Dosierungsvorschläge für Arzneimittel bei Kleinnagern, Kaninchen und Frettchen

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1 MemoVet Dosierungsvorschläge für Arzneimittel bei Kleinnagern, Kaninchen und Frettchen Bearbeitet von Wilfried Kraft, Ilka U. Emmerich, Jutta Hein 1. Auflage Broschüren im rdner. 233 S. Spiralbindung ISBN Format (B x L): 12 x 18,5 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Veterinärmedizin > Veterinärmedizin: Haus- & Kleintiere Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die nline-fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

2 Tierartliche Besonderheiten mit Bedeutung für die Arzneimittelwahl Kleinsäuger sind keine kleinen Katzen und Hunde! Kleinsäuger unterscheiden sich von Hunden und Katzen teilweise sehr stark in ihrer Physiologie und Pathologie. Werden die Kleinsäuger bei der Interpretation von diagnostischen Befunden und v. a. der Wahl der Therapeutika mit Hunden und Katzen gleichgestellt, können fatale Behandlungsfehler die Folge sein. Bei den Kleinsäugern unterscheidet man vier verschiedene rdnungen: Rodentia, Lagomorpha, Insectivora und Carnivora (s. Tab. 1). Der größte therapeutisch relevante Unterschied zwischen diesen rdnungen ist ihre Verdauungsphysiologie und dadurch bedingt v. a. ihre Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Medikamenten. Am empfind- Tab. 1 Klassifikation der Kleinsäuger in vier rdnungen rdnung ()/Unterordnung (U)/Familie (F) U U U Nagetiere (Rodentia) Hörnchenverwandte F Hörnchen (Streifen-, Eichhörnchen, Murmeltier) Mäuseverwandte F Wühler (Hamster) F Mäuse (Maus, Ratte, Gerbil) Stachelschweinverwandte F Chinchilla F Meerschweinchen F Degu Hasenartige (Lagomorpha) F Hasenähnliche (Hase, Kaninchen) Fleischfresser (Carnivora) F Marderartige (Frettchen, Skunk etc.) Insektenfresser (Insectivora) F Igelartige Ernährungsphysiologische Zuordnung granivor granivor (partiell insectivor) herbivor/folivor herbivor/folivor carnivor (partiell omnivor) insectivor 10 Tierartliche Besonderheiten

3 lichsten von allen Kleinsäugern sind die Herbivoren, also die Lagomorpha (Hasen und Kaninchen) und die Stachelschweinverwandten (Chinchillas, Degus und Meerschweinchen). Sie besitzen einen langen Verdauungstrakt mit einem großen Caecum, in dem die Zellulose mikrobiell aufgeschlossen wird. Die Darmflora ist bei diesen Kleinsäugern überwiegend grampositiv und sehr anfällig für Störungen. Entscheidend für den Erfolg und auch das Überleben eines Herbivoren ist daher die Aufrechterhaltung der Magen-Darm-Tätigkeit durch Sicherstellung einer ausreichenden Futteraufnahme (Ausnahme: Ileusverdacht). hne Fütterung können sich schon nach 1 2 Tagen eine fatale Leberlipidose und sekundäre Dysbakterie mit nachfolgender Hypomotilität und Tympanie entwickeln. Stehen keine Fertigprodukte zur Verfügung, können übergangsweise rohfaserreiche Pellets aufgelöst werden. Babybreie auf Gemüse- und Getreidebasis sind aufgrund ihres zu geringen Rohfasergehalts für den Vorschub bei Herbivoren eher ungeeignet und sollten allenfalls in geringen Mengen als Geschmacksverstärker zugesetzt werden. Milchbreie dürfen nur bei noch nicht abgesetzten Jungtieren verwendet werden, da sie keine Rohfaser enthalten und die Laktose eine Fehlgärung fördert. Zusätze von Pektin (z. B. Apfelpektin aus dem Reformhaus) und Laktobakterien (Bene-Bac-Gel, -Pulver) unterstützen die Darmflora. Die Steigerung der Magen-Darm-Motilität kann mit Präparaten wie Metoclopramid und Cisaprid unterstützt werden, ebenso durch Analgetika. Analgetika sind indiziert, wenn Schmerz vermutet wird. Bei Herbivoren verursachen gastrointestinale Störungen vor allem Dehnungsschmerz durch Überladung und Tympanie; bei Fleischfressern oder Pferden sind es meist Krampfkoliken, die die Schmerzen auslösen. Mittel der Wahl ist hier Metamizol. Spasmolytika wie Butylscopolamin bewirken eine Erschlaffung der ohnehin schon überdehnten Muskulatur und verstärken die Hypomotilität, so dass sie kontraindiziert sind. Nichtsteroidale Antiphlogistika (Meloxicam, Carprofen) sind Mittel der Wahl bei Schmerzen, die von Knochen, Verletzungen oder Entzündungen ausgehen. Als Cyclooxygenase- und somit Prostaglandininhibitoren wirken sie zentral und peripher. bwohl sie sehr gut vertragen werden (Risiko von Magenulzerationen eher gering), können sie im Falle einer Hypovolämie und eingeschränkter Nierenfunktion auch bei Kleinsäugern akkumulieren Tierartliche Besonderheiten 11

4 und dadurch die glomeruläre Filtrationsrate und somit die Nierenfunktion weiter verschlechtern. Vor ihrer Gabe sollte der Patient daher zunächst rehydriert werden und die Nierenfunktion sichergestellt sein (Nierenfunktionsparameter, spezifisches Gewicht). Antibiotika mit vorwiegend grampositivem Spektrum (Penicilline, Lincomycin, Ampicillin, Amoxicillin, Cephalosporine, Clindamycin, Erythromycin) sollten bei Kaninchen zumindest per os mit Vorsicht zum Einsatz kommen, bei Meerschweinchen, Chinchilla und Hamster sogar komplett vermieden werden, da sie durch nachhaltige Schädigung der Darmflora Enteritis und Enterotoxämie verursachen können. Auf Antibiotika mit Langzeitwirkung (Wirkung über mehr als 2 Tage) sollte verzichtet werden. Bei der Dosierung von Arzneimitteln muss der Füllungszustand des Magen-Darm-Trakts berücksichtigt werden. Ist der Gastrointestinaltrakt stark gefüllt, muss ein Teil des Körpergewichts abgezogen werden und die Dosierung somit niedriger angesetzt werden, um eine Überdosierung zu vermeiden. Glukokortikoide sollten bei Kaninchen vermieden werden. Bereits kleine Einmalgaben (subkutan, oral, okulär oder auch aurikulär gegeben!) wirken speziell bei den als kortikosteroidempfindlich geltenden Kaninchen nicht nur immunsuppressiv, sondern ggf. auch toxisch v. a. auf Leber (Fett- und Glykogeneinlagerung, Vakuolisierung, hydrophische Degeneration, Gallengangsproliferation), lymphatische rgane (Atrophie), Nebennieren und andere rgane (Gastritiden, Magenulzeration). Zudem haben Studien gezeigt, dass Kaninchen bei Steroidgaben anfälliger für Infektionen sind, sich langsamer erholen und Antibiotika weniger wirksam sind. Die Rodentia stellen eine große, uneinheitliche Gruppe dar. Sowohl die Hörnchenverwandten als auch die Mäuseverwandten gelten als primär granivor. Sie haben einen kurzen Verdauungstrakt, der weitgehend unabhängig von der bakteriellen Besiedelung in der Lage ist, v. a. Kohlenhydrate zu verstoffwechseln. Mit Ausnahme des Hamsters, der auch relativ empfindlich auf bestimmte Antibiotika reagiert, sind sie deutlich un- 12 Tierartliche Besonderheiten

5 empfindlicher als die Herbivoren. Carnivore Kleinsäuger sind Hund und Katze am ähnlichsten und können auch weitgehend so behandelt werden. Insectivore (Igel) sind ebenfalls relativ unempfindlich gegenüber Arzneimittelnebenwirkungen. Auf sie soll in diesem Buch aber nicht weiter eingegangen werden. Tierartliche Besonderheiten 13