Im Einsatz für Menschenrechte
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- Matilde Michel
- vor 7 Jahren
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1 Im Einsatz für Menschenrechte Im November, als alle Augen auf Gaza gerichtet waren, und sich viele Menschen sorgenvoll fragten, ob sich die Lage im Nahostkonflikt weiter zuspitzen werde, packte ich gerade meine Koffer für meinen dreimonatigen Einsatz als Menschenrechtsbeobachterin im Westjordanland. Mir war etwas mulmig zumute, denn seit zwei Tagen bombardierte Israel Ziele im Gazastreifen als Reaktion auf den Raketenbeschuss aus Gaza, der auf die israelische Grenzregion zielte. Margrit Freivogel Ich werde vom Hilfswerk der Evangelischen Kirche Schweiz (HEKS) und Peace Watch Switzerland nach Palästina und Israel gesandt, wo ich am ökumenischen Begleitprogramm (EAPPI) des Weltkirchenrates teilnehme. Dieses Programm unterstützt lokale und internationale Anstrengungen zur Beendigung der israelischen Besetzung und will zu einer Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts durch einen gerechten Frieden, gestützt auf das Völkerrecht und die einschlägigen UN-Resolutionen, beitragen. Als Teilnehmer/innen des Programms(s.Kasten) beobachten wir in kleinen internationalen Teams an verschiedenen Standorten in der Westbank die Lage und melden Verstösse gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht. Wir unterstützen Aktionen gewaltlosen Widerstands an der Seite lokaler christlicher und muslimischer Palästinenser und israelischer Friedensaktivisten, gewähren Schutz durch gewaltlose Anwesenheit und üben ganz allgemein Solidarität mit allen, die sich gegen die Besetzung wenden. «Es ist unser Land» Yanoun, wo ich in diesen Wochen stationiert bin, ist mit seinen 84 Einwohnern eines der kleinsten Dörfer im besetzten palästinensischen Gebiet. Etwa 15 km südöstlich von Nablus liegt es idyllisch am Eingang eines Tales mit mehreren Tausend uralten Olivenbäumen. Yanoun wird überragt von Aussenposten der in der Nähe gelegenen, nach internationalem Recht illegalen israelischen Siedlung Itamar, die weiter wächst. Das Dorf ist auf keiner Karte zu
2 finden, bemerkenswert ist aber, dass es überhaupt noch bewohnt ist, denn nach vielen Belästigungen und Angriffen vertrieben Siedler vor genau 10 Jahren gewaltsam fast die ganze Dorfgemeinschaft mit dem Wenigen, das sie retten konnte, und besetzte den grössten Teil ihres Landes. Itamar gilt als radikale, religiöse Siedlung. Überdurchschnittlich viele Gewaltakte wurden mit der Siedlung in Verbindung gebracht. Dorfvorsteher Rashed Murrar erzählt, wie Siedler an einem Samstag mit Hunden und Waffen kamen und sagten, sie wollten nächste Woche niemanden mehr sehen hier. «Aber es ist unser Land, wir leben hier seit vielen, vielen Generationen», fügt er bei. Das Militär wacht rund um die Uhr und beobachtet das Leben in Yanoun. Die Menschen schützen und den Alltag mit ihnen teilen Israelische Friedensaktivisten kamen zusammen mit internationalen Freiwilligen, um die Siedler von weiteren Angriffen abzuhalten. Die Bewohner gewannen Vertrauen, viele kamen zurück, obwohl sie den grössten Teil ihres Landes nicht mehr bewirtschaften dürfen. Seit 2003 gewährleistet EAPPI durch internationale Präsenz den Schutz der Bevölkerung hier und in vielen weiteren, grösseren Dörfern im Umkreis von bis zu 30 km und hält internationale Organisationen über die Lage auf dem Laufenden. Seither sind Schikanierungen stark zurückgegangen. Das Alltagsleben im besetzten Gebiet ist schwierig und oft leidvoll. Auch wenn die dauernde Anwesenheit der «Internationals» die Zahl und das Ausmass an Gewalt bei den Überfällen verringert hat, so finden solche mit Billigung oder auch Mitwirkung der israelischen Armee weiterhin regelmässig statt. Viele Dörfer hier und im ganzen Einsatzgebiet der EAPPI-Begleiter erleiden nach wie vor Siedlerangriffe mit Verwüstungen und Beschädigungen. Auffallend ist gemäss Aussagen lokaler Verantwortlicher, dass in den Tagen nach der der Anerkennung von Palästina in der UNO die Siedlerattacken zugenommen haben.
3 In der kurzen Zeit, die ich hier bin, habe ich vier Festnahmen durch die Armee erlebt - zwei von Jugendlichen (14 und 15 Jahre alt) und zwei von jungen Männern - eine Hausund Schafunterstandszerstörung durch die Armee bei Beduinen im Jordantal, sowie einen Tränengaseinsatz der Armee bei einer gewaltfreien Demonstration gegen eine für die lokale Bevölkerung wilkürliche Strassenblokade. Seit Jahren kämpfen die Bewohner gegen diese Blockade und erreichen manchmal eine temporäre Öffnung. Rund 350 friedliche Demonstranten zogen mit Plakaten zur Sperre. 50 Personen wurden verletzt, davon einige ernsthaft. Ein 14-jähriger Junge wird am heiterhellen Tag im Haus der Eltern festgenommen. Kinder sind traumatisiert, wenn sie solche Übergriffe miterleben müssen.
4 Die Armee, die hier fast überall präsent ist, da grosse Gebiete, wie beispielsweise das Jordantal innerhalb der Westbank zu sogenannten militärischen Zonen erklärt wurden, in denen sich die Palästinenser nicht aufhalten dürfen, konfisziert Weideland und Schafe, nimmt Menschen fest, führt Hausräumungen und -abbrüche durch, vertreibt Menschen von ihrem Land und schreitet auch bei gewaltfreien Demonstrationen rasch und hart ein. Friedlicher Demonstrationszug
5 «Hey, Siedler! Ihr seid illegal hier in unserem Land» steht auf den Transparenten. Bevor der Demonstrationszug die Strassenblockade überhaupt erreicht, setzt die Army Tränengas ein.
6 Als Begleitpersonen dokumentieren wir alle Ereignisse für internationale Organisationen. Als Begleitpersonen besuchen wir all diese Dörfer, suchen den Kontakt zu den Familien und lokalen Behörden, unterstützen die Betroffenen bei Übergriffen, Zerstörungen von Olivenbäumen und gewaltsamen Hausabbrüchen, sind anwesend bei landwirtschaftlichen Arbeiten in der Nähe von Siedlungen und bei Demonstrationen, begleiten Kinder und spielen mit ihnen, denn viele sind traumatisiert von den Erlebnissen, und wir dokumentieren und rapportieren die Ereignisse. Wir besuchen die Menschen im Flüchtlingslager von Nablus, pflegen den Dialog mit den immer kleiner werdenden christlichen Gemeinschaften, ermutigen Frauen im «Womencenter» und stehen im Kontakt mit Studierenden an der Universität in Nablus. All diese Aktivitäten werden von den Menschen hier mit grosser Dankbarkeit und Wertschätzung wahrgenommen. Wir alle, unabhängig aus welchem Land wir kommen, werden mit grosser Herzlichkeit aufgenommen. Bei all den erwähnten Vorkommnissen arbeiten wir auch zusammen mit israelischen Friedensgruppen und internationalen Organisationen wie dem International Solidarity Mouvement, dem Internationalen Roten Kreuz, UN-Organisationen u.v.m. Ein zentraler Grundsatz in all unseren Aktivitäten ist die Unparteilichkeit. Indem wir Seite an Seite mit all jenen stehen und arbeiten, die Frieden und Gerechtigkeit in Israel und Palästina suchen, hoffen wir, etwas zur Beendigung des Konflikts beitragen zu können.
7 Persönliches Engagement als kleiner Beitrag Seit Jahrzehnten stehen die Politik und internationale Gemeinschaft trotz Genferkonvention, UN-Resolutionen, Oslo-Friedensabkommen und weiteren Anstrengungen vor verhärteten Fronten in diesem scheinbar unlösbaren Nahostkonflikt. Internationale Organisationen und Hilfswerke tun ihr Bestes und als Einzelpersonen können wir meistens nur hilflos zusehen. Meine Überzeugung ist, dass ich durch meinen Einsatz den Menschen hier Hoffnung und das Gefühl geben kann, nicht vergessen zu werden, und dass ich mit Informations- und Sensibilisierungsarbeit über das Leid der Menschen etwas zum besseren Verständnis beitragen kann. Ich meine auch, dass wahre Freundschaft zu allen in Israel v.a. Freundschaft mit dem Frieden bedeutet. Das Ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel (EAPPI) Begleitpersonen arbeiten in kleinen internationalen Teams an sieben verschiedenen Einsatzorten (s.karte), zusammen mit den örtlichen palästinensischen und israelischen Gemeinschaften und/oder Organisationen. Ihre Aufgabe ist es, durch ihre Anwesenheit diese örtlichen Gemeinschaften und Organisationen zu schützen und Rechenschaft vom Geschehen dort abzulegen. Die Aufgaben und Herausforderungen sind je nach Einsatzort etwas verschieden. Informations- und Sensibilisierungsarbeit über den eigentlichen Einsatz hinaus ist ein wichtiger Teil des Programms. Rote Punkte = Einsatzorte von internationalen EAPPI-Begleitteams.
8 Ökumenische Begleitperson (EA) werden Wenn Sie interessiert sind an einem Einsatz zur freiwilligen Menschenrechtsbeobachtung und begleitung und wissen möchten, wie und wo Sie einen Einsatz leisten können, dann wenden Sie sich an Peace Watch Switzerland, Quellenstrasse 31, 8005 Zürich; Tel ; Margrit Freivogel lebt in Sachseln und arbeitet als Redaktorin einer Fachzeitschrift für Alters- und Langzeitpflege. Sie ist Kantonsrätin und war zehn Jahre Gemeindepräsidentin von Sachseln.
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