DIE RADIODOKTOR-INFOMAPPE

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1 DIE RADIODOKTOR-INFOMAPPE Ein Service von: ORF A-1040 Wien, Argentinierstraße 30a Tel.: (01) 50101/18381 Fax: (01) 50101/18806 Homepage: Österreichische Apothekerkammer A-1091 Wien, Spitalgasse 31 Tel.: (01) Fax: (01) Homepage: Österreichisches Bundesministerium für Gesundheit A-1030 Wien, Radetzkystr. 2 Tel.: (01) Fax: (01) Homepage: RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 1

2 RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT Die Sendung Die Sendereihe Der Radiodoktor ist seit 1990 das Flaggschiff der Gesundheitsberichterstattung von Ö1. Jeden Montag von bis Uhr werden interessante medizinische Themen in klarer informativer Form aufgearbeitet und Ö1- Hörerinnen und -Hörer haben die Möglichkeit, telefonisch Fragen an das hochrangige Expertenteam im Studio zu stellen. Wir über uns Seit September 2004 moderieren Univ.-Prof. Dr. Karin Gutiérrez-Lobos, Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz, Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger und Dr. Christoph Leprich die Sendung. Das Redaktionsteam besteht aus Mag. Nora Kirchschlager, Martin Rümmele, Dr. Michaela Steiner, Mag. Dominique Stiefsohn, Dr. Ronny Tekal und Dr. Christoph Leprich. Das Service Seit dem 3. Oktober 1994 gibt es das, die Sendereihe flankierende, Hörerservice, das auf größtes Interesse gestoßen ist. Die zu jeder Sendung gestaltete Infomappe mit ausführlichen Hintergrundinformationen, Buchtipps und Anlaufstellen wird kostenlos zur Verfügung gestellt und ist bereits am Sendungstag auf der Ö1-Homepage zu finden. Diese Unterlagen stellen in der Fülle der behandelten Themen ein Medizin- Lexikon für den Laien dar. Die Partner Ermöglicht wird die Radiodoktor-Serviceleiste durch unsere Partner: die Österreichische Apothekerkammer und das Österreichische Bundesministerium für Gesundheit. An dieser Stelle wollen wir uns ganz herzlich bei unseren Partnern für die gute Zusammenarbeit bedanken! Wir bitten um Verständnis, dass wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit in dieser Infomappe zumeist auf die weiblichen Endungen, wie z.b. PatientInnen, ÄrztInnen etc. verzichtet haben. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 2

3 REIZDARM NACHHALTIGE HILFE IST MÖGLICH Mit Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger 10. Februar 2014, Uhr, Ö1 Sendungs- und Infomappengestaltung: Dr. Michaela Steiner und Dr. Christoph Leprich Redaktion: Dr. Christoph Leprich RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 3

4 INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS REIZDARM NACHHALTIGE HILFE IST MÖGLICH 6 VIELE BETROFFENE 6 FUNKTIONSSTÖRUNGEN IM MAGEN-DARM-TRAKT 7 ENTSTEHUNG DES RDS 8 Gastrointestinale Infektionen 8 Psychosoziale Faktoren 9 Nahrungsmittelunverträglichkeiten 9 Ziemlich neu die FODMAP 9 DIE ACHSE DARM GEHIRN 10 Der Circulus vitiosus 11 BESCHWERDEBILD DES RDS 11 DIE DIAGNOSTIK 12 Alarmsymptome 12 Die ROM-III-Kriterien 13 KOMPLEXE THERAPIE FÜR EINE KOMPLEXE ERKRANKUNG 13 Das Symptom-Tagebuch 14 Die richtige Ernährung 14 Bewegung 15 Die medikamentöse Therapie 15 Psychotherapeutische Maßnahmen helfen langfristig 15 Gut aufgehoben in Selbsthilfegruppen 16 DIE MEDIKAMENTÖSE THERAPIE 16 Wirkstoffe im Überblick 16 PSYCHOTHERAPEUTISCHE MASSNAHMEN 18 Der Leidensdruck entscheidet 19 RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 4

5 INHALTSVERZEICHNIS Auf den Bauch gerichtete Hypnose 19 INTEGRIERTE PSYCHOSOMATISCHE MEDIZIN 20 ANLAUFSTELLEN 22 VERANSTALTUNGSTIPP 23 INFOLINKS 24 BUCHTIPPS 25 SENDUNGSGÄSTE 26 RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 5

6 REIZDARM NACHHALTIGE HILFE IST MÖGLICH Jeder Mensch leidet irgendwann einmal unter Verdauungsstörungen. Doch stellen Sie sich vor, Sie hartnäckige Verstopfung oder Durchfälle, gepaart mit Schmerzen und Krämpfen, würden Ihre ständigen Begleiter sein und vielleicht über Jahre anhalten. Dann würden Sie wahrscheinlich zu jener Gruppe der Gesamtbevölkerung - etwa 15 Prozent - gehören, die an einem Reizdarmsyndrom (RDS) leiden. Allerdings ist nur ein kleinerer Anteil von der geschilderten schweren Form des RDS betroffen. Diese Betroffenen durchleben häufig einen wahren Leidensweg, geprägt von unzähligen Untersuchungen mit unauffälligen Befunden und Ärztinnen und Ärzten, die ihnen erklären, dass ohnehin alles in Ordnung sei. Bei vielen Betroffenen dauert es bis zu sieben Jahre, bis sie eine adäquate Behandlung erhalten. Mit möglichst früher Diagnose, kompetenter Betreuung und individuell erarbeiteten Therapiekonzepten kann den Betroffenen in der Regel geholfen werden und sie können eine gute Lebensqualität erreichen. Wir wollen Ihnen mit dieser Informationsmappe die Hintergründe des RDS und die Behandlungsmöglichkeiten näher bringen. VIELE BETROFFENE Funktionelle gastrointestinale Störungen allgemein werden bei bis zu 35 Prozent der Allgemeinbevölkerung gefunden. Das RDS tritt weltweit bei rund zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung (die Zahlen divergieren je nach Quelle) auf, wobei eine große Dunkelziffer vorhanden sein dürfte. Nachfolgend sind einige epidemiologische Fakten zum RDS aufgelistet: Frauen sind vom RDS doppelt so häufig betroffen wie Männer. Zwischen 20 und 50 Prozent der von RDS Betroffenen suchen deswegen ärztliche Hilfe auf. In den westlichen industrialisierten Ländern suchen Frauen (Anteil zwischen 60 und 75 Prozent) wesentlich häufiger ärztliche Hilfe als Männer. Fünf Prozent aller Hausarztbesuche erfolgen wegen RDS. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 6

7 In gastroenterologisch spezialisierten Zentren stellen von RDS Betroffene die Hälfte aller Patienten. 38 Prozent der RDS-Patienten in gastroenterologisch spezialisierten Zentren haben Suizidgedanken aufgrund ihrer körperlichen Beschwerden. Rund die Hälfte der von RDS Betroffenen ist jünger als 35 Jahre. Etwa 40 Prozent sind zwischen 35 und 50 Jahre alt. Krankenstände kommen bei von RDS Betroffenen im Vergleich zu beschwerdefreien Personen dreimal häufiger vor. Quellen: G. Moser: Reizdarmsyndrom und Psychosomatik. JEM 2009 M. Fried. Blähungen und Reizdarmsyndrom (RDS). Gastroenterologe 2008;3: FUNKTIONSSTÖRUNGEN IM MAGEN-DARM-TRAKT Von einer funktionellen gastrointestinalen Störung (FGIS) spricht man, wenn über einen längeren Zeitraum Beschwerden im Magen-Darm-Trakt wie Schmerzen oder Blähungen, Durchfall oder Verstopfung auftreten, für die im Zuge einer Routineabklärung keine organische Ursache im Sinne einer krankhaften Veränderung gefunden werden kann. Ist der Dickdarm (lateinisch: Colon) betroffen, spricht man von einem Colon irritabile (englisch: irritable bowel syndrome, abgekürzt IBS). Im deutschen Sprachraum wird der Begriff Reizdarmsyndrom, kurz RDS, verwendet. Auch andere, nicht den Magen-Darmtrakt betreffende Erkrankungen (z.b. die so genannte Fibromyalgie, Kopf- und Rückenschmerzen, sexuelle Störungen und Störungen des Harntrakts), sind häufig mit FGIS assoziiert. Selbst viele Ärztinnen und Ärzte meinen, dass das RDS eine psychische Störung darstellt. Oder aber, Betroffene werden als lästig empfunden und es wird daher übermäßig lange nach einer real existierenden Erkrankung gesucht Dies führt häufig zu einer Vielzahl von aufwändigen und unnötigen Untersuchungen und wachsender Unsicherheit und großem Leidensdruck auf Seiten der Betroffenen. Vielmehr ist es jedoch so, dass bei spezifischen Untersuchungen etwa in der Darmschleimhaut Entzündungszellen gefunden werden oder aber auch überschießend aktive Nervenzellen (s.u.). Und rund ein Drittel der RDS tritt im RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 7

8 Anschluss an eine schwere Infektionskrankheit im gastrointestinalen Bereich auf. Daher kann nicht von einer rein psychogenen Erkrankung gesprochen werden. Quellen: Radiodoktor Infomappe: Wenn die Verdauung rebelliert Reizmagen und Reizdarm G. Moser: Reizdarmsyndrom und Psychosomatik. JEM 2009 ENTSTEHUNG DES RDS Bis heute ist noch nicht gänzlich geklärt, welche Mechanismen an der Krankheitsentstehung beteiligt sind. Nach dem bio-psychosozialen Modell wirken viele Faktoren zusammen. Das heißt, sowohl biologische als auch psychische Faktoren spielen eine Rolle. Beim RDS findet sich eine gewisse familiäre Häufung. Diese dürfte weniger genetisch bedingt sein, sondern vielmehr dadurch, wie jemand beispielsweise in der Kindheit gelernt hat mit Schmerz umzugehen. Das haben Zwillingsstudien gezeigt. Eine genetische Komponente wird seit längerem diskutiert, konnte bis jetzt allerdings nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. Im Wesentlichen werden drei Möglichkeiten der Entstehung des RDS unterschieden. Gastrointestinale Infektionen Bei einem Drittel der Patienten steht am Beginn der Erkrankung eine Infektion im Magen-Darm-Trakt (Gastroenteritis). Diese verläuft häufig mit schweren Darmkrämpfen und Durchfällen und entsteht beispielsweise durch Salmonellen oder durch Toxine in verdorbenen Lebensmitteln. Sehr häufig gegen diese Infektionen mit der Einnahme von Antibiotika einher. Im Rahmen dessen kommt es zu einer Sensibilisierung des enteralen Nervensystems (das Bauchnervengeflecht), des so genannten Bauchhirns. In der Folge bleiben feinste Mikroentzündungen in der Darmschleimhaut bestehen. Eine solche Infektion geht häufiger dann in ein RDS über, wenn im Vorfeld der Infektion erheblicher Stress aufgetreten war oder wenn zum Zeitpunkt der Infektion bereits eine starke Neigung der Betroffenen zu Angsterkrankungen oder Depression vorhanden war. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 8

9 Psychosoziale Faktoren Eine ebenso wichtige Rolle bei der Sensibilisierung des Darms spielen so genannte psychosoziale Faktoren. So können lang anhaltende oder immer wiederkehrende psychische Belastungen oder Stresssituationen zur Entwicklung eines RDS beitragen. Häufig (in rund 60 Prozent) sind dies psychische Traumatisierungen, physischer und psychischer bis hin zu sexuellem Missbrauch. Diese Belastungen können auch lange Zeit zurückliegen. Besonders bei Frauen führt eine massive Traumatisierung wenn sie etwa bedroht oder geschlagen werden oder sexueller Missbrauch stattgefunden hat - zur Entwicklung von Bauchschmerzen, die dann anhaltend sein können. Nahrungsmittelunverträglichkeiten Auch eine nicht behandelte Milch- oder Fruchtzuckerunverträglichkeit (Laktoseund Fruktoseintoleranz), eine Histamin-Überempfindlichkeit oder bestimmte Nahrungsmittel können die Symptome des RDS verstärken. Viele Betroffene vertragen keine Milchprodukte, fett- oder ballaststoffreiche Nahrung, Kaffee oder Alkohol. Darüber hinaus existiert ein so genanntes Glutensensitives Reizdarmsyndrom. Im Gegensatz zur Zöliakie bei der Antikörper gegen Weizenbestandteile gebildet werden sind bei dieser Form des RDS keine Antikörper nachweisbar. Bei den Betroffenen treten jedoch Beschwerden auf, wenn sie Gluten-haltige Nahrungsmittel zu sich nehmen. Alle diese so genannten Triggerfaktoren sollten identifiziert und vermieden werden. Das Führen eines Symptom-Tagebuchs hat sich in diesem Zusammenhang bewährt. Dabei wird genau dokumentiert, in welcher Situation die Beschwerden aufgetreten sind, wie sich die Betroffenen dabei gefühlt haben und was in der jeweiligen Situation geholfen hat. Ziemlich neu die FODMAP Im Lauf der letzten Jahre wurden weitere (kurzkettige) Kohlenhydrate identifiziert, die von manchen RDS-Betroffenen nicht vertragen werden die so genannten FODMAP. Sie sind in einer Reihe von Nahrungsmitteln natürlicherweise enthalten, finden aber auch in der Nahrungsmittelindustrie häufig Verwendung, beispielsweise als Süßmittel. Das Akronym FODMAP steht für fermentierbare Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide and Polyole. Gemeint sind damit Kohlenhydrate mit typischen Eigenschaften, die Symptome eines RDS auslösen können: RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 9

10 Sie sind nur teilweise im Dünndarm resorbierbar. Sie sind osmotisch aktiv. Das bedeutet, dass sie einen Wassereinstrom in den Dünn- und Dickdarm bewirken und daher zu Durchfall führen. Sie werden schnell von Bakterien fermentiert. Die Fermentierung führt zur Gasbildung, die Blähungen und Schmerzen auslöst. Quellen: S. Maissen, C. Kiss: FODMAP-Konzept: Praktische Umsetzung und Fallbeispiele. Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 2013;3:18-24 Vorgespräch Univ.-Prof. in Dr in Gabriele Moser Vorgespräch Priv.-Doz. in Dr. in Christine Kapral Radiodoktor Infomappe: Wenn die Verdauung rebelliert Reizmagen und Reizdarm DIE ACHSE DARM GEHIRN Unter der Hirn-Darm-Achse ( Brain-Gut-Axis ) versteht man die Verbindung zwischen dem Nervensystem des Magen-Darm-Traktes und dem Gehirn. Diese Verbindung funktioniert in beide Richtungen. So genannte viszerale afferente Nervenfasern d.h. Nervenfasern, die Empfindungen wie z.b. Schmerzen aus dem Darm an das Gehirn weiterleiten, führen u.a. zu einem bestimmten Hirnareal, dem limbischen System. Dort wird die Empfindung emotional interpretiert (z.b. der Schmerz ist quälend ), abgespeichert und im Gedächtnis behalten. Die im limbischen System einlangenden Reize können von einer betroffenen Person unterschiedlich interpretiert werden, so dass vermutet wird, dass auch die psychische Situation wesentlich zur Entstehung und Aufrechterhaltung des RDS beiträgt. Machte man früher vorwiegend Störungen der Darmtätigkeit für die Beschwerden bei RDS verantwortlich, so wurde erstmals in den 1990er-Jahren gezeigt, dass diese Achse zwischen Darm und Gehirn eine Rolle spielt. Zum einen werden verschiedene Reize wie beispielsweise der Dehnungsreiz im Darm, der normalerweise nicht wahrgenommen wird, von RDS-Betroffenen als krampfartig und enorm belastend empfunden. Dies deswegen, weil zum Beispiel im Rahmen von Infekten durch die begleitenden Schmerzen und Krämpfe inaktive Rezeptoren entlang der Bahn zwischen Darm und Gehirn nämlich im Rückenmark aktiviert werden und so zu einer verstärkten Wahrnehmung führen. Man spricht dabei auch von viszeraler Überempfindlichkeit oder viszeraler Hypersensitivität. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 10

11 Zusätzlich erfolgt die Modulation vieler Reize aus dem Darm durch eine Vielzahl von Botenstoffen auf verschiedenen Ebenen (im Darm selbst, im Rückenmark und im Gehirn). Eine große Rolle beim RDS spielt das Serotonin, welches nicht nur im Gehirn vorkommt, sondern zum überwiegenden Teil (95 Prozent) im Darm. Dort bindet es allerdings an andere Rezeptoren als im Gehirn. Dies ist auch deswegen von Bedeutung, weil Antidepressiva, die über Serotonin wirken, beim RDS erfolgreich gegen Schmerzen eingesetzt werden können. Der Circulus vitiosus Eine der Tücken des Reizdarmsyndroms besteht darin, dass sich ein Teufelskreis entwickeln kann. Werden die Symptome eines RDS anfangs ignoriert oder übersehen, weil die Betroffenen beispielsweise einer besonderen Stressbelastung ausgesetzt sind (z.b. Menschen, die Angehörige pflegen), dann entsteht bereits eine gewisse Fixierung der Beschwerden. Mit zunehmender Aufmerksamkeit steigen die Selbstbeobachtung und die Fokussierung auf die Symptome, die letztendlich in ein so genanntes catastrophizing münden können. Das bedeutet, dass die Betroffenen Angst und Stress aufbauen, weil sie befürchten, dass Symptome wieder auftreten oder sie etwa nicht rechtzeitig eine Toilette erreichen. Angst und Stress wiederum verstärken die Symptome des RDS. Letztendlich mündet dieser Teufelskreis in einen Zustand, in dem Betroffene nicht mehr außer Haus gehen, keine Einladungen annehmen und beispielsweise die Nahrungsaufnahme massiv einschränken. Durch rechtzeitige und gute Aufklärung kann das Zustandekommen dieses Teufelskreises vermieden werden. Quellen: Vorgespräch Univ.-Prof. in Dr in Gabriele Moser Vorgespräch Priv.-Doz. in Dr. in Christine Kapral Radiodoktor Infomappe: Wenn die Verdauung rebelliert Reizmagen und Reizdarm BESCHWERDEBILD DES RDS Kardinalsymptom eines Reizdarms ist der dauernde oder wiederkehrende Schmerz. Dieser wird typischerweise durch Stress verstärkt und löst sich häufig nach Stuhlentleerung. Dazu kommen Durchfälle oder Verstopfung. Je nachdem, welches von beiden das Hauptsymptom ist, unterscheidet man einen Durchfalldominanten oder einen Verstopfung-dominanten RDS-Typ. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 11

12 Imperativer Stuhldrang kann dazu führen, dass Betroffene sich nicht mehr außer Haus wagen. Blähungen und Völlegefühl sowie das Gefühl der unvollständigen Darmentleerung machen den Betroffenen zusätzlich das Leben schwer. solch massive Beschwerden können zu Arbeitsunfähigkeit, sozialem Rückzug und Isolation führen. Angst und Depressionen sind nicht selten die logische Konsequenz. Die Bandbreite bei RDS reicht von sehr geringen bis hin zu dramatischen Beschwerden, die die Lebensqualität der Betroffenen enorm einschränken und sogar zu Suizidgedanken führen. Insgesamt suchen etwa 20 Prozent aller von RDS Betroffenen ärztliche Hilfe. Quellen: Radiodoktor Infomappe: Wenn die Verdauung rebelliert Reizmagen und Reizdarm Vorgespräch Priv.-Doz. in Dr. in Christine Kapral Vorgespräch Univ.-Prof. in Dr in Gabriele Moser DIE DIAGNOSTIK Ein RDS ist schwer zu diagnostizieren, da organische Veränderungen typischerweise fehlen. Mit der Anamnese (gezielte Befragung des Patienten) können bereits erste Hinweise auf ein RDS gewonnen werden. Gefragt werden sollte nach: Symptomen (Schmerzen, Völlegefühl, Durchfall, Verstopfung, usw.) Aktuelle und frühere Belastungen (Stress, traumatische Erlebnisse, unregelmäßiger Schlaf, usw.) Auslösern für die Beschwerden (bestimmte Nahrungsmittel, Streitigkeiten innerhalb der Familie, usw.) Alarmsymptome Bestimmte Beschwerden oder Symptome deuten darauf hin, dass ihnen eine andere Ursache als ein RDS zugrunde liegen könnte. Dazu zählen Beschwerdebeginn nach dem 50. Lebensjahr, Blut im Stuhl, Fieber, Gewichtsverlust, nächtliche Schmerzen/Kolik, Anämie und/oder Entzündungszeichen im Blut. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 12

13 Menschen mit diesen Symptomen sollten auf jeden Fall eine Ärztin bzw. einen Arzt aufsuchen, da hier weiterführende Untersuchungen unbedingt erforderlich sind. Die ROM-III-Kriterien Im Wesentlichen wird ein RDS jedoch auf Grundlage der vorhandenen Symptome mittels der ROM-III-Kriterien diagnostiziert. Dabei handelt es sich um ein Klassifizierungssystem, das sich an den Symptomen orientiert und zur Charakterisierung der funktionellen gastrointestinalen Störungen dient. Nach den ROM-III-Kriterien liegt ein RDS dann vor, wenn Schmerzen des Unterbauchs (Bauchkrämpfe) an mindestens drei Tagen pro Monat während mindestens drei der letzten sechs Monate mit mindestens zwei der folgenden Kennzeichen (Hauptkriterien) vorhanden waren: Besserung durch Stuhlentleerung Änderung der Stuhlfrequenz (d.h. der Häufigkeit der Stuhlentleerung) Änderung von Stuhlkonsistenz (d.h. der Beschaffenheit) und des Aussehens Das Gefühl der inkompletten Stuhlentleerung, eine Schleimbeimengung im Stuhl und Blähungen zählen zu den Nebenkriterien. Diese Symptome können, müssen aber nicht vorhanden sein, um die Diagnose Reizdarmsyndrom zu stellen. Quellen: Radiodoktor Infomappe: Wenn die Verdauung rebelliert Reizmagen und Reizdarm Priv.-Doz. in Dr. in Christine Kapral KOMPLEXE THERAPIE FÜR EINE KOMPLEXE ERKRANKUNG Im Zentrum der Therapie sollten die Aufklärung, Beruhigung, Beratung und Begleitung der Betroffenen stehen. Grundlage der Therapie ist eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung mit einer kontinuierlichen und langfristig geplanten Betreuung. Das Wichtigste dabei ist, dass möglichst früh die Diagnose Reizdarmsyndrom gestellt wird. Denn viele Betroffene haben bereits eine Odyssee an Arztbesuchen (sog. Doktor-Shopping) und zahlreiche Durchuntersuchungen hinter sich. Dieses lange Hilfesuchen der Betroffenen könnte mit einer frühen Diagnosestellung vermieden werden. Häufig dauert es fünf bis sieben Jahre, bis die richtige Diagnose gestellt wird. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 13

14 Umso wichtiger ist die ausführliche Aufklärung der Patienten über das Wesen der Erkrankung, und vor allem darüber, dass es sich nicht um etwas Eingebildetes handelt. Darüber hinaus müssen die Betroffenen wissen, dass es sich beim RDS um keine bösartige oder gefährliche Erkrankung handelt. Damit nimmt man häufig einen Großteil der Angst, die den Krankheitsprozess in Gang halten kann. Wichtig ist es aber auch, gemeinsam mit den Betroffenen realistische Therapieziele zu setzen (z.b. Linderung der Symptome, Reduktion von Stress und Besserung der Lebensqualität). Des Weiteren sollten die Patienten über mögliche auslösende Faktoren (Trigger) aufgeklärt und dazu angehalten werden, diese selbst zu beobachten und zu identifizieren. In dieser Hinsicht kann das Führen eines Symptom-Tagebuchs hilfreich sein. Das Symptom-Tagebuch Etliche Nahrungsmittel werden von Patienten mit RDS nicht vertragen. Dazu zählen u.a. Milch bzw. Milchprodukte (bei Laktoseintoleranz), Fruchtzucker (bei Fruktoseintoleranz), rohes Obst und Gemüse, Zitrusfrüchte, fettreiche und/oder gebratene Speisen, Koffein, Alkohol und zuckerfreier Kaugummi. Die Identifikation dieser so genannten Triggerfaktoren, die auslösend oder symptomverstärkend wirken, kann mit einem Symptom-Tagebuch leichter gelingen. Aber nicht nur Nahrungsmittel können die Beschwerden verschlimmern. Auch bestimmte Situationen (Stress, Belastung) und Gefühlszustände (Angst, Ärger) tragen zum Beschwerdebild maßgeblich bei und sollen im Symptomtagebuch aufgezeichnet werden. Schließlich spielt bei der Frau auch der Zyklus eine wichtige Rolle, weshalb die Aufzeichnungen beim weiblichen Geschlecht über mindestens vier Wochen geführt werden sollten. Das Vermeiden der Triggerfaktoren, das Beobachten, was gut tut und was Stress verursacht, sowie die Analyse der eigenen Gefühlssituation sind erste Schritte, Selbstkontrolle über die Beschwerden zu erlangen. Die richtige Ernährung Die eine richtige Diät gibt es beim RDS nicht. Also muss jede Betroffene selbst in Erfahrung bringen und ausprobieren, was ihm gut tut und was nicht. Bei Betroffenen, die unter Verstopfung leiden, können lösliche Ballaststoffe wie beispielsweise Flohsamen angewendet werden, reichliche Flüssigkeitszufuhr ist zudem empfehlenswert (mindestens zwei Liter pro Tag). Patienten, die unter Durchfall und Blähungen leiden, vertragen hingegen schlechter ballaststoffreiche Nahrung. Diese sollten z.b. Müsli oder ungeschältes, RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 14

15 rohes Obst eher meiden. Allerdings darf der Darm nicht nur geschont werden, da er ansonsten die Form verliert und immer weniger belastbar ist. Natürlich müssen in jedem Fall Trigger, also Nahrungsmittel, die Beschwerden auslösen, vermieden werden. Auch hastige Nahrungsaufnahme und zu große Portionen, sowie Essen unter psychisch belastenden Umständen (z.b. unter Zeitdruck oder bei gleichzeitiger Besprechung von Problemen) sind zu vermeiden. Eine kürzlich veröffentlichte australische Studie konnte gute Erfolge einer FODMAP-reduzierten Diät nachweisen. Diese Diät ist allerdings für Betroffene extrem einschneidend und schwer umzusetzen. Auf längere Sicht können durch diese Diät sogar Mangelerscheinungen auftreten. Für alle Ernährungsumstellungen oder Diäten bei RDS gilt, dass es sich um Therapieversuche handelt. Die Betroffenen müssen sich bewusst sein, dass der Verdauungstrakt auf viele Einflüsse reagiert und mit der Ernährung nur einer der Trigger beeinflusst wird. Bewegung Regelmäßige Bewegung ist für viele RDS-Betroffene hilfreich, und vielen Betroffenen geht es auch während der Ausübung gut. Durch die Bewegung können zudem Stresshormone abgebaut werden. Oft geht es den Betroffenen dabei nicht einmal so sehr um die körperliche Ertüchtigung, sondern um das geistige Abschalten und den Kopf frei zu bekommen. Die medikamentöse Therapie Die medikamentöse Therapie des RDS beschränkt sich weitgehend auf die symptomatische Behandlung der Beschwerden. Sie richtet sich gegen das vorherrschende Symptom und zielt entsprechend auf Schmerzlinderung, Krampflösung, Linderung des Durchfalls oder Beseitigung der Verstopfung ab. Antidepressiva kommen in sehr niedriger Dosierung bei durchfall-dominantem RDS zum Einsatz. Dabei wirken sie auf den Magen-Darm-Trakt, während praktisch keine antidepressive Wirkung besteht. Beim Vorliegen einer Depression werden Antidepressiva in der dafür vorgesehenen Dosis angewendet. Psychotherapeutische Maßnahmen helfen langfristig Psychotherapeutische Maßnahmen zählen zu den wirkungsvollsten Behandlungsmethoden des RDS. Verhaltenstherapie, psychodynamische (interpersonelle) Therapie, Hypnose, Entspannungsmethoden oder eine Kombination dieser Techniken haben sich bewährt. Die gute und nachhaltige RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 15

16 Wirkung psychotherapeutischer Maßnahmen sowie die Überlegenheit derselben gegenüber alleinigen medikamentösen Therapien wurden in Studien bereits vielfach belegt. Als besonders effizient und langfristig wirksam in der Behandlung des Reizdarms hat sich die auf den Bauch gerichtete Hypnose herausgestellt. Gut aufgehoben in Selbsthilfegruppen Selbsthilfegruppen haben sich für Patienten mit funktionellen gastrointestinalen Störungen als sehr hilfreich herausgestellt. Einerseits herrscht bei Betroffenen ein großer Bedarf an Informationen, andererseits ist für sie ganz wichtig sich austauschen zu können, Unterstützung in vielen Fragen des Alltags zu erhalten und sich nicht allein fühlen zu müssen. Die Patienteninitiative Reizdarm (ÖPRD) und die Initiative Gesunder Darm kümmern sich um die Anliegen Betroffener. Quellen: Radiodoktor Infomappe: Wenn die Verdauung rebelliert Reizmagen und Reizdarm Vorgespräch Priv.-Doz. in Dr. in Christine Kapral Vorgespräch Univ.-Prof. in Dr in Gabriele Moser S. Maissen, C. Kiss: FODMAP-Konzept: Praktische Umsetzung und Fallbeispiele. Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 2013;3:18-24 DIE MEDIKAMENTÖSE THERAPIE Medikamente sollen gegen das vorherrschende Symptom und nur zeitlich begrenzt eingesetzt werden. Denn eine rein medikamentöse Therapie ist in der Regel nicht zielführend. Die Kombination mit anderen Maßnahmen sei es nun das Erlernen von Entspannungstechniken oder eine Hypnosetherapie ist in jedem Fall zu empfehlen. Wirkstoffe im Überblick Krampflösende Präparate Krampflösende Medikamente helfen durch ihre entspannende Wirkung auf die Muskulatur des Magen-Darms-Trakts gegen akute Schmerzen und Bauchkrämpfe. Beispiele für krampflösende Substanzen sind Butylscopolamin, Mebeverin und Trimebutin. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 16

17 Mittel gegen Durchfall Substanzen wie Loperamid wirken bei akutem Durchfall. Es handelt sich dabei um ein Scheinopioid (es erreicht nicht wie die Opioide das zentrale Nervensystem), das seine besänftigende Wirkung vorwiegend an der Muskulatur des Darms entfaltet. Dieser ist weniger aktiv und der ständige Stuhldrang wird dadurch gelindert. Mittel gegen Verstopfung Gegen Verstopfung können Abführmittel (so genannte Laxantien) eingesetzt werden. Diese beschleunigen die Stuhlentleerung und haben eine z.t. quellende (Agar-Agar), z.t. stuhlerweichende Wirkung (wie Laktulose oder Macrogol). Quellende Abführmittel führen meist zu Blähungen und sollten dann vermieden werden, wenn diese ohnehin Probleme bereiten. Eine generelle Ernährungsumstellung wirkt meist nach einer Weile der Kostgewöhnung sehr effektiv. Relativ neue symptomatische Medikamente gegen Verstopfung sind Linaclotid und Prucaloprid. Schmerzmittel Speziell hier gilt: Nur eine zeitlich begrenzte Einnahme ist zu empfehlen. Angewendet werden sollten in erster Linie Spasmolytika ( Krampflöser ) bzw. eine Kombination von Paracetamol mit dem Spasmolytikum Butylscopolamin. Die Verwendung von Schmerzmitteln wie nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAR) oder etwa Acetylsalicylsäure ( Aspirin ) wird nicht empfohlen. Pflanzliche Präparate Bei Blähungen können pflanzliche Präparate wie Kamille, Kümmel, Fenchel oder Anis erfolgreich eingesetzt werden. Auch Extrakte aus Pfefferminze, Minze und Melisse und anderen Heilpflanzen haben eine beruhigende Wirkung auf Magen und Darm. Der Samen von Psyllium (erhältlich als Pulver im Beutel) macht den Stuhlgang gleichmäßig und bewährt sich deshalb sowohl bei Verstopfung als auch bei Durchfall. Probiotika Für die Wirksamkeit von Probiotika beim Reizdarmsyndrom gibt es mittlerweile gute wissenschaftliche Studienergebnisse. Die number needed to treat (NNT) liegt bei 7 bis 8. Das bedeutet, dass nur sieben bis acht Personen mit Probiotika behandelt werden müssen, damit einem RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 17

18 geholfen wird was durchaus erfolgversprechend ist. Im Vergleich dazu liegt die NNT für andere medikamentöse Behandlungen des RDS bei bis zu 22. Antidepressiva Bei langfristigen Beschwerden, die durch andere Therapieformen nicht zu beeinflussen sind, sollten Antidepressiva zum Einsatz kommen. Sie haben Einfluss auf die entsprechenden Neurotransmittersysteme, die an der Entstehung des RDS beteiligt sind. Antidepressiva werden bei RDS in einer niedrigeren Dosierung als bei Depressionen verordnet und sind nicht in erster Linie als antidepressive Therapie gemeint. Vielmehr dienen sie dazu, die Schmerzschwelle zu erhöhen. Wichtig ist, die Patienten dahingehend aufzuklären, dass die Wirkung erst nach etwa zwei Wochen einsetzt, während am Anfang die unerwünschten Nebenwirkungen (wie z.b. Müdigkeit) vorherrschen können. Ältere so genannte trizyklische Antidepressiva haben zudem Nebenwirkungen, die sich im Fall von Durchfall durchaus positiv auswirken, denn sie verursachen Verstopfung. Neuere Antidepressiva hingegen, so genannte Serotonin-Reuptake-Hemmer (SSRI), haben Nebenwirkungen, die man sich wiederum bei Verstopfung zunutze machen kann. Rifaximin Rifaximin ist ein Darmantibiotikum. Es modifiziert das Mikrobiom, also die Darmflora, und hat den Vorteil, dass es kaum vom Körper aufgenommen wird. Auf diese Weise reduziert Rifaximin Blähungen und Völlegefühl. Die Behandlung ist auf zwei Wochen beschränkt. Da der positive Effekt in Studien aber eher geringgradig ausfiel, fordern Experten weitere Daten dazu. Quellen: Radiodoktor Infomappe: Wenn die Verdauung rebelliert Reizmagen und Reizdarm PSYCHOTHERAPEUTISCHE MASSNAHMEN Dass die Seele auf den Magen-Darm-Trakt einen erheblichen Einfluss hat, ist leicht nachvollziehbar. Schließlich geht nicht nur die Liebe durch den Magen. Auch RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 18

19 belastende Situationen schlagen sich auf den Magen, etwas Unangenehmes stößt einem auf... Folgende Formen der Psychotherapie haben sich bewährt: Verhaltenstherapie psychodynamische (interpersonelle) Therapie auf den Bauch gerichtete Hypnose Entspannungsmethoden Kombination dieser Techniken Der Leidensdruck entscheidet Empfohlen werden psychotherapeutische Maßnahmen vor allem jenen Patienten, die z.b. unter Depressionen, Angststörungen oder posttraumatischen Stressstörungen leiden. Auch Personen, bei denen (bestimmte) psychosoziale Belastungen als Trigger identifiziert werden konnten, sollten sich einer Psychotherapie unterziehen. Der Entschluss, sich an einen Psychotherapeuten zu wenden, liegt beim Patienten selbst. Dabei spielt der Leidensdruck eine wesentliche Rolle. In jedem Fall sollte die oder der Betroffene motiviert sein, eine solche Therapie zu machen. Während einer Psychotherapie wird der Kontakt zum behandelnden Arzt in der Regel nicht abgebrochen. Meist arbeiten z.b. Hausarzt und Psychotherapeut parallel. In Studien konnte gezeigt werden, dass psychotherapeutische Maßnahmen wirkungsvoller sind als herkömmliche, respektive medikamentöse Therapien allein. Auch der langfristige Erfolg dieser Form der Behandlung ist der medikamentösen Therapie deutlich überlegen. Als besonders wirkungsvoll erwies sich eine Hypnose-Methode, die speziell zur Behandlung von Reizdarmsyndrom und Reizmagen von einer Arbeitsgruppe rund um Prof. Peter Whorwell in Manchester entwickelt wurde. Auf den Bauch gerichtete Hypnose Die medizinische Hypnose arbeitet mit Suggestion und Bildern. Es wird ein Zustand der fokussierten Aufmerksamkeit herbeigeführt, mit dessen Hilfe Entspannung, Ruhe, Rhythmus, Schwere und wohltuende Wärme erreicht werden. Bei der Bauchhypnose wird die Hand auf den Bauch gelegt und über diese die Wärmeempfindung in den Darm geleitet. Mit der Vorstellungskraft können Körperfunktionen beeinflusst (Normalisierung der Darmfunktion) und das Ich gestärkt werden, denn nicht selten leiden Betroffene unter einem verminderten Selbstwertgefühl. Auch das Gefühl der RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 19

20 Selbstkontrolle, z.b. über die Krankheit, kann mit der Kraft der Vorstellung positiv beeinflusst werden. Magen-Darm-Funktionen sind durch Hypnose gut zu beeinflussen. So können beispielweise durch Hypnose bei Gesunden die Geschwindigkeit des Nahrungstransportes und bei Reizdarmpatienten die Stärke der Darmbewegungen beeinflusst werden. Zudem normalisiert sich die Überempfindlichkeit des Verdauungstraktes unter Hypnose nachweislich. Es werden etwa zehn Sitzungen zu je einer Stunde einmal wöchentlich über ca. drei Monate und das 1x-tägliche Üben mithilfe einer CD zuhause empfohlen, damit der gewünschte Langzeiterfolg erreicht werden kann. Brain imaging -Studien, also Studien, bei denen das Gehirn mittels bildgebender Verfahren dargestellt wird, haben gezeigt, dass unter Hypnose bestimmte Hirnareale aktiviert werden, deren Funktion es ist, Schmerzreize zu unterdrücken. Durch Hypnose kommt es also nachweislich zu Veränderungen in der Schmerzmodulation. In einer Wiener Studie unter der Leitung von Univ.-Prof. in Dr. in Gabriele Moser, Leiterin der Spezialambulanz für gastroenterologische Psychosomatik an der Universitätsklinik für Innere Medizin III, MedUni Wien, die 2013 publiziert wurde, wurden Patienten mit therapieresistentem RDS entweder mit Bauchhypnose und Medikamenten oder mit unterstützenden Gesprächen und Medikamenten behandelt. Nach der Behandlung hatten sich nahezu 71 Prozent der Patienten mit Bauchhypnose verbessert, im Vergleich zu 41 Prozent der Patienten mit Gesprächen und Medikamenten. Nach 15 Monaten hielt dieser Effekt noch immer bei über 54 Prozent der Patienten mit Bauchhypnose, aber nur bei 25 Prozent der Patienten mit Medikamenten allein an. Auch die Lebensqualität besserte sich mit Bauchhypnose deutlicher und anhaltender als mit Medikamenten alleine. INTEGRIERTE PSYCHOSOMATISCHE MEDIZIN Im Sinne aller Betroffenen mit funktionellen Störungen plädiere ich für eine Integration der psychosomatischen Medizin in alle Fächer, betont die Psychosomatikerin Gabriele Moser. Bei psychosomatisch ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten seien Patienten mit RDS am besten aufgehoben. Allerdings ist die Ausstattung mit auf Psychosomatik spezialisierten Zentren in Österreich derzeit keineswegs flächendeckend. Auch die Einführung eines Zusatzfaches RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 20

21 Psychosomatik in der medizinischen Ausbildung würde die Betreuung von Menschen mit funktionellen Störungen deutlich verbessern. Quellen: Radiodoktor Infomappe: Wenn die Verdauung rebelliert Reizmagen und Reizdarm Vorgespräch Univ.-Prof. in Dr in Gabriele Moser Wir danken Frau Priv.-Doz. in Dr. in Christine Kapral und Frau Univ.-Prof. in Dr. in Gabriele Moser für ihre Unterstützung bei der Erstellung der Informationsmappe! RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 21

22 ANLAUFSTELLEN ANLAUFSTELLEN Österreichische Patienteninitiative Reizdarm (ÖPRD) Vorgartenstraße /Stg.1/EG A-1020 Wien Tel.: +43/(0)1/ (jeden Mittwoch bis 18 Uhr) Homepage: Initiative Gesunder Darm Linzer Straße 57 A-3002 Purkersdorf Tel.: +43/(0)676/ (Montag bis Donnerstag bis Uhr, Freitag bis 13.00) Homepage: Österreichische Gesellschaft für Psychosomatik in der Inneren Medizin (ÖGPIM) Liste der österreichischen Therapeutinnen und Therapeuten, die Bauchhypnose anbieten RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 22

23 VERANSTALTUNGSTIPP VERANSTALTUNGSTIPP Am hält Prof.in Gabriele Moser ab Uhr einen Vortrag in den Räumlichkeiten der Österreichischen Patienteninitiative Reizdarm - der Eintritt ist frei. Österreichische Patienteninitiative Reizdarm (ÖPRD) Vorgartenstraße /Stg.1/EG A-1020 Wien Tel.: +43/(0)1/ (jeden Mittwoch bis 18 Uhr) oeprd@wiener.hilfswerk.at Homepage: RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 23

24 INFOLINKS INFOLINKS Informationen zu Hypnose bei FGIS Österreichische Gesellschaft für Gastrologie und Hepatologie (ÖGGH) Österreichische Gesellschaft für Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin (ÖGPPM) International Foundation for Functional Gastrointestinal Disorders (IFFGD) Selbsthilfe bei RDS ÄrzteZeitung: Spezialdiät gegen Reizdarmbeschwerden ap-studie-spezialdiaet-reizdarmbeschwerden.html RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 24

25 BUCHTIPPS BUCHTIPPS Moser, Gabriele Psychosomatik in der Gastroenterologie und Hepatologie Springer-Verlag 2007 ISBN-13: Christiane Weißenberger Ernährungsratgeber Reizdarm: Genießen erlaubt Schlütersche Verlag 2012 ISBN-13: Thilo Schleip, Gabi Hoffbauer Reizdarm (GU Ratgeber Gesundheit) GRÄFE UND UNZER Verlag 2009 ISBN RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 25

26 SENDUNGSGÄSTE SENDUNGSGÄSTE In der Sendung Radiodoktor Medizin und Gesundheit vom 10. Februar 2014 waren zu Gast: Priv.-Doz. in Dr. in Christine Kapral FÄ für Innere Medizin, Additiv-FÄ für Gastroenterologie und Hepatologie und für Intensivmedizin, 4. Internen Abteilung Gastroenterologie, Hepatologie, Stoffwechsel- und Ernährungsmedizin, Endokrinologie Aö KH der Elisabethinen Fadingerstraße 1 A-4020 Linz Tel.: +43/(0)732/7676/ christine.kapral@elisabethinen.or.at Homepage: Wahlarztordination: Ordination Lederergasse Lederergasse 32 A-4020 Linz Tel.: +43/(0)732/ contact@ordination-lederergasse.at Homepage: Univ.-Prof. in Dr. in Gabriele Moser FÄ für Innere Medizin, Psychotherapeutin Leiterin der Spezialambulanz für gastroenterologische Psychosomatik Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie Währinger Gürtel A-1090 Wien Tel.: +43/(0)1/ gabriele.moser@meduniwien.ac.at Homepage: RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 26