Die ehemalige Baumwollspinnerei am Ripperg

Transkript

1 Die ehemalige Baumwollspinnerei am Ripperg Tag des Offenen Denkmals am in Schwäbisch Hall Regierungspräsidium Landesamt für Denkmalpflege Stadt Schwäbisch Hall Untere Denkmalschutzbehörde

2 2 Johann Friedrich Churr und Söhne 1831 Der Redakteur und Advokat Eduard Scheibler gründet 1831 nach Stuttgarter Vorbild den Haller Gewerbeverein. Ziel ist es, mit innovativen Ideen den Aufschwung aus der herrschenden wirtschaftlichen Krise zu ermöglichen. Der Verein setzt sich beispielsweise für den Ausbau der Gewerbeschulen ein und führt Gewerbeausstellungen durch. Außerdem initiiert Scheibler Betriebsgründungen zur Schaffung neuer Wirtschaftszweige neben der traditionellen Saline. Zusammen mit 40 Aktionären ruft Scheibler eine Leinen-Spinnerei-Gesellschaft ins Leben Aus dieser Gründung entwickelt der Kaufmann Johann Friedrich Churr 1832 die Mechanische Spinnerei und errichtet am Ripperg anstelle eines Gradierwerkes die Fabrik mit Spinn- und Webmaschinen samt Wohnhaus und Nebengebäude. Er setzt nicht mehr auf Leinen sondern auf Baumwolle. Damit erkennt er die Zeichen der Zeit. Zunehmend verdrängt die Baumwolle seit dem Ende des 18. Jahrhunderts zunächst in England dann auch in Frankreich und Deutschland Leinen und Wolle. Ausschnitt Ansicht der neuen Salinen Anlage in Hall mit der Churrschen Fabrik und seiner Umgebung Federzeichnung 1837 von Bonhöfer Lageplan aus den Bauakten Baurechtsamt Stadt Schwäbisch Hall Die 1837 von Bonhöfer ausgeführte Federzeichnung zeigt neben dem Neubau der Saline im Hintergrund auch die Churrsche Fabrik mit dem ersten Spinnereigebäude und dazugehörenden Nebengebäude. Die Funktion der einzelnen Gebäude erschließt sich aus dem Lageplan von Dargestellt ist hier der Umfang der Anlage nach Übergang der Spinnerei an Rudolf Weber und Söhne Die Churrsche Spinnerei beschäftigt 130 Arbeiter; 6000 Spindeln sind im Einsatz. Mit der Fabrik ist eine Weberei verbunden, die auch ca. 200 Webern in der Umgebung Arbeit ermöglicht. Zunehmend wird der Antrieb der Spinn- und Webmaschinen zusätzlich mit Dampfkraft betrieben.

3 3 Rudolf Weber und Söhne 1863 Der Betrieb geht an die Haller Spinnerei Rudolf Weber und Söhne über. Vor Übergabe der Fabrik verbessert die Firma Churr und Söhne noch die bestehenden Dampfmaschinen; 1866 werden zusätzlich 4 Walzenkessel zur Leistungssteigerung der Maschinen eingebaut Rudolf Weber errichtet neben dem Churrschen Fabrikgebäude sowie dem Lager und Magazinbau ein weiteres Fabrikgebäude. Die Pläne liefert der Werkmeister Friedrich Omeis Nach Entwürfen des Architekten F. Härlin entsteht außerdem ein neues Turbinenhaus. Stadtarchiv Schwäbisch Hall Inv.-Nr Die Fotografie aus der Zeit 1890 zeigt die Fabrikanlage nach ihrer Erweiterung durch Rudolf Weber und Söhne. Links das Wohngebäude sowie in der Mitte die Fabrik aus der Churrschen Gründungsphase. Rechts daneben steht das 2. Fabrikgebäude von Vor den Fabrikbauten ist das Turbinenhaus erkennbar. Zwischen den Produktionsgebäuden ist noch das Dach des Baumwollmagazins sichtbar, das wohl Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden ist.

4 4 Baumwollspinnerei Held und Teufel 1894 Die Baumwollspinnerei gelangt über den Rottweiler Fabrikanten Martin Benzing an die ebenfalls in Rottweil ansässige Firma Held und Teufel, die in Schwäbisch Hall eine Zweigniederlassung unter dem Fabrikanten Anton Baur ins Leben ruft /1897 Der bereits erfolgreiche Kirchheimer Architekt Philipp Jakob Manz, der sich vorwiegend der Bauaufgabe Industriebau widmet, plant das Kesselhaus sowie ein neues Spinnereigebäude mit großen hellen Arbeitssälen. Die Maschinen stammen aus England. Die gesamte Fabrik verfügt über elektrische Beleuchtung. Die Anlage ist nach Fertigstellung der beiden Gebäude auf dem Ölbild von F. Baur dargestellt. Hällisch-Fränkisches Museum SHA Inv.Nr.90/45 Hällisch-Fränkisches Museum SHA 1897 Einen Tag nach Inbetriebnahme entsteht ein Brand. Dabei werden das erste, von Churr errichtete Fabrikgebäude und der Pferdestall zerstört. Die neuen Bauten bleiben verschont, da der Brand rechtzeitig gelöscht werden konnte. Der Haller Maler G. Schmidt gibt in seinem Ölbild den Brand anschaulich wieder. Der Pferdestall wird durch den Haller Werkmeister J. Weiler wieder aufgebaut Über dem Erdgeschoss des 1872 erbauten Turbinenhauses und anstelle des abgebrannten Fabrikgebäudes entsteht ein Baumwollmagazin.

5 5 Die einzelnen erhalten gebliebenen Gebäude am Ripperg Das Wohnhaus von 1832 / 37 Aus der Gründungszeit von 1832 stammt das Wohngebäude, das wohl noch 1832 entstanden ist. Nordwestlich des Wohnhauses entstand 1837 eine Remise in Verbindung mit einem Schopf zur Lagerung von Baumwolle. Später wurden die beiden Gebäude verbunden. Wohnhaus mit rückseitigem Anbau 1890 Wohnhaus 2013 Stadtarchiv Schwäbisch Hall Inv.-Nr Anbau von 1837

6 6 Das Stallgebäude Der schmale Bau reicht ebenfalls in die Gründungsphase zurück. Er wurde nach dem Brand 1897 durch den Werkmeister J. Weiler wieder auf- und 1946 zum Arbeiterwohnhaus umgebaut

7 7 Das 2. Fabrikgebäude 1867 wurde das 2. Produktionsgebäude für Rudolf Weber und Söhne durch den aus Schwäbisch Hall stammenden Werkmeister Friedrich Omeis erstellt Auszug aus der Fotografie Stadtarchiv SHA

8 8 Das Turbinenhaus 1872 Rudolf Weber und Söhne ließen ein neues Turbinenhaus durch den Architekten F. Härlin erbauen Das aus Sandsteinquadern errichtete Erdgeschoss des Turbinenhauses blieb nach dem Brand von 1897 erhalten und wurde 1908 in das neue Baumwollmagazingebäude integriert. Auszug aus der Fotografie Stadtarchiv SHA 1890

9 9 Das Kesselhaus mit Kamin 1896 Die Firma Held und Teufel errichtete das Kesselhaus nach Entwürfen des Architekten Philipp Jakob Manz und stattete es mit neuester Technik aus. Bemerkenswert ist die Metallkonstruktion des Dachwerks

10 10 Die Spinnerei 1896 Die Spinnerei, erbaut für Held und Teufel durch den Architekten Philipp Jakob Manz, wird dominanter Mittelpunkt der Anlage

11 11 Das Baumwollmagazin 1908 Über dem Erdgeschoss des Turbinenhauses entsteht für die Firma Held und Teufel das Baumwollmagazin. Eine Skizze aus dem Jahr 1942 zeigt das Baumwollmagazin im Schnitt.

12 12 Der Architekt Philipp Jakob Manz Das Architekturbüro Philipp Jakob Manz widmete sich vorwiegend der Industriearchitektur. Neben Fabrikbauten zählten dazu auch Wohngebäude der Fabrikanten und Beschäftigten sowie Arbeitersiedlungen. Im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts beschäftigte das Büro als eines der größten Büros in Deutschland ca. 100 Mitarbeiter in den Niederlassungen Stuttgart und Wien. Philipp Jakob Manz wird am 22. Dezember 1861 in Kohlberg bei Nürtingen geboren widmet er sich in Stuttgart der Lehre als Steinhauer und Maurer beginnt er das Studium an der königlich württembergischen Baugewerkeschule in Stuttgart. Einen Schwerpunkt bildet das Fach Wasserbau, ein speziell für den Industriebau wichtiges Thema. Während des Studiums gewinnt Manz auf Baustellen und in Büros Erfahrung. In den 1880er Jahren wird er Mitarbeiter des renommierten Architekten Otto Tafel, Professor für Entwurf und Baukonstruktion an der Baugewerkeschule. Das Studium schließt er nicht mehr ab gründet Manz ein eigenes Büro zunächst in Kirchheim Teck siedelt das Büro nach Stuttgart über. In der Folge erhält er Aufträge in der Schweiz, in Österreich und Ungarn wird die Zweigniederlassung in Wien eröffnet. Am 02. Januar 1936 stirbt Philipp Jakob Manz und wird auf dem Stuttgarter Pragfriedhof beerdigt. Die Bauten der Baumwollspinnerei in Schwäbisch Hall zählen neben der Kammgarnspinnerei in Bietigheim zu den ersten innovativen Bauten des noch jungen Architekturbüros.

13 13 Kulturdenkmaleigenschaft im Sinne des 2 Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg

14 14

15 15 Kartierung der Sachgesamtheit 2013 Im Vergleich mit der Anlage 1897

16 16 Bevor alles begann Flurkarte der Ersteinmessung von 1827 mit dem Gradierwerk der Saline Angelika Reiff, Regierungspräsidium Stuttgart, Landesamt für Denkmalpflege Bärbel Nägele, Stadt Schwäbisch Hall, Denkmalschutzbehörde Fotos: Regierungspräsidium Stuttgart, Landesamt für Denkmalpflege Literatur: Hall im 19. Jahrhundert - Eine württembergische Oberamtsstadt zwischen Vormärz und Jahrhundertwende hrsg.: Stadt Schwäbisch Hall, Ausstellung des Hällisch-Fränkischen Museums, 1991 Thorbeke Andreas Maisch und Daniel Stihler, Schwäbisch Hall, Geschichte einer Stadt 2006 Swiridoff Verlag Künzelsau