamlung@web.de ISSN Adolf - Reichwein - Verein e.v. Anschrift des Vereins: Dr. Klaus Schittko, Unterm Ufer 7, Schweringen Telefon/Fax reichweinverein@freen et.de Bankverbindung: Postbank Dortmund ( ) Kto

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