Psychotherapie mit Migranten. Psychoanalytische Aspekte
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- Karl Schmidt
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1 Psychotherapie mit Migranten. Psychoanalytische Aspekte Dr. med. Thomas Maier Psychiatrische Dienste St. Gallen
2 Einleitung Migration ist eine Trennungserfahrung Migration wiederholt andere (physiologische) Trennungserfahrungen des Lebens: Geburt, Abstillen, Triangulation, Einschulung, Adoleszenz, Verlassen des Elternhauses, Berufswahl Um Trennungserfahrungen bewältigen zu können, sind wichtig: Bindung Übergangsraum, spielerisches Erproben der Trennung, Übungsgelegenheiten, Möglichkeit zurückzukehren 2
3 Einleitung Die Migration als Krisensituation L. Grinberg, R. Grinberg(1990) Der Immigrant braucht einen potentiellen Raum, der ihm als Übergangsort und Übergangszeit vom mütterlichen Landobjekt zu neueren äusseren Welt dient: ein potentieller Raum, der die Möglichkeit gewährt, die Migration als ein Spiel zu erleben, mit aller Seriosität und allen Implikationen, die es für Kinder hat. (S.13/14) 3
4 Einleitung Migration ist verbunden mit Verlusten: Sprache, Ausdrucksfähigkeit Heimat (Erinnerungen, Orte, Geräusche, Gerüche, Farben) soziale Stellung, Rolle, Status Bildung, kultureller Raum Vermögen, Haus, Land, Besitz Trauer? Möglichkeiten etwas Neues zu gewinnen? 4
5 Einleitung Paul Parin Für Psychoanalytiker hat Heimat die Bedeutung einer seelischen Plombe. Sie dient dazu, Lücken auszufüllen, unerträgliche Traumen aufzufangen, seelische Brüche zu überbrücken, die Seele wieder ganz zu machen. Je schlimmer es um einen Menschen bestellt ist, je brüchiger sein Selbstwertgefühl ist desto nötiger hat er oder sie Heimatgefühle, die wir deshalb eine Plombe für das Selbstgefühl nennen. 5
6 Migration heute - internationale Arbeitsmigration, globalisierte Nomaden - Entwurzelung, Bindungslosigkeit, «Der flexible Mensch» - Flüchtlinge, Asylsuchende, Vertriebene aus Kriegsgebieten und gescheiterten Staaten (Irak, Syrien, Somalia, Afghanistan) - Proletariat, Habenichtse aus der ganzen Welt (Afrika, Südostasien, Zentralasien, Ex-Sowjetrepubliken, Karibik, Südamerika) - Ein grosser Teil der weltweiten Migranten haben geringe Chancen, durch die Migration ihre Situation/die Situation ihrer Nachkommen zu verbessern. - Einige der Migranten, die heute zu uns kommen, haben in ihrem bisherigen Leben nichts anderes gemacht, als ums Überleben zu kämpfen. 6
7 Konsequenzen für die (Psycho)therapie - basale Elemente der Kommunikation müssen zuerst erarbeitet werden: Angst, Minderwertigkeitsgefühle, Kränkungserfahrungen, Enttäuschung, auch mangelnde Übung/Erfahrung im Sprechen und Erzählen erschweren die Therapie - die Differenz der sozialen Stellung und der jeweiligen Lebensrealitäten zwischen Patient und Therapeut ist enorm - Vertrauen, Ruhe und die Möglichkeit, einen inneren Raum zu öffnen müssen zuerst erarbeitet werden 7
8 Fallbeispiel 24jährige Frau aus Kamerun, Asylsuchende gibt an, aus ethnischen und politischen Gründen in Kamerun misshandelt und inhaftiert worden zu sein die Behörden glauben ihr nicht und halten sie für einen Wirtschaftsflüchtling lebt alleine in einer Asylunterkunft zeigt Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung ist ängstlich, introvertiert, verschlossen, hat kaum Kontakte trägt Haare sehr kurz, maskuline Erscheinung, treibt Sport (Jogging, Krafttraining) kommt zuverlässig zu Therapiestunden, spricht wenig, wirkt sehr schüchtern 8
9 Fallbeispiel gibt nach einiger Zeit Therapie an, dass der Name, unter dem sie registriert ist, nicht ihr richtiger Name ist wegen der Krankenkasse und den Migrationsbehörden kann der Name in den Therapiedokumenten nicht geändert werden wir sprechen sie aber unter dem richtigen Namen an die Behörden bereiten die Ausschaffung nach Kamerun vor die Patientin wird suizidal und muss stationär behandelt werden es gelingt, eine vorläufige Aufnahme aus gesundheitlichen Gründen zu erhalten 9
10 Fallbeispiel Überlegungen: - über Verluste, Trauer oder Abschiede hat die Patientin nie gesprochen - ihre Identität ist uns unklar, ihr selbst? - die traumatische Lebensgeschichte bleibt im Dunkeln - es gibt kein Narrativ ihres Lebens - Sport und Muskeltraining geben ihr Sicherheit, Struktur und ein Gefühl der Stärke - sie ist sozial komplett isoliert, die Therapie ist ihr wichtigster sozialer Kontakt - ist die Therapie ein Übergangsraum für sie? 10
11 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit 11
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