Zuverlässigkeit mechatronischer Systeme
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- Heike Förstner
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2 Zuverlässigkeit mechatronischer Systeme
3 Bernd Bertsche Peter Göhner Uwe Jensen Wolfgang Schinköthe Hans-Joachim Wunderlich Zuverlässigkeit mechatronischer Systeme Grundlagen und Bewertung in frühen Entwicklungsphasen 123
4 Prof. Dr.-Ing. Bernd Bertsche Institut für Maschinenelemente Universität Stuttgart Pfaffenwaldring Stuttgart bernd.bertsche@ima.uni-stuttgart.de Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Peter Göhner Institut für Automatisierungsund Softwaretechnik Universität Stuttgart Pfaffenwaldring Stuttgart peter.goehner@ias.uni-stuttgart.de Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Schinköthe Institut für Konstruktion und Fertigung in der Feinwerktechnik Universität Stuttgart Pfaffenwaldring Stuttgart schinkoethe@ikff.uni-stuttgart.de Prof. Dr. rer. nat. habil. Hans-Joachim Wunderlich Institut für Technische Informatik Universität Stuttgart Pfaffenwaldring Stuttgart wu@informatik.uni-stuttgart.de Prof. Dr. rer. nat. Uwe Jensen Institut für Angewandte Mathematik und Statistik Universität Hohenheim Schloss Westhof Süd Stuttgart jensen@uni-hohenheim.de ISBN e-isbn DOI / Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. c 2009 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Einbandgestaltung: WMX Design GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier springer.de
5 Vorwort Zuverlässigkeit ist allgegenwärtig. Dies wird deutlich, wenn Produkte aus dem täglichen Leben betrachtet werden. Beispielsweise sollte ein Geschirrspüler aus Sicht des Kunden jederzeit funktionieren. Von einem Fahrzeug wird erwartet, dass es nicht ausfällt, und ein Fernseher sollte immer Bild und Ton liefern. Um die Zufriedenheit der Kunden zu gewährleisten, sollte die Zuverlässigkeit als elementarer Aspekt im Produktentstehungsprozess berücksichtigt werden. Durch die steigende Komplexität heutiger Produkte, durch kürzere Entwicklungszeiten und durch hohen Kostendruck stellt dies aber eine große Herausforderung dar. Bisherige Zuverlässigkeitsoptimierungen erfolgten meist in späten Entwicklungsphasen. Die Systeme sind dann allerdings bereits weitgehend gestaltet und ausgearbeitet, so dass Änderungen mit erheblichem Aufwand an Kosten und Zeit verbunden sind. Da die besten Einflussmöglichkeiten am Beginn des Entwicklungsprozesses vorhanden sind, sollten auch Zuverlässigkeitsbetrachtungen in sehr frühen Entwicklungsphasen durchgeführt werden. Auch beschränkten sich Zuverlässigkeitsuntersuchungen in der Vergangenheit vorwiegend auf Bauteile und Baugruppen. System-Zuverlässigkeiten werden allenfalls für Teilsysteme (Mechanik, Aktorik, Software, Hardware) berechnet und in den einzelnen Fachgebieten getrennt betrachtet. Für Zuverlässigkeitsbetrachtungen mechatronischer Systeme in der Konzeptphase bestand deshalb ein erheblicher Forschungsbedarf. Die Forschergruppe DFG 460 Entwicklung von Konzepten und Methoden zur Ermittlung der Zuverlässigkeit mechatronischer Systeme in frühen Entwicklungsphasen hatte sich zum Ziel gesetzt, diese Problematik zu bearbeiten und entwickelte eine Vorgehensweise zur Zuverlässigkeitsbewertung von mechatronischen Systemen in frühen Entwicklungsphasen. Die im Buch vorgestellten Ergebnisse konnten nur durch die Integration und enge Zusammenarbeit aller am mechatronischen Produkt beteiligten Fachgebiete erzielt werden. Für die Unterstützung der sechsjährigen Forschungstätigkeit danken der Sprecher und die Teilprojektleiter herzlich der deutschen Forschergemeinschaft. v
6 vi Vorwort Zugleich gilt der Dank auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der am Projekt beteiligten Institutionen: Institut für Maschinenelemente (Universität Stuttgart, Prof. Bertsche) Institut für Automatisierungs- und Softwaretechnik (Universität Stuttgart, Prof. Göhner) Institut für Angewandte Mathematik und Statistik (Universität Hohenheim, Prof. Jensen) Institut für Konstruktion und Fertigung in der Feinwerktechnik (Universität Stuttgart, Prof. Schinköthe) Institut für Technische Informatik (Universität Stuttgart, Prof. Wunderlich) Im Einzelnen sind dies: Dipl.-Ing. Jochen Gäng, Dr.-Ing. Dipl.-Kfm. Patrick Jäger (Institut für Maschinenelemente); Dipl.-Ing. Andreas Beck, Dipl.-Ing. Simon Kunz, Dr.-Ing. Mario Rebolledo, Dipl.-Ing. Michael Wedel (Institut für Automatisierungs- und Softwaretechnik); Dipl.-Math. Yan Chu, Dr. rer. nat. Maik Döring, Dr. rer. nat. Axel Gandy, Dipl.-Math. oec. Vanessa Grosch, Dr. rer. nat. Constanze Lütkebohmert-Marhenke, Dr. rer. nat. Kinga Mathe (Institut für Angewandte Mathematik und Statistik); Dipl.-Ing. Michael Beier, Dr.-Ing. Thilo Köder (Institut für Konstruktion und Fertigung in der Feinwerktechnik); M.Sc. Talal Arnaout, Dipl.-Inform. Melanie Elm, Dipl.-Inf. Michael Kochte, Dipl.-Math. Erika Wegscheider (Institut für Technische Informatik). Ein besonderer Dank geht auch an den Koordinator des Buches, Herrn Dipl.- Ing. Jochen Gäng, der neben den inhaltlichen Gestaltungen auch für alle organisatorischen und redaktionellen Fragen zuständig war und damit einen großen Beitrag zur Erstellung des Buches geleistet hat. Stuttgart, im November 2008 Bernd Bertsche Peter Göhner Uwe Jensen Wolfgang Schinköthe Hans-Joachim Wunderlich
7 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung Ziele des Buches Mechatronik und ihre Zuverlässigkeit Literatur Grundlagen für eine Zuverlässigkeitsbewertung mechatronischer Systeme Zuverlässigkeitsanalysen Qualitative Analysen Quantitative Zuverlässigkeitsanalysen VDI 2206 Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme Systementwurf Domänenspezifischer Entwurf Systemintegration Fehler und Ausfälle in mechatronischen Systemen Mechanik Elektronik Software Zuverlässigkeit in den einzelnen Domänen der Mechatronik Mechanik Elektronik Software Forderung einer neuen Betrachtungsweise Gemeinsame Sprache Anforderungen an die Zuverlässigkeitsmodellierung Aufteilungsstrategien Gleichmäßige Aufteilung konstanter Ausfallraten Aufteilung anhand der Systemkomplexität Aufteilung auf Basis ähnlicher Systeme vii
8 viii Inhaltsverzeichnis Aufteilung auf Basis von Ausfallstatistiken Methode nach Karmiol Methode nach Bracha Zusammenfassung der Aufteilungsstrategien Zielvorgaben und Schweregrade Verwenden von Netzstrukturen Künstliche neuronale Netze Bayes sches Netz Vergleich von Neuronalen Netzen und Bayes schen Netzen anhand eines Anwendungsbeispiels Literatur Methodik zur Zuverlässigkeitsbewertung in frühen Entwicklungsphasen Identifikation Topfunktion/Topfehlfunktion Detaillierte Systemdarstellung Qualitative Verhaltensmodelle Qualitative Modellierungssprachen Die Situationsbasierte Qualitative Modellbildung und Analyse (SQMA) Ermittlung kritischer Komponenten Datensammlung Verwendung von Versuchsdaten Nutzung von Netzstrukturen Nutzung von quantitativem Expertenwissen Nutzung von qualitativem Expertenwissen Verwendung von quantitativem und qualitativem Expertenwissen Verwendung von Ausfallratenkatalogen Qualitative und quantitative Analyse Vergleich des Analyseergebnisses mit dem Zuverlässigkeitsziel Fallbeispiel für die Methodik der Zuverlässigkeitsbewertung Identifikation Topfunktion/Topfehlfunktion Detaillierte Systembeschreibung Risikoanalyse Datensammlung und Analyse Wechselwirkungen Beschreibung von Wechselwirkungen Notation der Wechselwirkungen Anwendungsbeispiel Zuverlässigkeitssteigernde Maßnahmen für mechatronische Systeme Zusammenfassung Literatur... 96
9 Inhaltsverzeichnis ix 4 Mathematische Modelle zur quantitativen Analyse der Zuverlässigkeit Lebensdaueranalyse (Survival Analysis) Einführung Das Modell der zufälligen Rechtszensierung Punkt- und Zählprozesse Das Aalen-Modell Das Cox-Modell Das Cox-Modell mit Change-Point Anpassungstests Anwendungen Komplexe Systeme Einführung Copula-Modelle zur Berücksichtigung von Abhängigkeiten Vergleich von Lebensdauerverteilungen Importanzmaße für die Komponenten eines komplexen Systems Berücksichtigung ungenauer Informationen über die Verteilung der Komponentenlebensdauern Fallbeispiel Entwicklung eines JAVA-basierten Software Paketes: SyRBA Literatur Zuverlässigkeitsbetrachtung mechanischer Systemumfänge in frühen Entwicklungsphasen Informationen in frühen Entwicklungsphasen Prinzipskizzen als Informationsträger Zuverlässigkeitsanalysen in frühen Entwicklungsphasen Zuverlässigkeitssteigernde Maßnahmen in der Mechanik Methodisches Konstruieren Erhöhung der Zuverlässigkeit mechanischer Systeme durch Redundanzen Ursachen und Behebungsmöglichkeiten für Ausfälle mechanischer Systeme Werkstoffauswahl Einfluss von unsicheren Daten auf die Zuverlässigkeit Kosten auf Basis unscharfer Daten Kurzkalkulation Sachmerkmalleisten Zuverlässigkeit und Kosten Gesamtkostenmodell nach Selivanov Gesamtkostenmodell nach Churchman
10 x Inhaltsverzeichnis Modell zur Optimierung von Zuverlässigkeit und Lebenslaufkosten Modell zur Ermittlung des kostenoptimalen Redundanzgrades nach Köchel Modell zur Optimierung der Entwicklungskosten Aufwandsminimierungs-Algorithmus Zuverlässigkeitskostenmodell nach Kohoutek Kosten und Zuverlässigkeit als auslegungstheoretischer Zusammenhang Literatur Systemzuverlässigkeit in frühen Entwicklungsphasen am Beispiel feinwerktechnischer mechatronischer Systeme Stand der Technik bei feinwerktechnischen mechatronischen Systemen Zuverlässigkeitsangaben feinwerktechnischer mechatronischer Systeme allgemein Verfügbarkeit konkreter Daten und gesicherter Erkenntnisse Schlussfolgerungen für ein beispielhaftes Vorgehen Auswahl der untersuchten feinwerktechnischen mechatronischen Systeme Bürstenbehaftete Gleichstromkleinmotoren Planetenradgetriebe mit Kunststoffverzahnung Komplette feinwerktechnische Antriebssysteme Versuchseinrichtungen und Prüfstrategie Prüfstände und Prüfprogramme für Motoren und Systeme Prüfstände und Prüfprogramme für Getriebe Ergebnisse der Dauerversuche an Motoren und Komplettsystemen Motoren mit Hohlläufern und Edelmetallbürsten Motoren mit eisenbehaftetem Läufer und Edelmetallbürsten Eisenbehaftete Motoren mit Kupfer-Graphit-Kommutierung EC-Motoren Komplette Antriebssysteme Ermittlung der Verteilungsfunktionen Ergebnisse der Dauerversuche an Getrieben Ausfallursachen Planetenradverschleiß in den einzelnen Getriebestufen Einfluss der Belastung bei gleichen Getrieben
11 Inhaltsverzeichnis xi Vergleich unterschiedlicher Getriebebauformen bei gleicher Leistung Ermittelte Verteilungsfunktionen Vergleich experimenteller und theoretischer Daten Vergleich theoretischer und experimenteller Daten eines DC-Motors Vergleich theoretischer und experimenteller Daten eines Planetenradgetriebes Vergleich theoretischer und experimenteller Daten eines kompletten Antriebssystems Schlussfolgerungen für frühe Entwicklungsphasen Statistische Auswertung des Ausfallverhaltens und Nutzung für frühe Phasen Erkenntnisse für die Komponentenund Systementwicklung am Beispiel der Motoren Zusammenfassung Literatur Zuverlässigkeit der Software in mechatronischen Systemen Einführung Ziele, Herausforderungen und Ansätze der frühzeitigen Analyse der Softwarezuverlässigkeit Gliederung dieses Kapitels Übersicht über die Methoden zur frühzeitigen Bewertung der Softwarezuverlässigkeit Qualitative Zuverlässigkeitsanalyse Quantitative Zuverlässigkeitsanalyse Von der Idee zu den Zuverlässigkeitsanforderungen Ermittlung der geforderten Funktionen Formulierung der Anforderungen als Anwendungsfälle Hilfsmittel zur Ermittlung der Anforderungen Funktionale Modellierung mit dem Ziel der Zuverlässigkeitsanalyse Funktionale Beschreibung programmierbarer mechatronischer Systeme Situationsbasierte Qualitative Modellbildung und Analyse Erweiterungen der Methode SQMA Integrierte SQMA-Entwicklungsund Visualisierungsumgebung Rechnergestützte Analyse funktionaler Modelle Überprüfung der Anorderungen am Modell Analyse von Wechselwirkungen und das Erkennen von Fehlerzusammenhängen
12 xii Inhaltsverzeichnis Analyse des Auftretens und der Ursache von Fehlerauswirkungen Muster für zuverlässigere mechatronische Systeme Definitionen und Begriffe Musterschablone für zuverlässigkeitssteigernde Maßnahmen in frühen Entwicklungsphasen Fehlertoleranzmuster für programmierbare Systeme Unterstützung bei der Auswahl von Mustern Von empirischen Daten zurück in frühe Entwicklungsphasen Sammlung empirischer Daten Analyse der gesammelten Daten IAS-Truck: Demonstrator eines programmierbaren mechatronischen Systems Beschreibung des Demonstrators Beispielhafte qualitative Modellbildung und Analyse Literatur Bewertung und Verbesserung der Zuverlässigkeit von mikroelektronischen Komponenten in mechatronischen Systemen Zuverlässigkeit in der Mikroelektronik Einordnung Ausfallverhalten und Fehlerklassifikation Entwurfsmethodik Standardarchitekturen Zuverlässigkeitsbegriff Quantifizierung der Zuverlässigkeit von mikroelektronischen Systemen Empirische Zuverlässigkeitsbewertung Zuverlässigkeitsbewertungen auf verschiedenen Abstraktionsebenen Zuverlässigkeitsbewertung von FPGA-Entwürfen Zuverlässigkeitssteigernde Maßnahmen in der Mikroelektronik und ihre Bewertung Fehlertoleranzmaßnahmen Kosten zuverlässigkeitssteigernder Maßnahmen Zuverlässiger Entwurf in der Informationsverarbeitung Modellierung der Systemzuverlässigkeit in der Informationsverarbeitung Zuverlässigkeitssteigerung von Hardware-/Softwaresystemen Zusammenfassung Literatur
13 Kapitel 1 Einleitung Bernd Bertsche unter Mitarbeit von Jochen Gäng In der Standortdebatte wird als Argument für den Wirtschaftsstandort Deutschland vor allem die hohe Qualität der hier entwickelten und erzeugten Produkte angeführt. Ein wesentlicher Aspekt der Qualität eines Produktes stellt dessen Funktionsfähigkeit dessen Zuverlässigkeit dar. Die Zuverlässigkeit eines Produktes beeinflusst somit wesentlich die Kaufentscheidungen der Nutzer, da diese neben hoher Funktionalität bei geringen Kosten vor allem eine hohe Zuverlässigkeit der Produkte erwarten. Allerdings ist in den letzten Jahren eine deutlich sinkende Zuverlässigkeit festzustellen. Nahezu jeder Kunde ist mit Unzuverlässigkeiten konfrontiert. Aufgrund der Zunahme von mechatronischen Systemen und dadurch folgend steigende Funktionalitäten, Komplexitäten sowie neueren innovativen Technologien bedarf es einer sorgfältigen Untersuchung, Fortentwicklung und innerbetrieblichen Integration der Datenbasis und ganzheitlicher, domänenübergreifender Methoden, die die Produktzuverlässigkeit sicherstellen und damit die hohe Nutzerzufriedenheit gewährleisten. Fehler in der Gestaltung von Produkten und Prozessen können sich unter Umständen gravierend auf die Zuverlässigkeit eines technischen Systems auswirken. Allgemein ist festzustellen, dass durch den steigenden Einsatz von mechatronischen Systeme das Entwicklungsdreieck aus Kosten, Zeit und Qualität gegenwärtig in eine Schieflage gerät: Die Kosten werden gesenkt, die Entwicklungszeiten verkürzt, die Qualität wird als Folge dieser Maßnahmen zunehmend schlechter. Hier setzen die in diesem Buch vorgestellten Zuverlässigkeitsansätze von mechatronischen Systemen an. Die frühen Entwicklungsphasen stellen hierbei den Kernpunkt dar. Die Möglichkeit, das oben genannte Entwicklungsdreieck zu beeinflussen, ist in dieser Phase am größten. Durch geeignete Entwicklungsprozesse und -werkzeuge können einerseits die Kosten durch die dann überflüssigen Iterationen gesenkt werden, andererseits die Qualität bzw. die Zuverlässigkeit gesteigert werden. B. Bertsche et al., Zuverlässigkeit mechatronischer Systeme, Springer
14 2 1 Einleitung 1.1 Ziele des Buches Das angestrebte Ziel des Buches ist die Entwicklung von Methoden zur Bestimmung der Zuverlässigkeit mechatronischer Systeme in frühen Entwicklungsphasen. Hierbei untergliedern sich folgende Einzelziele: Integration aller am Produkt beteiligten Fachgebiete (System-Zuverlässigkeit) Entwicklung von Zuverlässigkeitsstrukturen in frühen Entwicklungsphasen Betrachtung von Wechselwirkungen Betrachtung von zuverlässigkeitssteigernden Maßnahmen mechatronischer Systeme Umgang mit unsicheren Daten Kostenbetrachtung Entwicklung stochastischer Modelle komplexer Systeme Statistische Datenauswertung Dauerlaufprüfstände feinwerktechnischer Antriebe Qualitative und quantitative Bewertung der Software-Zuverlässigkeit Erstellung einer Datenbasis für Software-Fehler Zuverlässigkeitskenngrößenbestimmung, Zuverlässigkeitsbewertung und Zuverlässigkeitsschätzung in der Elektronik. 1.2 Mechatronik und ihre Zuverlässigkeit Unter Mechatronik wird ein interdisziplinäres Gebiet der Ingenieurwissenschaft verstanden. Anhand des Kunstwortes kann bereits gefolgert werden, dass hierbei mechanische und elektronische Komponenten miteinander verknüpft werden. Neben diesen zwei klassischen Ingenieursdisziplinen spielt zudem die Informationstechnik mittlerweile eine große Rolle. Der Begriff Mechatronik entstand bereits im Jahr Geprägt wurde dieser Begriff durch die japanische Firma Yaskawa Electronic Cooperation und hat seinen Ursprung in der Feinmechanik. Die ersten unter diesem Namen geführten Produkte waren lediglich mechanische Systeme, welche durch elektronische Komponenten ergänzt wurden, um neuen Funktionen und Anforderungen gerecht zu werden. Heute umfasst der Begriff Mechatronik wesentlich mehr, ohne dass sich jedoch eine einheitliche Definition herausgebildet hat. Eine recht allgemeine und zumindest in Deutschland verbreitete Begriffsbestimmung findet sich im Kraftfahrtechnischen Taschenbuch [1.4]: Mechatronik ist eine Ingenieurwissenschaft, die die Funktionalität eines technischen Systems durch eine enge Verknüpfung mechanischer, elektronischer und datenverarbeitender Komponenten erzielt. Der Brockhaus [1.2] definiert den Begriff folgendermaßen: Interdisziplinäres Gebiet der Ingenieurwissenschaften, das auf Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik aufbaut. Im Vordergrund steht die Ergänzung und Erweiterung mecha-
15 1.2 Mechatronik und ihre Zuverlässigkeit 3 nischer Systeme durch Sensoren und Mikrorechner zur Realisierung teilintelligenter Produkte und Systeme. Wie bereits in der obigen Ausführung zu sehen ist, werden für die Einzeldisziplinen unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet. In der Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme, der VDI 2206 [1.5], sind die folgenden beteiligten Disziplinen zu finden: Maschinenbau Elektrotechnik Informationstechnik Um eine einheitliche Nomenklatur zu verwenden, werden in dem vorliegenden Buch für die mechatronischen Domänen die Begrifflichkeiten Mechanik, Elektronik und Software verwendet. Hierbei ist zu erwähnen, dass der in diesem Buch thematisierte Bereich Elektromechanik der Mechanik zugeordnet wird. Die Abb. 1.1 symbolisiert hierbei das Zusammenspiel der verschiedenen Domänen der Mechatronik. Abb. 1.1 Zusammenspiel der verschiedenen Domänen Software Mechatronik Mechanik Elektronik Der Durchbruch im Automobilbau gelang der Mechatronik mit der Einführung der ersten Generation elektronischer Antiblockiersysteme im Jahre Aufgrund des großen Potentials mechatronischer Systeme wurden seitdem immer mehr Teilsysteme durch mechatronische Lösungen ersetzt und somit in der Funktionalität und Leistungsfähigkeit verbessert. Einige der wichtigsten Entwicklungen im Automobilbereich finden sich in nachfolgender Tabelle 1.1 wieder. Das Hauptziel der Mechatronik ist es, den immer größeren Anforderungen der Kunden gerecht zu werden. Dies wird durch ein enges Zusammenwirken und Ineinandergreifen der Domänen Mechanik, Elektronik und Software Produkte realisiert. Durch die Mechatronik ist es möglich, technische Produkte zu entwerfen, die mit bisherigen Lösungen durch eine einzige Ingenieurdisziplin nicht möglich sind. Wie in Tabelle 1.1 zu sehen ist, bietet die Mechatronik große Erfolgspotentiale, stellt zugleich aber nach [1.5] besondere Anforderungen an den
Zuverlässigkeit mechatronischer Systeme
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