Religion und Schule. Hinweise zum Umgang mit verschiedenen religiösen Wertvorstellungen in der Schule
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- Birgit Schwarz
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1 Religion und Schule Hinweise zum Umgang mit verschiedenen religiösen Wertvorstellungen in der Schule Dispensation Umgang mit verschiedenen Religionen im Unterricht Tragen von religiösen Symbolen Feiertage in verschiedenen Religionen
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3 Einleitung Die öffentliche Schule wird von Kindern und Jugendlichen aus allen gesellschaftlichen Schichten und Gruppen besucht. Das bedeutet, dass sich in der Volksschule auch Kinder aus Familien mit den unterschiedlichsten Wertvorstellungen und aus verschiedenen Religionsgemeinschaften begegnen. Die Unterschiedlichkeit der kulturellen Hintergründe der Schülerinnen und Schüler hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen, und die Volksschule leistet einen grossen Beitrag zur Förderung des sozialen Zusammenhalts. Das Zusammenleben und -arbeiten geschieht nicht immer konfliktfrei und führt immer wieder zu Fragen, wieweit unterschiedliche Vorstellungen des Umgangs mit religiösen Traditionen zu berücksichtigen sind. Die Schule steht dabei im Spannungsfeld, die Glaubens- und Gewissensfreiheit zu respektieren und gleichzeitig dem staatlichen Bildungsauftrag nachzukommen. Gemäss Thurgauer Volksschulgesetz erzieht die Schule nach christlichen Grundsätzen und zu demokratischen Werten. Dazu gehören im Wesentlichen die Pflege von Nächstenliebe, Gerechtigkeit und Menschenwürde, aber auch das Einüben von Solidarität, Toleranz und Respekt gegenüber andern Werthaltungen und gegenüber Minderheiten. Diese Broschüre zeigt den rechtlichen und pädagogischen Rahmen auf, in dem allfällige Fragen im Zusammenhang mit dem Spannungsfeld Schule und Religion geklärt werden können. Walter Berger, Chef Amt für Volksschule 3
4 Dispensation an religiösen Feiertagen Grundsatz Schülerinnen und Schüler sind für die wichtigsten Feiertage der Religionsgemeinschaft, der sie angehören, auf Verlangen der Erziehungsberechtigten zu dispensieren. Eine Dispensation wird nicht generell gewährt, sondern ist jeweils für die Zeit der wichtigsten Feierlichkeiten zu erteilen. Der Schulstoff muss vor- oder nachgearbeitet werden. Bei Aufnahmeprüfungen (Sekundarschule, Mittelschulen) ist keine Dispensation möglich. Die Schulen nehmen bei der Ansetzung der Termine Rücksicht auf die Feiertage der grösseren Religionsgemeinschaften. Erläuterungen Das Bundesgericht kam in verschiedenen Urteilen zum Schluss, dass im Spannungsfeld zwischen dem Anspruch der Bundesverfassung auf freie Religionsausübung 1 und der Vorgabe des obligatorischen Volksschulunterrichts in diesem Falle die Glaubensfreiheit höher zu bewerten sei. Die Absenzen an einigen wenigen Tagen im Jahr gefährde den Auftrag und die Zielerreichung der Schule nicht. Abweichend von den Daten der schweizerischen gesetzlichen Feiertage sind die der russisch- und serbisch orthodoxen Christen und die der Muslime 2. 1 Art. 15 Bundesverfassung: Glaubens- und Gewissensfreiheit 1 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. 2 Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. 2 Wichtige Feiertage siehe Seite 9 4
5 Dispensation von einzelnen Unterrichtsfächern Von Eltern, welche traditionelle islamische Werte vertreten, wird gelegentlich gewünscht, dass ihre Töchter nicht am Schwimm- oder auch am Sportunterricht teilnehmen. Eltern unterschiedlicher Glaubensrichtung möchten ihre Kinder manchmal von einzelnen Unterrichtsinhalten zu Religion und Kultur dispensieren lassen. Grundsatz Der Wunsch nach einer angemessenen Bekleidung und der Bewahrung der Intimsphäre von Schülerinnen beim Schwimmen und Turnen ist zu berücksichtigen. Ein Recht auf Dispensation gibt es nicht. Auch für die Teilnahme an den Unterrichtssequenzen zu «Religion und Kultur» gibt es keine Dispensationsmöglichkeit. Erläuterungen Das Bundesgericht kommt in einem Urteil vom zum Schluss, dass eine Dispensation vom obligatorischen Schwimmunterricht aus religiösen Gründen den Bestrebungen zur Integration zuwiderlaufen würden. Ein Recht auf Dispensation gibt es deshalb nicht. Wird von Eltern dennoch der Wunsch für eine Dispensation ihres Kindes vorgebracht, ist mit diesen das Gespräch zu suchen und ihnen aufzuzeigen, dass auch im Schwimmunterricht Bedingungen geschaffen werden können, welche die Einhaltung ihrer religiösen Wertvorstellungen gewährleisten. Es soll diesen die Möglichkeit eingeräumt werden, sich alleine umzuziehen und zu duschen und einen Ganzkörperanzug zu tragen. Eine Dispensation von anderen Fächern zum Beispiel wenn Unterrichtsinhalte aus dem Themenbereich «Religion und Kultur» behandelt werden ist ebenso nicht möglich, da es dabei nicht um Glaubensvermittlung, sondern um die Vermittlung von Allgemeinwissen zu Themen von Religion und Kultur geht. 3 Bundesgerichtsentscheide siehe 5
6 Dispensation für bestimmte schulische Anlässe Grundsatz Eine Dispensation von der Teilnahme an Schulveranstaltungen, wie Schulreisen und Schullagern, aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen ist nicht möglich. Erläuterungen Wird von Eltern oder von Schülerinnen der Wunsch für eine Dispensation für eine Schulreise oder ein Schullager gewünscht, ist mit den Eltern das Gespräch zu suchen. Es ist ihnen aufzuzeigen, dass Schulreisen oder Schullager an sich keine religiösen Regeln verletzen und dass deshalb ohne Beeinträchtigung der Glaubens- und Gewissensfreiheit daran teilgenommen werden kann. Bei Anlässen mit Essenszubereitung durch die Schule oder bei Schullagern mit Übernachtung sind jedoch die Punkte zu beachten, bei welchen religiöse Regeln verletzt werden könnten. Dies betrifft insbesondere die religiös begründeten Essensvorschriften jüdischer oder islamischer Religionsangehöriger. Bei Schullagern sollte für eine strikte Trennung der Mädchen- und der Knabenschlafräume gesorgt werden und immer eine weibliche Begleitperson dabei sein. 6
7 Umgang mit verschiedenen Religionen im Unterricht Gemäss Thurgauer Volksschulgesetz vom 29. August 2007 erzieht die Volksschule in Ergänzung des Erziehungsauftrages der Eltern die Kinder nach christlichen Grundsätzen, demokratischen Werten und zu Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Mitmenschen ( 2). Grundsatz Die Pflege christlicher Traditionen hat in der Volksschule ihren selbstverständlichen Platz. Durch das Einnehmen einer offenen, toleranten Grundhaltung soll verhindert werden, dass Schülerinnen und Schüler anderer Religionszugehörigkeit in ihren Gefühlen verletzt werden. Erläuterungen Die Schweiz ist ein Land mit christlicher Tradition. Diese kommt zum Beispiel im Zusammenhang mit den christlichen Feiertagen zum Ausdruck. Rituale zu Ostern, Advent oder Weihnachten haben auch in der Schule ihren Platz. Die «Erziehung nach christlichen Grundsätzen» (Volksschulgesetz) beinhaltet im Rahmen der schweizerischen Demokratie jedoch auch die Erziehung zur Toleranz. Den Lehrpersonen muss deshalb immer bewusst sein, dass ihre persönliche religiöse Überzeugung nicht von allen Schülerinnen und Schülern geteilt werden muss. Kinder dürfen zum Beispiel nicht zu rituellen Handlungen gezwungen werden. Von Angehörigen jeder Glaubensauffassung muss andererseits erwartet werden, dass sie beim Schulbesuch ihrer Kinder und Jugendlichen die Offenheit und Pluralität der Volksschule, basierend auf den Grundsätzen christlicher Ethik, akzeptieren. 7
8 Tragen von auffälligen religiösen Symbolen Die Frage, in welcher Form Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrpersonen in der Schule religiöse Symbole tragen dürfen, entzündet sich meist am Kopftuch für Mädchen und Frauen muslimischer Glaubensauffassung. Grundsatz Ein von einer Schülerin getragenes Kopftuch stört den Unterricht nicht. Es gibt deshalb keinen Grund, dieses zu verbieten. Einer Lehrperson kann das Tragen auffälliger religiöser Symbole untersagt werden. Erläuterungen Das Bundesgericht kam in einem Urteil 1993 zum Schluss, dass im Spannungsfeld zwischen dem Anspruch der Bundesverfassung auf freie Religionsausübung und den Vorgaben des Volksschulunterrichts in diesem Falle die Glaubensfreiheit höher zu bewerten sei. Das Tragen eines Kopftuches behindere die Zielerreichung der Schule nicht. Eine Schülerin oder deren Eltern müssen jedoch glaubhaft machen, dass das Tragen des Kopftuches aus religiösen Motiven geschieht. Die Respektierung der aus der Heimat mitgebrachten kulturellen Gepflogenheiten geniesst nicht den gleichen Schutz wie die Religionsfreiheit. Im Einzelnen ist diese Unterscheidung jedoch manchmal schwierig. Um insbesondere die Schülerin nicht in eine schwierige Konfliktsituation zwischen den Normenvorstellungen der Eltern und denen der Schule zu bringen, sind diesbezüglich Konfrontationen möglichst zu vermeiden. Im Unterschied zur Kopftuchfrage bei Schülerinnen kam das Bundesgericht zum Schluss, dass Lehrpersonen der öffentlichen Schule das Tragen eines Kopftuches nach islamischer Tradition nicht gestattet ist. 8
9 Feiertage in verschiedenen Religionen und ihre Bedeutung Evangelisch-reformierte und Katholische Kirche Weihnacht Das Weihnachtsfest umfasst den Vorabend der Geburt von Christus (Heiligabend, 24. Dezember) und das Fest der Geburt am 25. Dezember Ostern Karfreitag: Todestag von Jesus Christus, Ostersonntag: Auferstehung Auffahrt Himmelfahrt von Jesus Christus (40 Tage nach Ostern) Pfingsten Aussendung des Heiligen Geistes (50 Tage nach Ostern) Griechisch- und Serbisch-orthodoxe Kirche Weihnacht Das Weihnachtsfest hat die gleiche Bedeutung wie in der Katholischen und Reformierten Kirche Ostern Das Osterfest, der höchste Feiertag in der Orthodoxen Kirche Daten der Festtage der Orthodoxen Kirchen siehe Islam Opferfest Feier zur Pilgerfahrt nach Mekka Fastenbrechen Zuckerfest, auch Ramadanfest, beschliesst die Fastenzeit nach dem Ramadan (Fastenmonat) Die Daten der Islamischen Feiertage ändern sich jährlich (Daten siehe z. B. oder Judentum Pessach Frühlingsfest, erinnert an den Auszug aus Ägypten Rosch ha-schana Neujahrsfest (September oder anfangs Oktober) Jom Kippur Versöhnungstag, wichtigster jährlicher Festtag im Judentum (September/Oktober) Sukkot Laubhüttenfest. Erntefest und Erinnerung an die Wüstenwanderung Chanukka Lichterfest. Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem Weitere jüdische Festtage und Erläuterungen dazu wie die jährlich wechselnden Daten siehe z. B. oder 9
10 Weitere Informationen und Materialien > Handbuch für die Schulbehörden > Themen / Dokumente > Schule und Religion (u. a. Kalender der Feiertage in verschiedenen Religionen) Beratung Den Lehrpersonen, Schulleitungen und Schulbehörden steht für Fragen zum Fachbereich Biblische Geschichte, Religion und Kultur und für die Beratung bei Konflikten im schulischen Umfeld mit religiösem oder kulturellem Hintergrund ein Beratungsangebot der PHTG zur Verfügung. Ansprechperson: Judith Borer, PHTG, Nationalstr. 19, 8280 Kreuzlingen, judith.borer@phtg.ch, Tel Amt für Volksschule Spannerstrasse Frauenfeld Oktober
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