Liebe Gemeinde, 1. Ermahnungen sind überflüssig. Ermahnungen sind eigentlich überflüssig. Sie bringen sowieso nichts. Oft sind sie nur lästig.
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- Käthe Flater
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1 Liebe Gemeinde, 1. Ermahnungen sind überflüssig Ermahnungen sind eigentlich überflüssig. Sie bringen sowieso nichts. Oft sind sie nur lästig. Fahr vorsichtig! kriege ich zu hören, wenn ich mich mit dem Auto auf den Weg mache. Bin ich etwa ein Verkehrsrowdy? Finde ich nicht. Ich fahre vorsichtig, auch ohne Ermahnungen. Andererseits ermahne ich selber auch ganz gerne, spätestens, seit ich Papa bin. Wie oft sage ich in letzter Zeit: Sei bitte leise! Sei lieb! oder Hör auf das, was die Oma sagt. Wer selber Kinder hat, weiß, wie wenig es nützt. Nicht selten bewirken gut gemeinte Ratschläge nur das Gegenteil. Die weisen Worte kann man sich glatt sparen. Unser Predigttext für heute ist voll von Ermahnungen. Ich hab's nachgezählt: Vierzehn Ermahnungen in zehn Versen mutet der Apostel Paulus seinen Leserinnen und Lesern zu! Insofern steht uns eine harte Viertelstunde bevor. Vierzehn Ermahnungen, und schon die erste klingt so grässlich kleinkariert: Weist die Unordentlichen zurecht! Aber hören Sie den ganzen Abschnitt, wie er im 1. Thess 5,14-24 steht: Es ist ein klassischer Briefschluss mit guten Wünschen und Ermahnungen. Ich frage mich aber durchaus, was das für eine Gemeinde gewesen sein mag, die solch eine Fülle von Ermahnungen nötig hatte. Wenn Sie den Abschnitt Wort für Wort durchgehen, entsteht ein desaströser Eindruck: Unordentliche und kleinmütige Menschen müssen das gewesen sein. Rachsüchtige, undankbare Miesepeter, die ein uninspiriertes Gemeindeleben führen. Christen, die sich allen neuen Ideen verweigern. Das reinste Gruselkabinett!
2 Bin ich froh, dass ich nicht dort Pfarrer bin! Aber so schlimm, wie es hier klingt, waren die in Thessaloniki gar nicht. Zwei Kapitel früher im Brief erwähnt Paulus, dass er so viel Gutes über die Gemeinde gehört habe. Von Athen aus hatte er seinen Freund und Mitarbeiter Timotheus hingeschickt. Der berichtete ihm vom Glauben und der Liebe in Thessaloniki. Paulus schreibt dazu: Wie können wir euretwegen genug danken für all die Freude, die wir an euch haben vor unserem Gott? Warum lässt Paulus also solch eine Fülle von Ermahnungen vom Stapel, wenn es in Thessaloniki doch so gut aussieht? Was soll das? Wen meint er? Hätte er sich die Tinte nicht für 'was Anderes sparen sollen? Und jetzt mal ehrlich: Seid allezeit fröhlich! ist doch eine merkwürdige Aufforderung. Das muss uns keiner sagen. Wir wollen doch gerne fröhlich sein. Und was unternehmen wir nicht alles, um fröhlich zu werden! Wir gönnen uns 'was Nettes beim Einkauf. Wir gestalten unsere freie Zeit, wir pflegen Hobbys. Wir geben uns schon von alleine große Mühe, um allezeit fröhlich zu sein. Eine ganze Industrie lebt davon, dass wir uns gut drauf sein wollen. Aber manchmal nützen alle Bemühungen nichts. Es liegt eben nicht allein in unserer Hand, ob wir fröhlich sind oder nicht. Nicht wenige versuchen mit allen Mitteln, fröhlich zu sein. Aber die Fröhlichkeit will sich nicht einstellen. Menschen, die das erleben, wird die Ermahnung: seid allezeit fröhlich bitter aufstoßen. Ist ja nett gemeint, ein lieber Wunsch, aber was bringt der schon? 2. Ermahnungen sind überflüssig, Einladungen aber nicht Ich denke, wir sollten den Abschnitt aber nicht einfach als gut gemeinte Wünsche abtun. Sicher, die gehörten schon immer ans Ende eines Briefes; in der Antike sowieso.
3 Heute halten wir uns knapper, oft steht nur noch mfg unter einer Nachricht. Soll heißen: Mit freundlichen Grüßen. Ziemlich armselig. Paulus ist aber nicht einfach das Gegenteil davon. Ihm geht es nicht um Höflichkeit. Er greift zwar die üblichen freundlichen Wünsche und Ermahnungen auf, aber er stellt sie in einen völlig neuen Zusammenhang. Ich will das erklären: Wir haben gehört, dass Paulus schreibt: Wir ermahnen euch. Das hört sich an wie eine Verwarnung. Für dieses Ermahnen gibt es aber eine andere griechische Vokabel. Die ist Paulus durchaus bekannt, er gebraucht das Wort an anderen Stellen. Aber hier verwendet er es nicht. Das griechische Wort, das Paulus hier in diesem Abschnitt benutzt, hat keinen ausgestreckten Zeigefinger. Da schwingt etwas ganz anderes mit. Man kann es als ermahnen übersetzen, aber auch als aufrufen, zusprechen oder einladen. Und wie anders klingt der ganze Abschnitt, wenn wir ihn als Zuspruch oder Einladung verstehen! Eigentlich beschreibt er doch, wie eine Gemeinde sein soll: Ein Ort, wo ich Orientierung finde und Trost tröstet die Kleinmütigen. Ein Ort, wo ich mich fallen lassen kann tragt die Schwachen. In der Gemeinde ist Gottes Herrschaft gegenwärtig, alles zielt auf Gott hin jagt allezeit dem Guten nach. Da ist kein Raum mehr für Böses. Kurzum: Die christliche Gemeinde ist eine fröhliche Gemeinschaft von Beterinnen und Betern, die ihrem Gott dankbar sind. Solche Perspektive eröffnet Paulus seinen Leserinnen und Lesern. Er beschreibt das Heil, das Menschen mit Gott erfahren. Dazu lädt er ein. Dieser Abschnitt will keine Verhaltensregeln aufstellen im Sinne eines: Tu dies und lass das. Paulus geht es hier weniger um ethische Grundsätze. Sondern er beschreibt eine Wirklichkeit, die schon da ist.
4 Er ruft dazu auf, ein Teil der neuen Welt Gottes zu werden. Das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch. Deswegen können wir dankbar sein. An dieser Stelle möchte ich kurz etwas einschieben. In Vers 18 steht ja: seid dankbar in allen Dingen, denn das ist der Wille Gottes in Christus an euch. So für sich allein genommen ist der Satz missverständlich im Sinne von: Gott will, dass wir für alles dankbar sind. Aber dankbar auch für Schmerzen und Verluste? Vielleicht ist das eine weise Lebenseinstellung, aber ich persönlich bin noch nicht so weit. Und Paulus schreibt auch nicht, dass Gott pauschale Dankbarkeit von uns verlangt. Nein, dieses in allem dankt ist konkreter. Es schließt die Beschreibung des Lebens unter Gottes Herrschaft ab. Denn DAS ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch. Und dafür können wir dankbar sein. 3. Diese Einladung kommt von Gott Paulus lädt ein zu einem Leben mit Gott. Dazu beschreibt er, was der Geist Gottes in der Gemeinde bewirkt. Freude, Geduld, den Willen zum Guten. Aber längst nicht immer zeigen sich Kirche und Gemeinde als Ort des Trostes und der Orientierung. Nicht jede Gemeinde ist als fröhliche Gemeinschaft von Beterinnen und Betern erkennbar. Viel zu oft wird stattdessen Böses mit Bösem vergolten. Auch dazu kann eine Kirche verkommen. Der Heilige Geist scheint dann nicht so kräftig zu wehen. Ja, wir Menschen können den Geist Gottes zurückhalten und verdrängen. Deswegen bittet Paulus eindringlich: Dämpft den Geist nicht, löscht ihn nicht aus! Denn auch das kann passieren. Gottes Reich will unter uns beginnen, aber wir Menschen verhindern es oft. Für Paulus ist ganz klar, wie das geschieht: Es passiert vor allem dann, wenn die Gemeinde die prophetische Rede verachtet. Prophetische Rede, das ist das, was in der Gemeinde gepredigt wird. Den Worten, die uns gesagt sind, müssen wir etwas zutrauen. Denn durch sie wirkt der Geist Gottes in uns. Wenn wir den Worten keinen Glauben schenken, dann werden sie uns nicht tragen.
5 Einer unserer Reformatoren hat gesagt: Das gepredigte Wort Gottes ist Wort Gottes. Gott selbst spricht zu uns durch Menschenwort. Auch heute morgen. Es klingt irgendwie anmaßend, wenn ich das jetzt von der Kanzel verkündige. Dabei will ich gar nicht überheblich sein. Ich staune selber darüber, dass ich Gottes Worte sagen darf, dass Gott durch mich sprechen möchte. Aber diese Zusage gilt, und sie gilt ja für uns alle. Und wenn wir nicht glauben wollen, dass Gott zu uns und durch uns spricht, dann trauen wir dem Heiligen Geist nicht viel zu. Dann wird er in unserem Leben und in unserer Gemeinde auch wenig spürbar sein. Darum: Dämpft den Geist nicht, prophetische Rede verachtet nicht! Was im Gegenzug aber nicht bedeuten soll, dass wir alles, was uns andere im Namen Gottes sagen, kritiklos hinnehmen müssen. Paulus ist da sehr differenziert: Prüft aber alles! - auch die prophetische Rede, auch die Predigt, ja, selbst die Schrift, die uns das Wort Gottes bezeugt. Paulus wünscht sich, dass wir auch seine eigenen Worte überprüfen. Das dürfen wir. Wenn wir dem Wort etwas zutrauen wollen, dann müssen wir ihm auch zutrauen, dass es unsere Prüfung besteht. Spätestens jetzt wird klar, dass die Gemeinde nicht der Ort ist, wo ich bevormundet werde, wo ich mit erhobenem Zeigefinger gesagt bekomme, was ich zu tun und zu lassen habe. Wenn Paulus ermahnt, dann fordert er keinen blinden Gehorsam ein, sondern im Gegenteil: Er ruft auf, kritisch zu prüfen. Er bittet uns, zu prüfen. Wenn wir das tun, dann wird sich herausstellen, dass wir uns nicht unsere eigenen Worte einreden. Es wird sich zeigen, dass die Gemeinde, in die Paulus einlädt, nicht seinem eigenen Wunschdenken entsprungen ist. Sie funktioniert nicht etwa, weil wir uns alle anstrengen und die guten Ermahnungen in die Tat umsetzen.
6 Wir führen die Herrschaft Gottes nicht selber herbei, auch nicht durch ethisch einwandfreies Verhalten. Der Schlusssegen sagt es klar und deutlich: Gott selbst ist es, der uns heiligt und bewahrt. Wenn wir als Christen so leben, wie hier beschrieben, dann ist das nicht unser Werk. Es ist das Werk unseres Herrn. Wenn das Miteinander in der Gemeinde gelingt, ist es nicht unser Verdienst. Unser Beitrag besteht lediglich darin, dass wir es nicht verhindern, dass wir den Geist nicht dämpfen. Paulus fordert uns nicht zu neuen Anstrengungen auf, damit wir endlich bessere Menschen werden. Er lädt uns ein, es einfach geschehen zu lassen. Paulus lädt nicht in eigenem Namen ein. Diese Einladung trägt die Unterschrift Jesu Christi. Treu ist er, der euch ruft; er wird's auch tun. Alle vierzehn Ermahnungen, die wir gelesen haben, wird Christus in uns erfüllen. Nicht nur im Sinne eines Vorbildes, so wie wir manchmal ermahnen: Sei schön leise, ich bin's doch auch. Natürlich ist Jesus ein großes Vorbild. Alles, wozu wir ermahnt werden, hat er vorgelebt. Der euch ruft, wird's AUCH tun. Aber das ist nicht alles. Es geht viel weiter. Christus, der uns ruft, TUT es auch. Wir lesen hier nicht, bloß, was wir zu tun haben. Wir lesen, was Christus in unserem Leben, in unserer Gemeinde tut. Tröstet die Kleinmütigen Christus tut es. Tragt die Schwachen Christus tut es. Seid allezeit fröhlich der Geist bewirkt es. Betet ohne Unterlass der Geist bewirkt es. Dazu sind wir eingeladen. Amen.
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