Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) bei Erkältungskrankheiten Alternative oder 1. Wahl?

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1 Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) bei Erkältungskrankheiten Alternative oder 1. Wahl? Erlangen - Botanischer Garten 23. September 2011 Dr. Johannes Gottfried Mayer Universität Würzburg Forschergruppe Klostermedizin GmbH

2 Phytotherapie Pflanzenheilkunde Versuch einer Standortbestimmung Bitte etwas Pflanzliches! Über 70% der Deutschen würden pflanzliche/natürliche Arzneimittel bei leichteren Erkrankungen bevorzugen. So diverse Umfragen aus den letzten 10 Jahren Was bekommen die meisten?

3 Phytotherapie Pflanzenheilkunde Versuch einer Standortbestimmung Weiße Kügelchen - Globuli Warum? Viele Hausärzte haben den Zusatz: Homöopathie Nur relativ wenige Ärzte und Heilpraktiker kennen die Pflanzenheilkunde wirklich gut

4 Phytotherapie Pflanzenheilkunde Versuch einer Standortbestimmung Sind homöopathische Mittel pflanzlich? Sehr oft nicht! Und wenn, dann nur in Spuren Ein Problem?

5 Phytotherapie Pflanzenheilkunde Versuch einer Standortbestimmung Beispiel: Bitterstoffe Wichtige Wirkstoffgruppe der Arzneipflanzen Blutwurz Wirken nur, wenn ihr Geschmack von den Geschmacksnerven wahrgenommen wird. Der Geschmack löst reflektorisch bestimmte Reaktionen im Organismus aus Fehlt der Geschmack gibt es keine Reaktion!

6 Phytotherapie Pflanzenheilkunde Versuch einer Standortbestimmung Auch bei Gerbstoffen, Saponinen Schleimstoffen usw. kommt es auf eine gewisse Menge der Wirkstoffen an. Die moderne Phytotherapie versucht die Dosierung zu bestimmen. Schlüsselblume

7 Phytotherapie Pflanzenheilkunde Versuch einer Standortbestimmung Wo steht die Phytotherapie? Alternativmedizin? Komplementärmedizin? Naturheilkunde? Oder gehört sie sogar zur Schulmedizin?

8 Phytotherapie Pflanzenheilkunde Versuch einer Standortbestimmung Die moderne Phytotherapie glaubt, dass sie völlig kompatibel zur Schulmedizin ist wird aber dort häufig nicht anerkannt. Kritikpunkt: mit anderen Stoffen verunreinigtes Medikament (im Gegensatz zu synthetischen Mitteln). Aber: Ein Arzneipflanze ist mehr, als ein verunreinigtes Medikament (Prof. Franz-Christian Czygan)

9 Phytotherapie Pflanzenheilkunde Versuch einer Standortbestimmung Tatsächlich: Arzneipflanzen sind immer Vielstoffgemische Vorteil: Gute Verträglichkeit und breite Wirkung Phytotherapie sollte nicht zur Alternativmedizin gerechnet werden Bei vielen Beschwerden und Erkrankungen kann sie als 1. Wahl gelten. z. B. bei leichten Schlafstörungen, Erkältungen Magen-Darm-Beschwerden, Leberschwäche Beschwerden der Harnwege, Hauterkrankungen

10 Phytotherapie Pflanzenheilkunde Versuch einer Standortbestimmung Zitat eine Mönchs im frühen Mittelalter: Gott hat die Arznei erschaffen und eine kluger Mensch wird sie auch nutzen (Jesus Sirach) Warum können wir Pflanzenorgane wie Blüten, Früchte, Samen, Blätter, Wurzeln als Arzneimittel nutzen? Sekundäre Inhaltsstoffe: u. a. zur Abwehr gegen Feinde gebildet: Insekten, Pilze, Bakterien, Viren und andere Pflanzen. Dazu gehören: Ätherisches Öl, Gerbstoffe, Bitterstoffe, Saponine, Schleimstoffe, Alkaloide, Polyphenole (Flavonoide = Farbstoffe)

11 Erkältungen werden meist durch Viren hervorgerufen: Besonders in der kalten Jahreszeit: - Bei Kälte (kalte Füße u. Hände) ist Durchblutung in Nase, Rachen u. Hals eingeschränkt => Immunabwehr ist geschwächt; - Viren lieben Temperaturen unter 37 Grad (deshalb Fieber als Abwehr) - Geheizte Räume => trockene Schleimhäute => Angriffspunkt für Viren - Ansteckung: Man trifft häufiger auf infizierte Menschen

12 Vorbeugung: - Bewegung in frischer Luft - Luftfeuchtigkeit in den Räumen (Lüften) - Geeignete Kleidung, vor allem an den Füßen - Ausreichend Trinken (befeuchten der Schleimhäute): - Pflanzliche Tees: Eibischwurzel, Süßholz, Thymian - Eibischwurzel: Schleimstoffe (Polysaccharide) - Süßholz: Saponine: Glycyrrhizinsäure: entzündungshemmend, schützt Schleimhäute - Thymian: ätherisches Öl, stark keimhemmend auch antiviral - Kräuterbonbons: halten Schleimhäute feucht

13 Erkältungsbeginn: gesteigerte Sekretion, Niesreiz, Halsschmerzen, Abgeschlagenheit Viren überwinden Schleimhautbarriere => Entzündungsreaktion, gesteigerte Durchblutung, gesteigerte Sekretion, angeschwollene Nasenschleimhaut (evtl. auch Zugang zu Nebenhöhlen, Ohren), normales Sekret durch entzündliches Sekret ersetzt

14 Schnupfen 1. trockenes Vorstadium: Frösteln, trockene, auch juckende Schleimhaut 2. katarrhalisches Stadium: viel wässriges Nasensekret, tränende Augen, verstopfte Nase 3. schleimiges Stadium: zähflüssigeres Sekret (evtl. 4. bakterielle Sekundärinfektion: gelbliches Sekret, evtl. auch Beteiligung der Ohren / Nebenhöhlen)

15 Schnupfen Thymian ätherisches Öl, (v.a. Thymol, Carvacrol), Gerbstoffe, Flavonoide stark antimikrobiell, antiviral sekretlösend, expektorierend bronchospasmolytisch Kamille ätherisches Öl, Schleimstoffe, Flavonoide: entzündungshemmend, beruhigend, krampflösend

16 Schnupfen Fichtennadel-, Kiefernadelöl: sekretlösend, entzündungshemmend, antimikrobiell, antiviral

17 Schnupfen Eukalyptusöl (Cineol): entzündungshemmend, antibakteriell, leicht krampflösend sekretomotorisch, schwach durchblutungsfördernd

18 Schnupfen Kampfer: antibakteriell, bronchosekretolytisch, hyperämisierend Minzöl (v.a. Menthol): antibakteriell, sekretolytisch, kühlend

19 Schnupfen Anwendungen: Inhalationen Nasensprays Einreibungen Fuß- / Vollbäder Tees

20 Schnupfen 1. Inhalation: einige Tropfen reines ätherisches Öl bzw. 2 bis 4 EL Droge: 2 Tropfen Thymianöl auf 1 Liter heißes Wasser Dämpfe unter einem Handtuch inhalieren bzw. Inhalationstopf verwenden dann abtrocknen und warmhalten Nicht bei Asthma, Keuchhusten, Kleinkindern

21 Schnupfen 1. Inhalation: kombinierte Rezeptur: 1 EL Kamillenblüten 1 EL Salbeiblätter (oder auch Thymian) 5 Tropfen Eukalyptusöl auf 1 l heißes Wasser 10 min. inhalieren

22 Schnupfen Vollbäder mit Zusatz ätherischer Öle / Teeaufgüsse: nur bei stabilem Kreislauf auch: ansteigendes Bad => starke Erwärmung, Aufnahme der Wirkstoffe über die Haut mit gleichzeitiger Inhalation anschließend: im warmen Bett nachruhen genügend trinken

23 Schnupfen wärmendes Senfmehl-Fußbad: hyperämisierend (stark durchblutungsfördernd) Nicht bei Venenleiden in den Beinen und Kindern unter 6 Jahren

24 Schnupfen wärmendes Senfmehl-Fußbad: 2 EL Senfmehl in einer kleinen Wanne / Bidetbecken in 40 C warmes Wasser einrühren etwa 10 bis 15 min. lang die Füße darin baden oder: ansteigendes Fußbad dann Füße mit warmem Wasser abwaschen und abtrocknen

25 Schnupfen Tees bei Schnupfen: Mindestens 2 Liter trinken, neben Wasser Kräutertees: Pfefferminztee Kamillenblütentee Thymiantee Weidenrindentee

26 Schnupfen Bei Schnupfen werden zur Verbesserung der Atmung auch Sympathomimetika empfohlen (meist in Nasensprays): Verbessern die Atmung, erhöhen aber auch Blutdruck und Herzfrequenz. Nur ganz kurzfristig anwenden. Nasenspray: Kochsalzlösung

27 Nasennebenhöhlen-Entzündung Symptome: angeschwollene Schleimhaut verstopfte Ausführungsgänge Sekretstau Schleimfluss in den Rachen Bakterienbefall => akute Sinusitis Kopfschmerzen (zunehmend bei Druck) beeinträchtigter Geruchs- und Geschmackssinn

28 Nasennebenhöhlen-Entzündung Kombination verschiedener Maßnahmen nötig: Verflüssigung des eingedickten Sekrets Abschwellen der Nasenschleimhaut Hemmung der Entzündung => Kombination verschiedener Heilpflanzen günstig

29 Nasennebenhöhlen-Entzündung Heilpflanzen Pfefferminze: sekretolytisch, kühlend (Stimulierung der nasalen Kälterezeptoren) Kamillenblüten: entzündungshemmend Thymian: stark keimhemmend, sekretolytisch Primelwurzel: sekretolytisch

30 Nasennebenhöhlen-Entzündung Inhalationen: 4 EL Kamillenblüten mit 1 l heißem Wasser 1 bis 2 Tropfen Thymianöl mit 1 l heißem Wasser 1 Tropfen Pfefferminzöl auf Papiertaschentuch

31 Nasennebenhöhlen-Entzündung Primelwurzel-Tee: 0,5 g Schlüsselblumenwurzel (gepulvert) mit ¼ L kaltem Wasser aufkochen, 5 min. ziehen lassen, abseihen, alle 2 Stunden 1 Tasse trinken

32 Nasennebenhöhlen-Entzündung Schlüsselblume: Saponine Schleimlösende (sekretolytische) Wirkung reflektorische Wirkung über Magenschleimhautreizung und dadurch gesteigerte Atemwegsekretion noch verbessert durch starke Süßung und heiße Trinktemperatur neuere Forschungsergebnisse: Besetzung spezieller Rezeptoren im Nervensystem => Viskosität des Schleims erniedrigt (Schleim wird flüssiger)

33 Nasennebenhöhlen-Entzündung wärmende Leinsamenauflage: 5 EL Leinsamen in 2 Tassen Wasser weichkochen, noch heiß in ein Säckchen füllen, so heiß wie möglich auf Nase / Stirn / Wangen legen, mehrmals täglich mit frischem Leinsamen wiederholen => durchblutungsfördernd, Abfluss des Sekrets, Druckschmerzlinderung

34 Nasennebenhöhlen-Entzündung Senfmehl: 1 bis 2 EL Senfmehl direkt vor der Anwendung mit warmem Wasser (nicht heißer als 45 C) zu einem Brei verrühren, mit dem Brei einige Sekunden die Nebenhöhlenregion betupfen => stark durchblutungsfördernd, reflektorische Steigerung der Durchblutung tieferer Gewebeschichten, sekretionsfördernd

35 Hals- Rachenentzündung Ursachen, Symptome Virenbefall des Rachens Entzündung der Rachenschleimhaut => Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Heiserkeit, evtl. auch Kehlkopfentzündung evtl. bakterielle Sekundärinfektion Therapie Bekämpfung der Entzündung Linderung der Schmerzen/Schluckbeschwerden

36 Hals- Rachenentzündung Geeignete pflanzliche Wirkstoffe Gerbstoffe: zusammenziehend Ätherische Öle: keimhemmend Schleimstoffe: reizlindernd

37 Hals- Rachenentzündung Salbeiblätter: - Labiaten-Gerbstoffe: zusammenziehend, keimhemmend - Ätherisches Öl: (Thujon, Cineol, Campher) antimikrobiell, antiviral: schädigt Membranen der Keime

38 Hals- Rachenentzündung Salbeiblätter: Anwendung 2 TL Salbeiblätter mit 1 Tasse kochendem Wasser übergießen, zugedeckt 5 bis 10 Min. ziehen lassen, abseihen, mehrmals täglich spülen und gurgeln 15 Trpf. reines ätherisches Salbeiöl auf 1 Tasse Wasser, mehrmals täglich spülen und gurgeln Alternativ: Kamillenblüten (1 EL pro Tasse)

39 Hals- Rachenentzündung Malvenblätter und -blüten, Eibischwurzel (und Blätter): Schleimstoffe: reizlindernd

40 Hals- Rachenentzündung Schleimstoffe Wirkung über verstärkte Barrierefunktion durch aufgelagerte Schleimschicht spezifische zelluläre Effekte: Steigerung der Zellvitalität und erhöhte Zellteilungsrate im Epithel => bessere Regenerierung des entzündeten Gewebes

41 Hals- Rachenentzündung Eibischwurzel und Blätter 1 EL zerkleinerte Eibischwurzel /- blätter in 1 Tasse kaltes Wasser geben, 2 Stunden ziehen lassen, abseihen, kurz erwärmen, mehrmals täglich gurgeln (jeweils frisch herstellen) Malvenblätter und -blüten 1 EL Malvenblüten und 2 EL Malvenblätter in 1 Tasse kaltes Wasser geben, 1 Stunde ziehen lassen, abseihen, kurz erwärmen, mehrmals täglich gurgeln Achtung: kochendes Wasser zerstört die Schleimstoffe!

42 Hals- Rachenentzündung Spitzwegerich: - Schleimstoffe reizlindernd -Iridoide (u.a. Monoterpen) entzündungshemmend antibakteriell

43 Hals- Rachenentzündung Spitzwegerichtee: reizlindernd 2 TL Spitzwegerichblätter auf 1 Tasse kaltes Wasser, 1 bis 2 Stunden ziehen lassen, abseihen, leicht erwärmen, mehrmals täglich gurgeln Achtung: kochendes Wasser zerstört die Schleimstoffe!

44 Husten Husten: natürlicher Reflex um Fremdkörper aus den Atemwegen zu schleudern. Meist Symptom einer Bronchitis: Entzündung der Schleimhaut in den Bronchien und der Luftröhre. Bronchitis wird von Viren verursacht, das Bronchialsekret ist idealer Nährboden für Bakterien. Erste Symptome: Halsschmerzen und Heiserkeit Verlauf: 1. Reizhusten (trocken ohne Auswurf) 2. Schleimhusten mit Auswurf

45 Husten Die Phytotherapie hält für die Phasen entsprechende Mittel zur Verfügung: 1. Reizhusten: Linderung des Hustenreizes durch Schleimstoffe, krampflösende Mittel (Spasmolytika); Entzündungslindernde und keimhemmende Mittel 2. Schleimhusten: auswurffördernde Mittel (Expektoranzien): verflüssigen das Bronchialsekret => es wird schneller abgehustet

46 Husten 1. Reizhusten: Reizlindernd: Eibischwurzel, Malve (Blüten und Blätter), Spitzwegerich, Königskerze (Blüten) Krampflösend, entzündungshemmend: Thymian, Salbei 2. Schleimhusten: Stimulierung der Schleimproduktion: Efeu, Süßholzwurzel durch Saponine Sekretverflüssigend: Fenchelfrüchte, Kampfer, Kamillenblüten, Pfefferminzöl, Salbei und Thymian (ätherische Öle)

47 Husten Tees: Reizhusten: Spitzwegerichblätter, Eibischwurzel, Königskerzenblüten, Malvenblätter u. Blüten zu gleichen Teilen 1 EL pro Tasse in kaltem Wasser ansetzen, erwärmen, 5 Min ziehen lassen, abseihen und mit Honig süßen Schleimhusten und generell: Süßholzwurzel (knapp 1 TL) TL Thymiankraut, mit kochendem Wasser übergießen, 10 Min ziehen lassen.

48 Schlussbemerkungen Die Therapien sind sehr vielfältig und die Anzahl der geeigneten Pflanzen und ihrer Wirkstoffe ist groß. Keine andere Therapieform bietet wohl ein so großes Spektrum, es sind ganz individuelle Kombinationen möglich. Schon deshalb sollte die Pflanzenheilkunde bei Erkältungskrankheiten die 1. Wahl sein Nachteil: einige Mittel kosten etwas Zeit, und sei es nur die Teezubereitung, aber diese Zeit sollte uns unsere Gesundheit Wert sein!

49 Schlussbemerkungen 2. Nachteil: Viele Mittel werden von den Kassen nicht erstattet dafür erspart man sich aber in leichten Fällen den Gang zum Arzt. Nachbemerkung: immer erstattet werden verschreibungspflichtige Arzneimittel. Diese Mittel sind aber vor allem wegen ihren unerwünschten Nebenwirkungen verschreibungspflichtig. Auch pflanzliche Mittel können überdosiert werden.

50 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Hinweis zum Schluss: Fortbildung für Phytotherapie an acht Wochenenden möglich! Ort: Kitzingen, Rolf-Schneider-Seminare Web: Naturheilkundeschule.de