Rumpelstilzchen und die Rumpelapp

Transkript

1 Rumpelstilzchen und die Rumpelapp 10 der schönsten Märchen der Gebrüder Grimm Humorvoll in unsere Zeit dokumentiert von Bettina Szrama

2 Inhalt, Rumpelstilzchen und die Rumpelapp Vom Fischer und seiner Frau oder wie man Kanzlerin wird. Rotkäppchen voll krass Aschenputtel und das verzauberte Smartphone Schneewittchen und die Müllzwerge Die Bremer Stadtmusikanten auf der Suche nach einem Gnadenhof Die goldene Müllgans Katze und Maus in Gesellschaft oder Dummheit muss bestraft werden. König Drosselbart oder lieber reich als dämlich Hänsel und Gretel und die böse Rasterlocke

3 Rumpelstilzchen und die Rumpelapp Es war einmal ein Bauer, der war arm und verschuldet, aber er hatte eine schöne Tochter. Nun traf es sich, dass ein Beamter bei ihm vorsprach, um seinen Besitz zu pfänden. Um sein Land zu retten, sagte der pfiffige Bauer spontan zu ihm: "Ich habe eine Tochter, die kann aus Stroh steuerfreie Euros spinnen." Der Beamte, nicht auf den Kopf gefallen, sprach zum Bauern: "Das ist eine Kunst, von der ich noch nie etwas gehört habe, aber wenn deine Tochter so geschickt ist, wie du sagst, so bring sie morgen in die Stadtverwaltung, da will ich sie auf die Probe stellen." Als nun das Mädchen zu ihm gebracht ward, führte er es in eine Kammer, die ganz voll Stroh lag, gab ihr Rad und Haspel und sprach belustigt: "Nun zeig mal, was du kannst. Mache dich an die Arbeit, und wenn du diese Nacht durch bis morgen früh das Stroh in Euro verwandelt hast, wird deinem Vater für seine Lügerei nichts geschehen und er kann seinen Hof weiter bewirtschaften." Darauf schloss er die Kammer selbst zu, und sie blieb allein darin. Da saß nun die arme Bauerstochter und wusste um ihr Leben keinen Rat, wie sie da wieder rauskommen sollte. Insgeheim verwünschte sie ihren Vater, der er sie mit seiner Lüge, Stroh in Euro umzuwandeln, der Lächerlichkeit preisgab und ihre Angst ward immer größer, bis sie endlich zu weinen anfing. Da meldete sich ihr Handy. Eine App hatte sich heruntergeladen und flötete: Willst du mit mir spielen? Ich habe doch gar nichts heruntergeladen, stellte das Mädchen erschrocken fest und wollte die App schließen. Aber das ging nicht. Stattdessen erschienen vier hässliche Köpfe und die Frage; Welcher

4 von denen bin ich? Wenn du den Richtigen anklickst, hast du gewonnen. In der Hoffnung, dass die App wieder verschwinden möge, wählte das das Mädchen wahllos einen der Köpfe, worauf ein Tusch erklang, mit dem Hinweis darunter du hast gewonnen und kannst meine Hilfe in Anspruch nehmen. "Ach, antwortete das Mädchen, "Ich soll Stroh zu Euros spinnen, dabei kannst du mir nicht helfen. Du hast gewonnen, grinste die App, ich halte mein Wort. Doch bevor ich mich in meine Teilchen auflöse und mich in deine Welt beame, musst du dich erst noch von einer Sünde befreien. Sonst klappt es nicht. Sprach das Mädchen traurig; Ich habe früher einmal, auf dem Schulklo, gegen das Verbot des Vaters eine Zigarette geraucht. Nie wieder werde ich heimlich rauchen, das schwöre ich: " Das sagte die App: Nun schlaf, morgen früh wird das Stroh zu Euros gesponnen sein. Das Mädchen befolgte den Rat und legte sich zum Schlafen in das Stroh. Da wurde es hell im Raum und ein dreidimensionales Männchen erschien. Es setzte sich vor das Spinnrad, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war die Spule voll. Dann steckte es eine andere auf, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war auch die Zweite voll: und so ging es fort bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen, und fünfzigtausend Euroscheine lagen säuberlich gebündelt auf einem Tisch. Bei Sonnenaufgang kam der Beamte, und als er die Euros erblickte, erstaunte er und freute sich, aber sein Herz wurde nur noch geldgieriger. Er ließ die Bauerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel größer war, und befahl ihr, das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr etwas an ihrem Vater läge. Das Mädchen wusste sich nicht zu helfen und weinte, da leuchtete

5 abermals das Handy auf, und die App erschien und sprach: "Willst du spielen? Welcher der vier Köpfe gehört nicht hier her? Rasch klickte das Mädchen einen der Köpfe an, und als der Gewinnertusch erschien, fragte die App: Nun, welche Sünde möchtest du heute beichten, damit ich dir helfe? Ich habe einmal im Supermarkt Schokolade gestohlen, ich schwöre, ich werde es nie wieder tun!, sagte das Mädchen und schlief gleich darauf tief und fest ein. Das digitale Männchen am Spinnrad aber fing wieder an zu schnurren und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu einem noch größeren Berg Euros gesponnen. Der Beamte freute sich über den Anblick, war aber noch immer nicht des Geldes satt, sondern ließ die Bauerstochter in eine noch größere Kammer voll Stroh bringen und sprach: "Die musst du noch in dieser Nacht verspinnen: Gelingt dir's aber, so sollst du meine Frau werden." Wenn's auch eine Bauerstochter ist, dachte er, eine fähigere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht. Als das Mädchen allein war, erschien die App zum dritten Mal und sprach: "Welche Sünde ist es diesmal, von der du dich befreien möchtest?" - "An mehr kann ich mich nicht erinnern. Mir fällt keine mehr ein," antwortete das Mädchen. Da sagte die App: "Du bist schwanger, vom letzten Discobesuch, einem Ohne Night Stand. Du weißt es nur noch nicht. Versprich mir, wenn du Beamtengattin bist, dieses Kind." - "Wer weiß, was noch alles passiert," dachte die Bauerstochter und wusste sich in der Not nicht anders zu helfen; sie versprach also der App, was sie verlangte, und das dreidimensionale Männchen verwandelte dafür noch einmal das Stroh in Euros. Und als am Morgen der Beamte kam und alles fand, wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Bauerstochter ward eine Beamtengattin.

6 Nach neun Monaten brachte sie das Kind zur Welt und dachte gar nicht mehr an die App: Da meldete sich eines Abends ihr Handy und die App lud sich herunter: Willst du mit mir spielen?, fragte sie und wieder erschienen die vier Köpfe. Welcher gehört nicht hierher, schnarrte es und die Beamtenfrau versuchte alles um die Spielapp loszuwerden, doch erfolglos. Da wählte sie wieder einen Kopf, aber diesmal erschien der Hinweis Du hast verloren und ein hässliches Lachen. Ich habe richtig gewählt, erzürnte sich die Beamtengattin und warf das Handy an die Wand. Doch das Handy schnarrte; wenn du nicht Unglück über dich und deine Familie bringen willst, gib mir das was du mir versprochen hast. Du hast fünf Minuten um dich zu verabschieden, dann hole ich mir dein Kind. Die Beamtengattin erschrak und bot dem Männchen in der App all ihr Geld, wenn es ihr das Kind lassen wollte: Aber das Handy sprach: "Nein, etwas Lebendiges ist mir lieber als all das Geld dieser verlogenen Welt." Da fing die Beamtengattin so an zu jammern und zu weinen, dass die App Mitleid mit ihr hatte: "Drei Tage will ich dir Zeit lassen, ertönte es aus dem Handy, "wenn du bis dahin meinen Namen und den IT-Fachmann errätst, der diese App installiert hat, so sollst du dein Kind behalten." Nun besann sich die Beamtengattin die ganze Nacht auf alle Namen, die sie jemals in der digitalen Welt gehört hatte, und heuerte einen Computerspezialisten an, der sollte im Netz nach der App und deren IP Adresse suchen. Als sich am andern Tag das Handy meldete, fing sie an mit Emmie, Bomber, Uruguay und Cruncher, und sagte alle Virennamen auf, die der Computerspezialist ausfindig gemacht hatte, aber bei jedem sprach das Männlein in der App: "So heiß ich nicht. Willst du mich beleidigen? Das sind doch völlig veraltete Viren. Ich

7 bin ein Trojaner." Den zweiten Tag ließ sie in der Nachbarschaft herumfragen, ob sich schon mal einer einen Trojaner eingefangen hatte, und sagte dem Männlein die ungewöhnlichsten und seltsamsten Namen vor "Heißt du vielleicht FinFisher, FinSpy oder Ghost Rat?" Aber es antwortete immer: "So heiß ich nicht." Den dritten Tag kam der Computerspezialist wieder zurück und erzählte: "Neue Trojaner habe ich nicht einen einzigen finden können zu dem die App passt, aber wie ich durch den Stadtpark lief und in den Wald kam, wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagen, so sah ich da ein kleines Haus, und in dem ein buckliges Männlein vor dem Pc sitzen, das ab und zu aufsprang, gar lächerlich auf einem Bein hüpfte und dabei schrie: "Heute scann ich, Morgen installiere ich, übermorgen hol ich mir der Beamtin ihr Kind; Ach, wie gut ist, dass niemand weiß, dass ich IT Fachmann bin und Rumpel-Ghost heiß!" Da könnt ihr denken, wie die Beamtengattin froh war, als sie den Namen hörte, und als bald hernach sich die App meldete und fragte: "Nun, Frau Beamtin, wie heiß ich?, fragte sie erst: "Heißt du vielleicht Njrat?" - "Nein." - "oder Dark-Comet?" - "Nein." - "Bist du etwa IT-Fachmann und heißt Rumpel-Ghost?" "Das hast du nicht alleine rausbekommen, schrie das Männlein in der App und wackelte so heftig vor Zorn, dass das Handy hart auf den Boden polterte. Darauf entfernte der Computerspezialist mit einem

8 Antivirenscanner die App vom Handy und schickte dem buckligen Männchen im Wald einen Trojaner, der sein Treiben der Polizei meldete. Das Männchen regte sich darüber so auf, dass es auf der Stelle vor Wut einen Herzinfarkt erlitt.