Hände waschen, Leben retten
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- Harald Holtzer
- vor 7 Jahren
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1 so. HYGIENE fotolia Jahr für Jahr Todesfälle in Zusammenhang mit Krankenhauskeimen: Das muss nicht sein. Konsequentere Hygiene und besser geschultes Personal könnten das Gros lebensbedrohlicher Infektionen mit multiresistentenkeimen verhindern, meint Hygienefacharzt Prof. Franz-Christoph Bange. VON DANIEL BEHRENDT
2 v V v v v v v v Etwa eine Million der 18 Millionen in Krankenhäusern behandelten Patienten ziehen sich jährlich eine Krankenhausinfektion zu. Rund Menschen sterben daran. Wie kommt es zu derart erschreckenden Zahlen? Vor allem in Risikobereichen wie etwa den Intensivstationen kommen Krankenhausinfektionen häufiger vor. Ein Teil dieser Infektionen werden durch multiresistente Erreger verursacht, deren Bekämpfung uns vor besondere Herausforderungen stellt. Einige dieser Keime sprechen immerhin noch auf wenige Antibiotika an, andere sind gegen alle üblicherweise verwendeten Antibiotika resistent. Schließlich gibt es eine Gruppen von Bakterien, bei denen selbst Reserveantibiotika unwirksam sind. Die Zahl dieser besonders gefürchteten Bakterien hat in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen. Seit wann besteht das Problem resistenter Keime und: Wie konnte es ein derart bedrohliches Ausmaß annehmen? Überall, wo Antibiotika zum Einsatz kommen, entwickeln sich seit jeher resistente Keime. Schon 1940, unmittelbar nach der Einführung des Penicillins, tauchten Bakterien auf, die resistent gegen den Wirkstoff waren. Seit 1960 werden die Gründe für diese Resistenzentwicklung untersucht. In den Jahren zwischen 1960 und 1990 Prof. Dr. Franz-Christoph Bange ist Leiter der Hygiene an der Medizinischen Hochschule Hannover
3 v v V v v v v v hat man konsequent neue Antibiotika entwickelt. So standen mit zunehmender Resistenz der Keime auch stets wirksame Antibiotika zur Verfügung. In den vergangenen 20 Jahren wurde die Entwicklung neuer Wirkstoffe allerdings vernachlässigt, während sich die Keime weiter anpassen konnten. Dieser Vorsprung der Bakterien hat zu der kritischen Situation geführt, die wir heute haben. Welche Bakterienarten sind von Resistenzen am stärksten betroffen, aus welchen Erkrankungen erwächst ein besonders hohes Risiko? Die größten Sorgen bereiten uns die Bakterien, die in unserem Darm, auf unserer Haut oder in unserer Mundhöhle und Nase leben. Die Erreger sind gut an den Menschen angepasst. Unter normalen Umständen werden sie uns nicht gefährlich selbst wenn sie resistent sind. Gelangen sie jedoch in unser Blut oder die inneren Organe, verursachen sie schlimmstenfalls lebensbedrohliche Infektionen. Das kann etwa nach Operationen geschehen oder wenn die Betroffenen durch eine schwere Krankheit geschwächt sind. Sprechen die Erreger nicht auf Antibiotika an, wird die Behandlung langwierig, es besteht zudem ein erhöhtes Risiko, dass der Patient an der Infektion stirbt. Ein Vertreter jener Bakterien, der besonders häufig Resistenzen zeigen, ist Staphylococcus aureus. Wird er mul-
4 v v v V v v v v tiresistent, nennt man ihn MRSA. MRSA hat sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem weit verbreiteten Problem entwickelt. Die Ausbreitung dieser Erreger konnte in den letzten Jahren immerhin gebremst werden. Doch es lauert schon die nächste Gefahr: resistente Darmbakterien wie Klebsiellen. Die Zahl der Krankenhausinfektionen mit dieser Gruppe von Bakterien nimmt zu. Gegen manche dieser Erreger wirken selbst die meisten Reserveantibiotika nicht. Müssen wir fürchten, dass unser Schwert im Kampf gegen bakterielle Infekte bald derart stumpf wird, dass hierzulande Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und Typhus wieder ein Thema werden und womöglich seuchenartige Ausmaße erreichen? Zumindest nicht in Bezug auf die von Ihnen genannten Erkrankungen. Tuberkulose oder auch Typhus sind weltweit verbreitet. Während die Tuberkulose global betrachtet zu den am häufigsten zum Tod führenden Infektionskrankheiten gehört, spielt sie hierzulande mit jährlich rund 4000 Fällen eine untergeordnete Rolle. Zudem bekommen wir diese Erkrankungen meist in den Griff, wenn ihre Therapie durch eine zunehmende Entwicklung multiresistenter Tuberkuloseerreger auch anspruchsvoll ist. In zehn Prozent der Fälle liegt eine Resistenz der Tuberkulose-Erreger gegen ein Anti-» Der Vorsprung der Bakterien hat zu der kritischen Situation geführt, die wir heute haben.
5 v v v v V v v v biotikum vor, in rund zwei Prozent eine Resistenz gegen mehrere Präparate. Die Therapie einer Erkrankung mit einem sensiblen, also antibiotisch gut behandelbarem Stamm dauert mit sechs Monaten schon ungewöhnlich lange. Ein Patient mit einem multiresistenten Stamm muss hingegen sogar bis zu zwei Jahre lang behandelt werden. Was kann getan werden, um den falschen oder gänzlich unnützen Einsatz von Antibiotika zu verhindern? Das ist eine Schlüsselfrage. Grundsätzlich gilt, dass Antibiotika bei Viruserkrankungen unwirksam sind also etwa bei den meisten Erkältungskrankheiten, gegen die leider viel zu oft auf Verdacht Breitspektrumantibiotika verschrieben werden. Bei bakteriellen Infektionen ist eine schnelle Diagnose wichtig, um in einer frühen Phase der Erkrankung erregerspezifische Antibiotika geben zu können, also Medikamente, die punktgenau gegen die betreffenden Bakterien wirken. Eine weitere Maßnahme um den unnützen Gebrauch von Antibiotika besser zu erkennen, ist eine systematische und flächendeckende Erfassung ihres Verbrauchs in Kliniken und Praxen. Welche Rolle kommt der Hygiene in Zeiten multiresistenter Keime zu?
6 v v v v v V v v Die Hygiene spielt eine entscheidende Rolle, um eine Übertragung multiresistenter Erreger zu verhindern und kann so, da wir mögliche Infekte durch gezielte Maßnahmen buchstäblich im Keim ersticken, wesentlich zur Antibiotikaeinsparung beitragen. Hygienemaßnahmen sind beispielsweise die getrennte Unterbringung von Patienten mit multiresistenten Erregern, die konsequente Händehygiene und eine möglichst frühzeitige Diagnostik, um potentielle Überträger zu identifizieren. Durch die tägliche Erfassung multiresistenter Erreger wissen wir, dass etwa zwei Drittel der Betroffenen sich die Keime nicht erst im Krankenhaus zuziehen, sondern sie schon von Zuhause mitbringen. Wir können das ganz einfach feststellen, indem wir schauen, wie lange der Patient zum Zeitpunkt der Diagnose bei uns war. Sofern es weniger als 48 Stunden sind, ist davon auszugehen, dass der Patient den Keim schon vor seiner Aufnahme in sich trug.» Gegen manchen multiresisitenten Keim wirken selbst viele der Reserveantibiotika nicht mehr. Wie ernst wird die Hygiene in deutschen Krankenhäusern genommen? Da gibt es noch einiges zu tun. Ein großes Problem ist der Mangel an Fachärztinnen und Fachärzten für die Krankenhaushygiene, hierzulande gibt es nur etwa 300 Kollegen. Auch Hygienefachkräfte, die sich häufig aus den Pflegekräften rekrutieren und nach einer
7 v v v v v v V v zusätzlichen zweijährigen Ausbildung einen Abschluss zur staatlich anerkannten Pflegefachkraft für Hygiene bekommen, fehlen. Es besteht also die Notwendigkeit, Personal für die Weiterbildung freizustellen, aber auch, Politik und Öffentlichkeit stärker für die Relevanz unserer lange vernachlässigten Disziplin in Zeiten multiresistenter Keime zu sensibilisieren. Eine besondere Rolle in der Krankenhaushygiene kommt der Desinfektion der Hände zu, wie etwa die groß angelegte Aktion Saubere Hände zeigt. Was bedeutet fachgerechte Händedesinfektion eigentlich? Zunächst ist wichtig, dass sich Ärzte und Pfleger vor wirklich jeder infektionsrelevanten Tätigkeit die Hände desinfizieren. Auf einer Intensivstation mit häufigem Kontakt zu schwer kranken Patienten sind das täglich ohne Weiteres einige Dutzend Mal. Zudem müssen die Hände mindestens 30 Sekunden lang vollständig von einem geeigneten Desinfektionsmittel benetzt sein. Rechnet man die Dauer und die Häufigkeit der einzelnen Desinfektionsvorgänge zusammen, entsteht über den Tag ein nicht unerheblicher Zeitaufwand. Angesichts des stressigen, verdichteten Krankenhausalltags gehört viel Disziplin dazu, die Händedesinfektion in erforderlicher Gründlichkeit einzuhalten. Umso wichtiger ist es, dass die Aktion
8 v v v v v v v V Saubere Hände an ihr nimmt etwa die Hälfte aller Krankenhäuser in Deutschland teil die Handhygiene immer wieder ins Bewusstsein ruft. Das Gesundheitssystem steht unter stetig wachsendem Kostendruck, zudem steigt die Arbeitsverdichtung bei Ärzten und Pflegern. Sind das nicht denkbar schlechte Vorzeichen, um die Standards bei der Krankenhaushygiene auf das erforderliche Niveau zu heben? Ein Grund für Krankenhausinfektionen kann Personalmangel sein. Eine Station, auf der mehrere Patienten mit hochresistenten Erregern behandelt und gepflegt werden müssen, benötigt ein Team, das nicht zugleich andere Patienten betreuen sollte. Solche Standards umzusetzen, ist selbst bei einer bereits für den Normalbetrieb maximal ausgelasteten Personaldecke eine kaum zu stemmende Herausforderung. N» Viele Ärzte verschreiben Antibiotika auf Verdacht selbst bei Virusinfektionen.
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