JUGENDARREST. Theorie, Praxis, Kritik und Alternativen

Transkript

1 Theorie, Praxis, Kritik und Alternativen

2 Jugendarrest Feiheitsentzug kurzfristig erzieherischer Charakter Warnschuss/ Denkzettel

3 Normierung 13 I, II u. 16 I-IV Jugendgerichtsgesetz (JGG) 90 JGG Verordnung über den Vollzug des Jugendarrestes JAVollzO Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz RLJGG

4 JGG JUGENDARREST 13 Arten und Anwendung (1) Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewußtsein gebracht werden muß, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. (2) Zuchtmittel sind 1. die Verwarnung, 2. die Erteilung von Auflagen, 3. der Jugendarrest. (3) Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkungen einer Strafe. 16 Jugendarrest (1) Der Jugendarrest ist Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest. (...) 90 Jugendarrest (Vollzug) (1) Der Vollzug des Jugendarrestes soll das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken und ihm eindringlich zum Bewußtsein bringen, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Der Vollzug des Jugendarrestes soll erzieherisch gestaltet werden. Er soll dem Jugendlichen helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben.

5 Einordnung Jugendstrafrecht Erziehungsmaßregel Jugendstrafe Zuchtmittel Verwarnung Auflage Jugendarrest

6 Arten des Jugendarrests Freizeitarrest Kurzarrest Dauerarrest 16 II: Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf eine oder zwei Freizeiten bemessen. min. 1, max. 2 Freizeiten Freizeit: ~ 2 Tage / Wochenende bei Verhängung von 2 Freizeiten: Unterbrechung erforderlich 16 III: Der Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. Dabei stehen zwei Tage Kurzarrest einer Freizeit gleich. 1 Freizeit = 2 Tage max. 4 Tage Arrest wird selten verhängt 16 IV: Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach vollen Tagen oder Wochen bemessen. 1-4 Wochen

7 Arten des Jugendarrests Ungehorsamsarrest keine primäre Sanktion Folge der Nichtbeachtung richterlicher Weisungen/Auflagen akzessorisch zur anhaltenden, schuldhaften Widersetzung

8 Vollzug gesonderte Jugendarrestanstalten bzw. Arresträume, 1 I, II JAVollzO kein gleichzeitiger Erwachsenenvollzug Größe: Plätze pro Anstalt (Sollbestimmung) Rechtsfolgen 13 III JGG: kein Eintrag im Strafregister

9 Ziele des Jugendarrests strittig: 1. Freiheitsentzug mit sühnend-erzieherischer Funktion, straflos 2. Strafe, bloß ohne Folgen 3. Sühne als pädagogisches Konzept 4. Pädagogischer Ansatz 5. Ablehnung der Verknüpfung mit Generalprävention, aber primär strafend 6. BGH: Erziehungszweck und Sühnegedanke. Keine Generalprävention. Keine Strafe. Konsens: 1. Negative Individualprävention: Abschreckung des Einzelnen 2. Verdeutlichung des Unrechtsgehaltes 3. Warnschussfunktion: short sharp shock

10 Theoretischer Anwendungsbereich wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen nicht bei leichten Verfehlungen, Bagatelldelikten (Ladendiebstahl) Bereich Delikte mittlerer Schwere bis zur Grenze Jugendstrafe Prüfung alternativer Maßnahmen geboten Zu 11, RLJGG...soll die Staatsanwaltschaft darauf hinwirken, daß (...) Jugendarrest nur verhängt wird, wenn mildere Maßnahmen, z.b. eine formlose Ermahnung, nicht ausreichen strittig: mehrfache Anordnung Arrestgeeignetheit Praktische Anwendung Jugendarrest ist dritthäufigst verhängtes Zuchtmittel 1. Arbeitsauflage 2. Verwarnung 3. Geldauflage 4. Jugendarrest 5. Wiedergutmachung 6. Entschuldigung vor allem Dauerarrest, kaum Kurzarrest aufgrund Körperverletzungsdelikten (6.074 Arreste im Jahr 2005) und Diebstählen (6.232) häufig schwer erziehbare Jugendliche Vorschaltfunktion des Jugendarrestes vor der Jugendstrafe

11 Deliktstruktur Körperverletzung (Datenquelle: Statistisches Bundesamt, 2005) Sexualdelikte Beleidigung Fahrlässige Tötung Körperverletzung Widerstand g. Staatsgew. Nötigung Bedrohung Diebstahl, Unterschlagung Raub, Erpressung Hehlerei Betrug Urkundenfälschung Sachbeschädigung Straßenverkehrsdelikte Diebstahl Betrug Erpressung

12 Gesamtstatistik (Statistisches Bundesamt, 2005) Geschlechterverhältnis: etwa wie bei übriger Straftatenstatisik; (nach StGB) zu Arresten verurteilt: männlich: weiblich: Altersstruktur: Heranwachsende: Jugendliche Tendenz zur Verhängung von Dauerarrest

13 Kritik Nicht überprüfbare Wirkung Hohe Rückfallquoten Kurzzeitwirkung nur punktuelle Wirkung keine unmittelbare Ahndung Abstumpfungseffekt Vollzugsumfeld, Gruppendynamik, Gefahr der gegenteiligen Wirkung Falsche Adressaten (Altersstruktur) Vollzugsunterschiede Täterpersönlichkeit, Umfeld, Sozialisierung (Repression statt therapeutischer/pädagogisch-psychologischer Arbeit) Missbrauch als kriminalpolitisches Instrument

14 Einschub: Wurzeln des Jugendarrests Grundkonzeption Weimarer Republik, 20er Jahre, straffreie Erziehung Rechtswissenschaftliche Diskussion in den 30er Jahren unter nationalsozialistischen Einflüssen Einführung des Jugendarrestes: 4. Oktober 1940 darin nun enthalten: rassischer Gedanke, Schockwirkung 90 Jugendarrest (1) Der Vollzug des Jugendarrestes soll das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken (...) arrestgeeignet / arrestungeeignet gutgeartet / entartet

15 Alternativen: Bestehende Alternativen Erziehungsmaßregeln, Verwarnung, Auflage Opferfokussierung, T-O-A Differenzierendere Anwendung im Jugendarrest Jugendstrafe

16 Ergänzende/ersetzende Alternativen Fahrverbote Boot Camps Elektronische Fußfessel

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