Bildungsplan 2004 Allgemein bildendes Gymnasium
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- Jesko Bösch
- vor 8 Jahren
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1 Bildungsplan 2004 Allgemein bildendes Gymnasium Niveaukonkretisierung für Deutsch Klasse 10 Landesinstitut für Schulentwicklung Eine Rede analysieren Qualitätsentwicklung und Evaluation Schulentwicklung und empirische Bildungsforschung Bildungspläne November 2009
2 Vorbemerkungen Bei der Untersuchung einer Rede werden Kompetenzen verlangt, die vertieftes Wissen von Redestrategien und Techniken sowie die Fähigkeit zur funktionalen Interpretation stilistisch-rhetorischer Mittel voraussetzen. Insofern kennzeichnet diese Aufgabe den Übergang zur Kursstufe. Da den Schülerinnen und Schülern in ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Situationen Reden begegnen, insbesondere in der Politik, sollten sie befähigt werden, die Macht der Worte zu erkennen, Kritikfähigkeit auszubilden und sich dadurch generell gegen Beeinflussung besser zu schützen. So werden sie in ihrer Fähigkeit, Aussagen aller Art zu bewerten, gefördert und können sich besser ein eigenes Urteil bilden. Zielvorstellung ist, die Heranwachsenden weniger anfällig für Manipulation zu machen, wenn sie zum Beispiel Mittel der Beeinflussung kennen und durchschauen. Darüber hinaus können diese Kompetenzen zur produktiven Gestaltung eigener Reden führen im privaten Bereich, im Beruf und allgemein im öffentlichen Leben. So wird die Sprach- und Gestaltungskompetenz der Schülerinnen und Schüler durch einen sinnvollen Einsatz von Rhetorik erprobt und erweitert. Der Deutschunterricht leistet damit einen wichtigen Beitrag zur politischen Bildung. (1) Bezug zu den Bildungsstandards Leitgedanken zum Kompetenzerwerb Sprach-, Text- und Medienkompetenz setzen ein hohes Maß an sprachlichem Bewusstsein voraus. Dieses wird vor allem durch die Reflexion über eigenen und fremden Sprachgebrauch [ ] gebildet. Kompetenzen und Inhalte Die Schülerinnen und Schüler können - folgende Schreibform verwenden: Textanalyse (einschließlich Stellungnahme); - Grundbegriffe der Textbeschreibung (auch stilistische und rhetorische Mittel) verwenden; - wesentliche sprachliche und formale Darstellungsmittel auf ihre Funktion hin untersuchen. (2) Problemstellung Eine Rede untersuchen und dabei die Intention des Redners herausarbeiten Niveaukonkretisierung für Deutsch Eine Rede analysieren 2
3 Pfarrer Stadelmann: Rede bei der Verabschiedung des III. Bataillons des Infanterieregiments Nr. 121 (1914) Behüt dich Gott, drittes Bataillon, Regiment Alt-Württemberg! Wir haben euch gerne gehabt, und mit bitterer Wehmut lassen wir euch hinausziehen in den Kampf. Aber wir wollen nicht weich werden in dieser Stunde, wir brauchen die letzte körperliche und geistige Kraft, um zu siegen. Zu treu, zu tüchtig, zu groß sind wir unsern Nachbarn geworden. Erst haben sie es uns geneidet, dass wir etwas vermochten und galten in der Welt, nun sind aus den Neidern erbitterte Feinde geworden. Mit den verwerflichsten Mitteln, unerhört in der Weltgeschichte, wollen sie uns vernichten. Es war schon einmal - vor anderthalb Jahrhunderten. Da rang das kleine Preußen um Ansehen und Geltung neben den andern; sie wollten es nicht haben, die andern. Die furchtbare Übermacht schien den Staat Friedrichs zu zerbrechen. In der höchsten Not zeigte sich seine volle Größe. Er verzagte nicht - und gewann. Neben seiner Feldherrnbegabung, nebst der Tüchtigkeit seiner Generale verdankte der Preußenkönig den Sieg dem Geist des Volkes und des Heeres. Tapfer waren seine Soldaten, hielten aus bis zum Letzten - sie konnten's, denn sie waren fromm (im Gegensatz zu ihrem gerühmten König!). Mit Chorälen ziehen die Regimenter in den Kampf, und nach dem Sieg von Leuthen klingt's über das Schlachtfeld: "Nun danket alle Gott". Keiner in unserm deutschen Volk hat geglaubt, dass in Nord und Süd, in Ost und West das deutsche Volk aufstehe wie ein Mann, eins im Vertrauen zu Kaiser und Regierung, eins in dem festen Entschluss, alles einzusetzen, eins im Bewusstsein, dass wir zusammengehören als Kinder einer Heimat, eins auch - wer hätte es geglaubt? - in der Demut vor Gott und im Vertrauen auf seine Hilfe. Das nehmt mit hinaus in Feld und Schlacht, in Müh und Not - ein mächtig Gottvertrauen. Der Herr ist mit euch, und sein Auge ruht auf einem jeglichen Mann. Tapfer macht dieser Glaube und treu. Ihr dürft in vorderster Front fechten, als hohe Ehre und heilige Pflicht empfindet es jeder. Die Fahne, der ihr Treue geschworen, geleitet euch; ihr werdet sie heimtragen mit neuen Ehren. Das ist euer Gelöbnis in dieser Stunde, das sich jeder gibt aus tiefster Seele: Ich stehe treu zur Truppe, fest zur Fahne, zu Führer und Kamerad. Gott hört den Eidschwur, er segne euch, dass ihr ihn haltet in schweren Stunden. Und wir, die wir daheim bleiben dürfen - nein, nein, nicht dürfen, sondern müssen, müssen - so fühlen es Tausende -, wir stehen hinter euch, sorgend, betend. Ihr bleibt die Unsrigen, uns verbunden im Herzen durch Dank und Vertrauen, durch Fürsorge und Gebet. So ist uns nicht bange. In der starken Zuversicht auf Gottes Hilfe gehen wir in diesen Kampf; wir wollen ihn führen auf deutsche Art, ehrlich, tapfer, unerschüttert; wir wollen ihn auch führen als Christen, treu dem Kameraden, menschlich dem Feind. Nun Gott befohlen! Drittes Bataillon, Offizier und Mann. Das Vaterland ist in höchster Not, da stehen wir Mann an Mann. Unser Glaube aber ist: Gott ist mit uns, er ist unser Schutz! Amen. Anmerkungen: 1. Bataillon Teil einer Armee (größere Einheit); 2. Siebenjähriger Krieg ( ) - Krieg zwischen Preußen und Österreich; 3. Friedrich - gemeint ist Friedrich II. (auch der Große genannt); Sieg von Leuthen in dieser Schlacht besiegte Friedrich II. Österreich Zitiert nach H. Schlüter, Grundkurs der Rhetorik, München 1985, 9. Aufl., S. 188 (Text leicht adaptiert an aktuellen Sprachstand) Niveaukonkretisierung für Deutsch Eine Rede analysieren 3
4 (3) Niveaubeschreibung Niveaustufe A In der Einleitung beschreiben die Schüler und Schülerinnen die Redesituation. Sie beschränken sich dabei auf die wörtliche Übernahme von Angaben aus der Überschrift. (z.b. verabschieden ). Die Rolle des Pfarrers, der zu den Soldaten spricht, wird berücksichtigt. Die Schülerinnen und Schüler heben auf das Bemühen des Redners ab, ein Zusammengehörigkeitsgefühl herzustellen. Sie zeigen diesen Aspekt schematisch an einzelnen Signalwörtern ( wir, uns ) auf. Die Schülerinnen und Schüler beschreiben den Aufbau vorwiegend inhaltlich. Dabei werden Argumentationslinien oder Schlüsselbegriffe nicht in ihrer Funktionalität wahrgenommen. Das zentrale Thema (gerechter Krieg Verteidigung des Vaterlandes Stärkung durch Gottvertrauen) wird bei der Darstellung nur implizit deutlich. Sprachliche Gestaltungsmittel (z.b. rhetorische Figuren) Die Schülerinnen und Schüler zeigen einige rhetorische Mittel (z.b. Wortwiederholungen, Anaphern, Alliterationen, rhetorische Fragen) auf, die sie ansatzweise in ihrer Funktion deuten. Die Schülerinnen und Schüler können die Redeabsicht (z.b. Ermutigung, Appell) erkennen und belegen. Der Zusammenhang mit Rednerrolle (Pfarrer) und Redeanlass (Krieg) wird knapp berücksichtigt (z.b. tröstende, ermutigende Absicht). Die Schülerinnen und Schüler bleiben auf der Ebene der Beschreibung: Inhalt der Rede und ihre Rhetorik werden ansatzweise erfasst. Niveaustufe B Die Schülerinnen und Schüler benennen in der Einleitung den Redeanlass und ordnen ihn grob in den historischen Zusammenhang ein (1914: Beginn des 1. Weltkriegs, Bataillon zieht in den Krieg). Sie klären die Redesituation (z.b. Verabschiedung der Soldaten in den Krieg mit dem Segen Gottes). Die Schülerinnen und Schüler erläutern, wie ein Wir-Gefühl in der Rede erzeugt wird. Sie begründen diese Deutung am Text, indem sie neben zentralen Signalwörtern ( wir, uns ) auch wichtige rhetorische Stilfiguren (z.b. Wiederholung von Schlüsselwörtern wie eins, Anapher) als Beleg heranziehen. Die Schülerinnen und Schüler können die einzelnen Abschnitte in ihrer Funktion einordnen und einen Gesamtzusammenhang herstellen. Die Gliederungsabschnitte werden in ihren Teilen inhaltlich dargestellt (z.b. Begrüßung mit Segenswunsch und Begründung für den Krieg / historisches Beispiel als modellhaftes Vorbild / mit Gott einen gerechten Krieg führen / Einigkeit aller / Segen). Die Darstellungsweise orientiert sich am Textverlauf. Sie stellen dar, wie in den jeweiligen Abschnitten der Rede das zentrale Thema angesprochen wird. Die einzelnen Aspekte des Themas werden für sich abschnitttsweise herausgearbeitet, aber nicht in einen Gesamtzusammenhang eingeordnet (z.b. Zuordnung von gerechter Krieg und Gottes Hilfe). Niveaukonkretisierung für Deutsch Eine Rede analysieren 4
5 Sprachliche Gestaltungsmittel wie rhetorische Figuren Wesentliche rhetorische Mittel sowie die semantischen Felder werden herausgearbeitet und funktional begründet. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten die Absicht des Redners deutlich heraus (Ermutigung zum Kampf, Glaube als Stärkung) und klären den Zusammenhang zwischen Rednerrolle und Redeanlass. Die Redetaktik wird ansatzweise analysiert. Die Schülerinnen und Schüler können die Rede in ihren historischen Kontext grob einordnen und aus heutiger Perspektive betrachten. Niveaustufe C Die Schülerinnen und Schüler beschreiben in der Einleitung die Redesituation, indem sie die Informationen aus der Überschrift historisch präzise einordnen (Verabschiedung des III. Bataillons, Bedeutung der Jahreszahl 1914). Sie kennzeichnen die Beziehung, die zwischen dem Sprecher und den Adressaten aufgebaut wird (Pfarrer spricht als Vertreter Gottes zu den Soldaten als Kinder Gottes). Sie charakterisieren dieses Verhältnis als patriarchalisch. Die Schülerinnen und Schüler können die vielfache Verwendung des Personal- und Possessivpronomens ( wir, uns ) als Strategie des Redners interpretieren, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu erzeugen. Sie arbeiten heraus, dass dieses Wir-Gefühl sich auch auf die Gesellschaft und den religiösen Bereich erstreckt ( Kinder einer Heimat, eins [ ] in der Demut vor Gott ). Die Schülerinnen und Schüler gliedern die Rede aspektorientiert. Sie sind in der Lage, diese Aspekte abstrahierend auf einen Begriff zu bringen (z.b. emotionale Begrüßung Geschichte als Modell das deutsche Volk als stark im Kampf und stark im Glauben an Gott Appell an christliche Werte Segensgruß). Dabei werden die jeweiligen Schlüsselbegriffe (z.b. Volk, Gott, deutsch, tapfer, ehrlich ) herausgearbeitet. Sie setzen sich differenziert mit dem zentralen Thema und seiner Entfaltung innerhalb der Rede auseinander und zeigen, wie von Abschnitt zu Abschnitt das Thema gesteigert wird ( Feind will uns vernichten, das Vaterland ist in Not ). Sprachliche Gestaltungsmittel wie rhetorische Figuren Die vielfältigen rhetorischen Mittel und Figuren werden funktional gedeutet, dabei werden die semantischen Felder einbezogen. Die Schülerinnen und Schüler beurteilen die Redeintention differenziert als patriotische Rede, die sich bewusst einer religiösen Sprache bzw. des Predigtstils bedient (Vgl. Schlussabschnitt). Die Schülerinnen und Schüler können aus ihrer Sicht kritisch Stellung beziehen. Die Einstellung zum Krieg, wie sie in der Rede zum Ausdruck kommt, wird als historisch eingeordnet. ( Krieg als notwendig und gerecht ; Krieg geführt mit Gott, Krieg als unvermeidbar ). Sie gelangen zu einem ethisch begründeten Urteil. Niveaukonkretisierung für Deutsch Eine Rede analysieren 5
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