Technische Thermodynamik
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- Maja Hermann
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1 Technische Thermodynamik Theoretische Grundlagen und praktische Anwendungen von Günter Cerbe, Gernot Wilhelms 5., aktualis. Aufl Technische Thermodynamik Cerbe / Wilhelms schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Hanser München 2008 Verlag C.H. Beck im Internet: ISBN Inhaltsverzeichnis: Technische Thermodynamik Cerbe / Wilhelms
2 Günter Cerbe, Gernot Wilhelms Technische Thermodynamik Theoretische Grundlagen und praktische Anwendungen ISBN-0: ISBN-3: Leseprobe Weitere Informationen oder Bestellungen unter sowie im Buchhandel.
3 52 2 Erster Hauptsatz der Thermodynamik 2. Energieerhaltung, Energiebilanz Der erste Hauptsatz verallgemeinert den Energiebegriff und postuliert das Naturgesetz von der Erhaltung der Energie. Er ist Grundlage für die Bilanzierung von Energien. Für ein System und seine Grenzen lassen sich gespeicherte Energie und transportierte Energie unterscheiden. Die in einem System gespeicherte Energie ist eine wichtige Zustandsgröße des Systems. Sie ist eine extensive Zustandsgröße, d. h., beim Zusammenfügen von mehreren Systemen addieren sich deren Energien. Man unterscheidet verschiedene Formen von gespeicherter Energie, z. B. potenzielle Energie, kinetische Energie, innere Energie. Steht das System in Wechselwirkung mit einem anderen System oder mit seiner Umgebung, wird z. B. das Volumen des Systems verändert, so überschreitet Energie die Systemgrenze. Formen solcher transportierter Energie sind Arbeit und Wärme. Wird Energie in Form von Arbeit über die Systemgrenze transportiert, sagt man, dass Arbeit verrichtet wird. Wird Energie in Form von Wärme über die Systemgrenze transportiert, sagt man, dass Wärme übertragen wird. Bei offenen Systemen überschreitet mit dem Stoff auch die darin gespeicherte Energie die Systemgrenze. Wird keine Energie über die Systemgrenze transportiert (abgeschlossenes System), so bleibt die im System gespeicherte Energie erhalten (Energieerhaltungssatz). Wird Energie über die Systemgrenze transportiert, so ändert sich die gespeicherte Energie um den gleichen Betrag (Energiebilanz). Nachfolgend werden die in der Thermodynamik vorkommenden Energieformen näher behandelt. 2.2 Arbeit am geschlossenen System Volumenänderungsarbeit. Wir führen einem Gas in einem geschlossenen System durch einen Kolben Arbeit zu, indem wir das Gas reversibel verdichten (B 2. a). Das Gas nimmt im Ausgangszustand, den wir in der Regel durch den Index kennzeichnen wollen, das Zylindervolumen V ein und befindet sich unter dem Druck p. Nach der Arbeitszufuhr hat sich das Zylindervolumen auf V 2 verkleinert, während der Druck auf p 2 gestiegen ist. Den Endpunkt nach einer Zustandsänderung wollen wir normalerweise durch den Index 2 kennzeichnen. Wir tragen den Ausgangs- und Endzustand in ein Koordinatensystem mit den Achsen p und V ein und verbinden diese Punkte durch die dazwischen liegenden Zustandspunkte (B 2. b). Die aufzuwendende Arbeit ist nach den Gesetzen der Mechanik Arbeit ¼ Kraft Weg Für eine beliebige Zwischenstellung des Kolbens gilt, mit der senkrecht auf den Kolben wirkenden Kraft F und dem Weg ds: dw ¼ F ds Die Kolbenkraft F hält der entgegengerichteten Kraft des auf die Kolbenfläche A wirkenden Gasdruckes p das Gleichgewicht F ¼ pa
4 2.2 Arbeit am geschlossenen System 53 2 B 2. Volumenänderungsarbeit Oben eingesetzt ergibt sich dw ¼ pads Das Produkt A ds stellt die Volumenänderung dv dar. ¼ pdv Wir legen eine quasistatische Zustandsänderung zugrunde und vernachlässigen damit kleine Irreversibilitäten im Inneren. Dann ist dwv rev ¼ dw v, integriert: dw rev v W v2 ¼ Ð2 p dv geschlossenes System (Gl 2.) Neben den inneren Irreversibilitäten können von außen verursachte Dissipationseffekte auftreten. Wir definieren als Volumenänderungsarbeit W v2 (sprich: w v eins zwei) die einem geschlossenen System reversibel über die Systemgrenze zu- oder abgeführte Arbeit. Die Systemgrenze kann adiabat oder nichtadiabat sein. Das Vorzeichen der Volumenänderungsarbeit W v2 ist aufgrund des oben gemachten Ansatzes bei zugeführter Arbeit positiv, da Ð2 p dv bei Volumenverringerung negativ wird. Wird die Volumenänderungsarbeit vom System an die Umgebung abgegeben, so sind die Zustandspunkte und 2 gegenüber der Darstellung in B 2. b vertauscht, wodurch Ð2 p dv positiv und damit die Arbeit W v2 negativ werden. Diese Regel, nach der zugeführte Energie positiv, abgeführte Energie negativ ist, gilt für alle Energiearten. Der Betrag der Volumenänderungsarbeit hängt von dem Wert des Integrals Ð2 p dv ab. Zur Durchführung der Integration muss ein formelmäßiger Zusammenhang zwischen p und V, d. h. der Verlauf der Zustandsänderung, bekannt sein. Die Volumenänderungsarbeit ist demnach vom Verlauf der Zustandsänderung abhängig, sie ist eine Prozess-
5 54 2 Erster Hauptsatz der Thermodynamik größe, keine Zustandsgröße. Das Produkt p dv kann im p,v-diagramm durch den schraffierten Flächenstreifen grafisch dargestellt werden (B 2. b). Das Integral über p dv und damit die gesamte Volumenänderungsarbeit sind durch die Fläche unter der Zustandsänderung zur V-Achse darstellbar. Bezogen auf die Masse ergibt sich die spezifische Volumenänderungsarbeit w v2 ¼ W v2 m ¼ Ð2 p dv Dissipationsenergie. Durch Reibung und andere Vorgänge wird Energie entwertet, wir bezeichnen sie als Dissipationsenergie oder Dissipationsarbeit W diss 2. Den größten Anteil an der Dissipation hat die Reibungsarbeit W r2. Oft wird daher auch nur von Reibungsarbeit gesprochen, wobei sonstige dissipative Effekte vernachlässigt bzw. im Begriff Reibungsarbeit berücksichtigt sind. ) Die gesamte am geschlossenen System verrichtete Arbeit W g2 kann somit aus Volumenänderungsarbeit und Dissipationsenergie (z. B. nach B 2.4 b) bestehen. W g2 ¼ W v2 þ W diss 2 geschlossenes System (Gl 2.2) W g2 ¼ Ð2 p dv þ W diss 2 geschlossenes System (Gl 2.3) Die Dissipationsenergie kann dem System nur zugeführt werden, sie ist somit immer positiv. B 2.2 Zustandsänderung und Volumenänderungsarbeit mit und ohne Dissipation bei adiabatem, geschlossenem System ) Wir verstehen unter dem Begriff Reibungsarbeit immer dissipierte Energie. Das ist z. B. bei reibungsbehafteten Strömungsprozessen zu beachten. Bei ihnen erzeugen Schubspannungen, die die Verformung und Bewegung verursachen, Reibung. Es wird aber nur derjenige Anteil der Arbeit dissipiert, der die Verformung bewirkt (Näheres s. z. B. [6]). Im älteren Schrifttum findet man auch die Bezeichnung Reibungswärme statt Reibungsarbeit, da Reibungsarbeit wie zugeführte Wärme wirkt.
6 2.2 Arbeit am geschlossenen System 55 Auf die Masse m bezogen ergeben sich die spezifischen Arbeiten: w g2 ¼ w v2 þ w diss 2 ¼ Ð2 p dv þ w diss 2 2 Bei Kompression oder Expansion auftretende Dissipation kann den Verlauf der Zustandsänderung und damit auch die Volumenänderungsarbeit W v2 beeinflussen. So wird z. B. bei adiabater Systemgrenze infolge von Dissipation der Enddruck bei gleicher Volumenänderung größer, sodass auch der Betrag des Integrals Ð2 p dv und damit die Volumenänderungsarbeit größer werden (B 2.2). Nutzarbeit an der Kolbenstange. Die Volumenänderungsarbeit wird zwischen dem System und dem Kolben (B 2.) übertragen. Wird durch die Volumenänderung auch das Volumen einer unter konstantem Druck befindlichen Umgebung (z. B. auf der Erde) geändert, so ist die Verschiebearbeit W u2 zu berücksichtigen. W u2 ¼ p b ðv 2 V Þ (Gl 2.4) Die Volumenänderungsarbeit W v2 teilt sich auf diese Verschiebearbeit und die an der Kolbenstange übertragenen Nutzarbeit W n2 auf (B 2.3): W v2 ¼ W u2 þ W n2 B 2.3 Nutzarbeit an der Kolbenstange W n2 und Verschiebearbeit W u2 am geschlossenen System Die Nutzarbeit an der Kolbenstange ist: W n2 ¼ W v2 W u2 geschlossenes System (Gl 2.5) W n2 ¼ Ð2 p dv þ p b ðv 2 V Þ W n2 ¼ Ð2 ðp p b Þ dv geschlossenes System (Gl 2.6) In W n2 ist äußere Irreversibilität nicht berücksichtigt. Diese wird durch den mechanischen Wirkungsgrad erfasst, den wir bei den Maschinen einführen (z. B. Abschn und 4.5.2).
7 56 2 Erster Hauptsatz der Thermodynamik 2.3 Innere Energie Wir führen einem adiabat eingeschlossenen Gas Volumenänderungsarbeit W v2 zu (B 2.4 a). Da Energie nicht verloren gehen kann, muss die als Volumenänderungsarbeit zugeführte Energie im Gas gespeichert werden. Eine gleich große Energie wird einem ähnlichen System (B 2.4 b) durch einen Rührer zugeführt (Wellenarbeit W w2 ). ) Dieser Vorgang ist irreversibel, die Arbeit dissipiert im System, es handelt sich um Dissipationsenergie W diss 2. Dann wird die gleiche Energie wie vorher im Gas gespeichert, da vom System keinerlei Energie an die Umgebung abgegeben wird. Die in einem System gespeicherte Energie nennen wir innere Energie U. Wird einem adiabaten, geschlossenen System Arbeit zugeführt, so muss die innere Energie steigen: Ð 2 B 2.4 Arbeitszufuhr an ein adiabates, geschlossenes System dw g ¼ Ð2 du W g2 ¼ U 2 U adiabates, geschlossenes System (Gl 2.7) Wir erkennen: Es tritt trotz verschiedener Arten von zugeführter Arbeit die gleiche Erhöhung der inneren Energie des Systems ein. Auch bei Verteilung der Arbeit auf gleichzeitig auftretende Kompression und Dissipation würde die Erhöhung der inneren Energie gleich groß sein. Wir folgern daraus: Die einem adiabaten, geschlossenen System zugeführte Arbeit erhöht die innere Energie U des Systems. Da diese Erhöhung nur von dem Betrag, nicht von der Art der Arbeit abhängt, ist die innere Energie eine Zustandsgröße. Sie gehört zur Gruppe der kalorischen Zustandsgrößen. Die innere Energie U stellt den Energievorrat eines Systems dar. 2) Bezogen auf die Masse ergibt sich die spezifische innere Energie u ¼ U und die spezifische Arbeit m w g2 ¼ W g2 m ¼ u 2 u adiabates, geschlossenes System Der absolute Wert der inneren Energie ist hoch, er umfasst z. B. auch die in den Elektronen und Atomkernen gespeicherte Energie. Dieser Wert ist für technische Berech- ) Definition s. Gl Die Dissipation von Wellenarbeit ist natürlich nicht sinnvoll. Sie wird hier lediglich zur Veranschaulichung der Begriffe herangezogen. 2) Ferner gehören potenzielle und kinetische Energie zur Energie eines Systems. Wir beschränken unsere Betrachtungen aber auf ruhende Systeme, in denen sich kinetische und potenzielle Energie nicht ändern.
8 2.3 Innere Energie 57 nungen bedeutungslos, es genügt daher, mit Energiedifferenzen zu rechnen oder einen Nullpunkt zu vereinbaren. Höhere innere Energie wirkt sich als vergrößerte kinetische und potenzielle Energie der Moleküle des Systems aus. Gehen in dem untersuchten System chemische Umwandlungen vor sich, so ist die chemisch gebundene Energie als Teil der inneren Energie zu berücksichtigen. 2 Beispiel 2.: In einem adiabaten Zylinder von 500 l (B 2.5) befindet sich ein Gas, dessen Druck durch einen konstant belasteten Kolben auf 200 kpa (abs.) gehalten wird. Dem Gas wird durch Wellenarbeit die Dissipationsenergie W diss 2 ¼ 0,2 kw h zugeführt, wobei sich die Temperatur von 8 C auf 600 C erhöht. Der Umgebungsdruck beträgt 98 kpa. Die Volumenänderung soll quasistatisch verlaufen. Für die Berechnung der Volumenvergrößerung soll näherungsweise ideales Gas zugrunde gelegt werden. a) Wie groß ist die abgeführte Volumenänderungsarbeit? b) Um welchen Wert ändert sich die innere Energie des Systems? c) Wie groß ist die an die Umgebung abgegebene Verschiebearbeit? d) Wie groß ist die an die Kolbenstange abgegebene Nutzarbeit? Lösung: Zu a): Volumenänderungsarbeit (Gl 2.) bei konstantem Druck: W v2 ¼ Ð2 p dv ¼ p ðv 2 V Þ Hierin V 2 (Gl.8): V 2 ¼ V T 2 T ¼ 500 l 873,5 K 29,5 K ¼ 500 l W v2 ¼ Pa W v2 ¼ 200 kj N Pa m 2 ð Þ l m 3 kj 0 3 l 0 3 Nm ðneg:; d: h: abgeführtþ B 2.5 Zufuhr von Dissipationsenergie an ein adiabates, geschlossenes System Zu b): Für adiabate Systeme gilt Gl 2.7, in die wir Gl 2.2 einführen: U 2 U ¼ W g2 ¼ W v2 þ W diss 2 ¼ 200 kj þ 0,2 kw h 3,6 0 3 U 2 U ¼ þ520 kj Zu c): Verschiebearbeit (Gl 2.4) W u2 ¼ p b ðv 2 V Þ W u2 ¼ Pa W u2 ¼ 98 kj ðpos:,d: h:; die innere Energie steigtþ N Pa m 2 ð Þ l m 3 kj 0 3 l 0 3 Nm ðneg:,d: h: abgeführtþ Zu d): Nutzarbeit an der Kolbenstange (Gl 2.5): W n2 ¼ W v2 W u2 ¼ 200 kj ð 98 kjþ W n2 ¼ 02 kj ðneg:,d: h: abgeführtþ kj kw h
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