Die Restaurierung der Heigel-Fresken in der Marienkirche zu Lüssen / Lusina

Transkript

1 (Kreis Neumarkt / Środa Śląska) Vorbemerkung Bis vor wenigen Jahren war es nicht bekannt, dass ein aus vier Fresken bestehender Zyklus von Franz Heigel die Decke der Kirche von Lüssen ziert. Diese Kirche wird 1335 erstmals urkundlich erwähnt und in den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts umgebaut, saniert und restauriert sowie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und letztmalig 1974 restauriert. Das Gotteshaus präsentiert sich auf dem weiten es umgebenden Kirchhof als eine einschiffige Hallenkirche mit Tonnengewölbe. Zur Zeit des Umbaus zwischen den Jahren 1731 und 1735, der von dem damaligen Erbkretschmer Ignatz Krätzig finanziert wurde, befand sich das Dorf Lüssen im Besitz der Striegauer Malteserkommende. Aus jener Zeit datieren auch die Heigelschen Fresken. Der erste polnische Denkmalpfleger Schlesiens nach 1945, Tadeusz Dobrzyniecki, hat ebenso wie der letzte Provinzialkonservator von Schlesien, Günter Grundmann, nachdrücklich auf Heigel und sein Werk aufmerksam gemacht und versucht, ihn vor dem Vergessen zu bewahren. Da Heigels bekanntes Œuvre nicht all zu umfangreich ist, wird es nun durch die Lüssener Fresken qualitätsvoll erweitert. Dies ist umso bemerkenswerter, als es in schlesischen Dorfkirchen nicht mehr allzu viele barocke Fresken von diesem kulturhistorischen Range gibt. Eine zweisprachige Publikation vereinigt nicht nur die Ansprachen, die anlässlich des Festaktes gehalten wurden, sondern auch das umfangreiche Bildprogramm der Fresken. [Siehe Literaturhinweis am Ende dieses Beitrages.] Die Kirche und das Bildprogramm der Fresken Die gotische Filialkirche Mariä-Geburt in Lüssen wurde im 15. Jahrhundert errichtet, in der Barockzeit um 1731 grundlegend umgebaut, in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts restauriert und 1963 renoviert. Die einschiffige Kirche mit einem schmalen Presbyterium ist orientiert und besitzt im Westen einen mit diagonalen Strebepfeilern versehenen Turm. Das Innere ist mit einem Tonnengewölbe mit Lünetten versehen, deren Gurte auf an der Wand stehenden Halbsäulen aufliegen. Im Innenraum befinden sich ein barocker Hochaltar und zwei Nebenaltäre, vermutlich aus der gleichen Zeit, wie die hölzerne Barockkanzel. Die Gottesmutter als Freudenquelle aller Gläubigen (Drittes Feld des Hauptschiffes) Das Gemälde hat die Form eines sphärischen Rechtecks, dessen Ober- und Unterseiten zwei eingezogene, die Außenseiten drei ausgewölbte Abschnitte besitzen. In der Mitte befindet sich die auf einem kleinen Hügel sitzende Gottesmutter mit dem Kind an der Brust. Sie ist von zwei musizierenden, auf Wolken schwebenden Engel- und Puttengruppen umgeben. Links wird mit Harfe und Flöte, Geige und Tamburin, rechts mit Trompete und Violoncello musiziert. Über dem Kopf der Gottesmutter befindet sich ein Banner mit der Majuskelschrift CAVSA NOSTRÆ LAETITIÆ. Rechts unten im Hintergrund ein Bergzug und vor dessen Hintergrund König David mit der Harfe, von seinem Hof umgeben sowie mit die Bundeslade ziehende Och- 1

2 sen. Links die halbrunde Signatur F. Heigel. Mit Wülsten profilierter, die Kontur des Gemäldes wiederholender, weißer Stuckrahmen. [Abb. 1 & 2] Die Gottesmutter als Königin der Engel (Erstes Hauptschifffeld) Das Gemälde hat die Form eines sphärischen Rechtecks, dessen Ober- und Unterseiten zwei eingezogene, die Außenseiten drei ausgewölbte Abschnitte besitzen. Oben in der Mitte, die auf einem Wolkenthron sitzende Gottesmutter mit einem Zepter in der linken Hand, die rechte leicht herab geneigt und nach außen gedreht. Auf dem Kopf der von einer Sternenaureole umgebenen Maria befindet sich eine Krone. Maria ist mit einem in der Taille gegürteten Kleid und einem übergelegten, flatternden Mantel bekleidet. Zu jeder Seite sind Gruppen von Engeln und Putten beigegeben. Oben in der linken Gruppe befindet sich ein das Flammenherz tragender Putto, darunter ein Engel mit einer Fahne mit der Aufschrift REGINA ANGELORVM, unten der gewappnete Erzengel Michael mit erhobenem Schwert. In der rechten Gruppe: ein Putto mit einem Dreieck mit dem Auge der Heiligen Dreifaltigkeit in der Hand, darunter der Erzengel Gabriel mit der Lilie, unten ein das Jesuskind auf den Knien haltender Putto. Die Engel und Putten sind in flatternden Kleidern, die Putten nur mit Gürtel um die Hüften dargestellt. [Abb. 3 & 4] Die Gottesmutter als Bezwingerin der Häresie (Zweites Hauptschifffeld) Das Gemälde hat die Form eines Längsovals mit mehreren eingezogenen Stellen, so dass in der Mitte des Ober- und Unterteils sowie an den Seiten charakteristische scharfe Dreiecke entstehen. In der Mitte der Komposition befindet sich die auf Wolken aufsteigende Gottesmutter mit aufgehobener rechter Hand. Sie trägt ein in der Taille gegürtetes Kleid mit kurzen Ärmeln, darüber einen flatternden Mantel. Über dem Kopf ist ein Flammennimbus zu sehen. Im linken Oberteil sitzen zwei Putti auf Wolken, der rechte ein Banner haltend, auf welchem mit der lateinischen Majuskelschrift PVRISSIMA VIRGO MATER DEI geschrieben steht. Unterhalb der Gottesmutter und der Putti zu sehen, in der irdischen Zone, eine Säulenhalle mit einer von der Hauptfigur abgewandten, knienden Menschengruppe in orientalisierender (Turbane) oder aus der Entstehungszeit des Gemäldes stammender Kleidung (Halskrausen); zu Füßen der rechts außen stehenden Gestalt befindet sich ein Krug. [Abb. 5 & 6] Die Gottesmutter als Retterin in der Not (Gewölbegemälde im Presbyterium) Das Gemälde hat die Form eines sphärischen Rechtecks mit alternierenden konvexen und konkaven Abschnitten und abgerundeten Ecken. In der unteren irdischen Zone auf der linken Seite ist ein Segelschiff dargestellt, vor ihm aufgewühlte Wellen mit der Inschrift SUB TVUM auf dem Segel; davor, in Richtung Zentrum, befindet sich ein kniender Mann in der Tracht der Entstehungszeit 2

3 des Gemäldes: langer in der Taille gegürteter, nach unten weiter werdender Rock, Kniehosen, Kniestrümpfe, unter dem Hals die Spitzen des Hemdes, auf dem Kopf eine Lockenperücke. Darüber trägt er einen langen, hinter dem Knienden auf die Erde reichenden Mantel aus dünnem Stoff. Zu Füßen des Mannes sind im Gras eine aufgerollte Papierrolle mit der Ansicht Lüssens, daneben eine Kanone und drei in die Erde gesteckte Fahnen abgebildet. Auf der linken von ihnen ist die Aufschrift PRÆSIDIVM zu lesen, auf der rechten CONFVGIMUS. Auf der rechten Seite ist ein Turm aus Steinblöcken zu sehen, mit einem ovalen, vergitterten Fenster mit der Aufschrift: Schult thurm, unter ihm eine Menge knieender und betender Menschen. Im Hintergrund werden Berge mit Silhouetten schreitender Menschen sichtbar. Im Unterteil, auf dem Boden, liest man die Aufschrift: A PERICVLIS CVNCTIS LIBERA NOS SEM- PER: In der linken unteren Ecke befindet sich eine auf dem Boden liegende Trommel. Oben, in der himmlischen Sphäre, findet man ein königliches Paar (vermutlich Maria und Christus), von schwebenden Wolken und Putti umgeben. Auf der linken unteren Ecke, auf der Trommel signiert: F. Heigel. [Abb. 7 & 8] Literaturhinweis: LENZ, Rudolf (Hrsg.): Die Restaurierung der Fresken des schlesischen Barockmalers Franz Heigel in der Kirche zu Lüssen (Lusina) / Renowacja fresków śląskiego malarza barokowego Franza Heigla w kościele w Lusinie (Lüssen). Festakt aus Anlass der Weihe der Fresken am 20. Mai Marburg & Wetter: Druckerei Schröder für die Forschungsstelle für Personalschriften Seiten mit 13 photographischen Farbabbildungen auf Tafeln. Die zweisprachige Publikation vereinigt nicht nur die Ansprachen, die anlässlich des Festaktes gehalten wurden, sondern auch das umfangreiche Bildprogramm der Fresken. Kontakt: Professor Dr. Dr. h.c. Rudolf Lenz Philipps-Universität Marburg / Universität Breslau Bunsenstrasse 3 D Marburg Telefon: (0) (0) lenz@staff.uni-marburg.de 3

4 Die Gottesmutter als Freudenquelle aller Gläubigen 4

5 Die Gottesmutter als Königin der Engel 5

6 Die Gottesmutter als Bezwingerin der Häresie 6

7 Die Gottesmutter als Retterin in der Not 7